Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 29. Senat | Entscheidungsdatum | 10.11.2011 | |
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Aktenzeichen | L 29 AS 2038/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | SGB 2 |
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. Mai 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die teilweise Aufhebung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate April 2006 bis Juni 2006 sowie damit verbunden die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 452,43 Euro.
Die 19xx geborene Klägerin wohnte im streitbefangenen Zeitraum mit ihrer 1989 geborenen Tochter D zusammen unter der im Rubrum genannten Adresse; beide beziehen als Bedarfsgemeinschaft seit 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Mit am 12. Oktober 2005 bei dem Beklagten eingegangener Veränderungsmitteilung zeigte sie unter Beifügung eines befristeten Arbeitsvertrages nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz vom 01. September 2005 die Aufnahme einer Vollzeittätigkeit als Packerin bei der Firma D- an. Die Lohnzahlung erfolgte danach am 11. Werktag des Folgemonats (s. § 3 Nr. 1 des Arbeitsvertrages). Mit Schreiben des Arbeitgebers vom 24. Mai 2006 wurde ihr Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 09. Juni 2006 gekündigt.
Am 20. März 2006 beantragte die Klägerin für sich und ihre Tochter die Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 06. April 2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter als Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Zeit vom 01. März 2006 bis 30. April 2006 in Höhe von 402,62 Euro und für die Zeit vom 01. Mai 2006 bis 31. August 2006 in Höhe von 578,52 Euro monatlich.
Am 06. Juni 2006 beantragte die Klägerin für sich und ihre Tochter die Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Im August 2006 brachte die Klägerin eine Einkommensbescheinigung für den Monat März 2006 (754,22 Euro brutto bzw. 602,- Euro netto), wonach die Auszahlung jeweils am 15. des Folgemonats fällig war sowie Lohn-/Gehaltsabrechnungen für die Monate April 2006 (440,38 Euro brutto bzw. 407,27 Euro netto) und Mai 2006 (468,78 Euro brutto bzw. 424,95 Euro netto) bei. Die Lohn- und Gehaltsabrechnung für den Monat Juni 2006 (33,16 Euro brutto bzw. 31,68 Euro netto) lag dem Beklagten bereits im Juli 2006 vor.
Mit an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 25. September 2006 hob der Beklagte die Entscheidungen über die Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bescheide vom 6. April 2006 und 13. Mai 2006) für den Monat April 2006 in Höhe von monatlich 195,61 Euro, für den Monat Mai 2006 in Höhe von monatlich 239,19 Euro, für den Monat Juni 2006 in Höhe von monatlich 251,19 Euro und für die Zeit vom 01. Juli 2006 bis 09. Juli 2006 in Höhe von 75,36 Euro in Anbetracht der nachgereichten Einkommensnachweise und einer insoweit abschließenden Berechnung ohne Anhörung auf und forderte Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 761,35 Euro. Entscheidend sei der Zufluss des Einkommens. Daher sei beispielsweise das Maigehalt im Monat Juni zur Berechnung herangezogen worden. Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen seien die Klägerin und „die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft“ nicht hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II, so dass ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts teilweise nicht mehr bestehe. Die Klägerin habe nach Erlass der bewilligenden Entscheidung Einkommen in unterschiedlicher Höhe erzielt, das zur Minderung des Anspruchs geführt habe. Überzahlte Leistungen seien daher zu erstatten.
Mit Änderungsbescheid vom 25. September 2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat April 2006 nur in Höhe von 207,01 Euro, für den Monat Mai 2006 in Höhe von 339,33 Euro, für den Monat Juni 206 in Höhe von 327,33 Euro und für den Monat Juli 2006 in Höhe von 529,16 Euro. Mit weiterem Bescheid vom 25. September 2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter für die Zeit vom 01. September 2006 bis 28. Februar 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 604,52 Euro.
Sowohl gegen den Änderungsbescheid vom 25. September 2006 als auch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. September 2006 erhob die Klägerin am 20. Oktober 2006 Widerspruch mit der Begründung, es sei keine Anhörung erfolgt. Wenn der Beklagte allein von der Klägerin Erstattung verlange, fingiere sie damit unzulässigerweise eine gesamtschuldnerische Haftung. Eine solche sei dem SGB II jedoch fremd. Zudem habe der Beklagte in dem Erstattungsbescheid von der so genannten „56 % Regelung“ keinen Gebrauch gemacht. Ferner sei das berücksichtigte Erwerbseinkommen im Hinblick auf geltend zu machende Werbungskosten, der Versicherungspauschale, Aufwendungen für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung und Fahrtkostenabgeltung fehlerhaft bestimmt worden. Im Übrigen berufe sie sich auf Vertrauensschutz.
