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Entscheidung 13 UF 6/19


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 19.10.2020
Aktenzeichen 13 UF 6/19 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2020:1019.13UF6.19.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 19.11.2018 - 3 F 49/17 - in Ziffer 2. des Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden unter der Antragstellerin und dem Antragsgegner gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.000,- € festgesetzt.

Dem Antragsteller wird zur Rechtsverfolgung im Beschwerderechtszug mit Wirkung ab 21.12.2018 Verfahrenskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt C… K… in E… als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet.

Gründe

I.

Der Antragsteller beanstandet die Durchführung des durch Scheidungsfolgenvereinbarung ausgeschlossenen Versorgungsausgleichs.

Mit Antrag vom 06.03.2017 (Bl. 1) hat der Antragsteller die Scheidung der seit dem ….08.1989 bestehenden Ehe beantragt und auf den geplanten Abschluss einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung hingewiesen. Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 21.03.2017 (Bl. 5) unter Bezugnahme auf den Scheidungsantrag die notarielle Vereinbarung der Antragsbeteiligten vom 16.03.2017 vorgelegt. Mit dieser haben die Antragsbeteiligten den Versorgungsausgleich ausgeschlossen, auf die Durchführung eines Zugewinnausgleichs und nacheheliche Unterhaltsansprüche wechselseitig verzichtet und die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils des Antragstellers an einem im gemeinsamen Eigentum der Antragsbeteiligten stehenden, bebauten Grundstück auf die Antragsgegnerin gegen Übernahme der auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeiten unter Schuldhaftbefreiung durch die Antragsgegnerin vereinbart. Zum weiteren Inhalt wird auf die Ablichtung der Vertragsurkunde verwiesen (Bl. 6 ff.).

Mit Beschluss vom 19.11.2018 (Bl. 52), auf dessen Inhalt der Senat verweist, hat das Amtsgericht die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich überwiegend durchgeführt. Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs halte der - amtswegig veranlassten - Inhaltskontrolle gemäß § 8 Abs 1 VersAusglG nicht stand. Es liege ein Vertrag zulasten der Grundsicherung und damit ein Verstoß gegen §§ 32, 46 SGB I vor. Der Antragsgegnerin verblieben durch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs Anrechte im Wert von insgesamt rund 250,- € und damit eine Altersversorgung unterhalb der Grundsicherung gemäß §§ 42 Nr. 1, 28 SGB XII, während ihre Altersvorsorge nach Durchführung des Versorgungsausgleichs um monatlich 240,30 € höher sei.

Mit seiner Beschwerde (Bl. 97, 119) beanstandet der Antragsteller die Durchführung des Versorgungsausgleichs unter Hinweis auf die Wirksamkeit der notariellen Vereinbarung vom 16.03.2018.

Der Antragsteller beantragt (Bl. 92),

unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 19.11.2018 zu Ziffer 2 findet ein Versorgungsausgleich nicht statt.

Die Antragsgegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Die weitere Beteiligte zu 5) beanstandet mit ihrer Beschwerde (Bl. 66) die Begründung eines durch externe Teilung auszugleichenden Anrechts des Antragstellers aus betrieblicher Altersversorgung bei der weiteren Beteiligten zu 4). Sie sei mit der Wahl der Zielversorgung der Antragsgegnerin nicht einverstanden.

Die weitere Beteiligte zu 5) beantragt - sinngemäß - (Bl. 66),

den Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 19.11.2018 dergestalt abzuändern, dass nicht bei der Beteiligten zu 5) ein Anrecht aus betrieblicher Altersversorgung der weiteren Beteiligten zu 4) im Wege der externen Teilung begründet wird.

Die Antragsgegnerin benennt insoweit (Bl. 111) als Zielversorgung die gesetzliche Rentenversicherung.

Hinsichtlich des weiteren Beschwerdevorbringens wird auf die im Beschwerderechtszug gewechselten Schriftsätze verwiesen. Der Senat entscheidet, wie angekündigt (Bl. 100), ohne Durchführung einer mündlichen Erörterung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), von der angesichts des umfangreichen erst- und zweitinstanzlichen Schriftwechsels und des ausführlichen Protokolls der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung (Bl. 51) kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten ist.

II.

1. a) Die nach §§ 58 ff, 228 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.

Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt, weil die Eheleute ihn durch Vereinbarung ausgeschlossen haben, § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VersAusglG. Der Senat ist hieran gebunden, weil weder Wirksamkeits- noch Durchsetzungshindernisse bestehen, § 6 Abs. 2 VersAusglG.

Die Vereinbarung ist formell wirksam, da sie in gleichzeitiger Anwesenheit beider Eheleute notariell beurkundet wurde, §§ 7 Abs. 3 VersAusglG, 1410 BGB.

b) Die notarielle Vereinbarung vom 16.03.2018 hält der Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 BGB stand. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, der der Senat folgt, unterliegen die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten. Die Disponibilität der Scheidungsfolgen darf allerdings nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle ist zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (vgl. BGH FamRZ 2014, 1978, Rn. 20 m.w.N.; Senat, BeckRS 2018, 37636).

Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nach § 138 Abs. 1 BGB schon für sich genommen unwirksam, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund des bereits beim Vertragsschluss verwirklichten Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn sich ein Ehegatte der Betreuung der gemeinsamen Kinder gewidmet und deshalb auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit in der Ehe verzichtet hat. In diesem Verzicht liegt ein Nachteil, den der Versorgungsausgleich gerade auf beide Ehegatten gleichmäßig verteilen will und der ohne Kompensation nicht einem Ehegatten allein angelastet werden kann, wenn die Ehe scheitert (vgl. BGH FamRZ 2014, 629, Rn. 20 m.w.N.).

Anhaltspunkte hierfür liegen indes nicht vor. Dem Akteninhalt zu entnehmen ist die Berufstätigkeit beider Ehegatten mit Einkommen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht beträchtlich voneinander abwichen sowie das Bestehen von Versorgungsanwartschaften während der Ehezeit auf beiden Seiten. Eine darüber hinausgehende amtswegige Prüfung des Vorliegens einer evident einseitigen und unzumutbaren Lastenverteilung zwischen den Ehegatten hat das Amtsgericht nicht durchgeführt. Indes bestand hierzu keine Veranlassung. Sachverhaltsumstände geben nur dann zu einer näheren Prüfung Veranlassung, wenn sich nach dem sogenannten Veranlassungsprinzip das Vorliegen einer typischen Unwirksamkeitsfallgruppe - wie etwa erhebliche Einkommensunterschiede oder einseitige Erwerbstätigkeit während der Ehezeit - aufdrängt (Senat, BeckRS 2016, 1427; Götsche in Götsche/Rehbein/Breuers, VersAusglG, 3. Aufl. 2018 § 8 Rn. 57).

Auch im Übrigen begegnen für sich genommen weder der Ausschluss des Versorgungsausgleichs, noch die Vereinbarung der Gütertrennung, noch der Unterhaltsverzicht am Maßstab des § 138 BGB durchgreifenden Bedenken. Bei Abschluss der notariellen Vereinbarung gingen beide Beteiligte davon aus, die Antragstellerin als selbständige Graveurin und Inhaberin eines …ateliers und der Antragsgegner als gelernter Schornsteinfeger und angestellter …lehrer, weiterhin auskömmliche Einkünfte zu erzielen, die es ihnen ermöglichten, in dem für notwendig gehaltenen Umfang und in der jeweils für richtig befundenen Weise Vorsorge für Alter, Krankheit und Invalidität zu treffen (vgl. Ziffer I. 5. des Vertrags, Bl. 8 R).

Auch in der Gesamtwürdigung hält die notarielle Vereinbarung der Wirksamkeitskontrolle stand. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass das Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen auf eine einseitige Benachteiligung der einkommensschwächeren Antragsgegnerin hinausliefe, könnte - da es ein unverzichtbares Mindestmaß an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten nicht gibt - nach ständiger Rechtsprechung des BGH, der der Senat auch in dessen Punkt folgt, nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelte. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen nicht aufstellen. Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag in diesem Zusammenhang zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten (vgl. BGH FamRZ 2018, 577 Rn. 19).

Derartige verstärkende Umstände sind - angesichts des erstinstanzlich von beiden Antragsbeteiligten in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der im Übrigen einvernehmlich beantragten Scheidung der Ehe gleichermaßen beantragten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs insbesondere auch in subjektiver Hinsicht - nicht festzustellen.

