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Erweiterte Oberschule - Versicherungspflicht


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 22. Senat Entscheidungsdatum 22.11.2012
Aktenzeichen L 22 R 1188/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 248 SGB 6, § 247 SGB 6

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungs-verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Vormerkung der Zeit vom 01. September 1963 bis zum 31. August 1967 als Beitragszeit.

Die 1948 geborene Klägerin besuchte ab dem 01. September 1963 die Erweiterte Oberschule „A“ in S (EOS). Vom 02. Mai 1967 bis zum 16. Juni 1967 unterzog sie sich dort mit Erfolg der Reifeprüfung. Ebenfalls am 01. September 1963 hatte die Klägerin beim VEB Fahrzeug- und Gerätewerk S S (VEB) auch eine Lehrausbildung als Dreher mit gleichzeitigem Besuch der Betriebsschule des VEB begonnen, die sie mit erfolgreicher Ablegung der Facharbeiterprüfung am 21. Juli 1967 abschloss.

Auf Antrag der Klägerin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 03. April 2007 die Zeiten bis zum 31. Dezember 2000 verbindlich fest. Dabei wurden als Anrechnungszeittatbestände vorgemerkt:

18.06.1965 - 30.04.1967

        

Schulausbildung

01.05.1967 - 31.05.1967

        

Schulausbildung

01.06.1967 - 16.06.1967

        

Schulausbildung/Überbrückungszeit

17.06.1967 -30.06.1976

        

Schulausbildung/Überbrückungszeit

01.07.1967 - 31.08.1967

        

Schulausbildung/Überbrückungszeit

Die Zeit vom 18. Juni 1964 bis 17. Juni 1965 wurde nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt, da die Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegt worden sei.

Mit Bescheid vom 31. Juli 2009 stellte die Beklagte die Zeiten bis 31. Dezember 2002 verbindlich fest, soweit diese nicht früher festgestellt worden waren. Die Anerkennung der Zeit vom 01. September 1963 bis 31. August 1967 als Beitragszeit wurde abgelehnt, da nach dem seinerzeit geltenden Recht Versicherungs- oder Beitragspflicht in der Rentenversicherung nicht bestanden habe.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2010 zurück: Dem Begehren der Klägerin, die Zeit des Abiturs mit Berufsausbildung vom 01. September 1963 bis 31. August 1967 als Beitragszeit zur gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne von § 248 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) anzuerkennen, könne nicht entsprochen werden. Jugendliche, die die EOS besucht und neben dem Besuch der Oberschule eine Berufsausbildung durchgeführt hätten, hätten als Schüler gegolten. Bei ihnen habe der Besuch der Schule im Vordergrund gestanden. Die Teilnehmer an den Ausbildungsformen „Abitur mit Berufsausbildung“ hätten nicht der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterlegen, so dass für den Zeitraum der beruflichen Ausbildung keine Beitragszeiten nach § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI anzuerkennen sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 01. März 2010 beim Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben mit der Begründung, dass sie bezüglich ihrer Lehrausbildung wie ein Lehrling der Versicherungspflicht zur Sozialversicherung der DDR unterlegen habe.

Das SG hat in seiner Entscheidung als „sinngemäßen“ Antrag der Klägerin zugrunde gelegt,

den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 01. September 1963 bis zum 31. August 1967 als Beitragszeit nach § 248 Abs. 3 SGB VI anzuerkennen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im Wesentlichen auf ihre Begründung im angegriffenen Widerspruchsbescheid verwiesen.