Am 22. Januar 2007 beantragte die Klägerin die Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 01. März 2007, woraufhin der Beklagte ihr und ihrer Tochter mit Bescheid vom 01. März 2007 für den Monat März 2007 597,80 Euro, für die Zeit vom 01. April 2007 bis 11. April 2007 219,18 Euro, vom 12. April 2007 bis 30. April 2007 371,65 Euro und für den Zeitraum vom 01. Mai 2007 bis 31. August 2007 586,80 Euro monatlich bewilligte.
Bereits mit Änderungsbescheid vom 23. Februar 2007 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum vom 01. September 2006 bis 28. Februar 2007 wegen einer Änderung in der Miethöhe nur Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von monatlich 597,80 Euro.
Mit Änderungsbescheid vom 13. April 2007 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Anbetracht einer ab 12. April 2007 geänderten Unterhaltszahlung für die Tochter der Klägerin für die Zeit vom 01. April 2007 bis 11. April 2007 unverändert 219,18 Euro, für die Zeit vom 12. April 2007 bis 30. April 2007 417,25 Euro und für den Zeitraum vom 01. Mai 2007 bis 31. August 2007 monatlich 658,80 Euro.
Am 24. Juli 2007 beantragte die Klägerin für sich und ihre Tochter die Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, woraufhin der Beklagte mit Bescheid vom 13. November 2007 für den Zeitraum vom 01. Dezember 2007 bis 29. Februar 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 656,80 Euro bewilligte.
Mit Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter für den Monat Juli 2006 nunmehr 604,52 Euro.
Mit weiterem Bescheid vom 12. Dezember 2007 änderte der Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. September 2006 insoweit ab, als er die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01. April 2006 bis 30. Juni 2006 (ausschließlich) für die Klägerin teilweise in Höhe von 188,59 Euro für den Monat April 2006, in Höhe von 230,61 Euro für den Monat Mai 2006 und in Höhe von 242,18 Euro für den Monat Juni 2006 aufhob. Weiter ist ausgeführt:
„Arbeitslosengeld II (Regelleistung)
(Erstattungszeitraum: 01.04.2006 bis 30.06.2006)634,20 Euro
Leistungen für Mehrbedarfe im Lebensunterhalt für Personen mit Kindern
(Erstattungszeitraum: 01.04.2006 bis 30.06.2006)27,18 Euro
Insgesamt:
661,38 Euro
Es ergibt sich somit eine Gesamtforderung in Höhe von:
661,38 Euro
Begründung:
Sie haben während des gesamten Zeitraums Einkommen erzielt.
Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen waren sie nicht in bisher festgestellter und bewilligter Höhe hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II. Ihr Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht daher nur in geringerer Höhe.
Sie haben Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung Ihres Anspruchs geführt hat (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -).
In der Zeit von 01.04.2006 bis 30.06.2006 wurden Ihnen Leistungen nach dem SGB II in der genannten Höhe zu Unrecht gezahlt. Diese Beträge sind von Ihnen gemäß § 50 SGB X zu erstatten… .
Dieser Bescheid wird nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.“
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2007 wies der Beklagte den Widerspruch in Anbetracht der Erteilung der Änderungsbescheide vom 12. Dezember 2007 als unbegründet zurück. Aus der Regelleistung, dem Mehrbedarf und den Kosten der Unterkunft ergebe sich ein Gesamtbedarf für die Bedarfsgemeinschaft bis Juni 2006 in Höhe von 1009,52 Euro. Auf diesen Gesamtbedarf sei das zu berücksichtigende Einkommen anzurechnen. Die Tochter der Klägerin D F habe Einkommen aus Unterhalt in Höhe von monatlich 277 Euro sowie aus Kindergeld in Höhe von monatlich 154 Euro und die Klägerin selbst Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit in unterschiedlicher Höhe erzielt, so (um die Freibeträge bereinigt) im April 2006 in Höhe von 371,51 Euro, im Mai 2006 in Höhe von 239,19 Euro und im Juni 2006 in Höhe von 327,33 Euro. In der von der Aufhebung betroffenen Zeit seien Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 685,99 Euro zu Unrecht erbracht worden. Nach gängiger Rechtsprechung sei eine gesamtschuldnerische Haftung der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft ausgeschlossen. Der Beklagte sei verpflichtet, den Überzahlungsbetrag für jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gesondert zu errechnen und auch gegenüber dem (Einzel-) Mitglied geltend zu machen. In der Bedarfsgemeinschaft lebende minderjährige Kinder würden dabei grundsätzlich von ihren Eltern vertreten. Das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft werde nach der Bedarfsanteilsmethode gemäß § 9 Abs. 2 SGB II abhängig vom Verhältnis des Eigenbedarfes jedes Einzelnen zum Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft – nach Abzug des Kindeseinkommens – verteilt. Danach errechne sich der individuelle Leistungsbetrag. Der auf die Klägerin anfallende Anteil der Überzahlung betrage im April 2006 188,59 Euro, im Mai 2006 230,61 Euro und im Juni 242,18 Euro – insgesamt 661,38 Euro. Hierbei handele es sich um die Regelleistung (634,20 Euro) und um Zahlungen für den Mehrbedarf (27,18 Euro). Der Rest der zu Unrecht erbrachten Leistungen wäre von D F zu erstatten. Eine Erstattung könne insoweit jedoch wegen Fristablaufs nicht mehr verlangt werden.
