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Soldatenrecht; Übergangsgebührnisse; Anrechnung von Erwerbseinkommen aus privatwirtschaftlicher Tätigkeit; Übergangsvorschrift; Vertrauensschutz; Betätigung des Vertrauens; Rücknahme; Widerruf; Dauerverwaltungsakt; mit Wirkung für die Vergangenheit; mit Wirkung für die Zukunft; Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von Rechtswidrigkeit; Ermessen; intendiertes Ermessen; Ermessenreduzierung "auf Null"; gesetzesimmanenter Vorbehalt einer späteren Änderung der tatsächlichen Verhältnisse bei Versorgungsbezügen; Teilstattgabe


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 26.10.2011
Aktenzeichen OVG 6 B 8.09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 113 Abs 1 S 1 VwGO, § 39 Abs 1 S 3 VwVfG, § 48 VwVfG, § 49 Abs 3 Nr 3 VwVfG, § 49 Abs 3 Nr 4 VwVfG, § 5 Abs 9 SVG, § 11 Abs 3 S 4 SVG, § 49 Abs 2 SVG, § 53 Abs 6 SVG, § 98 Abs 1 S 1 SVG, § 98 Abs 1 S 4 SVG, § 818 Abs 4 BGB, § 820 Abs 1 S 2 BGB

Leitsatz

1. Die Aufhebung sog. Dauerverwaltungsakte, die rechtmäßig erlassen, aber später aufgrund veränderter Umstände rechtswidrig geworden sind, richtet sich nach § 48 VwVfG.

2. Bei Inkrafttreten des Gesetzes "vorhandener Versorgungsempfänger" im Sinne des § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG ist nur, wer bereits am Tag vor dem Inkrafttreten Anspruch auf Versorgung hatte. Es genügt nicht, zeitgleich mit dem Inkrafttreten Versorgungsempfänger geworden zu sein.

3. Es spricht viel dafür, dass § 98 Abs. 1 Satz 4 SVG nur auf Personen Anwendung findet, die "vorhandene Versorgungsempfänger" im Sinne des § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG sind. Unbeschadet dessen setzt die Vorschrift voraus, dass die darin in Bezug genommene Erwerbstätigkeit bereits am Tag vor dem Inkrafttreten des Gesetzes wahrgenommen wurde.

4. Bei der Rücknahme eines Versorgungsbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit scheidet die Annahme sog. intendierten Ermessens regelmäßig aus, wenn kein Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 und 4 VwVfG vorliegt.

5. Bei der Rücknahme eines Versorgungsbescheides mit Wirkung für die Zukunft ist regelmäßig von sog. intendiertem Ermessen auszugehen, weil die hierfür erforderliche Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des zurückgenommenen Bescheides durch den Rücknahmebescheid vermittelt wird.

6. Der bei Versorgungsbezügen geltende gesetzesimmanente Vorbehalt einer späteren Änderung der tatsächlichen Verhältnisse bezieht sich auf Fälle, in denen der Behörde das Einkommen des Versorgungsempfängers unbekannt war oder sich dieses oder die Versorgung nachträglich ändert. Er gilt dagegen nicht, wenn die Verwaltungsbehörde die Versorgungsbezüge fehlerhaft festgesetzt hat, weil sie eine für die Berechnung der Versorgungsbezüge maßgebende Vorschrift nicht richtig angewendet oder übersehen hat (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 25. November 2005 - 6 C 37/83 -, NVwZ 1986, S. 745 f., Rn. 20 ff. bei juris; entgegen OVG Magdeburg, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 1 L 2.08 -).

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. März 2009 wird unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im Übrigen geändert. Der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 9. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 18. Januar 2007 wird aufgehoben, soweit er den Zeitraum vom 1. Juni 2005 bis zum 31. August 2006 betrifft. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Beklagte zu 3/5 und der Kläger zu 2/5.

Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweils andere Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger war vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Mai 2005 Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr, zuletzt im Dienstgrad eines Hauptmanns (Besoldungsgruppe A 11). Die Wehrbereichsverwaltung Süd bewilligte ihm mit Bescheid vom 24. April 2005 für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis zum 31. Mai 2007 Übergangsgebührnisse in Höhe von 75 vom Hundert seiner letzten Dienstbezüge.

Nachdem der Kläger auf entsprechende Aufforderung der Beklagten mitgeteilt hatte, dass er am 7. Februar 2005 einen Anstellungsvertrag mit einer privaten GmbH geschlossen habe, bei der er vereinbarungsgemäß am 1. Juni 2005 seine mit 3.900 Euro brutto monatlich vergütete Tätigkeit aufgenommen habe, setzte die Wehrbereichsverwaltung Süd mit Änderungsbescheid vom 9. August 2006 die dem Kläger zustehenden Übergangsgebührnisse für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis zum 31. Mai 2007 erneut fest und verminderte sie auf lediglich 60 vom Hundert der letzten Dienstbezüge. Zugleich teilte sie mit, dass die in der Zeit vom 1. Juni 2005 bis zum 31. August 2006 überzahlten Übergangsgebührnisse in Höhe von insgesamt 6.495,30 Euro ab dem 1. September 2006 bis 31. Mai 2007 in Monatsteilbeträgen in Höhe von 721,70 Euro mit den noch zu zahlenden Übergangsgebührnissen verrechnet würden. Zur Begründung führte die Behörde aus: Am 1. Juni 2005 sei das Gesetz zur Fortentwicklung der soldatenversorgungsrechtlichen Berufsförderung (Berufsförderungsfortentwicklungsgesetz - BfFEntwG -) in Kraft getreten. Dieses Gesetz habe eine Minderungsvorschrift für Übergangsgebührnisse eingeführt. Der jeweilige Bemessungssatz vermindere sich um 15 vom Hundert, wenn und solange der Berechtigte während des Bezugszeitraums Erwerbseinkommen, das kein Einkommen aus einer Verwaltung im öffentlichen Dienst sei erziele, das höher sei als der Betrag dieser Verminderung. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 18. Januar 2007 zurück.

