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intertemporalen Prozessrechts - Sachverständigenablehnung - Schutzbehauptung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 16.12.2013
Aktenzeichen L 1 SF 268/13 B AB ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 172 Abs 2 SGG, § 42 ZPO, § 406 Abs 1 S 1 ZPO

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 19. August 2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Sozialgericht Potsdam (SG) das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen Dr. D teils wegen Verspätung als unzulässig, teils als unbegründet zurückgewiesen.

Die Beschwerde gegen diesen Beschluss ist zulässig.

Sie ist bereits am 23. September 2013 eingelegt worden und damit noch vor der Novellierung des § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch das Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK Neuorganisationsgesetz — BUK-NOG) vom 19. Oktober 2013 mit Wirkung zum 25. Oktober 2013. Nunmehr Ist die Beschwerde nach § 172 Abs. 2 SGG unter anderem gegen Beschlüsse „über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen” unstatthaft.

Der allgemeine Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts, wonach eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst, erfährt nämlich aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes — Aspekte des Rechtsstaatsprinzips, Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz - jedenfalls in Fällen ohne ausdrückliche gegenteilige Regelung eine Aufnahme dahingehend, dass bereits rechtshängige Rechtsmittel statthaft bleiben, auch wenn das Rechtsmittel nachträglich beschränkt wird (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Juni 2008 –L 32 B 758/08 AS- juris-Rdnr. 2 mit Bezugnahme auf Bundesverfassungsgericht, B. y. 7 Juli 1992 -2 BvR 1631/90, 1728/90-BVerfGE 87, 48,63ff).

Die Beschwerde erweist sich allerdings als unbegründet.

Der Senat nimmt um Wiederholungen zu vermeiden gem. § 142 Abs. 2 S. 3 SGG auf die Sachverhaltsdarstellung und die Begründung der angefochtenen Entscheidung Bezug und macht sie sich zu Eigen.

Mit der Beschwerde sind keine Gründe benannt worden, die Anlass geben könnten, an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu zweifeln.

Nach § 118 Abs. i Satz I SGG i. V. §§ 406 Abs. 1 Satz 1,42 Abs. 1, 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein gerichtlich bestellter Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

Dies setzt demnach voraus, dass hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unbefangenheit, Unvoreingenommenheit oder Unparteilichkeit des Sachverständigen zu zweifeln. Die nur subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftiger Weise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen zur Ablehnung nicht aus.

Der Senat kann nicht erkennen, dass hier objektive Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit vorliegen.

Zutreffend hat es das SG abgelehnt, die Unvoreingenommenheit der Sachverständigen in Frage zu stellen, weil er in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Juni 2013 eine Einlassung der Klägerin als „Schutzbehauptung” bezeichnet hat:

Zum einen hatte das SG den Sachverständigen mit Verfügung vom 20. Mai 2013 dazu ausdrücklich -wie von der Klägerin beantragt- aufgefordert, zu deren im Schriftsatz vom 25. April 2013 formulierten Einwendungen Stellung zu nehmen, unter anderem zum Vortrag, der Bewusstseinszustand des Patienten sei nicht nur zu den Zeiten der (Blutdruck- und Herzfrequenz )Messungen kontrolliert, sondern auch während seines Aufenthaltes auf Station beobachtet und dokumentiert worden.

Der Sachverständige sollte sich also gerade auch zum Wahrheitsgehalt dieser Behauptung äußern. Dass er diesem Auftrag Folge geleistet hat, kann den Verdacht der Parteilichkeit nicht rechtfertigen.

Die vorgebrachte Rüge der Wortwahl des Sachverständigen vermag der Senat nicht zu teilen. Unter der Prämisse, zum Ausdruck zu bringen, den Vortrag für unwahr zu halten, stellt sich die Bezeichnung „Schutzbehauptung” als weder übertrieben noch ehrverletzend dar.

Zum anderen kann die von einem Richter oder Sachverständigen gewählte Ausdrucksweise nur dann die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn sie den insoweit bestehenden Spielraum überschreitet (vgl. OLG Stuttgart, Urt. y. 12. Februar 2002 -4 U 54/02-, MDR 2003, 50, juris-Rndr.6). Hierfür ist hier nichts ersichtlich. Es ist Aufgabe eines Sachverständigen, seine Auffassung ungeschminkt darzustellen.

Entsprechendes gilt für die bemängelte Formulierung „in keiner Weise”:

Soweit die Antragstellerin dem Sachverständigen ferner vorwirft, anstelle des Gerichts rechtliche Bewertungen zu treffen, verhilft auch dies dem Ablehnungsgesuch nicht zum Erfolg:

Auch insoweit gilt, dass ihm das SG aufgegeben hat, sich zu (allen) Einwendungen der Antragstellerin zu äußern.

Selbst wenn Feststellungen des Sachverständigen insoweit fehlerhaft sein sollten, ist ihnen zudem nicht zu entnehmen, dass sie auch nur möglicherweise in parteilicher Absicht getroffen worden sein könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).