Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 27. Senat | Entscheidungsdatum | 23.09.2010 | |
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Aktenzeichen | L 27 P 5/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 7 Abs 2 S 2 SGB 11 |
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. November 2008 geändert sowie die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 26. Oktober 2004 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 1. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2005 verurteilt, der Klägerin aus der Versicherung des S Pflegegeld der Stufe III für den Zeitraum vom 1. Oktober 2003 bis 31. Dezember 2003 zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, soweit der Rechtsstreit nicht erledigt ist.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu 2/3 zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Pflegegeld aus der Pflegeversicherung des 2004 verstorbenen Versicherten S.
Die Klägerin ist Ehefrau des Versicherten, mit dem sie in einem gemeinsamen Haushalt lebte und den sie bis zu dessen Tod pflegte. Am 6. Januar 2004 ging dessen Antrag auf Pflegeleistungen vom 5. Januar 2004 bei der Beklagten ein. Die Klägerin führte im Schreiben vom 30. Juni 2004 an die Beklagte aus, dass der Gesundheitszustand ihres Mannes sich ab Oktober 2003 verschlimmert habe. Dessen Hausärztin M habe ihr zugesichert, dass Anspruch auf Pflegeleistungen bestanden habe. Im MDK-Gutachten nach Aktenlage vom 20. August 2004 bejahte Dr. B die Pflegebedürftigkeit des Versicherten; die Entscheidung über die Pflegestufe müsse durch die Pflegekasse erfolgen.
Daraufhin gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 26. Oktober 2004 Pflegegeld der Pflegestufe II für den Zeitraum vom 5. Januar 2004 bis zum 1. Februar 2004. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch: Sie sei auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob der Antrag bereits im August 2003 gestellt worden sei. Denn der Hausärztin sei die Pflegebedürftigkeit des Versicherten bekannt gewesen, der eingewilligt habe, dass sie die Beklagte hiervon unverzüglich benachrichtige. Das Versäumnis der Hausärztin sei der Beklagten zuzurechnen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch begründe sich daneben darauf, dass der Versicherte sich ab August 2004 mehrfach fernmündlich an die Pflegekasse zu wenden versucht habe, die jedoch wegen der Fusion der Beklagten zur C KK nicht erreichbar gewesen sei. Ferner reichte sie das Attest der Hausärztin vom 15. Dezember 2004 ein, in welchem diese berichtete, dass der Versicherte wegen dessen progredienten Tumorleidens ab Oktober 2003 einer Pflege rund um die Uhr bedurft habe.
In einem Aktenvermerk vom 26. April 2005 über das Telefongespräch des Sachbearbeiters der Beklagten mit der Hausärztin heißt es: Von einer Einwilligung des Verstorbenen mit der Benachrichtigung der Pflegekasse durch sie wisse sie nichts. Eine Vollmacht habe sie niemals erhalten; auch sei hierüber nicht gesprochen worden. Im Gegenteil habe die Klägerin ihr gegenüber geäußert, dass sie sich selbst um eventuelle Pflegeansprüche kümmern werde. Dieser Darstellung widersprach die Klägerin: Als sie sich an die Hausärztin gewandt habe, habe diese ihr mitgeteilt, sie brauche sich keine Sorgen zu machen, da sie für die Pflege des Ehemannes Pflegegeld der Stufe I erhalten werde und hierdurch abgesichert sei.
Auf der Grundlage des MDK-Gutachtens nach Aktenlage vom 23. Mai 2005, wonach wegen der fortgeschrittenen Tumorerkrankung des Versicherten von einem erhöhtem Pflegebedarf rund um die Uhr ausgegangen werden müsse, gewährte die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 1. Juni 2005 die Pflegestufe III für den Zeitraum vom 5. Januar 2004 bis zum 1. Februar 2004. Hinsichtlich der übrigen Zeiten wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2005 zurück.
