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Entscheidung 24 Qs 23/14


Metadaten

Gericht LG Potsdam 4. Strafkammer Entscheidungsdatum 12.05.2014
Aktenzeichen 24 Qs 23/14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 12. Februar 2014 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Zossen vom 4. Februar 2014 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 1.589,25 Euro

Gründe

I.

Das Amtsgericht Zossen – Jugendrichter – führte gegen den Angeklagten ein Strafverfahren durch. Einen von der Jugendrichterin in der Hauptverhandlung erlassenen „Verwarnungsbeschluss“, der mit einer Arbeitsauflage versehen war und keine Kostenentscheidung enthielt, sowie einen hierzu fehlerhaft ergangenen Berichtigungsbeschluss hob das Landgericht Potsdam – Jugendkammer – im Beschwerdeverfahren auf und erlegte die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers der Staatskasse auf.

Daraufhin stellte das Amtsgericht Zossen das Verfahren mit Beschluss vom 29. September 2011 gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JGG i.V.m. § 153 Abs. 2 StPO ein, wobei es den Beschluss mit folgender Kostenentscheidung versah:

„Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse; es wird davon abgesehen, dem Angeklagten seine notwendigen Auslagen aufzuerlegen (§§ 467 Abs. 4 StPO; 74 JGG).“

Die wegen dieser „nicht eindeutigen“ Kostenentscheidung gegen den Einstellungsbeschluss eingelegte Beschwerde nahm die Verteidigerin, die zuvor beim Amtsgericht erfolglos um eine Berichtigung im Sinne einer Auslagenüberbürdung auf die Staatskasse nachgesucht hatte, mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2011 gegenüber der Beschwerdekammer des Landgerichts Potsdam zurück, weil sie hinsichtlich der Angabe des § 467 Abs. 4 StPO von einem Schreibfehler und im Übrigen davon ausging, dass nach dem „eindeutigen“ Wortlaut des Beschlusses die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt worden seien.

Sodann stellte die Verteidigerin mit ihrer letztmalig am 30. Mai 2013 korrigierten Kostenrechnung vom 19. Juli 2012 den Antrag, die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen in Höhe von insgesamt 1.589,25 Euro gegen die Staatskasse festzusetzen. Dabei machte sie für die „1. Instanz“ einen Betrag von 887,15 Euro, für das „Beschwerdeverfahren (Berufungsverfahren)“ einen Betrag von 345,10 Euro und für das „Verfahren nach Zurückverweisung“ einen Betrag von 357,00 Euro geltend.

Hierzu führte sie aus, nach einer telefonischen Auskunft der damaligen Berichterstatterin der Beschwerdekammer sei die widersprüchliche Kostenentscheidung in dem Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 29. September 2011 eindeutig dahin zu verstehen, dass die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt worden seien; allein deshalb habe die Verteidigerin die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückgenommen. Für das Beschwerdeverfahren sei eine gesonderte Gebühr entstanden, da die Verwarnung richtigerweise nur durch Urteil hätte erfolgen dürfen und die Beschwerde daher einer Berufung gegen ein Urteil gleichzusetzen sei. Bei der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts handele es sich inhaltlich um eine Zurückverweisung, so dass die Angelegenheit anschließend einen neuen Rechtszug darstelle.

Wegen der weiteren Begründung und der Kostenberechnung im Einzelnen wird auf den Inhalt des anwaltlichen Schriftsatzes vom 30. Mai 2013 verwiesen.

Nach Anhörung des Vertreters der Landeskasse hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Zossen den Kostenfestsetzungsantrag vom 19. Juli 2012 mit dem angefochtenen Beschluss vom 4. Februar 2014 zurückgewiesen, da eine ausdrückliche Überbürdung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf die Landeskasse nicht erfolgt sei und das (erste) Beschwerdeverfahren, welches noch zur Instanz gehöre, für die Verteidigerin keine besondere Angelegenheit ausgelöst habe; die insoweit beanspruchte Verfahrensgebühr nach Nr. 4124 VV RVG sei nicht entstanden sei, da kein Berufungsverfahren stattgefunden habe. Eine Zurückverweisung im Sinne von § 21 RVG liege nicht vor.

