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Entscheidung 3 U 111/11


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Zivilsenat Entscheidungsdatum 08.02.2012
Aktenzeichen 3 U 111/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin wird das am 23. Juni 2011 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Zwischen der Beklagten und der Verwaltungsgesellschaft für das Stadthaus E… mbH (vormals K… mbH) besteht ein Mietvertrag. Über das Vermögen der Verwaltungsgesellschaft wurde im Juni 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Insolvenzverwalterin ist die Nebenintervenientin. Seit Juli 2003 entrichtet die Beklagte den Mietzins auf ein von der Nebenintervenientin eingerichtetes Anderkonto. Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der Landeskreditbank B… und begehrt unter Bezugnahme auf verschiedene am 12.11.1997 geschlossene Verträge die Mietzinszahlung ab Juli 2003 an sich.

Im erstinstanzlichen Verfahren hat das Landgericht Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen G…. Insoweit wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 16.12.2010.

Durch das angefochtene Urteil vom 23.06.2011 hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 924.075,01 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 22.050,61 € seit dem 03.07.2003, dem 05.08.2003, dem 03.09.2003, dem 06.10.2003, dem 05.11.2003 und dem 03.12.2003, auf je 264.607,32 € seit dem 01.01.2006 und dem 01.01.2007 sowie auf 262.556,71 € seit dem 01.01.2008 zu zahlen.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf dieses Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts wenden sich die Beklagte und die Nebenintervenientin mit der Berufung.

Die Beklagte trägt vor:

Das Landgericht habe rechtsirrig über einen – vermeintlichen – Anspruch entschieden, welcher nicht Streitgegenstand gewesen sei. Die Klägerin habe ihren Anspruch zum Einen auf die Einredeverzichtserklärung der Beklagten vom 12.11.1997, zum Anderen auf den Forfaitierungsvertrag zwischen der Klägerin und der Gemeinschuldnerin vom 12.11.1997 sowie eine hierauf beruhende Abtretung gestützt. Nicht streitgegenständlich sei hingegen mangels entsprechenden Sachvortrags der Klägerin der Sachverhalt „Mietvertragsabschluss zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten über das Stadthaus E…“ sowie die damit verbundene Frage, ob die Klägerin aus diesem Vertragsverhältnis unmittelbare vertragliche Ansprüche habe, gewesen.

Aus dem Mietvertrag zwischen ihr, der Beklagten, und der Gemeinschuldnerin vom 25.09.1997 ließen sich keine unmittelbaren Mietzahlungsansprüche der Klägerin herleiten. Insbesondere sei kein Vertrag zugunsten Dritter gegeben. Einem Anspruch der Klägerin aus § 3 Abs. 5 des Mietvertrages stände im Übrigen das Abtretungsverbot nach § 110 InsO bzw. nach § 119 InsO entgegen.

Die Frage unterschiedlicher Streitgegenstände habe auch Bedeutung für die Verjährung. Unmittelbar aus dem Mietvertrag hergeleitete Ansprüche seien für das Jahr 2005 schon verjährt, weil sich die im Dezember 2008 per Mahnbescheid anhängig gemachten Ansprüche explizit nur auf die streitgegenständliche Einredeverzichtserklärung bezogen hätten.

Eine etwaige Zahlungsverpflichtung bestehe ohnehin nur Zug um Zug gegen Abtretung der von der Klägerin gegen die Insolvenzverwalterin angemeldeten Forderungen. Unmittelbare mietvertragliche Ansprüche der Klägerin scheiterten jedenfalls an der fehlenden aufsichtsrechtlichen Genehmigung nach § 86 Abs. 1, 2 der Brandenburgischen Gemeindeordnung.

Ein Anspruch der Klägerin lasse sich auch nicht aus abgetretenem Recht oder der Einredeverzichtserklärung herleiten. Insoweit werde auf den erstinstanzlichen Sachvortrag Bezug genommen.