Am 14. Januar 2008 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Potsdam Klage erhoben. Die Ausschlussfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) von einem Jahr nach Kenntnis des Beklagten von der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse sei abgelaufen. Der Bescheid vom 25. September 2006 sei nämlich rechtswidrig gewesen, da aus ihm nicht deutlich werde, welche einzelnen Individualansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in welcher Höhe aufgehoben worden seien. Eine Heilung der mangelnden Bestimmtheit nach § 41 SGB X durch den Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2007 sei nicht möglich, so dass für die Ausschlussfrist auf diesen Änderungsbescheid abgestellt werden müsse, der aber erst nach Ablauf der Jahresfrist erlassen und daher rechtswidrig sei. Hilfsweise sei ihr Vertrauensschutz zuzubilligen. Der Bewilligungsbescheid vom 06. April 2006 für den Zeitraum vom 01. März 2006 bis 30. September 2006 sei bereits anfänglich rechtswidrig gewesen, was die Beklagte verkenne. Sie habe aber nicht erkennen können, dass der Bescheid vom 06. April 2006 rechtswidrig gewesen sei. Die Überzahlungen seien verbraucht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Bescheide vom 25. September 2006 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 12. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2007 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. September 2006 sei aufgrund der fehlenden Individualisierung nicht insgesamt wegen Unbestimmtheit rechtswidrig. Der ausschließlich an die Klägerin gerichtete Bescheid sei lediglich insoweit fehlerhaft, als die ursprünglich ihr gegenüber geltend gemachte (Gesamt-) Forderung zu hoch gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Hessen (Urteil vom 12. März 2007, Az.: L 9 AS 33/06) sei die Höhe des zu erstattenden Betrages eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit. Der Bescheid werde nicht dadurch unbestimmt, dass der gesamte Überzahlbetrag von einer Person zurückgefordert werde. Der Bescheid sei nur deshalb (teilweise) rechtswidrig, weil und soweit er den Betroffenen über das Maß belaste, dass er selbst zu Unrecht erhalten habe. Das LSG Hessen nehme dabei Bezug auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG - Beschluss vom 22. Juli 1999, Az.: B 11 AL 91/99 b), nach der die Bestimmtheit einer Regelung keinem Zweifel unterliege, wenn in einem Rückforderungsbescheid der Rückforderungsbetrag genannt werde. In dem genannten Beschluss führe das BSG aus, die Frage, wie sich der Rückforderungsbetrag errechne und aus welchen Leistungszeiträumen er sich ergebe, sei nicht eine Frage der Bestimmtheit, sondern der hinreichenden Begründung des Verwaltungsakts. Auch sei die Rückforderung nicht wegen des Ablaufs der Jahresfrist ausgeschlossen. Der ursprüngliche Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. September 2006 sei innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der die Aufhebung begründenden Tatsachen ergangen. Es sei nicht auf den Erlasszeitpunkt des korrigierten Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 12. Dezember 2007 abzustellen.
Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2008 hat der Beklagte von der Klägerin geltend gemachte Fahrkosten anerkannt, diese von ihrem Einkommen in Abzug gebracht und die Erstattungsforderung auf den Betrag von 452,43 Euro reduziert. Wegen des Inhalts des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Dezember 2008 nebst Anlagen wird auf Bl. 25 bis 39 der Gerichtsakten verwiesen.
Mit Urteil vom 12. Mai 2009 hat das Sozialgericht Potsdam die Bescheide vom 25. September 2006 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 12. Dezember 2007 und des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2007 aufgehoben. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. September 2006 sei nicht hinreichend bestimmt gewesen. Der Bescheid sei nur an ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, nämlich die Klägerin, ergangen und weise einen Gesamterstattungsbetrag aus, der sich aus überzahlten Beträgen sowohl an die Klägerin als auch an ihre Tochter zusammensetze. Weder aus dem Verfügungssatz des Bescheides noch aus der Begründung seien die Individualansprüche der Klägerin erkennbar. Bereits dies führe zu der Unbestimmtheit des Bescheides und dessen Rechtswidrigkeit. Es bedürfe grundsätzlich einer entsprechend für die jeweiligen Mitglieder im Einzelnen verlautbarten Verwaltungsentscheidung. Darüber hinaus unterscheide der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. September 2006 auch nicht zwischen der Art der zu erstattenden Leistungen. Dies sei aber bereits aufgrund der Regelungen nach § 40 Abs. 2 SGB II notwendig, da eine Erstattung der Kosten der Unterkunft nur bis zu 44 % verlangt werden könne. Eine Heilung der fehlenden Bestimmtheit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides komme nicht in Betracht. Erstmals mit Erlass des Änderungsbescheides vom 12. Dezember 2007 habe die Beklagte einen hinreichend bestimmten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erlassen. Dieser sei jedoch außerhalb der Jahresfrist ergangen. Denn die Ausschlussfrist habe spätestens mit dem Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 25. September 2006 begonnen, da dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt die Änderung, nämlich das tatsächlich erzielte Einkommen der Klägerin in den Monaten März bis Juni 2006, bekannt gewesen sei. Da aber die Jahresfrist durch einen später aufgehobenen oder aufzuhebenden ersten Aufhebungsbescheid weder gewahrt noch unterbrochen werde, sei bei Erlass des Änderungsbescheides vom 12. Dezember 2007 die Frist abgelaufen gewesen.
