Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 17. Senat | Entscheidungsdatum | 27.08.2010 | |
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Aktenzeichen | L 17 R 265/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Ein im vertragslosen Ausland lebender Altersrentner der gesetzlichen Rentenversicherung hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für seine private Krankenversicherung, §§ 110 Abs 2, 111 Abs 2 SGB VI.
Der Leistungsausschluss nach §§ 110 Abs 2, 111 Abs 2 SGB VI ist verfassungsgemäß, Anschluss an BSG, Urteil vom 04. Februar 1988 - 5/5b RJ 12/87 - juris.de; Urteil vom 09. September 1982 - 5b RJ 40/81 - SozR 6805 Art 1 Nr 1 zur Vorgängervorschrift des § 1321 Abs 3 RVO.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zu gelassen.
Der in P lebende Kläger begehrt für die Zeit ab dem 01. Januar 2009 zu seiner Altersrente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für seine private Krankenversicherung.
Der 1946 geborene Kläger ist Staatsbürger und war zuletzt im Rahmen von Altersteilzeit <AltTZ> vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2008 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. In dieser Zeit war er bei der Krankenkasse <> als Pflichtmitglied gegen Krankheit versichert. Ab dem 01. Januar 2006 war er arbeitsvertraglich von der Arbeitsleistung befreit (sog Freistellungsphase).
Am 31. Dezember 2006 gab er seinen Inlandswohnsitz in K auf und siedelte nach P aus (Abmeldebestätigung der Stadt K vom 30. Januar 2007). Von dort aus beantragte er am 06. März 2008 bei der Beklagten die Zahlung einer Rente wegen Alters. Gleichzeitig beantragte er einen Zuschuss zu den Aufwendungen für seine private Krankenversicherung. Zum Nachweis übersandte er den von der „“, I, am 03. März 2008 abgestempelten Vordruck R821 der Beklagten (Bescheinigung seines privaten Krankenversicherungsunternehmens zur Krankenversicherung), wonach das Krankenversicherungsunternehmen der deutschen oder europäischen Aufsicht unterliege und der Kläger ohne Anspruch auf Krankengeld ab dem 01. Februar 2008 zu einem monatlichen Beitrag von € privat gegen Krankheit versichert sei.
Mit Rentenbescheid vom 13. Januar 2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit ab dem 01. Januar 2009 mit einem monatlichen Zahlbetrag von Euro. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass über den Antrag auf Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag der Kläger in Kürze eine weitere Mitteilung erhalte. Mit Bescheid vom 16. Januar 2009 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab, weil der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem ausländischen Staat habe, mit dem keine über- oder zwischenstaatlichen Vereinbarung auf dem Gebiet der Rentenversicherung bestehe. Der hiergegen vom Kläger am 04. Februar 2009 mit dem Hinweis eingelegte Widerspruch, dass auch seine ab dem 01. Februar 2009 neu abgeschlossne private Krankenversicherung („“, K - monatlicher Beitrag: €) als europäisches Unternehmen der Versicherungsaufsicht in Europa unterliege, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. März 2009).
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 08. April 2009 vor dem Sozialgericht <SG> Berlin mit der Begründung Klage erhoben, er fühle sich durch die Ablehnung unverstanden und als sog. Auslandsrentner diskriminiert. Ein genereller Leistungsausschluss für Auslandsrentner entspreche nicht mehr den heutigen Realitäten. Die Beklagte könne sich angesichts von jährlich etwa 150.000 Auswanderern nicht „… aus ihrer Verantwortung davonstehlen“. Dies habe bereits das Beispiel der Riester-Rente gezeigt, deren Leistungen jetzt auch im Ausland gezahlt werden müssten. Tatsächlich informiere die Beklagte zudem Auslandsrentner im Internet nur dahingehend, dass die Versicherung der deutschen Aufsicht unterliege bzw. in der Europäischen Union <EU> ansässig sein müsse. Dies treffe sowohl für die „“ als auch für die „“ zu.
Der Kläger hat erstinstanzlich sinngemäß beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2009 aufzuheben und die Beklagten zu verpflichten, ihm einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich auf den Inhalt ihres angefochtenen Bescheids bezogen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 10. November 2009 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Zuschuss zu den Aufwendungen für eine private Krankenversicherung könne nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch <SGB VI> grundsätzlich nur dann Rentenbeziehern im Ausland gewährt werden, wenn durch über- oder zwischenstaatliches Recht dies ausdrücklich normiert sei. Zwischen P und Deutschland finde ein solches Recht jedoch keine Anwendung, so dass es bei dem Leistungsausschluss nach § 110 Abs 2, 111 Abs 2 SGB VI verbleibe.