Die Nebenintervenientin trägt vor:

Vom Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung an seien die Mietzahlungen dauerhaft zur Masse geflossen und nicht mehr auf das Konto der Schuldnerin bei der Klägerin eingezahlt worden. Eine etwa bestehende Drittbegünstigungsregelung sei daher zumindest konkludent aufgehoben worden. Flankiert worden sei das durch eine nachfolgende Freistellungsvereinbarung der Parteien des Mietvertrages, sodass sogar von einer ausdrücklichen Vertragsänderung auszugehen sei.

Da die maßgebliche Bestimmung des Mietvertrages in § 3 Abs. 1 den für den folgenden Regelungskontext konstitutiven Hinweis auf die der Beklagten bekannte Abtretung der Mietzinsforderungen an die Klägerin enthalte, sei kein Raum für die Annahme eines originären Forderungserwerbs der Klägerin. Dies werde auch bestätigt durch eine Gesamtbetrachtung aller am 12.11.1997 abgeschlossenen Verträge. So enthalte etwa die Einredeverzichtserklärung ebenfalls einen unmissverständlichen Hinweis auf die Abtretung, aus der sich die Forderungsberechtigung der Klägerin erst ableiten sollte.

Bei der Kontoangabe in § 3 Abs. 2 des Mietvertrages handele es sich bei richtigem Verständnis lediglich um eine einseitig änderbare Zahlungsanweisung im alleinigen Interesse der Gemeinschuldnerin.

Ferner habe das Landgericht zu Unrecht die Anwendbarkeit von § 110 InsO auf den richtig festgestellten Sachverhalt verneint. Nehme man einen echten Vertrag zugunsten Dritter an, müsse § 110 InsO auch insoweit Anwendung finden, jedenfalls aber die vom Landgericht nicht angesprochene Korrekturvorschrift des § 119 InsO.

Auf die Einredeverzichtserklärung der Beklagten könne die Klägerin ihren Anspruch ebenfalls nicht stützen. Den hier vorliegenden Fall einer späteren Unwirksamkeit der Zession regele die Einredeverzichtserklärung nicht.

Die vom Landgericht vorgenommene Beweisaufnahme sei überflüssig gewesen. Der originäre Forderungserwerb, den das Landgericht angenommen habe, sei schon mit dem eigenen Sachvortrag der Klägerin nicht vereinbar. Denn diese habe ihren Standpunkt zur Aktivlegitimation des abgetretenen Rechts nicht aufgegeben oder auch nur relativiert.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufungen der Beklagten und deren Streithelferin zurückzuweisen,

und im Wege der Anschlussberufung,

die Beklagte zu verurteilen, weitere 240.000,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf je 20.000,00 € seit dem 03.01., 05.02., 05.03., 03.04., 05.05., 04.06., 03.07., 05.08., 03.09., 03.10., 05.11. und 03.12.2008 zu zahlen.

Sie trägt vor:

Die Anschlussberufung rechtfertige sich vor dem Hintergrund der für das Jahr 2008 noch offenen Gesamtmiete.

Vorliegend sei von einem Finanzverbundgeschäft („Sale-and-lease-back“) auszugehen. Die Beklagte habe an die Gemeinschuldnerin gemeindliches Eigentum (Stadthaus E…) in einer jederzeit ausübbaren Rückkaufsoption einer auch im Fall der Nichtausübung der Option vertraglich fixierten Rückfallregelung veräußert. Spätestens zum 31.07.2022 werde das Eigentum an dem Stadthaus wieder an die Beklagte zurückfallen.

Habe eine Gemeinschuldnerin ein Grundstück angeschafft, um es für den Mieter (die Beklagte) als Investitionsobjekt zeitlich vorzufinanzieren, handele es sich bei den periodischen Mietzinsansprüchen nicht um befristete, sondern regelmäßig um betagte Forderungen. Vorliegend komme der von der bloßen Gebrauchsüberlassung unabhängige Erfüllungsanspruch aufgrund von § 3 Abs. 2 des Mietvertrages hinzu. In die gesicherte Rechtsposition der Gemeinschuldnerin sei sie, die Klägerin, aufgrund des Forfaitierungsvertrages, der Einredeverzichtserklärung und schließlich der vertraglichen Abmachungen zwischen der Beklagten und der Gemeinschuldnerin in dem Mietvertrag eingetreten.

