Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 27.04.2012 | |
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Aktenzeichen | L 1 KR 15/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 38 SGB 5 |
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Im Streit steht, ob die Beklagte der bei ihr krankenversicherten Klägerin Kosten für eine Haushaltshilfe im Zeitraum 1. Februar 2007 bis 30. Juni 2007 in Höhe von 4.368 Euro erstatten muss.
Die 1965 geborene Klägerin lebt mit ihrem 1948 geborenen Ehemann und fünf Kindern (geboren 1990, 1991, 1994, 1999 und 2004) in einem gemeinsamen Haushalt.
Am 23. Juni 2006 wurde die Klägerin als Fußgängerin von einem Auto angefahren. Sie erlitt Verletzungen und ein psychisches Trauma und befand sich bis 30. Juni 2006 in stationärer Behandlung.
Sie beantragte bei der Beklagten zeitnah die Übernahme der Kosten einer Haushaltshilfe.
Ihr Ehemann war ausweislich einer ärztlichen Bescheinigung (vgl. Attest der Ärztin für Nervenheilkunde I vom 30. August 2006) aus psychischen Gründen nicht in der Lage, den Haushalt zu führen oder die Kinder zu betreuen und zu beaufsichtigen. Die Fachärzte für Allgemeinmedizin Dres. D und E bescheinigten unter dem 8. September 2006, dass die Klägerin den Haushalt nicht führen könne. Weitere entsprechende Stellungnahme erfolgten am 29. September 2006 (Oktober 2006), für November 2006, vom 2. Januar 2007 für Dezember 2006 sowie Januar 2007, vom 1. März 2007, vom 8. Mai 2007 für April 2007, vom 8. Mai 2007 für Mai 2007 und schließlich vom 21. Juni 2007 für Juni 2007. Die Klägerin gab jeweils an, Frau S E, Wstr. in B, einen Stundenlohn von 5,50 Euro zu zahlen bzw. gezahlt zu haben.
Die Beklagte gewährte mit Bescheid vom 7. September 2006 zunächst für die Woche vom 24. Juni bis 30. Juni 2006 montags bis freitags für 12 Stunden, sowie für die Zeit vom 1. Juli bis 15. Juli 2006 montags bis freitags für 8 Stunden einen Kostenzuschuss in Höhe 5,25 Euro pro Stunde. Mit Bescheid vom 15. September 2006 verlängerte sie die Gewährung des Zuschusses bis Ende September 2006, für den Zeitraum 1. Oktober 2006 bis 15. Oktober 2006 (Bescheid vom 25. Oktober 2006) sowie mit Bescheid vom 21. Dezember 2006 für die Zeit vom 16. Oktober 2006 bis 30. November 2006, hier unter dem Hinweis, dass bei einer weiteren Verordnung die Haushaltshilfe längstens bis 31. Dezember 2006 gewährt werden könne.
Mit Bescheid vom 9. Januar 2007 bewilligte die Beklagte den Zuschuss für den 1. Dezember 2006 bis 31. Dezember 2006 und lehnte Leistungen für die Zeit ab 1. Januar 2007 ab.
Im Zeitraum von Februar 2007 bis Juni 2007 wurde die Haushaltshilfe nach Angaben der Klägerin von einer Frau M H durchgeführt, die hierfür im Februar 840 Euro, im März 924 Euro, im April 882 Euro, im Mai 840 Euro sowie im Juni 2007 882 Euro erhielt.
Gegen den ergangenen Bescheid erhob die Klägerin am 9. März 2007 Widerspruch. Für den Verkehrsunfall könne die Beklagte Regressansprüche an die Haftpflichtversicherung der Unfallgegnerin richten. § 38 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) enthalte keine Formulierung einer nur vorübergehenden Leistung. Diese finde sich allein in § 20 Abs. 1 der Satzung der Beklagten. Eine Auslegung dieser Regelung in dem Sinne, dass der vorübergehende Zustand maximal sechs Monate andauern dürfe, schränke in unzulässiger Weise das Gesetz ein und stünde mit § 194 Abs. 2 SGB V nicht im Einklang.