Am 19. Februar 2007 erhob der Kläger Klage, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26. März 2009 abgewiesen hat. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Der Bescheid vom 24. April 2005 sei durch den Änderungsbescheid vom 9. August 2006 konkludent zurückgenommen worden. Die Rechtmäßigkeit der Rücknahme richte sich nach § 48 VwVfG, dessen Voraussetzungen vorlägen. Der zunächst rechtmäßig erlassene Bewilligungsbescheid vom 24. April 2005 sei mit Inkrafttreten des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes am 1. Juni 2005 rechtswidrig geworden. Dem Kläger hätten ab diesem Zeitpunkt nur noch Übergangsgebührnisse in Höhe von 60 vom Hundert seiner letzten Dienstbezüge zugestanden. Die Übergangsvorschrift des § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG, wonach sich die Rechtsverhältnisse der bei Inkrafttreten des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes vorhandenen Versorgungsempfänger nach bisherigem Recht regelten, wenn dies für den Versorgungsempfänger günstiger sei, finde auf den Kläger keine Anwendung. Er könne sich auch nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen. Es sei nicht ersichtlich, dass er die zuviel erhaltenen Versorgungsbezüge verbraucht habe. Die Rückforderung sei ebenfalls rechtmäßig. Der Kläger habe auch nicht die Einrede der Entreicherung erhoben. Die Beklagte habe die Rückzahlung der zu viel gezahlten Übergangsgebührnisse im Wege der Aufrechnung gegenüber dem Kläger geltend machen dürfen. Den Anforderungen der Billigkeitsvorschrift des § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG habe die Beklagte durch die im Änderungsbescheid vom 9. August 2006 vorgesehene ratenweise monatliche Verrechnung genügt.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung, zu deren Begründung er geltend macht: Die Auslegung der Übergangsvorschrift in § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG durch das Verwaltungsgericht sei unzutreffend. Er sei zeitgleich mit dem Inkrafttreten des § 98 SVG vorhandener Versorgungsempfänger gewesen. Zudem habe er die Erwerbstätigkeit, deren Einkommen teilweise angerechnet werde, nicht erst wie von § 98 Abs. 1 Satz 4 SVG vorausgesetzt, nach dem Inkrafttreten des Gesetzes begonnen, sondern zeitgleich mit Inkrafttreten des Gesetzes. Durch die Nichtanwendung des § 98 SVG werde der Vertrauenstatbestand, auf den er sich berufe, in einem Maße reduziert, das nicht hinnehmbar sei. Er habe aufgrund des Bescheides vom 24. April 2005 darauf vertrauen dürfen, dass er ab dem 1. Juni 2005 unvermindert Übergangsgebührnisse in Höhe von 75 Prozent der letzten Dienstbezüge erhalten würde. Der Verwaltung sei die Absicht des Gesetzgebers bekannt gewesen, weitere Minderungstatbestände zu schaffen. Es wäre ein Leichtes gewesen, ihn in dem Bewilligungsbescheid vom 24. April 2005 - vorsorglich - darauf hinzuweisen, dass er wegen einer geplanten Gesetzesänderung gegebenenfalls Minderungen seines Anspruches würde hinnehmen müssen, zumal der entsprechende Gesetzentwurf der Bundesregierung bereits vom 5. November 2004 stamme. Entsprechende Hinweise enthalte der Bescheid vom 24. April 2005 jedoch nicht. Demgemäß sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, der ihn bei der weiteren wirtschaftlichen Planung davon habe ausgehen lassen, dass er in der Zeit vom 1. Juni 2005 bis 31. Mai 2007 Übergangsgebührnisse in der ursprünglichen Höhe erhalten würde. Hinzu komme, dass er den Eingang der Versorgungsbezüge für den Monat Juni 2005 auf seinem Konto bereits am 31. Mai 2005 habe feststellen können. Er sei daher genauso schutzbedürftig wie derjenige ehemalige Soldat, der den Status des Versorgungsempfängers am 31. Mai 2005 bereits erreicht gehabt habe. Darüber hinaus habe es der Gesetzgeber sehenden Auges versäumt, das Inkrafttreten des Gesetzes in einer Form zu steuern, die Zweifel über die Auslegung gar nicht erst hätte aufkommen lassen. Der Gesetzgeber hätte beispielsweise das Inkrafttreten des Gesetzes wie folgt formulieren können: „Dieses Gesetz tritt am letzten Tag des Monats der Verkündung in Kraft“ oder „Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.“ Dieses Versäumnis des Gesetzgebers könne nicht zu seinen Lasten gehen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. März 2009 zu ändern und den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 9. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 18. Januar 2007 aufzuheben, ferner, die Hinzuziehung seines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer bisherigen Auffassung fest und macht weiter geltend, Übergangsgebührnisse stünden unter dem Vorbehalt einer möglichen gesetzlichen Änderung. Der Kläger müsse spätestens Ende Juni 2006 ein Merkblatt erhalten haben, in dem er auf die Änderungen der Gesetzeslage hingewiesen worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid, der zum einen die Neufestsetzung der Übergangsgebührnisse für die Vergangenheit und für die Zukunft sowie zum anderen die Rückforderung der infolge der Neufestsetzung für die Vergangenheit entstandenen Überzahlungen im Wege der Aufrechnung zum Gegenstand hat, ist überwiegend rechtswidrig und verletzt insoweit den Kläger in seinen Rechten; der Bescheid und der Widerspruchsbescheid sind entsprechend aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Neufestsetzung der Übergangsgebührnisse durch den Änderungsbescheid vom 9. August 2006 für den Zeitraum 1. Juni 2005 bis 31. Mai 2007 setzt eine Aufhebung des dem anderenfalls entgegenstehenden Bescheides vom 24. April 2005 voraus. Dieser Bescheid bildet den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Übergangsgebührnisse. Aus § 49 Abs. 2 des Soldatenversorgungsgesetzes - SVG - folgt nichts anderes. Danach richtet sich die Rückforderung zu viel gezahlter Versorgungsbezüge nach den bereicherungsrechtlichen Vorschriften des BGB. Die Rückforderung nach dieser Vorschrift setzt die Rechtsgrundlosigkeit der Zahlung voraus, die bei Gewährung einer Leistung durch Bescheid erst dann angenommen werden kann, wenn der Bescheid aufgehoben wurde.