Streitgegenstand sei neben dem Anspruch aus eigenem Recht ein fälliger Zahlungsanspruch aus der Einredeverzichtserklärung.

§ 110 InsO gelte erst seit dem 01.01.1999, sodass nach Artikel 106 EGInsO auf die Bestimmungen der GesO abzustellen sei.

Der Behauptung der Beklagten, für die Einredeverzichtserklärung fehle es an der erforderlichen kommunalaufsichtlichen Genehmigung, stehe der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Denn die Beklagte habe wiederholt erklärt, die Einredeverzichtserklärung sei genehmigungsfrei. Im Falle eines gleichwohl bestehenden Genehmigungserfordernisses sei die Beklagte ihr, der Klägerin, zum Schadensersatz verpflichtet.

Schließlich sei die Beurteilung des Landgerichts, die Anwendung von §§ 328 Abs. 2, 329 BGB führe zur Annahme eines unmittelbaren Zahlungsanspruchs aufgrund des Mietvertrages, nicht zu beanstanden. Ferner sei zu beachten, dass die Gemeinschuldnerin sich nicht nur mit einer Banküberweisung der Miete einverstanden erklärt, sondern der Beklagten das Kreditkonto bei ihr, der Klägerin, zur Tilgungsleistung vorgegeben habe. Überdies habe die Beklagte in § 5 Abs. 4 des Mietvertrages die ausdrückliche Verpflichtung übernommen, die Gemeinschuldnerin von sämtlichen offenen Verpflichtungen gegenüber der finanzierenden Bank bei Vertragsablauf oder Rückkauf freizustellen. Zudem habe sich die Beklagte in der Einredeverzichtserklärung zur unmittelbaren Zahlung an sie, die Klägerin, verpflichtet. Für die Annahme eines Vertrages zugunsten Dritter spreche auch, dass die Beklagte und die Gemeinschuldnerin die Mietzahlungsverpflichtung der Beklagten ausdrücklich von dem Innenverhältnis der Mietvertragsparteien „abgekoppelt“ hätten.

Entgegen der Auffassung der Streitverkündeten habe es eines unmittelbaren Forderungsrechts ungeachtet der Abtretung bedurft. Der Anspruch aus abgetretenem Recht und der aus eigenem Recht seien nicht unmittelbar gleichwertig.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der Nebenintervenientin wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässigen Berufungen sind begründet. Die zulässige Anschlussberufung ist unbegründet.

A.

Die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin sind zulässig gemäß §§ 511 ff. ZPO. Dabei ist das Rechtsmittel der Nebenintervenientin dahin auszulegen, dass es für die Beklagte als Hauptpartei eingelegt worden ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Auflage, § 67 Rn. 5, 10).

Die Anschlussberufung der Klägerin ist ebenfalls zulässig. Sie ist insbesondere fristgemäß im Sinne von § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO eingelegt und begründet worden. Die mit der Anschlussberufung verfolgte Klageerweiterung in zweiter Instanz ist ungeachtet der von der Beklagten versagten Einwilligung zulässig. Die Voraussetzungen für die Zulassung nach 533 ZPO liegen vor. Die Klageerweiterung ist unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit sachdienlich (vgl. auch Zöller/Heßler, a.a.O., § 533 Rn. 6). Sie kann – da es auch hier um die Verpflichtung der Beklagten zur Mietzinszahlung an die Klägerin geht - auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

B.

Die Berufungen sind begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Zahlungsanspruch. Demgemäß ist auch die Anschlussberufung unbegründet.

1.

Die Klägerin kann den Zahlungsanspruch nicht auf die in § 5 des am 12.11.1997 zwischen ihrer Rechtsvorgängerin und der K… mbH am 12.11.1997 geschlossenen Forfaitierungsvertrages enthaltene Abtretung der Gesamtmietzinsforderung stützen. Dem Anspruchsübergang insoweit steht hinsichtlich der hier geltend gemachten Mietzinsforderungen ab Juli 2003, also nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters, die Vorschrift des § 110 InsO entgegen.

a)

Die InsO findet im vorliegenden Fall Anwendung.

aa)