Gegen diesen am 11. Februar 2014 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich die (sofortige) Beschwerde der Verteidigerin vom 12. Februar 2014, die am 17. Februar 2014 bei Gericht einging.

Zur Begründung wiederholt die Verteidigerin im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 30. Mai 2013.

II.

1. Die gemäß den §§ 464b Satz 3 StPO, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss statthafte sofortige Beschwerde, über welche die Kammer in der für das Strafverfahren vorgesehenen Besetzung zu entscheiden hat (vgl. Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 56. Auflage, § 464b, Rdn. 7; BGH NJW 2003, 763), ist zulässig. Das Rechtsmittel wurde innerhalb der hier maßgeblichen Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegt. Zudem ist die sich aus § 304 Abs. 3 StPO ergebende Beschwerdewertgrenze von 200,00 Euro überschritten.

Die Kammer geht zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dass die sofortige Beschwerde der Verteidigerin – was nicht ausdrücklich geschehen ist – im Namen ihres Mandanten eingelegt wurde. Das Rechtsmittel steht allein dem von dem Kostenfestsetzungsbeschluss beschwerten Angeklagten zu. Die Verteidigerin kann hiergegen nicht ausschließlich in eigenem Namen das Rechtsmittel einlegen (vgl. Thüringer OLG, Beschluss vom 28. Februar 2014, 1 Ws 403/13; LG Saarbrücken, Beschluss vom 7. November 2012, 2 Qs 40/12 [jeweils bei juris]).

2. In der Sache bleibt der sofortigen Beschwerde allerdings der Erfolg versagt; sie ist unbegründet. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Zu Recht hat die Rechtspflegerin eine Erstattung der für die „1. Instanz“ geltend gemachten anwaltlichen Gebühren und Auslagen abgelehnt. Es fehlt insoweit an einer die Erstattungspflicht der Landeskasse begründenden Auslagenüberbürdung. Eine solche ist mit der Kostenentscheidung in dem Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 29. September 2011 nicht erfolgt.

Gemäß § 464 Abs. 2 StPO ist die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, in dem das Verfahren abschließenden Urteil oder Beschluss zu treffen.

Eine Auslagenentscheidung nach dieser formellen Kostennorm ist allerdings nicht immer auszusprechen, sondern nur dann, wenn eine Erstattung notwendiger Auslagen rechtlich in Frage steht, weil eine Überbürdung zwingend vorgeschrieben ist oder von einer Ermessensentscheidung des Gerichts abhängt oder weil eine im Regelfall vorgesehene Überbürdung im Einzelfall versagt werden muss oder kann (vgl. Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Auflage, Bd. 9, § 464 Rdn. 19). Um die gebotene oder zulässige Abwälzung der einem Beteiligten entstandenen Auslagen vorzunehmen, bedarf es eines ausdrücklichen Ausspruchs, wer die Auslagen zu tragen hat, denn es ist gerade der Sinn des § 464 Abs. 2 StPO, dass die Entscheidung über die Auslagen für den Angeklagten und sonstige Beteiligte, aber auch für den Kostenbeamten, in sich klar und verständlich ist (Löwe/Rosenberg, a.a.O., § 464 Rdn. 24). Fehlt es an einer ausdrücklichen Auslagenentscheidung, verbleiben die notwendigen Auslagen bei demjenigen, dem sie entstanden sind (Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, § 464 Rdn. 12).

So liegt der Fall hier. Die Entscheidung des Amtsgerichts Zossen, davon abzusehen, dem Angeklagten seine notwendigen Auslagen aufzuerlegen, beinhaltet nicht zugleich die Entscheidung, dass dessen notwendige Auslagen der Landeskasse überbürdet werden. Denn sie schweigt dazu, wer hinsichtlich dieser Auslagen erstattungspflichtig sein soll, und stellt damit gerade keine explizite Auslagengrundentscheidung im Sinne des § 464 Abs. 2 StPO dar.