a) Das Verwaltungsgericht geht daher im Ausgangspunkt zu Recht davon aus, dass mit dem Änderungsbescheid vom 9. August 2006 der frühere Bewilligungsbescheid vom 24. April 2005 zurückgenommen wurde. Das wird in dem Bescheid vom 9. August 2006 zwar nicht ausdrücklich festgestellt, allerdings ist diese Rücknahme - wie das Verwaltungsgericht zutreffend annimmt - zumindest konkludent erfolgt. Das legt bereits die Bezeichnung des Bescheides als „Änderungsbescheid“ nahe. Zudem wird es deutlich aus dem Umstand, dass die Höhe der Übergangsgebührnisse für den Zeitraum ab 1. Juni 2005 und damit für die Vergangenheit neu festgesetzt und zur Begründung auf die ab diesem Zeitpunkt gegenüber der im Bescheid vom 24. April 2005 zu Grunde gelegten geänderten Rechtslage verwiesen wurde.

b) In Ermangelung einer spezialgesetzlichen Regelung im Soldatenversorgungsgesetz ist Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bescheides vom 24. April 2005 § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG -.

aa) Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Satz 2 der Norm darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen vor.

(1) Der Festsetzungsbescheid vom 24. April 2005 ist - soweit er aufgehoben wurde - rechtswidrig. Zwar war er bei seinem Erlass noch rechtmäßig, er ist aber mit Inkrafttreten des den Bemessungssatz der Übergangsgebührnisse durch Änderung des SVG vermindernden Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes am 1. Juni 2005 rechtswidrig geworden und damit seit diesem Zeitpunkt dem Grunde nach rücknehmbar.

(a) § 48 VwVfG gilt zwar im Grundsatz nur für solche Verwaltungsakte, die von Anfang an, also bereits bei ihrem Erlass, rechtswidrig waren und nicht für solche, die erst später rechtswidrig werden; für letztere ist vielmehr § 49 Abs. 3 Nr. 3 und 4 VwVfG einschlägig. Eine Ausnahme gilt jedoch für sog. Dauerverwaltungsakte. Sie weisen die Besonderheit auf, dass die Verwirklichung des ihnen zugrunde liegenden Sachverhalts nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern während eines bestimmten Zeitraums eintritt. Infolgedessen liegt im Falle einer während dieses Zeitraums eintretenden Rechtsänderung die Verwirklichung des Sachverhalts teilweise noch vor der Rechtsänderung und teilweise erst nach der Rechtsänderung. Dieser Umstand macht es erforderlich, bei der Beurteilung, welche rechtlichen Wirkungen sich aus dem Sachverhalt ergeben, zwischen dem Zeitraum bis zur Rechtsänderung und dem Zeitraum seit der Rechtsänderung zu unterscheiden. Dies gilt entsprechend auch für die rechtliche Beurteilung eines angefochtenen Verwaltungsakts. Soweit dieser Verwaltungsakt hinsichtlich der Verwirklichung des Sachverhalts in der Zeit nach der Rechtsänderung solche rechtlichen Wirkungen bestimmt, die sich aus der geänderten Rechtslage nicht mehr ergeben, ist er mit Wirkung von der Rechtsänderung an als rechtswidrig anzusehen (BVerwG, Urteil vom 29. November 1979 - 3 C 103.79 -, BVerwGE 59, 148, 160, Rn. 78 bei juris, Urteil vom 16. Juli 2009 - 2 C 44.08 -, Rn. 15 bei juris, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 2 C 13.03 -, NVwZ-RR 2005, S. 341 f., Rn. 14 ff. bei juris; VGH Mannheim, Urteil vom 24. September 2009 - 8 S 641/01 -, NVwZ-RR 2002, S. 621 ff.,k Rn. 38 bei juris; OVG Münster, Urteil vom 26. August 1987 - 6 A 1910/84 -, NVwZ-RR 1988, S. 1 f.). So ist es hier. Der Bescheid vom 24. April 2005 regelt die Bewilligung der Übergangsgebührnisse als wiederkehrende Leistungen für einen bestimmten Zeitraum. Er ist damit ein sog. Dauerverwaltungsakt.