Gemäß § 359 InsO tritt das Gesetz an dem Tage in Kraft, der durch das Einführungsgesetz der Insolvenzordnung bestimmt wird. Gemäß Art. 110 Abs. 1 EGInsO tritt die Insolvenzordnung am 01.01.1999 in Kraft. Zwar bestimmt Art. 103 EGInsO, dass auf Konkurs-, Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsverfahren, die vor den 01.01.1999 beantragt worden sind, und deren Wirkungen weiter die bisherigen gesetzlichen Vorschriften anzuwenden sind. Von einem Antrag vor dem 01.01.1999 kann hier aber nicht ausgegangen werden. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, die Gemeinschuldnerin sei im Jahr 2002 insolvent geworden. Das Aktenzeichen des Insolvenzverfahrens lautet entsprechend 8 IN 370/02.

bb)

Der Anwendung der InsO steht die Vorschrift des Artikel 103 b EGInsO nicht entgegen. Dort ist lediglich geregelt, dass auf Insolvenzverfahren, die vor dem 09.04.2004 eröffnet worden sind, die bis dahin geltenden gesetzlichen Vorschriften weiter anzuwenden sind. Dies betrifft aber lediglich Änderungen der InsO aus der Zeit zwischen ihrem Inkrafttreten und dem 09.04.2004 (vgl. Hess, Insolvenzrecht, Band 3, Anhang H, Art. 103 b EGInsO Rn. 21).

cc)

Ist das Insolvenzverfahren – wie hier - nach dem 31.12.1998 beantragt, gilt die InsO auch für die Rechtsverhältnisse und Rechte, die vor dem 01.01.1999 begründet worden sind, Artikel 104 EGInsO. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Reform begründet worden sind, keine andere Stellung im neuen Insolvenzverfahren haben als die übrigen Insolvenzgläubiger. Die Anwendung des neuen Insolvenzrechts auf bereits bestehende Rechtspositionen bedeute keinen Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, Art. 14 Abs. 1 GG, oder den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Vertrauensschutz, Art. 20 Abs. 3 GG (Begründung aus dem Regierungsentwurf, abgedruckt bei Hess, a.a.O., Art. 104 EGInsO Rn. 23 ff.).

dd)

Entgegen der Auffassung der Klägerin gebietet nicht die Vorschrift des Artikels 106 EGInsO die Anwendung der Gesamtvollstreckungsordnung anstelle der InsO.

Nach Artikel 106 EGInsO sind die Vorschriften der InsO über die Anfechtung von Rechtshandlungen auf die vor dem 01.01.1999 vorgenommenen Rechtshandlungen nur anzuwenden, soweit diese nicht nach dem bisherigen Recht der Anfechtung entzogen oder in geringerem Umfang unterworfen sind. Dabei ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass, wenn die neuen Anfechtungsvorschriften uneingeschränkt auf die Rechtshandlungen angewendet würden, die vor dem Inkrafttreten der Reform vorgenommen worden sind, dadurch Tatbestände schutzwürdigen Vertrauens missachtet werden könnten (Begründung aus dem Regierungsentwurf, abgedruckt bei Hess, a.a.O., Art. 106 Rn. 33). Dieser Gesichtspunkt betrifft ausdrücklich nur die von Artikel 106 EGInsO erfasste Anfechtung von Rechtshandlungen. Im Übrigen gilt die bereits angeführte Vorschrift des Artikels 104 EGInsO. Einen über den Anwendungsbereich des Artikel 106 EGInsO hinausgehenden Vertrauensschutz hat der Gesetzgeber gerade nicht angenommen. Er ist vielmehr davon ausgegangen, dass die Parteien privater Schuldverhältnisse nicht darauf vertrauen können, dass die verfahrensrechtlichen Vorschriften zur Durchsetzung ihrer Rechte unverändert bleiben (Begründung aus dem Regierungsentwurf, abgedruckt bei Hess, a.a.O., Art. 104 EGInsO Rn. 25). Daher scheidet auch eine entsprechende Anwendung von Artikel 106 EGInsO auf den vorliegenden Fall aus.

b)

Die Abtretung der Mietzinsforderungen ist nach § 110 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksam.

aa)