Durch Gerichtsbescheid des SG vom 12. November 2010 ist die Klage abgewiesen worden. Das SG hat in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausgeführt, dass weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei, dass die Klägerin im Zeitraum vom 01. September 1963 bis zum 31. August 1967 ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt überhaupt erzielt habe und davon Beiträge zur Sozialversicherung der DDR abgeführt worden seien. Die Klägerin habe im Formular zum Antrag auf Kontenklärung vom 03. Dezember 2005 selbst angegeben, dass ihr im streitigen Zeitraum kein Lehrlingsgehalt gezahlt worden sei, da zur gleichen Zeit das Abitur abgelegt worden sei. Darüber hinaus hat es ausgeführt, dass zwar der in der betrieblichen Ausbildung befindliche Lehrling nach der Verordnung über die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten - SVO - vom 21. Dezember 1961 pflichtversichert und beitragspflichtig gewesen sei, es sich bei dem Schüler der EOS mit Berufsausbildung um einen anderen Fall gehandelt habe. Denn mit Wirkung vom 01. Januar 1963 seien durch die „Anordnung über die Planung und Finanzierung der Berufsausbildung an den erweiterten Oberschulen“ vom 04. Dezember 1962 (AO-EOS 1962) die Schüler der EOS, die neben dem Abitur eine Lehre mit Abschluss eines Facharbeiterbriefes erwerben konnten, Schüler der EOS geblieben und keine Lehrlinge des Ausbildungsbetriebes gewesen. Dies werde insbesondere in § 6 der genannten Anordnung deutlich, der bestimmt habe, dass für Schüler während der Ausbildungstage und Praktika Versicherungsschutz wie beim polytechnischen Unterricht bestand (Bezugnahme auf Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. März 2008, L 3 R 1166/07). Für die Zeit ab dem 01. Januar 1965 habe darüber hinaus § 1 Abs. 3 der „Verordnung über Entgelt und Versicherungsschutz für Oberschüler während der beruflichen Ausbildung vom 03. November 1964“ (VO-EOS 1964) gegolten, wonach die Schüler der EOS während der beruflichen Ausbildung ausdrücklich nicht der Versicherungspflicht zur Sozialversicherung unterlegen hätten.

Gegen den ihr am 20. November 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 17. Dezember 2010 Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, dass ein entscheidendes Kriterium für die Annahme einer versicherungspflichtigen Lehrzeit neben einer gleichzeitigen Schulausbildung die Tatsache sei, dass die Lehrzeit nicht wie normal drei, sondern vier Jahre gedauert habe (vom 01. September 1963 bis 31. August 1967). Es habe somit ein „duales“ Ausbildungsverhältnis bestanden. Sie ist der Meinung, dass sie ein Lehrlingsentgelt bezogen habe, von dem Beiträge zur Sozialversicherung der DDR entrichtet worden seien. Nachweise hierfür könne sie nicht mehr erbringen.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 31. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2010 zu verpflichten, die Zeit vom 01. September 1963 bis zum 31. August 1967 als Beitragszeit vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Eintragungen im Arbeits- und Sozialversicherungsausweis der Klägerin, wonach eine Entgeltzahlung aus dem Lehrverhältnis beim VEB nicht eingetragen sei, und wiederholt im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen.

Unterlagen über die von der Klägerin bereits eingereichten hinaus, die weiteren Aufschluss über die behaupteten Versicherungs- und Beitragspflichten bzw. Beitragszahlungen der Klägerin geben könnten, konnten nicht ermittelt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der bei gezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2012 auch in Abwesenheit der Klägerin entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass im Falle eines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2010 rechtmäßig ist und die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung der Zeiten vom 01. September 1963 bis zum 31. August 1967 als Beitragszeiten hat. Solche Beitragszeiten sind weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.

Rechtsgrundlage des im Berufungsverfahren zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) verfolgten Vormerkungsverlangens der Klägerin ist § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI. Diese Bestimmung findet nach § 300 Abs. 1 SGB VI unabhängig davon Anwendung, ob der Sachverhalt, auf den der Anspruch gestützt wird, bereits vor diesem Zeitpunkt vorgelegen hat; dies gilt auch für die Vorschriften des SGB VI, welche die vorzumerkenden Beitragszeiten betreffen (vgl. BSGE 70, 138, 139).