Die Beklagte half dem Widerspruch teilweise ab und gewährte mit Bescheid vom 25. April 2007 den Zuschuss für eine Haushaltshilfe im bisherigen Umfang noch für Januar 2007.
Der von der Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) kam in seiner Stellungnahme vom 14. Mai 2007 zu dem Ergebnis, weder die Klägerin noch ihr Ehemann seien aus medizinischen Gründen nicht zur Führung des Haushaltes in der Lage. Es sei vielmehr eine Einbeziehung der Familienhilfe bzw. des Jugendamtes erforderlich. In der ergänzenden Stellungnahme vom 19. Juli 2007 durch Dr. med. B K heißt es ferner, der psychische Zustand der Klägerin sei von Dauer. Hingegen hätte bei einer posttraumatisch bedingten psychischen Symptomatik bei entsprechend eingeleiteter Therapie nach spätestens sechs Monaten eine Besserung eintreten müssen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2007 zurück. Nach § 20 ihrer Satzung erhielten Versicherte Haushaltshilfe, wenn ihnen die Weiterführung des Haushaltes wegen Krankheit vorübergehend nicht möglich sei und die Kasse die Kosten der Behandlung trage. Voraussetzung sei, dass im Haushalt ein Kind lebe, dass bei Beginn der Haushaltshilfe das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet habe oder das behindert und auf Hilfe angewiesen sei, und eine im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiter führen könne. Intention der Leistung sei es, eine insbesondere für kleine Kinder belastende Situation aufzufangen, wenn die haushaltsführende Person - meistens die Mutter - die Betreuung der Kinder und die Führung des Haushaltes vorübergehend nicht übernehmen könne. Die Leistung sei also nicht auf Dauer angelegt. Ganz allgemein sei nicht Sinn und Zweck der Leistung Haushaltshilfe, eine dauerhafte Veränderung der Organisation der Haushaltsführung sicher zu stellen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 7. November 2000 - B 1 KR 15/99 R). Vorübergehend sei ein Zeitraum von bis zu sechs Monaten. Diese Zeitspanne sei in anderen Vorschriften Abgrenzungskriterium zwischen einem vorübergehenden und einem dauerhaften Zustand, beispielsweise in § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) oder in § 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuh Neuntes Buch (SGB IX). Da die Beklagte die Leistung spätestens ab 1. Februar 2007 nicht mehr erbringen müsse, sei sie auch nicht regressfähig.
Hiergegen hat die Klägerin am 14. Januar 2008 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Zur Frage, welcher Zeitraum nur vorübergehend im Sinne des § 20 der Satzung der Beklagten sei, könne für die Krankenversicherung nicht auf Pflegebedürftigkeit im Sinne von § 14 Abs. 1 SGB XI oder auf die Definition für Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX abgestellt werden. Die Dauer der Haushaltshilfe sei anders als die häusliche Krankenpflege nicht durch eine besondere Vorschrift begrenzt.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. Dezember 2009 abgewiesen. Es hat das Klagebegehren so aufgefasst, dass die Klägerin von der Beklagten begehre, ihr unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide die Kosten für eine Haushaltshilfe für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 30. Juni 2007 in Höhe von 4.368 Euro zu erstatten. Ein solcher Anspruch bestehe jedoch nicht. Ein Anspruch auf Haushaltshilfe gemäß § 38 Abs. 1 SGB V scheide aus. Die Vorschrift enthalte eine abschließende Aufzählung der Maßnahmen, an denen Versicherte teilnehmen müssten, um eine Haushaltshilfe erhalten zu können. Ein Anspruch folge auch nicht aus § 20 Abs. 1 der Satzung der Beklagten. Diese sehe eine nur vorübergehende Leistung vor, deren Grenze bei sechs Monaten bestehe. Der unbestimmte Rechtsbegriff „vorübergehend“ bedeute zum einen, dass es sich nicht um einen Dauerzustand handeln dürfe, zum anderen könne er systematisch ausgelegt werden unter Berücksichtigung anderer Vorschriften des Sozialgesetzbuches. Beispielsweise enthalte § 70 Abs. 1 SGB XII die Regelung, dass Leistungen zur Weiterführung des Haushaltes in der Regel nur vorübergehend erbracht würden. Zu dessen Vorgängerregelung, § 70 Bundessozialhilfegesetz, habe das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. Dezember 1993 (Az. 4 M 2984/93) darauf hingewiesen, dass „vorübergehend“ in Abgrenzung zu „absehbar“ selbst bei großzügiger Bemessung maximal sechs Monate bedeute. § 38 SGB XII regele die Gewährung von Geldleistung in Form von Darlehen bei vorübergehender Notlage. Als vorübergehende Notlage werde vom Gesetz eine Situation „von kurzer Dauer“ beschrieben. Entsprechendes gelte auch für die Regelungen des § 37 Abs. 2 Satz 7 SGB V sowie des § 40 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Anhaltspunkte, dass es gerade für die vorliegende Satzungsvorschrift auf etwas anderes ankommen könnte, bestünden nicht.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie leide nur an einer vorübergehenden, behandelbaren Erkrankung (Bezugnahme auf ein Gutachten der Dr. S, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 2. Februar 2009).