Hat der Schuldner als Vermieter oder Verpächter eines unbeweglichen Gegenstands oder von Räumen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Miet- oder Pachtforderungen für die spätere Zeit verfügt, so ist diese Verfügung nur wirksam, soweit sie sich auf die Miete oder Pacht für den zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonat bezieht, § 110 Abs. 1 Satz 1 InsO. Diese Vorschrift bezweckt die Erhaltung der Masse. Damit wird klargestellt, dass die Immobilie und seine Nutzungen als Teil der Masse nach Verfahrenseröffnung der Befriedigung der Gläubiger dienen. Soweit die Masse dem Mieter das unbewegliche Mietobjekt zur weiteren Nutzung belassen muss, steht ihr die ungeschmälerte Miete zu (Eckert, in: Münchener Kommentar InsO, 2. Auflage 2008, § 110 Rn. 3).

Verfügung im Sinne des § 110 InsO ist ein Rechtsgeschäft, das unmittelbar auf den Bestand der Mietforderung oder/und die Berechtigung des Vermieters einwirkt. Zu den erfassten Vorausverfügungen zählt insbesondere die Abtretung – auch an den Grundpfandgläubiger -(Eckert, a.a.O., Rn. 5). Die Vorausverfügung über die Miete als Entgelt für die zukünftige Gebrauchsgewährung ist erst mit dem jeweiligen Nutzungszeitraum abgeschlossen, denn der Anspruch auf Zahlung der einzelnen Mietraten entsteht mit der korrespondierenden periodischen Gebrauchsüberlassung (Eckert, a.a.O., Rn. 11). Daher ist die Abtretung einer Forderung auf künftigen Grundstücksmietzins erst durch den Beginn des jeweiligen Nutzungszeitraums beendet (BGH, Urteil vom 30.01.1997 – IX ZR 89/96, DtZ 1997, 156, 157; Urteil vom 17.09.2009 – IX ZR 106/08, NJW 2010, 444 Tz. 10,12). Mithin handelt es sich bei der Mietzinsforderung nicht um eine betagte, sondern um eine befristete Forderung.

Nach alledem hat die Insolvenzgläubigerin, indem sie durch den Forfaitierungsvertrag vom 12.11.1997 die Mietzinsforderungen an die Rechtsvorgängerin der Klägerin abgetreten hat, soweit es um die hier streitgegenständlichen Mietforderungen ab Juli 2003 geht, über eine Forderung für die spätere Zeit verfügt. Diese Verfügung ist, weil sie sich nicht auf die Miete für den zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonat, Juni 2006, bezieht, nach § 110 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksam.

bb)

Nichts anderes ergäbe sich, wollte man den zwischen der Beklagten und der Insolvenzschuldnerin geschlossenen Vertrag trotz der eindeutigen Bezeichnung als Mietvertrag mit Rücksicht darauf, dass die Insolvenzschuldnerin das Nutzungsobjekt erst von der Beklagten erworben hatte und dieser ein Rückkaufrecht eingeräumt hat, als Leasingvertrag ansehen.

Auch bei einem „Sale-and-lease-back“-Vertrag erwirbt der Leasinggeber das Objekt vom Leasingnehmer, der es weiter nutzen will. Jedenfalls sind beim Immobilienleasing die §§ 108 bis 112 InsO anzuwenden, wenn die Leasingphase vor Verfahrenseröffnung eingesetzt hat (Eckert, a.a.O., § 108 Rn. 30). Die Vorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO, wonach Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbeweglich Gegenstände oder Räume sowie Dienstverhältnisse des Schuldners mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort bestehen, gilt mithin auch für Leasingverträge (Wegener, in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 6. Auflage, § 108 Rn. 12 ff.). Ebenso verhält es sich aber auch mit der Anwendung von § 110 InsO auf Immobilienleasingverträge (Seifert, NZM 1998, 217; Wegener, a.a.O., § 110 Rn. 6). Die Leasingraten für Zeiträume nach dem Monat der Insolvenzeröffnung stehen dem Insolvenzverwalter zu. Der finanzierenden Bank bleibt nur die Möglichkeit, sich durch Eintragung von Grundpfandrechten auf den Leasinggegenstand abzusichern (Seifert, a.a.O.; Wegener, a.a.O.).