Nach § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI ist der Versicherungsträger verpflichtet, nach Klärung des Versicherungskontos einen Vormerkungsbescheid über die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, zu erlassen. Durch den Vormerkungsbescheid werden die Tatbestände rentenrechtlicher Zeiten für die jeweiligen Bezugsmonate verbindlich festgestellt mit der Folge, dass diese im Leistungsfall grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Auch Negativentscheidungen, mit denen die Feststellung derartiger Zeiten abgelehnt wird - wie hier der Zeit vom 01. September 1963 bis zum 31. August 1967 als Beitragszeit – sind Verwaltungsakte im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und bindend (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2004, B 4 RA 36/02 R, veröffentlicht in juris).

Danach ist die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden. Im streitgegenständlichen Zeitraum hat die Klägerin keine weiteren rentenrechtlichen Zeiten zurückgelegt.

Nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, in denen nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Das ist hinsichtlich der streitgegenständlichen Zeit auszuschließen, weil die Klägerin weit vor In-Kraft-Treten des SGB VI (01. Januar 1992) in der DDR zurückgelegte Zeiten geltend macht; für Sachverhalte, die Beitragsansprüche, Beitragsschuld und Beitragszahlungen im Beitrittsgebiet vor dem 01. Januar 1992 zum Gegenstand haben, finden die in § 55 Abs. 1 SGB VI getroffenen Regelungen keine Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 16. November 2000, B 4 RA 55/99 R, veröffentlicht in juris).

Auch eine Anrechnung als gleichgestellte Zeit nach § 248 Abs 3 Satz 1 SGB VI scheidet aus. Nach dieser Vorschrift stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 8. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Diese Grundregel für die Gleichstellung der Beitrittsgebiets-Beitragszeiten verlangt grundsätzlich nur, dass für Zeiten nach dem 8. Mai 1945 Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung des Beitrittsgebietes gezahlt worden sind. Dabei ordnet die Vorschrift nicht die Anwendung bestimmter Vorschriften des DDR-Rechts an. Bundesrechtlich ist vielmehr nur zu prüfen, ob Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach den damaligen Vorschriften der DDR gezahlt worden sind. Das DDR-Recht ist insoweit nur tatsächlicher Anknüpfungspunkt (vgl. BSG, Urteil vom 30. August 2001, B 4 RA 62/00 R, veröffentlicht in juris, dort Rz. 18ff.)

Die Klägerin hat weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht (§ 286 b SGB VI), dass in dem streitigen Zeitraum ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erzielt und davon Beiträge zur Sozialversicherung der DDR abgeführt worden sind.

Dies ergibt sich zunächst aus dem Sozialversicherungsausweis der Klägerin, der am 03. Februar 1965, also etwa in der Mitte der behaupteten Beitragzeit, von der EOS ausgestellt worden ist. Er enthält keine Angaben zu einem beitragspflichtigen Gesamtarbeitsverdienst im streitigen Zeitraum. Die Spalte „Beitragspflichtiger Gesamtarbeitsverdienst“ ist für eine ab „1.1.1965“ beginnende, mit „Schüler“ bezeichnete Tätigkeit leer; ein Datum für das „Ende der Tätigkeit“ als Schüler ist zwar nicht vermerkt, die nächste Eintragung im Ausweis bezeichnet aber als Beginn einer nächsten Tätigkeit als „Student“ den 01. September 1967, also ein Datum nach Ende der Schul- und Lehrausbildungszeit der Klägerin. Eintragungen für die Zeit vor dem 01. Januar 1965 fehlen, so dass für den gesamten Zeitraum keinerlei Hinweis auf einen beitragspflichtigen Arbeitsverdienst der Klägerin zu finden ist.