Mit der vom erkennenden Senat auf die Beschwerde des Beklagten durch Beschluss vom 01. Dezember 2009 zugelassenen Berufung führt der Beklagte aus, die nicht individualisierte Geltendmachung des Gesamtaufhebungsbetrages gegenüber nur einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei ein Problem der materiellen Rechtmäßigkeit und nicht der Bestimmtheit des Bescheides. Dies werde auch von dem LSG Schleswig-Holstein in seiner Entscheidung vom 13. November 2008 (Az.: L 6 AS 16/07) und auch von dem BSG vertreten. Das LSG Schleswig-Holstein habe ausgeführt, die Tatsache, dass der Leistungsträger gegenüber dem Betroffenen nicht nur die an ihn, sondern auch die an die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erbrachten Leistungen zurückfordere, führe nicht zur Unbestimmtheit des Bescheides. Es handele sich um eine Frage des materiellen Leistungsrechts und nicht des § 33 Abs. 1 SGB X. In dem zitierten Urteil des LSG Hessen werde auf eine Entscheidung des BSG vom 22. Juni 1999 (Az.: B 4 AL 91/99 B) verwiesen, in dem es heiße: „Wird in einem Rückforderungsbescheid der Rückforderungsbetrag genannt, so ist nicht ersichtlich, inwiefern die Bestimmtheit der Regelung Zweifeln unterliegen sollte. Die Frage, wie sich der Rückforderungsbetrag errechnet und aus welchen Leistungszeiträumen er sich ergibt, ist nicht eine Frage der Bestimmtheit, sondern der hinreichenden Begründung des Verwaltungsakts“. Diese Ansicht decke sich auch mit der von Prof. Dr. Udsching, Vorsitzender Richter des 14. Senats des BSG, vertretenen Ansicht („Aufhebung von Leistungsbescheiden im SGB II“, Sgb 9/07, 513 <516>), nach der ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, der nur an ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gerichtet sei, inhaltlich aber auch andere Mitglieder betreffe, im Hinblick auf den alleinigen Adressaten des Bescheides nicht gegen das Bestimmtheitsgebot verstoße. Ihm gegenüber sei der Bescheid nicht schon deshalb als zu unbestimmt anzusehen, weil neben den eigenen Ansprüchen auch diejenigen der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft geregelt würden. Bezüglich des überschießenden (d.h. die anderen Mitglieder betreffenden) Teils sei der Bescheid allerdings rechtswidrig und wäre deshalb in diesem Umfang aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. Mai 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es bestünden grundsätzliche Bedenken, eine pauschale Gesamtaufhebung im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion in dem jeweils rechnerisch und materiell zutreffenden Umfang hinsichtlich des oder der Adressaten bestehen zu lassen. Damit habe es die Behörde in der Hand, durch eine auf jeden Fall zu hohe Aufhebung jedenfalls auch den richtigen Betrag als „Minus“ mitzuerfassen. Die komplexe gesetzliche Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft mit den leistungs- und einkommensabhängigen Zuordnungen der Einzelansprüche verbiete es, aus einer möglicherweise zutreffenden Gesamtsumme auf eine materiell richtige Einzelaufhebung gegenüber dem Adressaten zu schließen. Globale Gesamtaufhebungen auch gegenüber einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ohne konkrete Verfügungen im jeweiligen Leistungsverhältnis seien mangels Bestimmtheit in Gänze und nicht nur in ihrem überschießenden – die anderen Mitglieder betreffenden – Teil aufzuheben. Im Übrigen sei der angegriffene Bescheid auch wegen fehlender Anhörung zu kassieren. Der Beklagte habe das Recht zur Nachholung der Anhörung verwirkt, da die fehlende Anhörung bereits in der Widerspruchsbegründung und sodann im Klageverfahren gerügt worden sei und die Klägerin daher davon ausgegangen sei, die Anhörung würde nicht mehr erfolgen.