2.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Zahlungsanspruch aufgrund der Einredeverzichtserklärung vom 12.11.1997.

a)

Allerdings hat die Beklagte unter Nr. 3 der Einredeverzichtserklärung gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin die unwiderrufliche Verpflichtung zur uneingeschränkten und termingerechten Zahlung eines Betrages von monatlich 43.127,25 DM und bis zur Höhe der gesamten Mietforderung, die sich entsprechend des Mietvertrages vom 12.11.1997 ergibt, übernommen. Dabei ist klargestellt, dass die Verpflichtung insbesondere unabhängig von dem Bestand des Mietverhältnisses und etwaiger Einreden und Einwendungen aus dem Mietverhältnis ist und erst mit vollständiger Begleichung der gesamten Mietzinsforderung erlischt. Mit Rücksicht auf den Wortlaut und insbesondere den Geschehensablauf bis zur Unterzeichnung der Einredeverzichtserklärung durch die Beklagte kann aber nicht angenommen werden, dass diese aufgrund der Verpflichtung zur Zahlungsübernahme in jedem Fall und insbesondere auch nach Insolvenz des Vermieters für die Mietzinsforderung gegenüber der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin einzustehen hatte.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte der Beklagten unstreitig zunächst eine Garantieerklärung mit dem Datum 24.09.1997 vorgelegt. In dieser Garantieerklärung war die Übernahme einer unwiderruflichen und selbständigen Garantie durch die Beklagte für die uneingeschränkte und termingerechte Zahlung des Mietzinses vorgesehen. Gegen diese beabsichtigte Garantieerklärung erhob der Landkreis … als Kommunalaufsicht für die Beklagte Bedenken, da es sich um ein selbständiges Verpflichtungsgeschäft handele. Aus Sicht der Kommunalaufsicht letztlich unbedenklich war die Einredeverzichtserklärung, da hierin kein neues selbständiges Verpflichtungsgeschäft, sondern lediglich eine Verpflichtung gegenüber der Bank, welche die Beklagte im Mietvertrag bereits bestätigt hatte, nochmals der Bank explizit gegenüber erklärt worden sei. Entsprechend ist die Einredeverzichtserklärung dahin auszulegen, dass die Beklagte mit ihr keine selbständige Verpflichtung eingegangen ist. Dies ergibt die Auslegung, §§ 133, 157 BGB, auch unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts. Denn der Rechtsvorgängerin der Klägerin waren die Bedenken der Kommunalaufsicht bekannt. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin musste demnach erkennen, dass die Beklagte eine selbständige Verpflichtung nicht übernehmen wollte.

Insbesondere kann der Einredeverzichtserklärung nicht entnommen werden, dass die Beklagte in jedem Fall den Mietzins statt an den Vermieter an die finanzierende Bank zu leisten hatte. Wie bereits ausgeführt, hatte für die Zeit nach dem Monat der Insolvenzeröffnung eine Mietzinszahlung mit Rücksicht auf § 110 Abs. 1 Satz 1 InsO befreiende Wirkung nur, wenn sie gegenüber dem Insolvenzverwalter erfolgte. Die Beklagte war mithin ab Juli 2003 verpflichtet, den Mietzins an den Insolvenzverwalter zu entrichten, ungeachtet des Umstands, dass der Vermieter den Mietzinsanspruch an die Rechtsvorgängerin der Klägerin abgetreten hatte. Nähme man dennoch eine Verpflichtung der Beklagten zur Mietzinszahlung an die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin auch für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung an, wäre die Beklagte zweimal zur Zahlung verpflichtet, einmal gegenüber der Insolvenzverwalterin und einmal gegenüber der Klägerin. Dieses Ergebnis sollte durch die Einredeverzichtserklärung, der keine selbständige Bedeutung beizumessen ist, gerade nicht eintreten.

b)

Da die Einredeverzichtserklärung, wie soeben ausgeführt, ein eigenständiges Forderungsrecht der Klägerin jedenfalls für die Zeit nach Eröffnung der Insolvenz der Vermieterin nicht begründen konnte, kann dahinstehen, ob die Vereinbarung des Einredeverzichts nach § 119 InsO unwirksam ist.