(b) Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Übergangsgebührnisse ist § 11 SVG. Nach § 11 Abs. 1 SVG erhalten Soldaten auf Zeit mit einer Wehrdienstzeit von mindestens vier Jahren Übergangsgebührnisse, wenn ihr Dienstverhältnis wegen Ablaufs der Zeit, für die diese berufen sind, oder wegen Dienstunfähigkeit endet. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger war für knapp 14 Jahre Zeitsoldat. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SVG erhalten Soldaten auf Zeit, deren Förderungsanspruch sich nach § 5 Abs. 9 SVG bestimmt, nach einer Dienstzeit von zwölf und mehr Jahren für zwei Jahre Übergangsgebührnisse. Der Förderungsanspruch des Klägers richtet sich nach § 5 Abs. 9 SVG. Diese Vorschrift ist einschlägig für Soldaten auf Zeit in der Laufbahngruppe der Offiziere, wenn sie im Rahmen ihrer militärischen Ausbildung einen Hochschulabschluss auf Kosten des Bundes erworben haben. Das ist hier der Fall. Der Kläger hat einen Abschluss zum Diplom-Ingenieur im Studiengang Maschinenbau an der Universität der Bundeswehr Hamburg am 1. September 1998 erworben.

(c) Die Höhe der Übergangsgebührnisse bestimmt sich nach § 11 Abs. 3 SVG. Nach Satz 1 der Norm betragen diese 75 vom Hundert der Dienstbezüge des letzten Monats. Nach Satz 4 der Norm vermindert sich der jeweilige Bemessungssatz um 15 vom Hundert der Dienstbezüge des letzten Monats, wenn und solange während des Bezugszeitraums Erwerbseinkommen, das kein Erwerbseinkommen aus einer Verwendung im Sinne des § 53 Abs. 6 (Verwendung im öffentlichen Dienst) ist, oder Einkünfte aufgrund einer Bildungsmaßnahme erzielt werden, die höher sind als der Betrag dieser Verminderung. Diese Voraussetzungen sind hier einschlägig. Der Kläger erzielte im maßgeblichen Zeitraum ab 1. Juni 2005 bis zum 31. Mai 2007 Einkommen in Höhe von 3.900 Euro brutto monatlich, das höher ist als 15 % seiner letzten aktiven Bezüge. Diese hatten insgesamt eine Höhe von lediglich 2.886,78 Euro.

(d) Die Anwendbarkeit des § 11 ist nicht aufgrund der Übergangsregelung in § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG ausgeschlossen. Danach regeln sich die Rechtsverhältnisse der bei Inkrafttreten des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes vorhandenen Versorgungsempfänger nach bisherigem Recht, wenn dies für den Versorgungsempfänger günstiger ist. Die Anrechnungsregelung in § 11 Abs. 3 Satz 4 SVG ist mit Inkrafttreten des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes in das SVG aufgenommen worden. Eine vergleichbare Anrechnungsregelung bestand vor Inkrafttreten am 1. Juni 2005 nicht. Die bis dahin geltende Regelung wäre also für den Kläger günstiger. Die Anwendung des § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG scheitert vorliegend aber daran, dass der Kläger nicht bei dessen Inkrafttreten „vorhandener Versorgungsempfänger“ gewesen ist.

Schon ihrem Wortlaut nach verlangt die Vorschrift, dass man als Versorgungsempfänger „im Zeitpunkt“ des Inkrafttretens „vorhanden“ gewesen sein muss. Das trifft auf den Kläger - wie er schließlich in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt hat - nicht zu. Er ist vielmehr erst „zeitgleich“ mit dem Inkrafttreten zum Versorgungsempfänger geworden. Versorgungsempfänger in diesem Sinne wird ein Soldat erst, wenn ihm Versorgungsansprüche zustehen. Weder der die Übergangsgebührnisse festsetzende Bescheid vom 24. April 2005 hat den Kläger zum Versorgungsempfänger gemacht noch die vorzeitige Überweisung und Gutschrift der Übergangsgebührnisse auf seinem Konto am 31. Mai 2005.

Sinn und Zweck der Vorschrift bestätigen diesen Befund. Die Norm will das Vertrauen der bei Inkrafttreten vorhandenen Versorgungsempfänger in den unveränderten Fortbestand der bisherigen Verhältnisse schützen. Eines solchen Schutzes bedarf der Kläger hier schon deshalb nicht, weil für ihn die vom Gesetzgeber ins Auge gefassten Verhältnisse bei Inkrafttreten des Gesetzes noch gar nicht entstanden waren.

(e) Der Minderung der Übergangsgebührnisse steht auch nicht § 98 Abs. 1 Satz 4 SVG entgegen. Nach dieser Vorschrift werden die Übergangsgebührnisse nach § 11 Abs. 3 Satz 4 SVG erst dann gemindert, wenn die Tätigkeit, aus der das Erwerbseinkommen erzielt wird, nach dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes begonnen wurde.

