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Klage - Rücknahme


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat Entscheidungsdatum 26.07.2012
Aktenzeichen L 13 SB 8/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 102 SGG

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. November 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung des Sozialgerichts, dass die von ihm vor dem Sozialgericht Berlin erhobene Klage vom 9. März 1995 (Az.: S 46 VS 565/95) durch Klagerücknahme erledigt ist.

Mit Bescheid vom 17. Juni 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 1995 stellte der Beklagte für den Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 fest, lehnte jedoch die zudem begehrte Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen „G“ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und „B“ (Notwendigkeit ständiger Begleitung) ab.

Gegen vorgenannten Bescheid hat der Kläger am 9. März 1995 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (AZ: S 46 VS 565/95) erhoben, mit der er die Feststellung eines GdB von 100 sowie des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ begehrt hat. Mit bei Gericht am 10. Januar 1996 eingegangen Schriftsatz vom 9. Januar 2006 hat sich Rechtsanwalt A J B, unter Vorlage eines vom Amtsgericht C am 24. November 1995 ausgestellten Betreuerausweises (Geschäftsnummer: ) als Betreuer des Klägers gemeldet. Ausweislich des Betreuerausweises ist der Betreuer für den Kläger bestellt und umfasst die Betreuung folgenden Aufgabenkreis: „Die Regelung der Vermögens- und Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Gerichten“. Mit bei dem Sozialgericht am 21. Februar 1996 eingegangenen Schreiben hat der Betreuer für den Kläger die Klage sowie den vom Kläger am 12. Dezember 1995 zudem gestellten Prozesskostenhilfeantrag zurückgenommen. Daraufhin ist das Verfahren vom Sozialgericht als erledigt betrachtet und verwaltungsintern ausgetragen worden.

Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2010 beantragte der Kläger beim Sozialgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Feststellung eines GdB von 100 und des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ mit Wirkung ab dem 1. Januar 1991.

Im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht vom 20. September 2011 hat der Beklagte über den zwischenzeitlich ergangenen Bescheid vom 9. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2011 und den Bescheid vom 9. September 2011 hinaus anerkannt, dass ein GdB von 100 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ bereits ab März 2010 anzuerkennen ist. Ferner haben die Beteiligten im vorgenannten Termin Einigkeit darüber erzielt, dass Streitgegenstand des anhängigen Klageverfahrens allein die Frage der Wirksamkeit der beim Sozialgericht am 21. Februar 1996 durch den damaligen Betreuer des Klägers erklärten Klagerücknahme ist.

Mit im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangenem Urteil vom 15. November 2011 hat das Sozialgericht Berlin festgestellt, dass die Klage (Az.: S 46 VS 565/95) zurückgenommen ist. Die Klagerücknahme sei wirksam durch den Betreuer des Klägers am 21. Februar 1996 erklärt worden. Die Rücknahmeerklärung könne grundsätzlich weder widerrufen noch angefochten werden. Ein Widerruf der Klagerücknahme unter den Voraussetzungen der Wiederaufnahme scheide aus, weil der Antrag gemäß § 586 Zivilprozessordnung (ZPO) verfristet bzw. verwirkt sei. Im Übrigen seien Unstimmigkeiten und insbesondere Weisungen im Innerverhältnis, d. h. im Verhältnis zwischen dem Kläger und seinem Betreuer, für die Wirksamkeit der Klagerücknahme im Außenverhältnis ohne Belang.

Gegen das ihm am 22. November 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Dezember 2011 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.

Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass die durch seinen damaligen Betreuer erklärte Klagerücknahme nicht wirksam sei. Der Betreuer habe sich weisungswidrig verhalten. Er habe die ausdrückliche Weisung erhalten, den damaligen Prozess auf der Grundlage des für den Kläger günstigen Gutachtens des Prof. Dr. G vom 29. November 1995 fortzusetzen. Den Anspruch auf ausdrückliche Weisung habe er auch gegenüber dem Vormundschaftsgericht geltend gemacht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. November 2011 aufzuheben und festzustellen, dass das vor dem Sozialgericht Berlin geführte Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 46 VS 565/95 nicht durch Klagerücknahme vom 21. Februar 1996 erledigt ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass das unter dem Aktenzeichen vor dem Sozialgericht Berlin S 46 VS 565/95 eingestellte Verfahren fortgeführt wird. Denn das Verfahren ist durch die am 21. Februar 1996 wirksam erklärte Rücknahme der Klage erledigt.

Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG erledigt die erklärte Rücknahme der Klage den Rechtsstreit in der Hauptsache. Sie bindet sowohl das Gericht als auch die Prozessbeteiligten und kann weder direkt noch in entsprechender Anwendung der Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit von Willenserklärungen angefochten bzw. widerrufen werden (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 20. Dezember 1995 – 6 RKa 18/95 -; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Januar 1985 – 6 B 222/84 -; Bundesfinanzhof, Urteil vom 26. Oktober 2006 – V R 40/05 -; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. Dezember 2006 – XII ZB 71/04 -).

Die Klagerücknahme ist vorliegend mit Schriftsatz des Rechtanwaltes J vom 20. Februar 1996, der am 21. Februar 1996 beim Sozialgericht eingegangen ist, wirksam erklärt worden. Ausweislich des zuvor mit Schriftsatz des Rechtsanwaltes J vom 9. Februar 1996 beim Sozialgericht am 10. Februar 1996 eingegangenen Betreuerausweises (in Kopie) war Rechtsanwalt J durch das Amtsgericht C wirksam zum Betreuer für den Kläger bestellt worden. Die Betreuerbestellung umfasste insbesondere die Vertretung des zu betreuenden gegenüber Gerichten. Als gesetzlicher Vertreter des Klägers, dessen Vertretungsbefugnis auch im Zeitpunkt der Klagerücknahme fortbestand, war Rechtsanwalt J berechtigt, in dessen Namen die Rücknahme der Klage gegenüber dem Sozialgericht zu erklären. Sonstige der Wirksamkeit der Klagerücknahme entgegenstehende Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich. Zu Recht weist das Sozialgericht darauf hin, das der Kläger der Wirksamkeit der vom Betreuer erklärten Klagerücknahme insbesondere nicht entgegenhalten kann, dass diese ohne Vorabinformation des Klägers bzw. ohne Absprache mit ihm erfolgt sei. Denn derartige Mängel, deren Vorliegen der Kläger nochmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingehend unter Hinweis auf das weisungswidrige Verhalten des Betreuers dargelegt hat, betreffen allein das Innenverhältnis zwischen dem Betreuten und dem Betreuer; sie haben jedoch keinen Einfluss auf die Wirksamkeit im Außenverhältnis gegenüber Dritten.

Soweit ein Widerruf der vorliegend wirksamen Erklärung der Klagerücknahme allein bei Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes in Betracht kommt, (vgl. hierzu die vorstehenden Entscheidungen) liegt ein solcher Wiederaufnahmegrund gemäß §§ 179, 180 SGG i. V. m. §§ 579, 580 ZPO nicht vor. Insbesondere scheidet ein Wiederaufnahmegrund gemäß § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO aus, weil der Kläger in dem Rechtsstreit aufgrund der durch das Amtsgericht C angeordneten Betreuerbestellung wirksam vertreten war.

Über die nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit Schriftsatz des Klägers vom 26. Juli 2012 gestellten Anträge, die dem Senat erst nach der Urteilsverkündung zur Kenntnis gelangt sind, war im vorliegenden Verfahren nicht zu befinden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.