Mit Schreiben vom 14. März 2011 hat der Beklagte die Anhörung nach § 24 SGB X nachgeholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (BG-Nr., 3 Bände), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind sowohl der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 25. September 2006 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 12. Dezember 2007 zum Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. September 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2007 und des Schriftsatzes des Beklagten vom 10. Dezember 2008.
Der im Widerspruchsverfahren ergangene Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2007 ist gemäß § 86 Abs. 1 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Geändert wird ein Bescheid immer dann, wenn er denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsbescheid betrifft, oder wenn in dessen Regelung eingegriffen und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 23/04 R, zitiert nach juris Rn 14).
Der Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2007 zum Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. September 2006 ändert den Bescheid vom 25. September 2006 ab. Beide Bescheide betreffen denselben Streitgegenstand und zwar die Teilaufhebung des Bewilligungsbescheides vom 6. April 2006 und Änderungsbescheides vom 13. Mai 2006 und hier jeweils die ursprüngliche Leistungsgewährung der Monate April 2006 bis Juni 2006. In Bezug auf die Klägerin verfolgt der Beklagte explizit seine ursprüngliche Aufhebung und den Erstattungsanspruch weiter, er modifiziert jedoch sowohl den Betrag der Aufhebung der Leistungsbewilligung als auch die Erstattungsforderung und konkretisiert beides in persönlicher und sachlicher Hinsicht. Hinsichtlich der Tochter der Klägerin enthält der Bescheid vom 12. Dezember 2007 keine explizite Regelung. Der Beklagte hat auch durch den Hinweis auf § 86 SGG im Bescheid vom 12. Dezember 2007 und durch seinen Antrag im Berufungsverfahren deutlich gemacht, dass er an der ursprünglichen Aufhebungsentscheidung in der bisherigen Höhe nicht festhält und seine Erstattungsforderung reduziert hat. Der neue Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12. Dezember 2007 ist auch zur Regelung desselben Rechtsverhältnisses (Abwicklung des Leistungsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beklagten) ergangen. Ob die Regelungen im ursprünglichen Verwaltungsakt geeignet waren, das Rechtsverhältnis zu regeln, insbesondere, ob sie hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 SGB X sind, ist ein Problem ihrer formellen oder materiellen Rechtmäßigkeit, nicht der Einbeziehung gemäß § 86 SGG.
Bei dem Schriftsatz des Beklagten vom 10. Dezember 2008, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden ist, handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB X ist Verwaltungsakt "jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist". Der Schriftsatz des Beklagten vom 10. Dezember 2008 regelt die Höhe des von dem Beklagten geltend gemachten Erstattungsanspruches neu, und zwar unter Berücksichtigung eines von dem Beklagten für die Monate April 2006, Mai 2006 und Juni 2006 neu berechneten „bereinigten“ Einkommens der Klägerin.
Die Berufung ist zulässig und unter Berücksichtigung des während des erstinstanzlichen Verfahrens ergangenen Schriftsatzes des Beklagten vom 10. Dezember 2008 begründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. Mai 2009 war aufzuheben. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 25. September 2006 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 12. Dezember 2007 zum Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. September 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2007 und des Schriftsatzes des Beklagten vom 10. Dezember 2008 ist formell rechtmäßig.
Zwar hat der Beklagte den Kläger vor Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides nicht gemäß § 24 SGB X angehört, dieser Formfehler ist jedoch gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit Abs. 2 SGB X durch das Widerspruchsverfahren geheilt. Bevor ein Verwaltungsakt, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, erlassen wird, ist diesem gemäß § 24 Abs. 1 SGB X Gelegenheit zu geben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Diese Verpflichtung zur Anhörung hat angesichts des Eingriffs durch den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid auch im vorliegenden Fall bestanden. Ein Fall des § 24 Abs. 2 SGB X, demzufolge ausnahmsweise von der Anhörung abgesehen werden kann, hat offensichtlich nicht vorgelegen. Die Nichtbeachtung der Verfahrensvorschrift des § 24 Abs. 1 SGB X führt jedoch nicht zur formellen Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheides. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X ist eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, die nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nach § 40 SGB X führt, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten - spätestens bis zur letzten Tatsacheninstanz des sozialgerichtlichen Verfahrens - nachgeholt wird. Der in der fehlenden vorherigen Anhörung der Kläger begründete Verfahrensverstoß ist vorliegend unbeachtlich, weil die Anhörung spätestens im Berufungsverfahren nachgeholt worden ist. In diesem Verfahren hat der Beklagte die Anhörung mit Schreiben vom 14. März 2011 nachgeholt, im Übrigen ist der Klägerin Gelegenheit gegeben worden, zu der wesentlichen Tatsache für die Leistungsaufhebung (Einkommenserzielung) Stellung zu nehmen, und die Klägerin hat davon Gebrauch gemacht.