Mit der Klage bei dem Sozialgericht Berlin hat die Klägerin Pflegegeld der Stufe III, hilfsweise der Stufe II, für den Zeitraum vom 1. August 2003 bis zum 31. Dezember 2003 sowie Pflegegeld der Stufe III für die Zeiträume vom 1. Januar 2004 bis zum 4. Januar 2004 und vom 2. Februar 2004 bis zum 29. Februar 2004 begehrt. Auf Befragen des Gerichts zu den Umständen des Gesprächs mit der Hausärztin hat die Klägerin schriftsätzlich erklärt: Sie habe die Hausärztin im Zeitraum vom 1. August 2003 bis September 2003 zu einer Unterredung aufgesucht und ihr berichtet, dass sie wegen der Pflege des Versicherten ihren Sprachkurs abbrechen müsse. Die Hausärztin habe darauf unmissverständlich geäußert, sie solle sich keine Sorgen machen, da sie Anspruch auf Pflegegeld habe; sie (die Hausärztin) werde sich darum kümmern. Die Klägerin führte weiter aus, der Hausärztin sei bekannt gewesen, dass der Versicherte wegen seiner Pflegebedürftigkeit die Arztpraxis kaum mehr persönlich habe aufsuchen können, sondern stellvertretend die Klägerin zur Abholung der ständig benötigten Medikamente geschickt habe. Der Versicherte habe sie jeweils beauftragt, bei der Hausärztin die Medikamente abzuholen und bei dieser auch Ansprüche aus der Pflegeversicherung geltend zu machen. Eine förmliche Erklärung des Versicherten gegenüber der Ärztin liege allerdings nicht vor, sondern lediglich in schlüssiger Form auf Grund der Gesamtumstände mittels Stellvertretung der Ehefrau.
Mit Urteil vom 20. November 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Pflegegeld für den Zeitraum vom 1. August 2003 bis zum 31. Dezember 2003. Denn nach § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI) erhielten Versicherte die Leistung von Antragstellung an; vorliegend sei der Antrag jedoch erst am 6. Januar 2004 bei der Beklagten eingegangen.
Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Dieser setze voraus, dass der Versicherungsträger eine ihm auf Grund Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft, verletzt habe, dass zwischen dieser Pflichtverletzung und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang bestehe und dass der Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden könne.
Es könne dahin stehen, ob die Hausärztin gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 SGB XI verpflichtet gewesen sei, die Beklagte zu benachrichtigen und ob die Beklagte sich das Unterlassen der Benachrichtigung im Verhältnis zum Versicherten zurechnen lassen müsse. Jedenfalls sei die Nicht-Benachrichtigung nicht kausal dafür, dass kein Leistungsantrag gestellt worden sei. Denn der Versicherte habe gewusst, dass zur Leistungsgewährung ein Antrag erforderlich sei, sonn sonst hätte er – wie die Klägerin behaupte – die Hausärztin nicht mit der Antragstellung beauftragt. Für ein eventuelles Fehlverhalten der Ärztin hinsichtlich der Antragstellung sei die Beklagte jedoch nicht verantwortlich zu machen. § 7 Abs. 2 Satz 2 SGB XI spreche nur von einer Verpflichtung des behandelnden Arztes zur Benachrichtigung, nicht jedoch von einer Verpflichtung zur Antragstellung. Die – unterstellte – telefonische Nichterreichbarkeit der Beklagten sei nicht kausal für die nicht rechtzeitige Antragstellung. Der Versicherte habe die Möglichkeit gehabt, einen Leistungsantrag schriftlich zu stellen.
Mit Schreiben vom 21./24. November 2008 hat das Sozialgericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass nach der mündlichen Verhandlung vergessen worden sei, auch hinsichtlich der Zeiträume vom 1. Januar 2004 bis zum 4. Januar 2004 und vom 2. Februar 2004 bis zum 29. Februar 2004 zu beraten und zu entscheiden.