Gegen diese, ihm nach eigenen Angaben bereits am 26. November 2009, zugegangene Entscheidung hat der Kläger mit unterschriebener Faxmitteilung vom 10. Dezember 2009 am 11. Dezember 2009 (Eingang bei Gericht) unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens Berufung erhoben. Ergänzend hat er nochmals darauf hingewiesen, dass der Leistungsausschluss für Auslandsrentner wie ihn „eindeutig eine Bevormundung“ bedeute, zumal auch seine neue Krankenversicherung „“ den Richtlinien der EU entspreche.
Mit einem weiteren Bescheid vom 24. Juni 2010 hat die Beklagte erneut dem Kläger die Zahlung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung, diesmal für die Zeit ab dem 01. August 2010, abgelehnt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2009 zu verurteilen, ihm zu seiner mit Bescheid vom 13. Januar 2010 bewilligten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit ab dem 01. Januar 2009 einen Zuschuss zur Krankenversicherung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2009 zurückzuweisen.
Sie erachtet die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen den weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage sowie das Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Rentenakte der Beklagten, Versicherungsnummer, Bezug genommen, die ihren Inhalt nach Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da der Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>.
Die statthafte, form und fristgerechte eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (§§ 143, 144, 151 SGG) ist nicht begründet. Streitig ist dabei im Berufungsverfahren nur ein Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses zu den Aufwendungen des Klägers für seine private Krankenversicherung ab dem 01. Januar 2009. Dies war ausschließlich Gegenstand des Bescheides vom 16. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2009. Entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung ist die erneute Ablehnung vom 24. Juni 2010 nicht gemäß §§ 153 Abs 1, 96 Abs 1 SGG Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens geworden. Dabei kann der Senat es offenlassen, ob es sich dabei lediglich um eine Wiederholung der Verfügung des Ursprungsbescheides ohne eigene Verwaltungsaktsqualität (dazu: von Wulfen/Engelmann, Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGB X>, § 31 Randnummer <Rn> 32) gehandelt hat, oder ob der – dann neue – Bescheid vom 24. Juni 2010 dieselbe Rechtsfolge für einen anschließenden Zeitraum (Ablehnung ab dem 01. August 2010) getroffen hat und bereits insoweit den Bescheid vom 16. Januar 2009 im Sinne des <iSd> § 96 Abs 1 SGG in der ab dem 01. April 2008 geltenden Fassung (eingeführt durch Artikel <Art> 1 Nummer <Nr> 16 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes < SGGArbGGÄndG > vom 26. März 2008 – Bundesgesetzblatt <BGBl> I, 444) weder abgeändert noch ergänzt hat (dazu: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 96 Rn 5a).
Das SG hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 10. November 2009 zutreffend die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2009 abgewiesen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für seine private Krankenversicherung. Zwar erhalten Rentner, die privat bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, das der deutschen Aufsicht unterliegt, nach § 106 Abs 1 Satz 1 SGB VI auf Antrag zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für ihre Krankenversicherung. Dabei handelt es sich nach § 23 Abs 1 Nr 1 Buchstabe e Erstes Buch Sozialgesetzbuch <SGB I> um eine Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung, die nach Maßgabe des § 106 Abs 2 SGB VI berechnet wird. Für Berechtigte mit einem gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland (§ 30 Abs 3 Satz 2 SGB I) schließt der Gesetzgeber in § 110 Abs 2 SGB VI in Verbindung mit <iVm> § 111 Abs 2 SGB VI diese Leistung allerdings grundsätzlich aus (dazu: ohne Angabe, Info Deutsche Rentenversicherung <DRV> in Bayern, 2006, 142; Bucher, Amtliche Mitteilungen <AmtlMitt> Rheinprovinz, 2002, 335). Ausnahmen hiervon lässt der Gesetzgeber nach § 315 Abs 1 SGB VI nur für solche Rentner zu, für die die bereits am 31. Dezember 1991 ein Anspruch auf Beitragszuschuss bestand (dazu Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 27. Februar 1997 – 4 RA 104/95 – Sozialrecht <SozR> 3-2600 § 315 Nr 1) bzw soweit nicht nach über- oder zwischenstaatlichem Recht etwas anderes bestimmt ist (§ 110 Abs 3 SGB VI).