Die genannten angefochtenen streitgegenständlichen Bescheide entsprechen auch den Anforderungen des § 33 Abs. 1 SGB X. Danach muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dieses Erfordernis bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz als auch auf den Adressaten des Verwaltungsaktes. Mehrere Personen als Adressaten eines Verwaltungsaktes müssen einzeln aufgezählt werden. Aus dem Verfügungssatz muss sich unzweifelhaft ergeben, was die Behörde will und von wem sie es will (s. Engelmann in von Wulffen, SGB X, Kommentar, 7. Auflage 2010, § 33 Rn. 6). In diesem Sinne sind die umstrittenen Bescheide hinreichend bestimmt.
Die gesetzliche Etablierung der Bedarfsgemeinschaft hat im Vergleich zum früheren Sozialhilferecht nichts daran geändert, dass Anspruchsinhaber der Einzelne ist in Abhängigkeit vom ungedeckten Bedarf der Bedarfsgemeinschaft (s. BSG, 7. November 2006, B 7b AS 8/06 R, veröffentlicht u.a. in SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 und juris). Dies ergibt sich an verschiedenen Stellen aus dem Gesetzestext. So heißt es in § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II: "Leistungen…erhalten Personen ...". Aus § 7 Abs. 2 SGB II ergibt sich, dass auch in Bedarfsgemeinschaft lebende Hilfebedürftige einen individuellen Leistungsanspruch haben. Aus der Bedarfsgemeinschaft kann auch keine Gesamtgläubigerschaft (§ 428 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) oder eine gesetzliche Verfahrens- und Prozessstandschaft jedes Mitglieds für die Ansprüche der anderen Mitglieder abgeleitet werden (BSG a.a.O.). Nach dem Wortlaut des § 38 SGB II wird vermutet, dass ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger bevollmächtigt ist, Leistungen auch für die mit ihm in einer Bedarfgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen. Im Umkehrschluss folgt aus dieser Vorschrift, dass bei entgegenstehenden Anhaltspunkten die Leistungen nur an die jeweilige zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Person ausgezahlt werden darf. Um dem Bestimmtheitserfordernis zu genügen, muss danach der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid gegenüber demjenigen, der zur Erstattung verpflichtet werden soll, ergehen. Denn das Rückabwicklungs- bzw. Erstattungsverhältnis ist das "Spiegelbild" des Leistungsverhältnisses mit der Folge, dass die Rückabwicklung im jeweiligen Leistungsverhältnis zu erfolgen hat (Udsching/Link, Aufhebung von Leistungsbescheiden im SGB II, SGb 2007, 513, 514 m.w.N.). Die Vermutungsregelung des § 38 SGB II greift hier nicht ein, da diese Vorschrift nur für die Beantragung und Entgegennahme von Leistungen gilt, nicht jedoch im Aufhebungs- und Erstattungsverfahren (Link in Eicher/Spellbrink, SGB II-Kommentar, 2. Auflage 2008, § 38 Rn. 23b). Der Bewilligungsbescheid muss jedem einzelnen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gegenüber im Umfange des auf ihn entfallenden Anteils aufgehoben und zurückgefordert werden.
Hier sind sämtliche streitbefangenen Bescheide ausschließlich an die Klägerin gerichtet gewesen. Dies gilt zwar auch für den Bewilligungsbescheid vom 6. April 2006, in diesem wird jedoch ausdrücklich auf § 38 SGB II Bezug genommen. Außerdem enthält er die Formulierung: "…für Sie und die mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen werden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ... bewilligt." Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Beklagte durch den Bescheid vom 25. September 2006 ausschließlich die Klägerin verpflichten wollte. In dem Bescheid ist ausgeführt: „Während der aufgeführten Zeiträume wurden Ihnen Leistungen wie folgt in Höhe von insgesamt 761,35 EUR zu Unrecht gezahlt“. Damit ist der Bescheid nach den oben ausgeführten Grundsätzen hinreichend bestimmt. Die Tatsache, dass der Beklagte offensichtlich auch Leistungen zurückfordert, die nicht an die Klägerin bzw. für sie, sondern für ihre zur Bedarfsgemeinschaft zählende Tochter erbracht worden sind, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Ob der Beklagte hierzu berechtigt ist, ist eine Frage des materiellen Leistungsrechts und nicht des § 33 Abs. 1 SGB X (in diesem Sinne Hessisches LSG, Urteil vom 12. März 2007, L 9 AS 33/06; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 13. November 2008, L 6 AS 16/07, alle zitiert nach juris, ebenso Udsching/Link, a.a.O., S. 516 unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Schleswig vom 17. Januar 2007, S 5 AS 375/06, diese veröffentlicht in juris). Der Bescheid ist dann (teilweise) rechtswidrig, weil (und soweit) er die Klägerin über das Maß dessen belastet, das sie selbst zu Unrecht erhalten hat (vgl. BSG, Beschluss vom 22. Juli 1999 – B 11 AL 91/99 B – veröffentlicht in