Gegen das sozialgerichtliche Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Die Auffassung des Sozialgerichts, die fehlende Benachrichtigung sei für das Versäumen des Leistungsantrags nicht kausal gewesen, sei unzutreffend. Die Hausärztin habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass die – im Übrigen rechtlich ungewandte – Klägerin die Antragstellung übernehmen werde, zumal die Ärztin gegenüber der Ehefrau und dem Versicherten zu keinem Zeitpunkt geäußert habe, dass ein Antrag auf Pflegegeld erforderlich sei. Dies ergebe sich schon daraus, dass niemand seine Ansprüche auf Pflegegeld nicht geltend machen würde, wenn ihm das Erfordernis der Antragstellung bekannt wäre. Die nach § 7 Abs. 2 Satz 2 SGB XI vorgesehene Benachrichtigung durch den behandelnden Arzt solle gerade Fälle wie den vorliegenden verhindern, nämlich dass eine gebrechliche Person eine rechtzeitige schriftliche Antragstellung versäume. Deshalb habe das Sozialgericht es zu Unrecht dahinstehen lassen, ob die Hausärztin verpflichtet gewesen sei, die Beklagte zu benachrichtigen und ob die Beklagte sich dieses Fehlverhalten im Verhältnis zum Versicherten zurechnen lasse müsse. Beides sei zu bejahen. Ein konkreter Anlass zur Beratung und Aufklärung in Bezug auf eine rechtzeitige Antragstellung bestehe immer dann, wenn der Versicherungsträger mit der Klärung oder Ordnung des Versicherungsverhältnisses befasst sei. Dies gelte auch für andere Sozialversicherungsträger bzw. Behörden, wenn diese auf das in die Verwirklichung des Gesetzeszwecks gerichtete Verwaltungsverfahren organisatorisch eingebunden seien. Da § 7 Abs. 2 Satz 1 bis Satz 3 SGB XI eine Konkretisierung der Aufklärungs- und Beratungspflichten der Pflegekasse und ihrer Hilfspersonen (der Ärzte) darstelle, sei bei Fehlern der sozialrechtliche Herstellungsanspruch anwendbar. Dem stehe nicht entgegen, dass der Arzt die Pflegekasse nur mit Einwilligung des Pflegebedürftigen informieren dürfe. Dies müsse er gegebenenfalls tun.
In der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2010 hat die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Pflegegeld der Stufe III aus der Versicherung des S für die Zeiträume vom 1. Januar 2004 bis zum 4. Januar 2004 und vom 2. Februar 2004 bis zum 29. Februar 2004 anerkannt. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. November 2008 aufzuheben, soweit der Rechtsstreit nicht erledigt ist, und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Oktober 2004 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 1. Juni 2005 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2005 zu verurteilen, der Klägerin aus der Versicherung des S Pflegegeld der Stufe III, hilfsweise der Stufe II, für den Zeitraum vom 1. August 2003 bis zum 31. Dezember 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Die Berufung der Klägerin hat, soweit sie nicht durch das angenommene Teilanerkenntnis erledigt ist, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Denn die Klägerin hat hinsichtlich des Zeitraumes vom 1. August 2003 bis zum 31. Dezember 2003 als Sonderrechtsnachfolgerin des S (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I) aus dessen Versicherung Anspruch auf Pflegegeld der Pflegestufe III.
Der Versicherte erfüllte im genannten Zeitraum die medizinischen Voraussetzungen der Pflegestufe III. Aus dem Attest der Hausärztin vom 15. Dezember 2004 ergibt sich, dass der Versicherte seit Oktober 2003 der Pflege rund um die Uhr bedurfte. Zutreffend hat das MDK-Gutachten vom 23. Mai 2005 hieraus abgeleitet, dass die inhaltlichen Voraussetzungen der Pflegestufe III erfüllt sind.
Zwar stellte der Versicherte den Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung bei der Beklagten erst am 6. Januar 2004, weshalb nach § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB XI die Leistungen grundsätzlich erst mit dem Beginn des Monats der Antragstellung gewährt werden können, wenn der der Antrag – wie hier – später als einen Monat nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit gestellt wurde.
Jedoch ist der Versicherte – und damit die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin – auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so zu stellen, als ob der Antrag bereits im Oktober 2003 bei der Beklagten eingegangen wäre.
