Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 27. Senat | Entscheidungsdatum | 04.12.2013 | |
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Aktenzeichen | L 27 R 335/13 B PKH | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 114 ZPO |
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. April 2013 aufgehoben.
Dem Kläger wird für das Klageverfahren erster Instanz mit Wirkung ab 15. Dezember 2011 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts S B, B Straße, B gewährt. Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen sind nicht zu leisten.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Beschwerde des Klägers ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet, denn das Sozialgericht hat zu Unrecht gemäß §§ 73 a SGG, 114 Zivilprozessordnung (ZPO) die hinreichende Erfolgsaussicht des Prozesskostenhilfegesuchs des Klägers verneint.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungskonform auszulegen. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebietet in Verbindung mit dem u. a. in Art. 20 Abs. 3 GG zum Ausdruck gebrachten Rechtsstaatsprinzip und dem aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes eine weitergehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe eben dieses Nebenverfahren an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 28. November 2007, 1 BvR 68/07). Deshalb dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen im Prozesskostenhilfeverfahren nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Hauptsacheverfahren zugeführt werden können (Bundesverfassungsgericht, a.a.O., und Kammerbeschluss vom 4. Juli 1993, 1 BvR 1523/92). Demnach ist ausgehend von dem für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund eines geklärten Sachverhalts für zutreffend oder für zumindest vertretbar und klärungsbedürftig hält.
Nach diesen Maßstäben war zum hier maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der erstmaligen Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags am 15. Dezember 2011 (vollständige Einreichung der Unterlagen zu der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) die hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu verneinen. Zwar entspricht die Berechnung der Höhe des Übergangsgeldes – wie das Sozialgericht in dem angegriffenen Beschluss detailliert dargelegt hat – den Vorgaben in § 21 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) in Verbindung mit den §§ 47, 48 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX). Klärungsbedürftig erscheint allerdings die von dem Kläger aufgeworfene Frage, ob als Berechnungsgrundlage tatsächlich auf seinen Verdienst im Zeitraum vom 1. bis zum 14. Februar 2009 abgestellt werden darf. Denn sein Vortrag, er habe in diesen Zeitraum wegen der gesundheitlichen Folgen des Überfalls am 19. Oktober 2008 deutlich weniger arbeiten können als vor dem Überfall und habe deshalb ein geringeres Arbeitseinkommen erzielt, ist nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Die „Rechtlichen Arbeitsanweisungen“ (RAA) der Beklagten zu § 47 Abs. 1 SGB IX sehen unter R 3.1.1.1.2.12 (Regelung in Sonderfällen) vor:
Führt die ausschließliche Berücksichtigung des vom Versicherten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts zu einem Regelentgelt, das die Entgeltverhältnisse offensichtlich nicht richtig wiedergibt, so sind unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalles - ggf. nach Kontaktaufnahme mit dem Arbeitgeber - diejenigen Verhältnisse zugrunde zu legen, die unter normalen Umständen vorgelegen haben würden.
Die Frage, ob dem Kläger aus dieser Verwaltungsvorschrift (über deren grundsätzlich nur interne Bindungswirkung hinaus) ein materiell-rechtlicher Anspruch darauf erwächst, dass die Beklagte eine Ausnahme in der Übergangsgeldberechnung vorzunehmen hat, ist nicht im Verfahren über den Prozesskostenhilfeantrag zu klären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).