Auch die von der Klägerin übersandte „Schülerkarte“ der Betriebsberufsschule S(BBS) und der von der BBS vorgenommene Eintrag in den Sozialversicherungsausweis über die Berufsausbildung der Klägerin als Dreher im VEB lassen nicht erkennen, dass für die Klägerin im streitigen Zeitraum Beiträge von einem Lehrlingsentgelt gezahlt worden sind.

Aus der Bestätigung des Oberstufenzentrums des Landkreises P vom 12. August 2004 ergibt sich lediglich, dass die Klägerin von November 1962 bis Juni 1965 durchschnittlich an einem Tag im Monat die Allgemeine Berufsschule P besuchte. Sie selbst hat mit Schreiben vom 30. August 2004 angegeben, die theoretische Ausbildung habe im Juni 1965 geendet, bis zum Ende der Lehre habe nur noch praktische Ausbildung stattgefunden. Angaben über im streitigen Zeitraum stattgefundene zusammenhängende Praktika in der unterrichtsfreien Zeit, die nach § 3 des Ausbildungsvertrags nur unter den dort genannten Bedingungen ein Entgelt ausgelöst haben könnten, hat die Klägerin nicht gemacht. Auch lassen sich solche Praktika nach dem vorliegenden Ermittlungsergebnis nicht feststellen.

In dem Aktenbestand der Rhenus Office Systems GmbH, die Sach- und Personalakten ehemaliger DDR-Betriebe aufbewahrt, haben sich Unterlagen zu einer Beitragszahlung nicht finden lassen; ebenso wenig konnte die Stadt S, die eine Bescheinigung über die Schulzeit der Klägerin an der EOS und eine Kopie des Facharbeiterzeugnisses der Klägerin übersandt hat, Angaben zu einem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt der Klägerin oder gar einer Beitragsabführung machen. Ein Ausbildungsvertrag, der näheren Aufschluss über den Bezug eines Lehrlingsentgeltes der Klägerin hätte bringen können, konnte nicht mehr vorgelegt werden, da er nach Angaben der Klägerin verloren gegangen ist.

Die Klägerin selbst hat widersprüchlich und nicht einmal im Sinne einer Tatsachenbehauptung zur Frage eines Lehrlingsentgeltes vorgetragen, was gegen eine Glaubhaftmachung einer Beitragszahlung spricht. Einerseits hat sie auf S. 3 ihres Antrages auf Kontenklärung vom 03. Dezember 2005 handschriftlich im Vordruck angegeben, dass es in der DDR kein Lehrlingsgehalt gegeben habe, da zur gleichen Zeit das Abitur abgelegt worden sei; andererseits hat sie erst während des Berufungsverfahrens behauptet, dass sie der Auffassung sei, dass sie ein Lehrlingsentgelt bezogen habe, von dem Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet worden seien.

Die im streitigen Zeitraum geltenden gesetzlichen Regelungen sprechen hingegen dagegen, dass während der streitgegenständlichen Zeit der Beiträge für die Klägerin entrichtet wurden.

Gemäß § 74 Abs. 2 der Verordnung über die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten (vom 21. Dezember 1961, Gbl. II S. 533, ber. 1962 S. 4 - SVO 1962) bestand die Verpflichtung des Betriebs, jährlich die Gesamtsumme der beitragspflichtigen Arbeitsverdienste in die Lohnaufzeichnungen und in den Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung einzutragen. Eine solche Eintragung ist im streitigen Zeitraum für die Zeit ab 01. Januar 1965 nicht erfolgt. Eintragungen sind für die Zeit davor nicht gemacht worden, obwohl die Berufsausbildung im Sozialversicherungsausweis für den gesamten Zeitraum seit 01. September 1963 vermerkt ist.

Nach § 67 Abs. 1 SVO 1962 waren die nach § 14 (SVO) pflichtversicherten Werktätigen mit dem der Lohnsteuer unterlegenen Arbeitsverdienst ohne Berücksichtigung von Freigrenzen und steuerfreien Beträgen bei der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten beitragspflichtig.