An diesem Ergebnis ändert der Umstand, dass das Amtsgericht in demselben Beschluss die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt hat, nichts. Die Auferlegung der Verfahrenskosten auf die Staatskasse kann nicht dahin ausgelegt werden, dass sie auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten umfasst (Meyer-Goßner, a.a.O.). Kosten des Verfahrens sind gemäß § 464a Abs. 1 Satz 1 StPO (nur) die Gebühren und Auslagen der Staatskasse. Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, die von der Verteidigerin geltend gemacht werden, gehören, wie sich aus § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO ergibt, hingegen nicht zu den Verfahrenskosten, sondern zu den notwendigen Auslagen des Angeklagten.

Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts Zossen lässt sich auch nicht unter Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen der erkennenden Jugendrichterin in eine Auslagenüberbürdung auf die Landeskasse umdeuten.

Zwar erscheint es denkbar, dass die Jugendrichterin, die sich bei ihrer „Auslagenentscheidung“ weitestgehend vom Wortlaut des § 74 JGG hat leiten lassen, den Angeklagten nicht nur von seinen notwendigen Auslagen freistellen, sondern diese – in Ermangelung eines anderen erstattungspflichtigen Beteiligten – der Landeskasse auferlegen wollte. Allerdings hat sie ihrer Kostenentscheidung zunächst die Vorschrift des § 467 Abs. 4 StPO zugrunde gelegt, wonach gerade davon abgesehen werden kann, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen. Schon vor dem Hintergrund dieses Widerspruchs zwischen Formulierung und angegebener materieller Kostennorm wäre eine Umdeutung in eine Auslagenüberbürdungsentscheidung problematisch. Dies gilt umso mehr, als der von der Jugendrichterin als zweite angewendete Norm benannte § 74 JGG dem Jugendgericht nach der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung herrschenden und auch von der Kammer geteilten Meinung nicht die Möglichkeit einräumt, der Landeskasse die notwendigen Auslagen des jugendlichen oder heranwachsenden Angeklagten aufzuerlegen (vgl. BGH, NStZ-RR 2006, 224; NStZ 1989, 239; OLG München, NStZ 1984, 138).

Selbst wenn aber eine – bei einer Verfahrenseinstellung nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JGG gemäß § 467 Abs. 1 StPO nicht nur zulässige, sondern in der Regel gebotene – Überbürdung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf die Landeskasse von der Jugendrichterin beabsichtigt gewesen sein sollte, käme eine Umdeutung der ergangenen Kostenentscheidung in eine die Landeskasse auch hinsichtlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten verpflichtende Entscheidung nicht in Betracht. Denn dies würde eine Verkennung der auf Klarheit und Verdeutlichung der Rechtslage gerichteten Absichten des Gesetzgebers, auf denen die Schaffung des § 464 Abs. 2 StPO beruhte, bedeuten und wäre daher mit dem Sinn jener Vorschrift unvereinbar (Löwe/Rosenberg, a.a.O., § 464 Rdn. 26; KMR/Stöckel, StPO, § 464 Rdn. 2; Meyer-Goßner, a.a.O., § 467 Rdn. 20). Nicht die sich aus den Kostennormen der StPO ergebende materielle Rechtslage bildet als Kostentitel die Grundlage der Kostenfestsetzung, sondern – selbst bei gesetzlich zwingenden Regelungen – erst der danach erfolgte gerichtliche Ausspruch (vgl. Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Auflage, § 464 Rdn. 4).

Dass die von der Verteidigung behauptete telefonische Meinungsäußerung eines Mitglieds der Beschwerdekammer nicht geeignet ist, eine Eintrittspflicht der Landeskasse zu begründen, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung.

b) Die Ablehnung einer Auslagenerstattung für die Tätigkeit der Verteidigerin im Beschwerdeverfahren begegnet ebenfalls keinen Bedenken.

