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Regelleistungsvolumen (RLV) - Fallzahl - LV nach Auseinandergehen einer Berufsausübungsgemeinschaft


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 30.04.2014
Aktenzeichen L 7 KA 21/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 87b Abs 2 SGB 5

Leitsatz

Nach § 87b Abs. 2 SGB V und Teil F Nr. 3.5 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28.8.2008 und des Beschlusses vom 20.4.2009 war eine Übergangsregelung zur Berechnung des RLV bei Umwandlung von Kooperationsformen von den Gesamtvertragspartnern zwingend zu beschließen. Ermessen hatten die Partner der Gesamtverträge insoweit nicht.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Berechnung des Regelleistungsvolumens (RLV) für die Quartale III/09 und IV/09 zugrunde zu legenden Fallzahl.

Der Kläger nimmt seit dem 01.01.1988 als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Bis zum 31.03.2009 war er im Rahmen einer fachgleichen Berufsausübungsgemeinschaft mit Herrn Dr. K R tätig. Seit dem 01.04.2009 betreiben der Kläger und Dr. K R – jeweils in Einzelpraxis – am gleichen Ort eine Praxisgemeinschaft.

In den streitbefangenen Quartalen III/09 und IV/09 beschäftigte der Kläger die bei ihm angestellte Ärztin Dr. C D. Der von dieser besetzte Arztsitz war durch Verzicht und Anstellung gemäß § 103 Abs. 4b Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) durch Herrn Dr. T R mit Wirkung zum 01.10.2007 in die Praxis eingebracht worden. Vom 01.01.2008 bis zum 31.01.2008 war dieser Arztsitz mit der angestellten Ärztin Dr. K besetzt, die nur wenige Tage in der Praxis arbeitete. Vom 01.02.2008 bis zum 31.03.2008 war die Arztstelle unbesetzt. Ab dem 01.04.2008 war Frau Dr. D bei dem Kläger auf dieser Arztstelle in Vollzeit angestellt.

Mit Bescheid vom 29.05.2009 wies die Beklagte dem Kläger für das Quartal III/09 ein praxisbezogenes RLV i.H.v. 33.194,45 Euro zu. Der Berechnung legte sie den Arztgruppenfallwert der Arztgruppe 01 von 35,36 Euro zu Grunde, den sie mit dem jeweiligen Anteil des Klägers und der Frau Dr. D an den Behandlungsfällen der vormaligen Berufsausübungsgemeinschaft im Quartal III/2008 (582 Fälle in Bezug auf den Kläger, 246 Fällen in Bezug auf Frau Dr. D) multiplizierte. Gegen den Bescheid vom 29.05.2009 legte der Kläger Widerspruch ein, den er am 20.07.2013 zurücknahm.

Mit Bescheid vom 28.08.2009 wies die Beklagte dem Kläger für das Quartal IV/2009 ein praxisbezogenes RLV i.H.v. 31.197,43 Euro zu. Der Berechnung legte sie den Arztgruppenfallwert der Arztgruppe 01 von 34,05 Euro zu Grunde, den sie mit dem jeweiligen Anteil des Klägers und der Frau Dr. D an den Behandlungsfällen im Quartal IV/2008 (526 Fälle in Bezug auf den Kläger, 276 Fälle in Bezug auf Frau Dr. D) multiplizierte. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch ist noch nicht entschieden.

Gegen die Honorarbescheide für die Quartale III/09 und IV/09 legte der Kläger jeweils Widerspruch ein. Der Widerspruch in Bezug auf das Quartal IV/09 ist noch unbeschieden. Den Widerspruch in Bezug auf das Quartal III/09 nahm der Kläger am 24.08.2012 zurück. Die Beklagte hat insoweit erklärt, eine Neuberechnung des Honorars auch unabhängig von der Bestandskraft des Honorarbescheides vorzunehmen, sofern der Kläger im Streit um das RLV obsiege.

Mit Schreiben vom 11.03.2009 und 20.06.2009 beantragte der Kläger eine Erhöhung seiner praxisbezogenen RLV. Zur Begründung machte er Praxisbesonderheiten geltend und führte außerdem an, dass für Frau Dr. D als Berechnungsgrundlage nicht auf Quartale des Jahres 2008 zurückgegriffen werden dürfe, weil es sich insoweit um Anfängerscheinzahlen handele. Ihre Fallzahlen des Jahres 2009 seien weitaus höher.