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. Dezember 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2007 in der Fassung des Bescheides vom 25. April 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2007 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für Haushaltshilfe für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 30. Juni 2007 in Höhe von 4.368 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Durch die Formulierung in der Satzung sollte eine Befristung der Leistungsdauer unabhängig vom Fortbestehen der Krankheit erreicht werden.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht Ansprüche der Klägerin auf Zuschüsse für eine Haushaltshilfe für die Zeit ab Februar 2007 abgelehnt. Auf die Begründung kann zunächst zur Vermeidung bloßer Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen werden.
Die Satzungsregelung der Beklagten verstößt nicht gegen § 194 Abs. 2 SGB V. Nach § 38 Abs. 2 SGB V ist die Haushaltshilfe eine fakultative Hilfe nach Maßgabe der Satzung, soweit nicht § 38 Abs. 1 SGB V einschlägig ist. Ein Anspruch auf Haushaltshilfe besteht danach nur bei Krankenhausbehandlung, einer Kurbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorgeeinrichtung außerhalb des Wohnortes nach Maßgabe des § 23 Abs. 2 SGB V, bei Eltern-Kind-Maßnahmen oder Rehabilitationsmaßnahmen nach §§ 40 f SGB V, soweit aufgrund dessen die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist. Da Leistungen darüber hinaus nicht gewährt werden müssen, kann die Beklagte in ihrer Satzung die Gewährung einer Haushaltshilfe auf einen vorübergehenden Zeitraum beschränken (vgl. § 38 Abs. 2 SGB V).
Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass „vorübergehend“ im Sinne der Satzung der Beklagten ein Zeitraum von maximal sechs Monaten ist.
Ergänzend zu dessen Ausführungen insbesondere zu § 70 Abs. 1 S. 2 SGB XII (Haushaltshilfe) kann auf die Rechtsprechung zu § 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (vorübergehende Arbeitsunterbrechung) hingewiesen werden. Danach soll bereits eine Unterbrechung von vier Monaten nicht mehr nur vorübergehend sein (vgl. aus jüngster Zeit LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 15.12.2011 - L 10 R 39/09 - juris Rdnr. 20).
Die Höchstzeitspanne von sechs Monaten lässt sich auch Rechtsvorschriften außerhalb des Sozialgesetzbuches entnehmen: So erlischt ein Aufenthaltstitel eines Ausländers nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), wenn dieser aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund ausreist oder (Nr. 7) wenn der Ausländer ausreist und nicht innerhalb von sechs Monaten (…) wieder einreist. Das AufenthG geht also bei einem längeren Verlassen Deutschlands als für sechs Monate auf jeden Fall von einem nicht nur vorübergehenden Grund der Ausreise aus.
Ob die Klägerin oder ihr Ehemann im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich nicht in der Lage gewesen sind, den Haushalt zu führen, kann dahingestellt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.