juris, wonach die Bestimmtheit der Regelung keinem Zweifel unterliegt, wenn in einem Rückforderungsbescheid der Rückforderungsbetrag genannt wird. Die Frage, wie sich der Rückforderungsbetrag errechne und aus welchen Leistungszeiträumen er sich ergebe, sei nicht eine Frage der Bestimmtheit, sondern der hinreichenden Begründung des Verwaltungsakts). Der gegenteiligen Auffassung des Sozialgerichts sowie der von dem Beklagten benannten Entscheidungen des Sozialgerichts Schleswig, Urteil vom 13. Juni 2006, S 9 AS 834/05, des LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Mai 2009, L 28 AS 1354/08 sowie des LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Juni 2008, L 19 B 106/08 AS, alle zitiert nach juris) könnte nur dann gefolgt werden, wenn sich der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid an sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gerichtet hätte (vgl. a. Hessisches LSG, Urteil vom 12. März 2007, L 9 AS 33/06, a.a.O.; OVG Niedersachen, Beschluss vom 24. April 2003 – 12 LA 85/03 – FEVS 55, 10; VG Karlsruhe, Urteil vom 12. Juli 1999, 8 K 2907/98, zitiert nach juris), ohne den Umfang der Aufhebung sowie den jeweiligen Erstattungsbetrag individuell zuzuweisen (vgl. Hänlein, Anmerkung zu SG Schleswig, Urteil vom 13. Juni 2006 in juris PR-SozR 19/2006 Anm. 2: Dem Sozialgericht Schleswig lag folgender Sachverhalt zugrunde: Es änderte sich das Einkommen der Ehefrau des Klägers, der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erging jedoch an den Kläger. Die fehlende Bestimmtheit begründete das Gericht damit, dass der Bescheid ausschließlich an den Kläger gerichtet war und nur diesen verpflichtete; in der Begründung des Widerspruchsbescheides war jedoch ausgeführt, dass die Gesamtrückforderung vom "Ehepaar" zu erstatten sei. Hänlein führt in seiner Besprechung der Entscheidung aus, dass das Sozialgericht den Kläger als alleinigen Adressaten des angefochtenen Bescheides gesehen habe, mit dem der gesamte Erstattungsanspruch gegen diesen geltend gemacht werde. Der so verstandene Bescheid könne kaum als unbestimmt angesehen werden, weil und soweit er den Kläger über das Maß dessen belaste, was er selbst zu Unrecht erhalten habe).
Selbst wenn der angefochtene Bescheid (vom 25. September 2006 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 12. Dezember 2007 zum Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. September 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2007 und des Schriftsatzes des Beklagten vom 10. Dezember 2008) nicht hinreichend bestimmt wäre, folgt daraus keine Nichtigkeit im Sinne des § 40 SGB X, wie das Sozialgericht und ebenso der 28. Senat des LSG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 7. Mai 2009, L 28 AS 1354/08 sowie der 19. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 16. Juni 2008, L 19 B 106/08 AS, zitiert nach juris) aber offensichtlich annehmen.
Gemäß § 40 SGB X ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (Abs. 1).
Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,
1. der schriftlich erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt,
2. der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt,
3. den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann,
4. der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verklangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
5. der gegen die guten Sitten verstößt (§ 40 Abs. 2 SGB X).
Die allein allenfalls in Betracht kommende - in Abs. 1 geregelte - Generalklausel für besonders schwerwiegende Form- und Inhaltsfehler scheidet zur Überzeugung des Senats aus. Schwerwiegend ist ein Fehler dann, wenn er derart im Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft steht, dass es unerträglich wäre, wenn der Verwaltungsakt die mit und in ihm enthaltenen Rechtswirkungen hätte (Roos in v. Wulffen, a.a.O. § 40 Rn. 7). Dies ist nur anzunehmen bei einer völligen Unbestimmtheit des Adressaten und schon nicht mehr anzunehmen, wenn die Unklarheit der Bezeichnung durch Auslegung beseitigt werden kann (Roos in v. Wulffen, a.a.O., Rn. 9). An einer solchen völligen Unbestimmtheit, die einer Auslegung nicht zugänglich ist, leidet der hier streitbefangene Ausgangsbescheid, der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. September 2006, jedenfalls zweifellos nicht.
Die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Schriftsatz vom 17. Mai 2011 zitierte weitere Rechtsprechung steht dem nicht entgegen.
Dem Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 12. April 2011, S 17 AS 627/07, welches auf das o.a. genannte Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 7. Mai 2009 zum Az. L 28 AS 1354/08 Bezug nimmt, ist schon aus den vorstehend genannten Gründen nicht zu folgen.