Nach § 46 Abs. 2 der Ersten Durchführungsbestimmung zur SVO vom 10. September 1962 (GBl. II Seite 625) waren Lehrlingsentgelte beitragspflichtig, obwohl sie nicht lohnsteuerpflichtig gewesen sind. Lehrlinge waren nach § 14 Abs. 2 SVO 1962 im Gegensatz zu Werktätigen (vgl. hierzu § 14 Abs. 1 SVO) ohne Rücksicht auf die Höhe des während der Berufsausbildung erzielten Arbeitsentgelts bei der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten pflichtversichert.

Jedoch unterlag die Klägerin als Oberschülerin auch für die Zeit ihrer beruflichen Ausbildung nicht der Versicherungspflicht zur Sozialversicherung.

Jugendliche, die eine Erweiterte Oberschule besuchten und daneben eine Berufsausbildung durchführten, galten als Schüler und unterlagen nicht der Versicherungspflicht.

In der ab 01. Januar 1965 geltenden Verordnung über Entgelte und Versicherungsschutz für Oberschüler während der beruflichen Ausbildung vom 3. November 1964 (VO-EOS1964) abgedruckt in GBl. II Nr. 111 Seite 887 heißt es:

„Aufgrund der Einführung der beruflichen Ausbildung für Schüler der polytechnischen Oberschulen als wichtige schulpolitische Maßnahme bei der Entwicklung des einheitlichen sozialistischen Bildungssystems in der Deutschen Demokratischen Republik und zur zielgerichteten Nutzung des materiellen Interesses der Schüler für die ständige Erhöhung ihrer Leistung beim Lernen und Arbeiten in Schule und Betrieb wird Folgendes verordnet:

§ 1
Abs. 1

Den Oberschülern, die in den

a) Klassen 9 und 10 der zehnklassigen allgemeinbildenden poly-technischen Oberschule eine berufliche Grundausbildung,

b) Klassen 9 bis 12 der Erweiterten Oberschule bzw. der Spezialschule technischer Richtung eine volle Berufsausbildung,

c) Klassen 9 bis 12 der Sonderschule eine berufliche Grundausbildung oder eine volle Berufsausbildung

erhalten, wird durch den Betrieb, mit dem ein Lehrvertrag abgeschlossen wurde, monatlich ein Entgelt gezahlt.

Abs. 2

Die Höhe des monatlichen Entgelts beträgt für die Oberschüler

in der Klasse

 9     

   40 MDN

        

10    

   50 MDN

        

11    

   60 MDN

        

12    

   70 MDN.

Abs. 3

Für die berufliche Ausbildung gemäß Abs. 1 unterliegen die Oberschüler nicht der Versicherungspflicht zur Sozialversicherung….

Für die Zeit vor 01. Januar 1965 gibt es keine Rechtsvorschrift, die eine andere Regelung zur Versicherungspflicht der Oberschüler vorsieht. Denn bei den Schülern der EOS mit integrierter beruflicher Ausbildung stand weiterhin der allgemeine Schulunterricht mit dem Ziel der Reifeprüfung im Vordergrund. Bei ihnen lagen die Hauptpflichten weiter auf schulischem Gebiet und nicht auf denen des gleichzeitig bestehenden Lehrverhältnisses (Arbeitsrecht der DDR, Autorenkollektiv Staatsverlag der DDR, Berlin 1968, S. 241).