Mit Bescheid vom 08.09.2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erhöhung der RLV sowohl im Hinblick auf die Anerkennung von Praxisbesonderheiten als auch im Hinblick auf die Anerkennung einer höheren Fallzahl für die Quartale II/09 bis IV/09 ab.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2011 zurück. Eine Anerkennung von Praxisbesonderheiten sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Auf die Fallzahlen und die darauf basierende Berechnung des arztbezogenen RLV der angestellten Ärztin Frau Dr. D finde die Wachstumsregelung für Neupraxen gemäß § 6 Abs. 4 HV 2009 keine Anwendung, da diese sich nur auf niedergelassene und nicht auch auf angestellte Ärzte beziehe. Auch der Kläger selbst habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung seiner tatsächlich realisierten Anteile an den Behandlungsfallzahlen in den Quartalen III/09 und IV/09 zur Berechnung seines arztbezogenen RLV. Hieran ändere auch die Umwandlung der Kooperationsform von einer Gemeinschaftspraxis mit Dr. R zu einer Praxisgemeinschaft nichts, da Dr. R die Praxis am bisherigen Standort als Einzelpraxis fortführe.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Anerkennung von Praxisbesonderheiten und höherer Fallzahlen für die RLV der Quartale III/2009 und IV/2009 begehrt. In Bezug auf die Fallzahlfrage hat er vorgebracht: Er habe einen Anspruch darauf, dass der Berechnung der arztbezogenen RLV der bei ihm angestellten Ärztin Dr. D deren Anteil an den von der Praxis in den Quartalen III/2009 und IV/2009 insgesamt realisierten Behandlungsfallzahlen zu Grunde gelegt werde. Frau Dr. D nehme erst seit dem Quartal II/2008 als angestellte Ärztin bei dem Kläger an der vertragsärztlichen Versorgung teil, weshalb die Jungpraxenregelung in § 6 Abs. 4 HV auf sie anwendbar sei. Ferner habe er einen Anspruch darauf, dass der Berechnung seiner arztbezogenen RLV für die Quartale III/2009 und IV/2009 sein jeweiliger Anteil an den von der Praxis in diesem Quartal insgesamt realisierten RLV-relevanten Behandlungsfallzahlen zu Grunde gelegt werde. Nach Teil F Nr. 3.5 des Beschlusses des erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28.08.2008 in der Fassung des Beschlusses vom 20.04.2009 seien die regionalen Gesamtvertragspartner verpflichtet, Anfangs- und Übergangsregelungen für die Umwandlung von Kooperationsformen zu treffen. Dieser Verpflichtung seien die Beklagte und die Verbände der Krankenkassen nicht nachgekommen.

Mit Urteil vom 22.02.2012 hat das Sozialgericht Berlin den Bescheid der Beklagten vom 08.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben, soweit die Anerkennung einer Erhöhung der für das Regelleistungsvolumen relevanten Fallzahl der Quartale III/2009 und IV/2009 infolge der Auflösung der Berufsausübungsgemeinschaft zwischen dem Kläger und Dr. R zum 01.04.2009 abgelehnt wurde, und die Beklagte insoweit zur Neubescheidung verurteilt. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Praxisbesonderheiten – im Berufungsverfahren nicht mehr streitgegenständlich – seien nicht anzuerkennen. Eine Erhöhung seines RLV zum Zwecke des Wachstums könne der Kläger nicht beanspruchen. So habe der Kläger keinen Anspruch auf besondere Zuwachsmöglichkeiten aufgrund der Anstellung von Frau Dr. D, denn die Jungpraxenregelung in § 6 Abs. 4 HV 2009 finde keine Anwendung auf angestellte Ärzte. Hiervon abgesehen sei eine gesonderte Wachstumsregelung für Altpraxen aufgrund der der RLV-Systematik immanenten zeitversetzten Wachstumsmöglichkeit durch Fallzahlsteigerung nicht erforderlich. Allerdings sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig, soweit eine Erhöhung der Fallzahl des Klägers infolge der Auflösung der Berufsausübungsgemeinschaft mit Dr. R zum 01.04.2009 abgelehnt worden sei. Insofern fehle es an der zwingend erforderlichen Übergangsregelung. Der HV für das Jahr 2009 enthalte weder in seiner ursprünglichen Fassung entsprechend dem Beschluss des Landesschiedsamtes vom 21.11.2008 noch in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung und der sieben Änderungsvereinbarungen eine Regelung zur Berechnung des RLV bei Umwandlung von Kooperationsformen. Eine solche Regelung sei vielmehr erstmals in § 6 Abs. 6 des HV für das Jahr 2010 getroffen worden. Eine Übergangsregelung zur Berechnung des RLV bei Umwandlung von Kooperationsformen sei aber nach Teil F Nr. 3.5 des Beschlusses des erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28.8.2008 und des Beschlusses vom 20.4.2009 von den Gesamtvertragspartnern zwingend zu beschließen. Dass eine solche Regelung erforderlich sei, belege gerade der Fall des Klägers. Die Beklagte werde daher eine ergänzende Übergangsregelung (und nicht etwa eine Anfangsregelung) für die Umwandlung der Kooperationsform und damit auch für die Auflösung bzw. das Ausscheiden aus einer Berufsausübungsgemeinschaft mit den Vertragspartnern des HV zu vereinbaren haben.