Soweit ein Vertrag der Wirksamkeitskontrolle standhält, hat sodann grundsätzlich eine Ausübungskontrolle gemäß § 242 BGB zu erfolgen, wonach zu prüfen ist, ob sich zum Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem (zuvor unter anderen Bedingungen) vereinbarten Ausschluss des Versorgungsausgleichs eine evident einseitige, für den benachteiligten Ehegatten nicht zumutbare Lastenverteilung ergibt (BGH FamRZ 2008, 2011). Vorliegend fallen Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle zusammen, da die notarielle Vereinbarung nach Einleitung des Scheidungsverfahrens geschlossen worden ist. Die Vereinbarung hält der danach allein erforderlichen Wirksamkeitskontrolle stand.

c) Schließlich lässt sich die Unwirksamkeit des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs nicht auf das Vorliegen eines sittenwidrigen Vertrags mit (Fern-)Wirkung zulasten der Grundsicherung im Alter nach Kap. IV SGB XII stützen. Zwar kann ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs unwirksam sein, wenn ein Ehegatte dadurch in deutlich größerem Ausmaß auf soziale Altersversorgung angewiesen sein wird, als er es bei Durchführung des Versorgungsausgleichs wäre (Götsche, a. a. O. Rn. 28 ff.; Reetz in BeckOGK BGB, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.08.2020, § 8 VersAusglG Rn. 123). Das Vorliegen von Sittenwidrigkeit setzt indes voraus, dass mit dem Angewiesenwerden auf Grundsicherung ehebedingte Familienlasten auf das Sozialsystem verlagert werden. Die Erwartung, der Verzichtende werde künftig auf Sozialhilfeleistungen angewiesen sein, führt nur dann zur Sittenwidrigkeit der getroffenen Vereinbarung, wenn die prognostizierte Bedürftigkeit auf einem ehebedingten Nachteil beruht (BGH, NJW 2007, 904; Senat, Beschl. v. 03.07.2014, 13 UF 245/13, juris; OLG Brandenburg, 2. Senat für Familiensachen, BeckRS 2019, 16867).

Anhaltspunkte hierfür sind nicht ersichtlich. Zwar ergibt sich aus den von den Versorgungsträgern mitgeteilten korrespondierenden Kapitalwerten, dass der Antragsteller in der Ehezeit insgesamt deutlich höhere Anrechte erworben hat, so dass der Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu einem Nachteil auf Seiten der Antragstellerin führt. Dies allein rechtfertigt indes nicht einen Eingriff in die Privatautonomie der Antragsbeteiligten. Für eine Sittenwidrigkeit sprechende Umstände - etwa Aufgabe der Erwerbstätigkeit oder andauernde Erwerbsunterbrechung des benachteiligten Ehegatten zugunsten der Kinderbetreuung oder Haushaltsführung (vgl. Senat, a. a. O.; OLG Brandenburg, a. a. O.) - sind hier nicht vorgetragen und nicht ersichtlich, so dass eine diesbezügliche amtswegige weitere Prüfung nicht veranlasst war. Mangels Vorhersehbarkeit der künftigen Erwerbslage der Antragsgegnerin und ihrer Rentenferne reicht die allgemeine Gefahr einer späteren Sozialhilfebedürftigkeit für die Annahme der Sittenwidrigkeit des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs nicht aus (vgl. Götsche a. a. O. Rn. 32).

2. Die gemäß §§ 58 ff., 228 FamFG statthafte und zulässige Beschwerde der beschwerdeführenden weiteren Beteiligten zu 5) hat sich erledigt.

Die mit der angefochtenen Entscheidung erfolgte Begründung eines Anrechts aus betrieblicher Altersversorgung des Antragstellers bei der weiteren Beteiligten zu 4) mit einem Ausgleichswert in Höhe von 4.806,45 € (Bl. 50 VA-Heft) bei der beschwerdeführenden weiteren Beteiligten zu 5) ist durch die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich auf die Beschwerde des Antragstellers gegenstandslos geworden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 150 Abs. 1, Abs. 3, 81 Abs. 1 FamFG (vgl. Keidel, FamFG, 19. Aufl. 2017 § 150 Rn. 14). Die Wertfestsetzung folgt §§ 55 Abs. 2, 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG. Beschwerdegegenständlich waren 8 Anrechte.

IV.

Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverfolgung des Antragstellers im Beschwerderechtszug beruht auf §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 114 ff. ZPO.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht (§ 70 Abs. 2 FamFG).