Dass es sich bei der Klägerin um eine unter §1 VO-EOS 1964 zu subsumierende Schülerin gehandelt hat, ergibt sich aus den von ihr vorgelegten Unterlagen. Nach dem von ihr vorgelegten Reifezeugnis hat sie die EOS vier Jahre lang von 1963 bis 1967 besucht. Dies entspricht dem Eintrag im Sozialversicherungsausweis der Klägerin, in dem für die Zeit ab 01. Januar 1965 eine „Tätigkeit“ als „Schüler“ der EOS vermerkt ist. Gleichzeitig neben ihrer Schulausbildung an der EOS war die Klägerin in einer vollen, vierjährigen Berufsausbildung zum Dreher. Die Eintragungen in ihrem Facharbeiterzeugnis bezüglich einer berufspraktischen als auch einer berufstheoretischen Ausbildung belegen dabei den Vortrag der Klägerin zu einer „dualen“ Berufsausbildung. Aus der von ihr vorgelegten „Schülerkarte“ der BBS geht andererseits hervor, dass die Klägerin von Klasse 9 bis Klasse 12 die EOS und gleichzeitig den berufstheoretischen Unterricht in der BBS vom 01. September 1963 bis zum II. Quartal 1967 besucht hat. In der Schülerkarte ist vermerkt, dass die Klägerin die „9 b/Eo-S“ bis Klasse 12 der EOS besucht und an der BBS ihre Ausbildung am 01. September 1963 zur Dreherin begonnen und parallel zu den Klassen 9 bis 12 der EOS durchgeführt hat. Dies entspricht der Eintragung im Sozialversicherungsausweis der Klägerin, wonach sie in der Zeit vom 01. September 1963 bis 31. August 1967 eine Berufsausbildung zum Dreher im VEB absolviert hat, und zwar als „Ausbildung im Rahmen der EOS S“. Dieser letztgenannte Zusatz in der Eintragung belegt außerdem, dass der Status als Schüler der vorrangige war und sie deshalb einer Versicherungspflicht während des Schulbesuchs nicht unterlagen.

Ein Fall der Berufsausbildung mit Abitur, in dem gleichzeitig mit der Facharbeiterqualifikation die Hochschulreife erworben wurde und in dem gemäß § 14 Abs. 2 SVO Versicherungspflicht als Lehrling bestanden haben könnte, liegt hier nicht vor. Die im Lehrjahr 1959/1960 eingeführte Berufsausbildung mit Abitur (vgl. § 5 Abs. 2 des Gesetzes über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der Deutschen Demokratischen Republik vom 02. Dezember 1959-, Gbl. I S. 83; vgl. hierzu auch Försterling-GK-SGB VI § 247 Rz. 197) sah vor, dass Jugendliche ein ordentliches Lehrverhältnis als Lehrling mit einem Lehrvertrag in einem volkseigenen Betrieb oder in einer gleichgestellten Einrichtung aufnehmen konnten, um einen Facharbeiterberuf zu erlernen. Über den Besuch einer BBS wurden die Lehrlinge gleichzeitig zum Abitur geführt. Diese Lehrlinge erwarben ihr Abitur nicht an einer EOS, sondern an einer BBS.

Diese Voraussetzungen sind im Fall der Klägerin nicht erfüllt. Sie hat ihr Abitur aber an der EOS und nicht an der BBS erworben.

Auch unter Berücksichtigung der den Oberschülern mit Berufsausbildung gemäß § 1 Abs. 2 VO-EOS 1964 gezahlten Entgelte bestand vor dem 1.Januar1965 keine Versicherungspflicht. Denn nach § 7 Abs. 1 der Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 10. September 1962 (GBl. II Seite 625) bestand bei einem Monatseinkommen von weniger als 75,00 Mark keine Versicherungspflicht. Die in § 1 Abs. 2 VO-EOS 1964 genannten Entgelte von 40,00 bis 70,00 Mark lagen unter der sozialversicherungspflichtigen Einkommensgrenze, weshalb auch deswegen eine Beitragspflicht nicht bestand.

Ein Anspruch der Klägerin auf Vormerkung der streitbefangenen Zeit als einer Zeit, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (§ 55 Satz 2 SGB VI, sog. fiktive Beitragszeit) besteht ebenfalls nicht. Als Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gelten gemäß § 247 Abs. 2 a SGB VI Zeiten, in denen vom 1. Juni 1945bis zum 30. Juni 1965 Personen als Lehrlinge oder sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigtwaren und grundsätzlich Versicherungspflicht bestand, eine Zahlung von Pflichtbeiträgen für diese Zeit jedoch nicht erfolgte.