Es spricht im Hinblick auf den dargelegten Gesetzeszweck viel dafür, dass die Vorschrift nur auf Personen anwendbar ist, die die Voraussetzungen des § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG erfüllen, die also bereits bei Inkrafttreten der Bestimmung Versorgungsempfänger waren. Schon aus diesem Grund dürfte dem Kläger die Berufung auf die Vorschrift verwehrt sein. Diese Frage kann aber letztlich offen bleiben, denn selbst wenn man die Norm als eigenständige Übergangsregelung ansieht, die unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG zu prüfen ist, wäre sie im vorliegenden Fall nicht einschlägig.

Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass die Formulierung in § 98 Abs. 1 Satz 4 SVG - anders als die des Satzes 1 der Norm - ihrem Wortlaut nach eine Interpretation zulässt, wonach eine Aufnahme der Tätigkeit „zeitgleich“ mit dem Inkrafttreten des Gesetzes, wie sie hier in Rede steht, nicht zu einer Kürzung nach § 11 Abs. 3 Satz 4 SVG führen soll. Diese Auslegung stünde jedoch mit der dargelegten Intention des Gesetzgebers nicht in Einklang. Ebenso wie bei § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG steht auch bei Satz 4 der Norm im Vordergrund, Vertrauen in den Fortbestand bereits bestehender Verhältnisse zu schützen. Der maßgebliche Stichtag hierfür ist das Inkrafttreten des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes am 1. Juni 2005. Für schutzwürdig hat der Gesetzgeber bei verständiger Würdigung der Norm nur Umstände angesehen, die bei deren Inkrafttreten bereits bestanden. Daraus folgt, dass eine Minderung der Übergangsgebührnisse nach § 11 Abs. 3 Satz 4 SVG nur dann nach § 98 Abs. 1 Satz 4 SVG ausscheidet, wenn der Betreffende die Tätigkeit, deren Einkünfte angerechnet werden, schon bei Inkrafttreten des Gesetzes ausgeübt hat.

Damit ist auch gewährleistet, dass es - entsprechend den allgemeinen Üblichkeiten in der Gesetzgebung - einen einheitlichen Stichtag bei der Anwendung der Übergangsvorschrift gibt. Nach der Auslegung des Klägers wäre das dagegen nicht der Fall. Danach wäre bei § 98 Abs. 1 Satz 4 nicht - wie bei § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG - das Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Juni 2005, sondern der 2. Juni 2005 maßgeblicher Stichtag. Dass der Gesetzgeber dies beabsichtigt hat, kann ohne entsprechende eindeutige Hinweise nicht angenommen werden.

(f) Soweit der Kläger sich auf Vertrauensschutz beruft, ist dem nicht bei der Auslegung des SVG, sondern im Rahmen der Prüfung des § 48 VwVfG Rechnung zu tragen. Der vom Gesetzgeber des SVG gewährte Vertrauensschutz erschöpft sich in der aus den dargelegten Gründen nicht einschlägigen Regelung des § 98 SVG.

(2) Auch die Voraussetzungen der Absätze 2 bis 4 des § 48 VwVfG stehen einer Rücknahme nicht entgegen.

Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Insoweit ist der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu folgen, wonach der Kläger kein schutzwürdiges Vertrauen geltend machen kann, weil er ein etwaiges Vertrauen in den Bestand des rechtswidrigen Verwaltungsaktes jedenfalls nicht betätigt hat. Denn es ist nicht ersichtlich, dass er die zu Unrecht erhaltenen Geldbeträge verbraucht hat. Auch im Berufungsverfahren ist er dieser Darlegung des Verwaltungsgerichts nicht entgegengetreten. Es ist daher nach wie vor vom Vorhandensein der rechtswidrig erhaltenen Zahlungen und damit von der Nichtbetätigung des Vertrauens auszugehen.

Auch zur Einhaltung der Rücknahmefrist des § 48 Abs. 4 VwVfG überzeugen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts. Es hat in Anlehnung an die Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 19. Dezember 1984 - GrSen 1.84/GrSen 2.84 - angenommen, dass die darin genannte Frist erst zu laufen beginnt, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Es ist vor diesem Hintergrund weiter zutreffend davon ausgegangen, dass der Behörde vorliegend die vollständigen Tatsachen erst mit Eingang des Antwortschreibens des Klägers vom 31. Juli 2006 bekannt waren, so dass der hier streitgegenständliche Änderungsbescheid vom 9. August 2006 in jedem Fall innerhalb der Jahresfrist erging.

bb) Gleichwohl erweist sich der angefochtene Bescheid teilweise als rechtswidrig, denn er lässt jegliche Ausübung von Ermessen vermissen. Weder im Ausgangs- noch im Widerspruchsbescheid finden sich irgendwelche Erwägungen, die den Schluss zuließen, dass die Behörde das ihr in § 48 Abs. 1 VwVfG eingeräumte Ermessen („kann“) erkannt und ausgeübt hätte. Der Bescheid leidet damit an einem Ermessensausfall.

(1) Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 25. Oktober 2011 anführt, sie habe Ermessen ausgeübt, indem sie dem Kläger für die Rückzahlung Ratenzahlungen eingeräumt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Die Ausübung des Rücknahmeermessens setzt eine Auseinandersetzung mit der Frage voraus, „ob“ der Bewilligungsbescheid aufgehoben werden soll. Diese Frage hat sich die Behörde hier erkennbar nicht gestellt. Die ratenweise Verrechnung mit den noch zu zahlenden Übergangsgebührnissen betrifft demgegenüber allein die Frage, „wie“ die Rückabwicklung erfolgen soll. Dementsprechend hat auch das Verwaltungsgericht die festgelegte ratenweise Verrechnung nahvollziehbarerweise als Billigkeitsentscheidung zur Frage der Rückforderung im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG angesehen.