Das LSG Nordrhein-Westfalen hat in einer Entscheidung vom 18. Dezember 2006 (L 20 SO 20/06) einen Rücknahmebescheid mangels Bestimmtheit für rechtswidrig erklärt. Hier war jedoch die Fallkonstellation eine andere: An beide Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft waren Rückforderungsbescheide ergangen, die jeweils nur den gesamten Rückforderungsbetrag genannt hatten, jedoch keine Aussage dazu enthielten, in welche Höhe jeweils Beträge zurückgezahlt werden sollten.
Der angefochtene Bescheid vom 25. September 2006 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 12. Dezember 2007 zum Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. September 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2007 und des Schriftsatzes des Beklagten vom 10. Dezember 2008 ist auch in materieller Hinsicht rechtmäßig.
Das Sozialgericht hat auch zu Recht den angefochtenen Bescheid nur insoweit aufgehoben, als er Leistungen betraf, die der Klägerin und nicht ihrer Tochter, dem anderen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, gewährt worden sind. Soweit der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. September 2006 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 12. Dezember 2007 zum Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. September 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2007 und des Schriftsatzes des Beklagten vom 10. Dezember 2008 die der Klägerin bewilligten Leistungen betrifft, ist er rechtmäßig.
Das Sozialgericht hat die Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides zutreffend auf § 48 SGB X gestützt. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit – wie hier – nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X). Nach der Sonderregelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) ist die Bewilligung bei Leistungen nach dem SGB II in diesen Fällen mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also für die Vergangenheit, aufzuheben. Das bedeutet, dass auch in atypischen Fällen eine Ermessensausübung ausscheidet und eine gebundene Entscheidung des Leistungsträgers im Leistungsverhältnis nach dem SGB II zu erfolgen hat. Im Zeitpunkt der Leistungsbewilligung am 6. April 2006 hatte die Klägerin das Märzgehalt, das den Anspruch der Bedarfsgemeinschaft auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verringert, noch nicht erzielt, es konnte daher auch noch nicht berücksichtigt werden. Eine Änderung in den (Einkommens-) Verhältnissen ist erst durch den jeweiligen Zufluss des Einkommens in dem Folgemonat (jeweils am 15.) erfolgt. Nachdem diese Änderung der Verhältnisse spätestens mit Einreichung der Gehaltsbescheinigungen im August 2006 bekannt war, war der Beklagte verpflichtet, die ursprüngliche Leistungsbewilligung ganz bzw. teilweise nach § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X aufzuheben und die überzahlten Leistungen nach § 50 SGB X zurückzufordern.
Eine Vertrauensschutzprüfung hat nicht zu erfolgen, § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X wird durch den Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II auf § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III dahingehend eingeschränkt, dass auch in atypischen Fällen eine gebundene Entscheidung des Leistungsträgers zu erfolgen hat (vgl. a. BSG Urteil vom 05. Juni 2003 - B 11 AL 70/02 R - zitiert nach juris).
Auch die Einjahresfrist (§ 48 Abs. 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) ist gewahrt.
Da der Bewilligungsbescheid vom 6. April 2006 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 13. Mai 2006 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X danach zu Recht teilweise aufgehoben worden ist, sind nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.
Die Höhe des auf die Klägerin entfallenden Rückforderungsbetrages errechnet sich unter Berücksichtigung der sich aus § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung ergebenden Vorgaben. Die Bestimmung lautet: Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig. Aus dieser Formulierung folgt, wie das BSG bereits entschieden hat (BSG Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 8/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R - zitiert nach juris), dass zunächst der Bedarf jeder Person einzeln und hieraus der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln ist. In einem weiteren Schritt wird dieser Gesamtbedarf dem Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft gegenüber gestellt. Der danach nicht durch Einkommen gedeckte Gesamtbedarf wird alsdann im Verhältnis des jeweiligen Einzelbedarfs am Gesamtbedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aufgeteilt (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14 AS 55/07 R - zitiert nach juris; vgl. auch Mecke in Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 9 Rn. 33). Dieses gilt selbst in den Fällen, in denen das Einkommen einzelner Personen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zur Deckung ihrer eigenen Bedarfe, nicht jedoch zur Deckung des Gesamtbedarfs der Bedarfsgemeinschaft genügt (s. BSG Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R - a.a.O.).
Zur Ermittlung der Höhe des Rückforderungsbetrages hat der Senat nach eigener Prüfung den von der Beklagten zugrunde gelegten Bedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und das Einkommen im Übrigen nachvollzogen und als zutreffend festgestellt. Auf dieser Grundlage ergibt sich für die Klägerin ein Rückforderungsbetrag von 452,43 €. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Beklagten in deren Schriftsatz vom 10. Dezember 2008 wird verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG im Hinblick auf die klärungsbedürftige Frage zugelassen worden, welche Anforderungen das Bestimmtheitsgebot nach § 33 SGB X an Verwaltungsakte über die Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem SGB II stellt.