Gemäß § 119 InsO sind Vereinbarungen, durch die im Voraus die Anwendung der §§ 103 bis 118 InsO ausgeschlossen oder beschränkt wird, unwirksam. Der Begriff der Vereinbarung ist weit auszulegen. Jede Beschränkung der §§ 103 bis 108 InsO wird erfasst. Grundsätzlich können die Rechte des Insolvenzverwalters zu seinem Nachteil und damit zum Nachteil der Masse weder gänzlich ausgeschlossen noch eingeschränkt werden (Huber, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, a.a.O., § 119 InsO Rn. 14).Die Vorschrift des § 119 InsO hat zwingenden Charakter, kann folglich durch Vereinbarungen zwischen den Vertragspartnern weder ganz noch zum Teil abgedungen werden (Huber, a.a.O., § 119 Rn. 16). Unwirksam sind insbesondere im Voraus getroffene Vereinbarungen, welche die Anwendung des § 110 InsO ausschließen oder beschränken (Huber, a.a.O., Rn. 71).

Bei der Einredeverzichtserklärung handelt es sich allerdings nicht um eine Vereinbarung, an der die Insolvenzschuldnerin als Vermieterin beteiligt war, sondern um eine Vereinbarung zwischen der Beklagten als Mieterin und der finanzierenden Bank. Da § 110 Abs. 1 Satz 1 InsO voraussetzt, dass der Schuldner als Vermieter oder Verpächter über die Miet- oder Pachtforderungen verfügt hat, spricht einiges dafür, dass unter die von § 119 InsO erfassten Umgehungsgeschäfte nur solche fallen, an denen der Insolvenzschuldner beteiligt war. Dies kann aber auf sich beruhen. Denn die Auslegung der Einredeverzichtserklärung ergibt, wie ausgeführt, ohnehin, dass die Klägerin aus ihr ein Forderungsrecht jedenfalls für die Mietzinsforderungen vom Monat nach Insolvenzeröffnung an nicht ableiten kann.

3.

Eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin ergibt sich schließlich nicht aus § 3 Abs. 5 des zwischen der Beklagten und der K… mbH mit Wirkung ab 12.11.1997 geschlossenen Mietvertrages.

a)

Gemäß § 3 Abs. 5 des Mietvertrages ist der Mieter, die Beklagte, verpflichtet, Mietzins- und Schadensersatzforderungen an die „L-Bank“, unter Verzicht auf jegliche Einwendungen und Einreden zu bezahlen. Die Rechte im Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter bleiben von diesem Einwendungs- bzw. Einredeverzicht gegenüber der Beklagten unberührt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt in dieser Bestimmung kein Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB. Vielmehr ist die Zweifelsregelung nach § 329 BGB einschlägig.

Nach § 329 BGB ist, wenn sich in einem Vertrag der eine Teil zur Befriedigung eines Gläubigers des anderen Teils verpflichtet, ohne die Schuld zu übernehmen, im Zweifel nicht anzunehmen, dass der Gläubiger unmittelbar das Recht erwerben soll, die Befriedigung von ihm zu fordern. Nach dem Wortlaut in § 3 Abs. 5 des Mietvertrages hat die Beklagte im Mietvertrag nur die Verpflichtung zur Erfüllung direkt an die Rechtsvorgängerin der Klägerin übernommen. Dabei kann auch unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände nicht von einem echten Vertrag zugunsten der Rechtsvorgängerin der Klägerin ausgegangen werden.