(2) Was die Rücknahme des Bescheides vom 24. April 2005 für die Vergangenheit anbelangt, also für die Zeiträume, die bei Erlass des hier streitigen Bescheides bereits verstrichen waren, führt dieser Ermessensausfall zur Rechtswidrigkeit des Rücknahmebescheides. Denn dieser Ermessensausfall ist insoweit weder behebbar noch aus anderen Gründen irrelevant.

(a) Eine Ermessensausübung war hinsichtlich der Rücknahme für die Vergangenheit nicht überflüssig. Insbesondere lag kein Fall vor, auf den die Grundsätze des sog. intendierten Ermessens Anwendung finden. Sie besagen Folgendes: Ist eine ermessenseinräumende Vorschrift dahin auszulegen, dass sie für den Regelfall von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne ausgeht, so müssen besondere Gründe vorliegen, um eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst. Versteht sich aber das Ergebnis von selbst, so bedarf es insoweit nach § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG auch keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung. Nur dann, wenn der Behörde außergewöhnliche Umstände des Falles bekannt geworden oder erkennbar sind, die eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen, liegt ein rechtsfehlerhafter Gebrauch des Ermessens vor, wenn diese Umstände von der Behörde nicht erwogen worden sind (BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1997 - 3 C 22/96 -, BVerwGE 105, 55, Rn. 14 bei juris m.w.N.).

Solches intendiertes Ermessen ist etwa im Fall des § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG anzunehmen. Danach wird in den Fällen des Satzes 3 der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Nach § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG ist etwaiger Vertrauensschutz eines Begünstigten ausgeschlossen, wenn er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr. 1), den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (Nr. 2) oder die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3). Vorliegend ist jedoch keiner der Fälle des Satzes 3 gegeben. Weder hat der Kläger den Bewilligungsbescheid vom 24. April 2005 durch unlautere Mittel oder Falschangaben erwirkt noch kannte er dessen Rechtswidrigkeit oder war ihm dessen am 1. Juni 2005 eintretende Rechtswidrigkeit infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt. Der Bescheid vom 24. April 2005 enthält keinerlei Hinweise auf die bevorstehende Gesetzesänderung. Es gehört nicht zu den Sorgfaltspflichten eines Versorgungsempfängers, sich über mögliche Gesetzesänderungen zu informieren. Ob insoweit etwas anderes gilt, wenn eine bevorstehende Gesetzesänderung bereits in der Öffentlichkeit diskutiert wird, kann hier auf sich beruhen. Denn die in Rede stehende Gesetzesänderung hat - soweit ersichtlich - keinen nennenswerten Widerhall in der öffentlichen Darstellung gefunden.

Kenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 24. April 2005 oder grob fahrlässige Unkenntnis hierüber ist auch nicht im Hinblick auf den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 16. Februar 2009 anzunehmen. Darin behauptet die Beklagte, der Kläger müsse „ungefähr Ende Juli 2005“ ein Merkblatt erhalten haben, das eine Belehrung über die geänderte Rechtslage zur Anrechnung vom Erwerbseinkommen auf Übergangsgebührnisse enthalten habe. Diese Behauptung lässt sich aus den vorliegenden Akten aber nicht belegen. Weder die Absendung noch der Zugang des Merkblatts beim Kläger noch dessen Inhalt ist in den Akten dokumentiert. Der Vortrag in dem genannten Schriftsatz deutet überdies darauf hin, dass damit nicht positive Kenntnis von einer Absendung des Merkblatts an den Kläger mitgeteilt wird, sondern lediglich der Hinweis auf eine damals übliche Behördenpraxis erfolgt, die vermuten lasse, dass sie auch im Fall des Klägers zum Tragen gekommen sei. Zudem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliche Nachfrage verneint, ein solches Merkblatt erhalten zu haben. Die Frage, ob das Merkblatt dem Kläger hinreichende Kenntnis von der Teilrechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides vom 24. April 2005 vermitteln konnte, entzieht sich damit gerichtlicher Nachprüfung. Die insoweit bestehenden Zweifel gehen zu Lasten der Behörde, die es versäumt hat, die behaupteten Vorgänge zu dokumentieren, obgleich sie wusste, dass es darauf für den Ausgang des Verfahrens ankommen kann. Die im gerichtlichen Verfahren zu den Akten gereichten Merkblätter vermögen eine solche Dokumentation nicht zu ersetzen.

(b) Auch unter dem Gesichtspunkt einer sog. Ermessensreduzierung „auf Null“ ergibt sich nicht, dass vorliegend auf eine Ausübung des Ermessens verzichtet werden konnte. Es sind keinerlei Gesichtspunkte ersichtlich, die eine Reduzierung des Ermessens dahingehend rechtfertigen, dass nur die Rücknahme des Bescheides vom 24. April 2005 für die Vergangenheit als einzig rechtmäßige Entscheidung in Betracht gekommen wäre. Das gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass die Übergangsgebührnisse im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides bereits zur Auszahlung gelangt waren.