Wenn eine Pflichtverletzung eines Leistungsträgers zu einem Schaden in Form des Ausbleibens von Vorteilen geführt haben, die im Sozialrecht vorgesehen sind und dem betroffenen Bürger zugute kommen sollen, hat dieser einen Anspruch gegen den Leistungsträger auf Herstellung des Zustandes, der eingetreten wäre, wenn dieser sich nicht rechtswidrig verhalten hätte (vgl. etwa Seewald, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Rn. 30 vor § 38 SGB I).
Ein eigener Pflichtenverstoß der Beklagten, etwa gegen die sie nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB XI treffende Verpflichtung, die Versicherten und ihre Angehörigen und Lebenspartner in den mit der Pflegebedürftigkeit zusammenhängenden Fragen, insbesondere über die Leistungen der Pflegekassen sowie über die Leistungen und Hilfen anderer Träger, zu unterrichten und zu beraten, ist schon deshalb nicht festzustellen weil ihr zum damaligen Zeitpunkt die Pflegebedürftigkeit des Versicherten nicht bekannt war.
Allerdings hat die Hausärztin des Versicherten eine Pflichtverletzung begangen, für welche die Beklagte einzustehen hat.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kann hierbei nicht auf die von ihr vorgetragene Verpflichtung der Hausärztin abgestellt werden, für den Versicherten einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung bei der Beklagten zu stellen, was sie unterließ. Die Klägerin hat im Klageverfahren behauptet, die Hausärztin habe ihr gegenüber unmissverständlich geäußert, sie (die Hausärztin) werde sich um das Pflegegeld kümmern. Diesen Vortrag bestreitet der Beklagte unter Hinweis auf die Telefonnotiz, wonach die Hausärztin erklärt habe, die Klägerin hätte ihr gegenüber geäußert, dass sie sich selbst um die Pflegeansprüche ihres Ehemannes kümmern werde. Dies kann offen bleiben, denn ein – unterstelltes – Versprechen der Hausärztin betrifft nicht das öffentlich-rechtliche Sozialrechtsverhältnis, in dem allein eine Zurechnung ihrer Pflichtverletzung zu Lasten der Beklagten in Betracht käme, sondern findet seine Grundlage in einem zivilrechtlichen Auftrag oder sogar nur in einem Gefälligkeitsverhältnis.
Anknüpfungspunkt für den Herstellungsanspruch stellt vielmehr die sich aus § 7 Abs. 2 Satz 2 SGB XI folgende Benachrichtigungspflicht der Hausärztin dar. Danach haben der behandelnde Arzt, das Krankenhaus, die Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen sowie die Sozialleistungsträger mit Einwilligung des Versicherten unverzüglich die zuständige Pflegekasse zu benachrichtigen, wenn sich der Eintritt von Pflegebedürftigkeit abzeichnet oder wenn Pflegebedürftigkeit festgestellt wird. Bereits im Zeitpunkt der Unterredung zwischen der Klägerin und der Hausärztin im August/September 2003 war dieser bekannt, dass der Versicherte wegen der schweren Krebserkrankung der Pflege bedurfte. Der Senat hält es jedoch für zweifelhaft, ob der Versicherte der Ärztin seine Einwilligung zu der Benachrichtigung erteilt hat. Eine bestimmte Form ist für die Erteilung der Einwilligung weder gesetzlich vorgesehen noch aus dem Grundsatz des Schutzes der persönlichen Sozialdaten ableitbar. Ausreichend ist damit auch eine formlose, unter Umständen sogar konkludente Einwilligung. Zur Begründung der Verpflichtung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 SGB XI ist jedoch erforderlich, dass sie dem Arzt oder den übrigen in dieser Vorschrift genannten Stellen erkennbar erteilt worden ist. Dem Vorbringen der Klägerin ist hier jedoch nicht konkret zu entnehmen, dass sie der Hausärztin gegenüber – als Stellvertreterin oder Botin – ausdrücklich oder schlüssig erklärt hat, der Versicherte sei mit der Weitergabe seiner Sozialdaten an die Beklagte einverstanden.