Da der Anwendungsbereich der Vorschrift auf Zeiträume vom 01. Juni 1945 bis 30. Juni 1965 beschränkt ist, ist die Ausbildung der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Juli 1965 bis zum 31. August 1967 schon aus diesem Grund nicht zu berücksichtigen.

Für den Zeitraum vom 01. September 1963 bis zum 30. Juni 1965 kommt ein Anspruch auf Anerkennung einer Beitragszeit nach § 247 Abs. 2 a SGB VI jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil die Vorschrift voraussetzt, dass Personen als Lehrling oder sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt waren und grundsätzlich Versicherungspflicht bestanden hat. Die Klägerin war aber während ihrer Zeit ihrer beruflichen Grundausbildung wegen ihres Schulbesuches in der EOS nicht versicherungspflichtig tätig, wie bereits festgestellt worden ist.

Im Übrigen kommt eine direkte Anwendung der Vorschrift nicht in Betracht. § 247 Abs. 2 a SGB VI wurde durch Gesetz vom 24. Juni 1993 (BGBl. I Seite 1038) rückwirkend zum 01. Januar 1992 eingeführt. Sinn und Zweck des Gesetzes ist die versicherungspflichtige Besserstellung bestimmter im genannten Zeitraum zur Berufsausbildung beschäftigter Personen, die zwar nach den damals geltenden Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig waren, für die jedoch keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet wurden. Um die dadurch in der Versicherungsbiografie entstandenen Lücken zu schließen, wurden die fiktiven Beitragszeiten eingeführt (vgl. Kasseler Kommentar - Niesel, § 247 SGB VI, Rdnr. 7).

Eine entsprechende („analoge“) Anwendung der Vorschrift ist ausgeschlossen. Denn weder liegt insoweit eine (zu schließende) „Regelungslücke“ vor noch sind die zu beurteilenden Sachverhalte vergleichbar. Der Senat schließt sich insoweit ohne Einschränkungen der Auffassung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt, Urteil vom 05. Juli 2001, L 3 RJ 221/00, (veröffentlicht in juris) an. Danach liegt eine Regelungslücke nicht vor, weil für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet die ausdrückliche gesetzliche Vorschrift des § 248 SGB VI gilt. Die Berufsausbildung ist des Weiteren auch nicht mit den von § 247 Abs. 2 SGB VI erfassten Sachverhalten vergleichbar. Denn für die Klägerin bestand insoweit keine Versicherungspflicht. Daher waren weder von ihr noch für sie insoweit (Sozialversicherungs-)Beiträge zu zahlen. Im Gegensatz hierzu bestand für den in § 247 Abs. 2 a SGB VI benannten Personenkreis Versicherungspflicht, wobei allein das Unterbleiben der Zahlung der (Pflicht-)Beiträge aus diversen und von Auszubildenden in der Regel nicht zu vertretenden Gründen den Versicherungspflichtigen nicht zum Nachteil gereichen sollte (vgl. hierzu Kasseler Kommentar - Niesel, § 247 SGB VI, Rdnr. 7 ff. m. w. N.). § 247 Abs. 2 a SGB VI bewirkt somit die Beseitigung einer Ungleichbehandlung zwischen zwei vergleichbaren Personengruppen (jeweils der Versicherungs- und Beitragspflicht unterliegende Lehrlinge mit und ohne tatsächliche Beitragszahlung), deren Gemeinsamkeit in der Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund einer Berufsausbildung besteht. Die Klägerin gehört insoweit zu keiner der beiden Gruppen. Daher liegt kein vergleichbarer Sachverhalt vor, der eine erweiternde Auslegung des Gesetzes gegen den Wortlaut rechtfertigen könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.