Auch wenn die notwendigen Auslagen des Angeklagten im damaligen Beschwerdeverfahren der Staatskasse auferlegt wurden, steht der Verteidigerin für die Einlegung jener Beschwerde gleichwohl keine gesonderte Vergütung zu. Die Tätigkeit, die ein für das gesamte Strafverfahren beauftragter Verteidiger im Beschwerdeverfahren erbringt, indem er – wie hier – bei dem Gericht des bisherigen Rechtszugs ein Rechtsmittel einlegt, gehört nämlich gebührenrechtlich zu diesem bisherigen Rechtszug (Hartmann, Kostengesetze, 42. Auflage, § 19 RVG Rdn. 42; LG Köln, JurBüro 2011, 307) und stellt gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 Halbsatz 1 RVG für den Verteidiger keine besondere Angelegenheit dar. Berücksichtigt werden kann dessen Tätigkeit im Beschwerdeverfahren lediglich bei der Bemessung der Gebühr für denjenigen Verfahrensabschnitt, in dem das Beschwerdeverfahren durchgeführt wurde.

Die von der Verteidigerin beanspruchte Verfahrensgebühr nach Nr. 4124 VV RVG ist nicht entstanden, da ein für das Entstehen einer solchen Gebühr erforderliches Berufungsverfahren nicht stattgefunden hat. Soweit die Verteidigerin meint, die Beschwerde sei wegen der prozessualen Besonderheit des Verfahrens gebührenrechtlich einer Berufung gleichzusetzen, dringt sie damit nicht durch. Zwar trifft es zu, dass eine „Verwarnung“ im Sinne des § 14 JGG nur per Urteil erteilt werden kann; die Jugendrichterin wollte das Verfahren jedoch ersichtlich nicht durch ein Urteil abschließen, sondern lediglich im Beschlusswege vorläufig einstellen. Dies ergibt sich aus dem Fehlen jeglicher Schlussanträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung sowie aus dem Umstand, dass der Beschluss ohne Kostenentscheidung erlassen wurde. Offenkundig sollte nach einer „Ermahnung“ des Angeklagten eine vorläufige Verfahrenseinstellung mit Arbeitsauflage gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 JGG i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 1 JGG erfolgen, was bei einem Geständnis des Angeklagten gemäß § 47 Abs. 1 Satz 3 JGG im Beschlusswege möglich gewesen wäre.

c) Zutreffend hat die Rechtspflegerin schließlich auch die Erstattung von Auslagen für das „Verfahren nach Zurückverweisung“ versagt.

Es liegt bereits keine Zurückverweisung im Sinne von § 21 Abs. 1 RVG durch das Landgericht vor. Eine solche kommt nur in Betracht, wenn es sich bei der angefochtenen Entscheidung des Erstgerichts um eine das Verfahren abschließende Entscheidung handelte, die in der Rechtsmittelinstanz aufgehoben wurde, aber aus rechtlichen Gründen vom Rechtsmittelgericht nicht ersetzt werden konnte. Im vorliegenden Fall ist mit der Beschwerde jedoch keine verfahrensabschließende Entscheidung angegriffen worden. Das Amtsgericht war, als die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt wurde, schon wegen der noch ausstehenden Kostenentscheidung weiterhin mit dem Verfahren befasst. Bei dem amtsgerichtlichen Verfahren vor und nach der Beschwerde handelt es sich folglich gebührenrechtlich um eine Angelegenheit.

Im Übrigen scheitert eine Erstattungspflicht der Landeskasse für Gebühren und Auslagen nach der Beschwerdeentscheidung aber jedenfalls daran, dass für das Verfahren vor dem Amtsgericht insgesamt keine Auslagengrundentscheidung vorliegt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Der Beschwerdewert wird nach dem begehrten Betrag auf 1.589,25 Euro festgesetzt.