Der Umstand, dass der Kläger kein schützenswertes Vertrauen beanspruchen kann, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme, das Ermessen sei „auf Null“ reduziert. Eine Ermessensschrumpfung ergibt sich namentlich nicht schon aus dem Vorliegen der Voraussetzungen, die zur Rücknahme berechtigen. So hat etwa das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass selbst bei einem missbräuchlich erlangten Verwaltungsakt das Rücknahmeermessen nicht „auf Null“ reduziert sei (BVerwG, Urteil vom 9. September 2003 - 1 C 6.03 -, BVerwGE 119, 17, Rn. 31 ff. bei juris, zur Rücknahme einer Einbürgerung aufgrund sog. Scheinehe). In einem anderen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass es zwar keiner Darlegung im Rücknahmebescheid über die Ermessensausübung im Einzelnen bedarf, wenn im Einzelfall feststeht, dass Billigkeitserwägungen mit Bezug auf die Person des Begünstigten schlechthin ausgeschlossen sind und allein Zweckmäßigkeitserwägungen bei der pflichtgemäßen Ermessensausübung der Behörde eine Rolle spielen können. Aber selbst in einem solchen Fall bleibe zu fordern, dass überhaupt Ermessen ausgeübt worden und dies nach Wortlaut oder Inhalt des Bescheides erkennbar geworden ist (Urteil vom 26. Oktober 1978 - III C 18.77 -, BVerwGE 57,1 ff., Rn. 20 bei juris). Davon kann hier keine Rede sein.

(c) Die Beklagte hat ihr Ermessen auch nicht nachträglich, also während des gerichtlichen Verfahrens, ausgeübt. Das wäre ihr auch ohnehin verwehrt gewesen. Gemäß § 114 Satz 1 VwGO ist zwar die Ergänzung von Ermessenserwägungen im Verwaltungsprozess noch zulässig. Das setzt aber voraus, dass überhaupt Ermessenserwägungen angestellt worden sind. Fehlen dagegen - wie hier - jegliche Ermessenserwägungen, scheidet deren Ergänzung aus.

(d) Schließlich rechtfertigt auch der Hinweis der Beklagten auf den gesetzesimmanenten Vorbehalt einer späteren Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, unter dem die Zahlung der Übergangsgebührnisse stehe, keine andere Entscheidung. Insbesondere rechtfertigt dieser Gesichtspunkt nicht die Annahme, das Rücknahmeermessen sei dahingehend „intendiert“ oder „geschrumpft“, dass zwingend zu Lasten des Klägers entschieden werden musste. Die Beklagte verkennt die Reichweite dieses Vorbehalts.

Er geht zurück auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach sind die Regelungen über die verschärfte Haftung nach § 49 Abs. 2 Satz 1 SVG in Verbindung mit § 820 Abs. 1 Satz 2 und § 818 Abs. 4 BGB auch auf unter Vorbehalt geleistete Überzahlungen von Dienst- oder Versorgungsbezügen anzuwenden. Dabei bedarf es keines ausdrücklichen Vorbehalts in der Versorgungsfestsetzung oder Ruhensberechnung, soweit aufgrund von Ruhensvorschriften die Anrechnung von Einkommen auf die Versorgung in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 25. November 1985 - 6 C 37/83 -, NVwZ 1986, S. 745 f., Rn. 20 bei juris m.w.N.). Das beruht auf der Erwägung, dass Ruhensberechnungen regelmäßig keine endgültigen Bescheide sind und wegen des gesetzlichen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen der Versorgung und dem einem Versorgungsempfänger gleichzeitig gezahlten Verwendungseinkommen den Vorbehalt einer späteren Änderung in sich tragen (BVerwG, a.a.O., Rn. 21 bei juris m.w.N.). Der gesetzesimmanente Vorbehalt, den die Beklagte hier für sich reklamieren zu können meint, bezieht sich daher auf Fälle, in denen der Behörde das Einkommen des Versorgungsempfängers unbekannt war oder sich dieses oder die Versorgung nachträglich geändert hat. Daraus folgt aber im Umkehrschluss zugleich, dass bei Ruhensberechnungen ein gesetzlicher Vorbehalt der nachträglichen Änderung dann nicht besteht, wenn die Verwaltungsbehörde die Versorgungsbezüge fehlerhaft festgesetzt hat, weil sie eine für die Berechnung der Versorgungsbezüge maßgebende Vorschrift nicht richtig angewendet oder übersehen hat (so ausdrücklich: BVerwG, a.a.O., Rn. 22 bei juris).

Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Die Beklagte hat die nach Inkrafttreten des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes geänderte Regelung in § 11 Abs. 3 Satz 4 SVG übersehen und - jedenfalls im Zeitraum bis zum Erlass des Änderungsbescheides vom 9. August 2006 - unangewendet gelassen. Dass die maßgebliche Änderung erst nach Erlass des Bescheides vom 24. April 2005 in Kraft getreten ist, bleibt ohne Auswirkungen auf das Ergebnis. Zum einen ist davon auszugehen, dass die Behörde spätestens ab dem 4. Mai 2005, als das Berufsförderungsfortentwicklungsgesetz im Bundesgesetzblatt verkündet wurde, Kenntnis von der Regelung hatte und demgemäß entsprechend hätte reagieren können. Zum anderen hätte sie die Regelung spätestens ab deren Inkrafttreten anwenden müssen. Ein Fall, für den der gesetzesimmanente Vorbehalt einer späteren Änderung gilt, scheidet damit vorliegend aus.