Als Rentner mit einem gewöhnlichen Aufenthalt im sog vertragslosen Ausland erhält der Kläger nach diesen Grundsätzen zu seiner Rente keinen Zuschuss für die Aufwendungen für seine Krankenversicherung. Mit der Aufgabe seines Wohnsitzes in Deutschland und seiner Aussiedlung nach P im Dezember 2006 hat er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland begründet. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und P besteht auch kein Sozialversicherungsabkommen (vgl dazu Aufstellung in Kassler Kommentar <KassKomm>-Polster, Stand 66. Ergänzungslieferung Juli 2010, § 110 SGB VI Rn 12). Ebenfalls unterliegt Peru nicht dem Geltungsbereich des EU-Rechts (Verordnung (EG) <VO> 883/2004 iVm VO (EG) 987/2009; zum früheren Recht VO (EWG) 1408/71). Insoweit verkennt der Kläger, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs <EuGH> zur Einschränkung der Freizügigkeit bei einem steuerrechtlichen Transferverbot von Altersvorsorgezulagen (Riester-Rente) – Urteil vom 10. September 2009 – C-269/07 – juris.de – nicht auf seinen jetzigen Aufenthaltsort im vertragslosen Ausland übertragbar ist. Schließlich unterfällt der Kläger mit einem Beginn seiner Altersrente zum 01. Januar 2009 nicht dem Übergangsrecht des § 315 Abs 1 SGB VI.
Mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Vorgängervorschrift § 1321 Abs 3 Reichsversicherungsordnung <RVO> von § 111 Abs 2 SGB VI (BSG, Urteil vom 04. Februar 1988 – 5/5b RJ 12/87 – juris.de; Urteil vom 09. September 1982 – 5b RJ 40/81 – SozR 6805 Art 1 Nr 1) hält der Senat eine Differenzierung zwischen Rentnern im In- und Ausland für verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat mit Einführung des § 1321 Abs 3 RVO zum 01. Januar 1984 (zur Gesetzesbegründung: Bundestags-Drucksache <BT-Drucks> 9/458, 40) für freiwillig im Ausland lebende Ausländer die vom Bundesverfassungsgericht <BVerfG> im Beschluss vom 20. März 1979 – 1 BvR 111/74 und 1 BvR 283/78 – SozR 2200 § 1315 Nr 5) geforderten Voraussetzungen für eine verfassungsmäßige Regelung erfüllt. Dabei ist auf leistungsrechtlicher Seite im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt, dass kein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im vertragslosen Ausland besteht (vgl § 16 Abs 1 Nr 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB V>, dazu auch Nichtannahmebeschluss BVerfG vom 26. September 2006 – 1 BvR 2239/06 zum Beschluss des BSG vom 20. Juni 2006 – B 1 KR 29/06 B – juris.de, mit weiteren Nachweisen <mwN>). Ist jedoch bereits der Transfer von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, folgt daraus erst recht, dass die gesetzliche Rentenversicherung systemkonform die Beitragslast solcher im vertragslosen Ausland lebender Versicherter für deren private Krankheitsvorsorge auch nicht bezuschussen muss. Hinzu kommt, dass anders als in § 106 Abs 2 SGB VI geregelt, in solchen Fällen – wie hier – die Beitragshöhe zum Krankenversicherungsschutz im Ausland unabhängig von der tatsächlichen Rentenhöhe ist (dazu BT-Drucks 9/458, 40). Zudem verkennt der in P lebende Kläger, dass er durch den in § 3 Nr 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch <SGB IV> normierten Ausschluss der an sich nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V für ihn bestehenden Versicherungspflicht in der deutschen Krankenversicherung der Rentner <KVdR> bereits summenmäßig im Vergleich zu einem in Inland lebenden versicherungspflichtigen Rentner um einen Betrag von € ( vgl die „Mitteilung über die vorläufige Leistung“ der Beklagten vom 06. November 2008) als Beitragsanteil des Rentners zur KVdR entlastet ist.
Der geltend gemachte Beitragszuschuss zu der privaten Krankenversicherung kann auch nicht auf einen sog sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gestützt werden. Unabhängig davon, ob der von der Rechtsprechung entwickelte Herstellungsanspruch von seiner Rechtsfolge her gesehen hier überhaupt einschlägig sein kann (dazu: BSG, Urteil vom 04. Februar 1988 – am angegeben Ort <aaO>), liegt bereits auf Seiten der Beklagten keine fehlerhafte Aufklärung (§ 13 SGB I) vor. Die Beklagte hat Auslandsrentner über die bestehenden gesetzlichen Leistungsausschlüsse korrekt informiert. Zwar findet sich auf ihrer Internetseite (www.deutsche-rentenversicherung-bund.de) der vom Kläger zitierte Hinweis (KVdR – Zuschuss), dass bei einem privat krankenversicherten Rentner ein Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung gezahlt werden kann, wenn das Krankenversicherungsunternehmen der deutschen, europäischen oder schweizerischen Aufsicht unterliege. Gleichzeitig enthält die Seite allerdings auch den ausdrücklichen und verständlichen Hinweis auf Besonderheiten beim Bezug einer Rente im Ausland („Ausland und Rente“). Hier findet sich dann unter dem Unterpunkt „Renten – KVdR - Zuschuss zu einer freiwilligen oder privaten Krankenversicherung“ – die korrekte Darstellung der Rechtslage.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183 und 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs 1 und 2 SGG liegen nicht vor.