Gegen das ihr am 01.03.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.03.2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen an: Der erweiterte Bewertungsausschuss habe den Gesamtvertragspartnern mit der Vorgabe in Teil F Nr. 3.5 des Beschlusses vom 27./28.8.2008 Ermessen eingeräumt. Dieses sei für das Jahr 2009 dahingehend ausgeübt worden, dass gerade keine Regelung für die Umwandlung der Kooperationsform habe in den HV aufgenommen werden sollen. Für das Jahr 2010 hätten die Gesamtvertragspartner dann ihr Ermessen anderweitig ausgeübt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2012 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil, soweit es mit der Berufung angefochten ist, für zutreffend. Der erweiterte Bewertungsausschuss habe den Gesamtvertragspartnern zwingend vorgeschrieben, im HV 2009 eine Übergangsregelung für den Fall einer Umwandlung der Kooperationsform zu treffen. Ermessen sei insoweit nicht eingeräumt. Ob die Gesamtvertragspartner im Jahre 2009 Ermessen ausgeübt hätten, sei gerade nicht erkennbar. Auch sei nicht plausibel, warum der HV 2010 in § 6 Abs. 6 im Gegensatz zum Vorjahr die zwingend vorgesehene Regelung enthalte.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat aber keinen Erfolg.

A.

Die Bestandskraft des Honorarbescheides und des RLV-Zuweisungsbescheides für das Quartal III/09 sowie die Durchführung mehrerer paralleler Verwaltungsverfahren zur Höhe des RLV jeweils für die Quartale III/09 und IV/09 stehen der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen.

I.

Zwar fehlt einem Vertragsarzt für die Klage gegen einen RLV-Zuweisungsbescheid das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Honorarbescheid für das betroffene Quartal bestandskräftig ist (vgl. BSG, Urteil vom 15. August 2012 – B 6 KA 38/11 R –, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13). Weil die Beklagte aber zu prüfen hat, ob Vertragsärzten, die im Vertrauen auf die (ältere) Rechtsprechung des BSG von einer gleichzeitigen Anfechtung der Honorarbescheide abgesehen haben, Vertrauensschutz zu gewähren ist (BSG, a.a.O., Rdnr. 16), kommt es hier auf den Honorarbescheid für das Quartal III/09 nicht an.

II.

Die Beklagte hat – wie sich aus dem hiesigen Rechtsstreit sowie den am selben Tag entschiedenen Verfahren L 7 KA 155/11, L 7 KA 140/11 und L 7 KA 80/11 ergibt – bezüglich der Höhe des RLV eines Vertragsarztes für ein bestimmtes Quartal mehrere Verwaltungsverfahren unabhängig voneinander durchgeführt. So hat sie in Verfahren, in denen Widerspruch gegen den RLV-Zuweisungsbescheid (§ 87b Abs. 5 Sätze 1 und 2 SGB V in der vom 1. Juli 2008 bis 22. September 2011 geltenden Fassung <alte Fassung – aF>) erhoben wurde, nur bestimmte Einwände der Vertragsärzte (z.B. zur Arztgruppenzuordnung, Rechtmäßigkeit der Beschlüsse des erweiterten Bewertungsausschusses [EBewA]) berücksichtigt; alle Umstände, die wegen der Anerkennung von Praxisbesonderheiten zu einem höheren RLV führen können, hat sie demgegenüber – auf Antrag – in einem separaten Verwaltungsverfahren geprüft; ebenso ist sie vorliegend in Bezug auf die Frage der nach Auflösung der Gemeinschaftspraxis zugrunde zu legenden Fallzahlen verfahren.