Dabei ist zu beachten, dass am 12.11.1997 nicht nur der Mietvertrag, sondern auch die Einredeverzichtserklärung der Beklagten gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Forfaitierungsvertrag zwischen der Vermieterin und der Rechtsvorgängerin der Klägerin unterzeichnet worden sind. Wenn in § 3 Abs. 5 des Mietvertrages aufgrund der Formulierung, der Mieter verpflichte sich, Mietzins- und Schadensersatzforderungen an die „L-Bank“, unter Verzicht auf jegliche Einwendungen und Einreden, zu bezahlen, schon ein unmittelbares Forderungsrecht der „L-Bank“ begründen sollte, hätte es der ausdrücklichen Einredeverzichtserklärung der Beklagten, in der die Beträge - ebenso (nochmals) das Konto der „L-Bank“ - im Einzelnen aufgeführt sind, nicht bedurft. In § 6 des Forfaitierungsvertrages ist geregelt, dass dieser Vertrag erst wirksam wird, wenn der Bank bis spätestens 18.11.1997 eine von der Gemeinde ordnungsgemäß unterzeichnete Einredeverzichtserklärung und die Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde dazu vorliegen (aufschiebende Wirkung). Bei diesem Vertrag wie auch bei der Einredeverzichtserklärung handelt es sich, wie aus dem Kopf der einzelnen Blätter zu ersehen ist, um von der „L-Bank“ vorformulierte Verträge bzw. Erklärungen. Angesichts dessen muss angenommen werden, dass die „L-Bank“ selbst, obwohl sie sicher Kenntnis vom Inhalt des Mietvertrages hatte, nicht davon ausgegangen ist, allein aus § 3 Abs. 5 des Mietvertrages einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen die Beklagte herleiten zu können.

Auch mit Rücksicht auf die Äußerung der Kommunalaufsicht hinsichtlich der beabsichtigten Garantieerklärung kommt der Regelung in § 3 Abs. 5 des Mietvertrages keine die Klägerin unmittelbar berechtigende Bedeutung zu. Zwar mag der Äußerung der Kommunalaufsicht entnommen werden können, dass diese die Regelung im Mietvertrag als eine im Verhältnis zur Einredeverzichtserklärung vorrangige Bestimmung angesehen hat. Doch maßgeblich ist das Verständnis der Vertragsparteien. Hierbei ist vor allem zu beachten, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin, wie bereits ausgeführt, die Einredeverzichtserklärung mit Rücksicht auf die Äußerung der Kommunalaufsicht nicht als eine völlig selbständige Verpflichtung der Beklagten ansehen durfte. Gleiches gilt für die Regelung in § 3 Abs. 5 des Mietvertrages, die nach Auffassung der Kommunalaufsicht denselben - aus Sicht der Kommunalaufsicht unschädlichen – Bedeutungsgehalt haben sollte.

b)

Wenn nach all dem gerade unter Beachtung der Äußerungen der Kommunalaufsicht sowohl die Einredeverzichtserklärung als auch die Regelung im § 3 Abs. 5 des Mietvertrages dahin auszulegen sind, dass mit ihnen ein eigenes Forderungsrecht der Klägerin – jedenfalls für die Zeit nach dem Monat der Insolvenzeröffnung – nicht begründet wird, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der von der Beklagten angesprochenen Frage, ob Regelungen, die etwa unmittelbar mietvertragliche Ansprüche der Klägerin begründeten, jedenfalls an der fehlenden aufsichtsrechtlichen Genehmigung nach §§ 85, 86 der Gemeindeordnung für das Land Brandenburg scheiterten.

c)

Da sich aus § 3 Abs. 5 des Mietvertrages mithin kein eigenes Forderungsrecht der Klägerin ergibt, kann dahinstehen, ob das Landgericht – wie die Beklagte meint –, indem es den Anspruch der Klägerin auf diese Bestimmung des Mietvertrages gestützt hat, über einen nicht anhängigen Streitgegenstand entschieden hat. Ebenso kann offenbleiben, ob, wenn das Landgericht etwa zu Unrecht einen nicht streitgegenständlichen Anspruch zuerkannt hätte, ein mit einem Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO vergleichbarer Fall vorläge mit der Folge, dass der Verstoß nachträglich dadurch genehmigt werden könnte, dass die Klägerin Zurückweisung der Berufung beantragt hat (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 308 Rn. 7). Schließlich bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die Einrede der Verjährung durch die Beklagte in Bezug auf unmittelbar aus dem Mietvertrag hergeleitete Ansprüche für das Jahr 2005 greife.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5.

Die Revision wird zugelassen. Denn zu der Frage, ob die Vorschrift des § 110 InsO auch bei einem „Sale-and-lease-back“-Vertrag Anwendung findet, liegt – soweit ersichtlich – noch keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vor.