Hierauf kommt es indessen nicht an. Denn die Hausärztin hat gegen die sie treffende Verpflichtung verstoßen, den Versicherten (bzw. die Klägerin als dessen Stellvertreterin) über die Notwendigkeit aufzuklären, die Einwilligung zur Benachrichtigung der Beklagten durch die Hausärztin zu erteilen. Eine derartige Pflicht ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Satz 2 SGB XI in Verbindung mit § 2 Abs. 2 zweiter Halbsatz Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I). Um die in § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB XI vorgesehene Beratung des Pflegebedürftigen durch die Pflegekasse im Interesse einer möglichst weitgehenden Verwirklichung seiner sozialen Rechte sicherzustellen, setzt die Benachrichtigungspflicht des Arztes gerade dessen Verpflichtung voraus, den Betroffenen über das Erfordernis der Einwilligung in Kenntnis zu setzen. Dem Vorbringen der Beteiligten ist nicht zu entnehmen, dass die Hausärztin dem nachgekommen ist. Hätte sie dieser Beratungspflicht genügt, hätte der Versicherte seine Einwilligung zur Weitergabe bei lebensnaher Betrachtung seiner Sozialdaten an die Beklagte erteilt.
Die Pflichtverletzung der Hausärztin hat die Beklagten sich zurechnen zu lassen. Ein Herstellungsanspruch gegen den zur Entscheidung berufenen Leistungsträger kann auch dann gegeben sein, wenn die unzureichende Beratung, die zu Nachteilen für den Berechtigten geführt hat, einer anderen Behörde zuzurechnen ist, die vom Gesetzgeber "arbeitsteilig" in das Verfahren eingeschaltet ist (so Bundessozialgericht –BSG–, Urteil vom 24. Juli 1985, 10 RKg 18/84, BSGE 58, 283, unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 17. Dezember 1980, 12 RK 34/80, BSGE 51, 89). Zwar handelt es sich bei einem Arzt weder um eine Behörde in diesem Sinne, noch ist er in die Organisation der Pflegekassen integriert. Jedoch werden er und die in § 7 Abs. 2 Satz 2 SGB XI genannten Einrichtungen und andere Sozialleistungsträger über diese Regelung in den Prozess der sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit mit einbezogen. Die Benachrichtigungspflicht des Arztes dient unmittelbar der Verwirklichung der Ziele des § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB XI, nämlich einer möglichst frühzeitigen Beratung durch die Pflegekasse, damit ein nahtloser Übergang zur Pflege, insbesondere im häuslichen Bereich, sowie die bestmögliche Nutzung aller zur Verfügung stehenden Pflegeleistungen gewährleistet ist (so Peters, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Rn. 6 und 7 zu § 7 SGB XI, unter Hinweis auf BT-Drucks 12/5262 S. 91/92 zu § 7 Abs. 2 SGB XI).
Wäre die Hausärztin des Versicherten ihrer Benachrichtigungspflicht nachgekommen, wäre die Beklagte in die Lage versetzt worden, den Versicherten gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB XI zu beraten, insbesondere ihm die Notwendigkeit der Antragstellung vor Augen zu führen. Auch wenn die Klägerin nicht darlegen kann, ob ihre Unterredung mit der Hausärztin im August oder September 2003 stattfand, ist davon auszugehen, dass spätestens im Laufe des Oktober 2003 ein Antrag des Klägers bei der Beklagten eingegangen wäre, der nach § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB XI auf den Beginn des Monats der Antragstellung zurückgewirkt hätte, weil der Versicherte unstreitig in den Monaten davor wegen seiner lang an dauernden und schweren Erkrankung pflegedürftig war.
Hingegen war die Berufung zurückzuweisen, soweit die Klägerin Ansprüche für die Monate August und September 2003 geltend macht. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, das auch beipflichtgemäßem Verhalten der Hausärztin ein Antragseingang nicht vor dem Monat Oktober 2003 zu erwarten gewesen wäre, so dass vor diesem Monat auch Leistungsansprüche nicht hätten entstehen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.