Die Ursachen für diese Vorgehensweise liegen einerseits in § 87b Abs. 5 SGB V aF sowie andererseits in § 6 Abs. 3 der Anlage 1 zum HV 2009. Nach § 87b Abs. 5 Sätze 1 und 2 SGB V aF obliegt die Zuweisung der RLV an den Arzt oder die Arztpraxis einschließlich der Mitteilung der Leistungen, die außerhalb der RLV vergütet werden, sowie der jeweils geltenden regionalen Preise der Kassenärztlichen Vereinigung; die Zuweisung erfolgt erstmals zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des RLV. Gemäß § 6 Abs. 3 der Anlage 1 zum HV 2009 können wegen im einzelnen aufgeführter arzt- bzw. praxisindividueller Umstände (z.B. urlaubs- oder krankheitsbedingte Vertretung, Praxisaufgabe in der näheren Umgebung) auf Antrag des Arztes und nach Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung Berlin Leistungen über das arzt-/praxisbezogene RLV hinaus mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Dass derartige Umstände bei der Ermittlung des RLV nur antragsabhängig Beachtung finden können, ist sachgerecht, weil sie der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) typischerweise nicht bekannt sind. Dies gilt gleichermaßen für nach § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V aF zwingend zu berücksichtigende Praxisbesonderheiten.

Diese Praxis der Beklagten begegnet gleichwohl rechtlichen Bedenken, weil die identische Regelung (Höhe des RLV eines Vertragsarztes in einem bestimmten Quartal) Gegenstand zweier Verwaltungs- bzw. Vorverfahren wurde, was zu divergierenden bestandskräftigen Festsetzungen zur Höhe des RLV führen könnte. Werden die beiden Verwaltungsverfahren völlig unabhängig voneinander geführt, bleibt unbeachtet, dass es nicht um unterschiedliche Lebenssachverhalte geht, sondern nur um unterschiedliche Begründungen für dieselbe Regelung.

Deshalb spricht einiges dafür, dass die Beklagte nicht hinsichtlich desselben Regelungsgegenstandes mehrere Widerspruchsverfahren durchführen, sondern im Hinblick auf § 86 SGG pro Quartal nur einen Widerspruchsbescheid erlassen darf, in dem sie auf die Einwände gegen den RLV-Zuweisungsbescheid, auf Praxisbesonderheiten und – hier – auf die jeweils zugrunde zu legende Fallzahl eingeht.

Über die Tragweite dieser Bedenken muss der Senat indes nicht abschließend befinden. Nähme man sie ernst, bedeutete dies für den hiesigen Rechtsstreit, dass die Beklagte im Zusammenhang mit dem ruhenden Widerspruchsverfahren (wegen des RLV-Zuweisungsbescheids vom 28. August 2009, betreffend das Quartal IV/09) nicht erneut über das RLV des Klägers für das Quartal IV/09 entscheiden dürfte. Denn nachdem die Widerspruchsstelle bereits mit dem Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2011 über diesen Streitgegenstand entschieden hatte, wäre sie zu einer erneuten Befassung hiermit nicht befugt (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2003 – B 11 AL 47/02 R –, juris; BSGE 75, 241). Da sich die Beklagte indes im Ergebnis dieses Urteils erneut mit dem RLV des Klägers im Quartal IV/09 befassen muss (hierzu unter B.), wird sie die Einwände des Klägers aus dem ruhenden Widerspruchsverfahren in die erneute Entscheidung einbeziehen müssen, um divergierende Festsetzungen zum RLV des Quartals IV/09 zu vermeiden.

Dem Umstand schließlich, dass der Kläger den RLV-Zuweisungsbescheid vom 29. Mai 2009 für das Quartal III/09 hat bestandskräftig werden lassen, indem er seinen Widerspruch am 20. Juli 2013 zurücknahm, entnimmt der Senat, dass der Kläger die in jenem Verfahren vorgebrachten Einwände gegen das RLV für das Quartal III/09 nicht weiterverfolgt. Auf diese Einwände musste der Senat daher im hiesigen Rechtsstreit nicht eingehen.

Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die gesetzliche Vorgabe, das RLV zur Gewährleistung von Kalkulationssicherheit (vgl. den Entwurf der Fraktionen der CDU/ CSU und SPD für das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, BT-Drs. 16/3100, S. 216) rechtzeitig vor Beginn eines Quartals dem Vertragsarzt zuzuweisen, mit der aus § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V aF und Teil F Nr. 3.6 des Beschlusses des EBewA vom 27./28. August 2008 resultierenden Pflicht der KV, ihr bis dato in der Regel unbekannte und daher nur auf Antrag berücksichtigungsfähige Umstände als mögliche Praxisbesonderheiten einer Prüfung zu unterziehen und in Folge dessen ggf. ein höheres RLV festzusetzen, kollidiert. Insbesondere bezüglich der hier streitigen Quartale III/09 und IV/09 war es typischerweise ausgeschlossen, dass zum gesetzlich vorgegebenen Zeitpunkt der Zuweisung Praxisbesonderheiten der KV bereits mitgeteilt waren und von ihr auch geprüft und anerkannt werden konnten.

Angesichts dessen dürfte einiges dafür sprechen, § 6 Abs. 3 (und ebenso die mit Wirkung ab dem Quartal II/09 eingefügten Regelungen in § 5 Abs. 9) der Anlage 1 zum HV 2009 dahin auszulegen, dass die – zwingend vor Quartalsbeginn zu erfolgende – RLV-Zuweisung unter dem Vorbehalt einer späteren antragsabhängigen RLV-Erhöhung infolge der Anerkennung von Praxisbesonderheiten steht. Bei dieser Auslegung wäre gewährleistet, dass einerseits die RLV-Zuweisung rechtzeitig vor Quartalsbeginn erfolgen kann und andererseits Praxisbesonderheiten antragsabhängig geltend gemacht werden und zu einer RLV-Erhöhung noch für dieses Quartal führen können, ohne dass – etwa durch die Aufspaltung in zwei voneinander unabhängige Verwaltungsverfahren – geltendes Verwaltungsverfahrens- oder Prozessrecht verletzt wird.

Auf der Umsetzungsebene hätte dies zur Folge, dass alle RLV-Zuweisungsbescheide unter dem nicht ausdrücklich aufgenommenen Vorbehalt stehen, dass das darin festgesetzte RLV nur solange Wirkung entfaltet, bis infolge eines Antrags nach § 6 Abs. 3 (bzw. ab dem Quartal II/09 nach § 5 Abs. 9) der Anlage 1 zum HV 2009 ein höheres RLV festgesetzt wird. Ein solcher Vorbehalt wäre gemäß § 32 Abs. 1, 2. Alt. SGB X zulässig, da auf diese Weise eine RLV-Festsetzung unter Wahrung der o.g. kollidierenden normativen Vorgaben sichergestellt ist. Dieser Vorbehalt dürfte im Übrigen auch die Verwaltungspraxis der Beklagten widerspiegeln, da dem Senat – zumindest derzeit – kein Fall bekannt ist, in dem die Beklagte trotz anerkannter Praxisbesonderheiten und daraus resultierender RLV-Erhöhung das geringere RLV aus dem älteren Zuweisungsbescheid der Honorarberechnung zugrunde gelegt hat. Vorstehende Erwägungen gelten gleichermaßen, wenn – wie hier – nach Erlass eines RLV-Zuwendungsbescheides in einem gesonderten Antragsverfahren geltend gemacht wird, dass dem RLV infolge der Auflösung einer Berufsausübungsgemeinschaft eine höhere Fallzahl zugrunde zu legen sei.

B.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erhöhung der für das RLV der Quartale III/09 und IV/09 relevanten Fallzahl neu zu entscheiden.

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe der der Berechnung des RLV für die Quartale III/09 und IV/09 zugrunde zu legenden Fallzahl. Nicht mehr umstritten ist insoweit, ob die Beklagte die klägerische Praxis infolge der Anstellung von Frau Dr. D wie eine Aufbaupraxis im Sinne von § 6 Abs. 4 HV 2009 behandeln musste, denn der Kläger hat gegen die erstinstanzliche Entscheidung keine Berufung eingelegt. Zu Recht dürfte das Sozialgericht insoweit auch entschieden haben, dass die Anstellung eines weiteren Facharztes eine Altpraxis nicht zu einer Aufbaupraxis macht (vgl. insoweit zum Eintritt eines weiteren Arztes in eine bestehende Berufsausübungsgemeinschaft – in Bezug auf die Frage der Aufbaupraxis ebenfalls ablehnend – Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Juli 2013, B 6 KA 44/12 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27 bis 30). Zutreffend hat das Sozialgericht insoweit auch betont, dass die vom Kläger geführte Praxis nur eine (sonstige) unterdurchschnittlich abrechnende Praxis war, die Anspruch auf die Möglichkeit des Wachstums bis zum Fachgruppendurchschnitt hat.

Nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage schließt der Senat sich den überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts an, soweit dieses den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig hält, und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug auf die mit der Berufung angegriffene Entscheidung (Punkt B. I. des Urteils, Umdruck Seite 9 bis 15). Die im Jahre 2009 für die Festsetzung des RLV geltende Rechtslage mit § 87b Abs. 2 SGB V, den Beschlüssen der erweiterten Bewertungsausschusses und dem HV 2009 hat das Sozialgericht zutreffend dargestellt und herausgearbeitet, dass eine Übergangsregelung zur Berechnung des RLV bei Umwandlung von Kooperationsformen nach Teil F Nr. 3.5 des Beschlusses des erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28.8.2008 und des Beschlusses vom 20.4.2009 von den Gesamtvertragspartnern zwingend zu beschließen war:

„3.5 Regelleistungsvolumen bei Neuzulassung und Umwandlung der Kooperationsform

Die Partner der Gesamtverträge beschließen für Neuzulassungen von Vertragsärzten und Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge. Sofern nichts entsprechend Anderes vereinbart wurde, gilt für Ärzte, die im Aufsatzzeitraum noch nicht niedergelassen waren (Neupraxen), das arztgruppendurchschnittliche Regelleistungsvolumen für das jeweilige Quartal.“

Der Wortlaut dieses Beschlussteils lässt auch zur Überzeugung des Senats keine andere Auslegung zu als diejenige, dass für die Phase des Übergangs auch Sonderregelungen für den Fall der Umwandlung der Kooperationsform herbeizuführen waren. Ermessen hatten die Partner der Gesamtverträge insoweit nicht.

Zu Recht haben das Sozialgericht und der Kläger insoweit darauf hingewiesen, dass der HV 2010 in § 6 Abs. 6 eine entsprechende Übergangsregelung besaß:

„Bei Ausscheiden eines Partners - mit Ausnahme des Job-Sharing-Partners - erhält der Ausscheidende bei Fortführung der ärztlichen Tätigkeit dasjenige RLV, welches er in die Berufsausübungsgemeinschaft/MVZ eingebracht hat bzw. während der Zusammensetzung realisiert hat. Der Vorstand der KV Berlin kann auf Antrag eine abweichende Festsetzung vornehmen, wenn der Antragsteller darlegt, dass ihm nachweislich eine höhere Fallzahl für die Berechnung des RLV’s zusteht. Zum Nachweis geeignet ist in der Regel der einvernehmlich abgeschlossene Gemeinschaftspraxisvertrag in seiner zuletzt gegenüber dem Zulassungsausschuss vorgelegten Fassung, die Gewinnverteilung bzw. Teilungserklärung.“

Insofern bestand auch für das Jahr 2009 ein tatsächlicher Regelungsbedarf, weil – wie die Regelung in § 6 Abs. 6 des HV 2010 zeigt – bei Auflösung einer Gemeinschaftspraxis neben einer Aufteilung des RLV nach den arztindividuell abgerechneten Fallzahlen auch eine Aufteilung nach anderen Maßstäben, etwa auf Grundlage einer vertraglichen Auseinandersetzungsvereinbarung, in Betracht kam.

Eine Erhöhung des RLV für die beiden streitigen Quartale und damit des dem Kläger zustehenden Honorars ist im Zuge einer Neubescheidung auch möglich, wenngleich nicht garantiert. Eine Probeberechnung in dem seinen ehemaligen Partner Dr. R betreffenden Parallelverfahren S 83 KA 233/11 bzw. L 7 KA 22/12 hat gezeigt, dass etwa eine Umsetzung der Regelung in § 6 Abs. 6 HV 2010 auch für das Jahr 2009 zu teilweise erheblich höheren RLV geführt hätte.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Absatz 2 SGG nicht vorliegen.