Das verkennt das Oberverwaltungsgericht Magdeburg, in der von der Beklagten hierzu angeführten Entscheidung (Beschluss vom 17. Februar 2009 - 1 L 2.08 -). Der darin formulierte Leitsatz, wonach die Festsetzung von Versorgungsbezügen bzw. Übergangsgebührnissen unter dem Vorbehalt einer möglichen gesetzlichen Änderung im Hinblick auf die Anrechnung von Einkünften aus einer Erwerbstätigkeit stehe, steht nicht im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, was nicht recht verständlich ist, weil das Gericht sich für seine Rechtsauffassung ausdrücklich auf die zitierte Entscheidung beruft (a.a.O., Rn. 32 bei juris).

(3) Anders verhält es sich, soweit es um die Rücknahme des Bescheides vom 24. April 2005 mit Wirkung für die Zukunft, also für den Zeitraum ab dem 1. September 2006 bis zum 31. Mai 2007, geht.

(a) Hier rechtfertigt der Ermessensausfall nicht die Aufhebung des Bescheides, denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger durch den Änderungsbescheid vom 9. August 2006 die Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 24. April 2005 vermittelt worden ist. Spätestens ab diesem Zeitpunkt konnte er die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides kennen. Ab diesem Zeitpunkt ist der Sachverhalt daher mit den oben skizzierten Fällen des § 48 Abs. 2 Satz 3 und 4 VwVfG vergleichbar, in denen von einem sog. intendierten Ermessen auszugehen ist. Das rechtfertigt es, ab Bekanntgabe des Änderungsbescheides ebenfalls intendiertes Ermessen anzunehmen mit der Folge, dass es zumindest insoweit einer Ermessensbetätigung durch die Behörde in dem angefochtenen Bescheid ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich machen, nicht bedurfte. Der „Ermessensausfall“ des angefochtenen Bescheides ist insoweit unschädlich.

Umstände, die eine Ermessensbetätigung der Beklagten notwendig hätten machen können, sind nicht ersichtlich oder geltend gemacht. Sie dürften insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Betroffene etwa in Erwartung der Zahlung der Übergangsgebührnisse für den gesamten ursprünglich bewilligten Zeitraum Vermögensdispositionen getroffen hat, die er nicht ohne weiteres rückgängig machen kann. Denkbar wäre das beispielsweise, wenn er ein Darlehen aufgenommen hätte, das er mit den monatlichen Zahlungen der Übergangsgebührnisse zu tilgen beabsichtigte. Für derartige Vermögensdispositionen ist nichts ersichtlich oder geltend gemacht.

Dieses Ergebnis steht wertungsmäßig auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten mit Wirkung für die Zukunft. Danach ist dem öffentlichen Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines mangelhaften oder mangelhaft gewordenen begünstigenden Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Zukunft in der Regel gegenüber dem Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung des mangelhaften Verwaltungsaktes das Übergewicht beizumessen, wenn der Verwaltungsakt, wie es auch hier der Fall ist, den dauernden regelmäßigen Bezug von Leistungen aus öffentlichen Mitteln zum Gegenstand oder zur Folge hat. Von dieser Regel sind Ausnahmen nur bei Vorliegen ganz besonderer Umstände zuzulassen (vgl. etwa: BVerwG, Urteile vom 24. August 1964 - VI C 27.62 -, BVerwGE 19, 188, Rn. 30 bei juris und vom 11. Februar 1982 - BVerwG 2 C 18.81 -, RiA 1982, S. 165 ff., Rn. 24 bei juris).

(b) Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2011 anführt, Kenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit der überzahlten Übergangsgebührnisse sei bereits ab Zusendung eines Merkblatts Ende Juni 2006, das Hinweise auf die veränderte Rechtslage enthielt, anzunehmen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Auch insoweit (s. schon oben unter 1. b) bb) (2) (a) a.E.) ist unklar, ob dem Kläger dieses Merkblatt überhaupt zugesandt wurde, denn auch dieser Vorgang ist nicht aktenkundig. Auch insoweit gehen die bestehenden Zweifel zu Lasten der Behörde.

Hinsichtlich der Mitteilung des Klägers über die von ihm erzielten Einkünfte auf einem von der Beklagten vorgegebenen Formblatt vom 31. Juli 2006 (Bl. 73 der Besoldungsakte) gilt im Ergebnis nichts anderes. Das Formblatt hat der Kläger zwar offenkundig erhalten. Ihm selbst lässt sich aber keine Information über die (geänderte) Rechtslage entnehmen.

2. Damit erweist sich auch die in dem Änderungsbescheid vom 9. August 2006 von der Beklagten in Form der Aufrechnung für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis 31. August 2006 geltend gemachte Rückforderung in Höhe von 6.495,30 Euro als rechtswidrig.

Ihre Rechtsgrundlage hat die Rückforderung in § 49 Abs. 2 Satz 1 SVG. Danach richtet sich die Rückforderung zu viel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Diese Vorschrift setzt voraus, dass Versorgungsbezüge rechtsgrundlos gezahlt worden sind. Daran fehlt es vorliegend. Rechtsgrund für die Zahlung der Versorgungsbezüge ist der Bescheid vom 24. April 2005, der hinsichtlich des Zeitraums 1. Juni 2005 bis 31. August 2006 seine Wirkung behält.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war vorliegend gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO notwendig, weil die Rechtslage kompliziert und für den Kläger als juristischen Laien nicht hinreichend zu durchschauen war.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.