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Entscheidung 2 Sa 2596/10


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 2. Kammer Entscheidungsdatum 05.05.2011
Aktenzeichen 2 Sa 2596/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 5 TV ATZ-LBV

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.09.2010 – 58 Ca 5595/10 – wie folgt geändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Erhöhung des Aufstockungsbetrages im Rahmen seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses.

Er ist seit dem 13.04.1993 bei der Beklagten beschäftigt und schloss mit dieser am 10.11.2008 einen Altersteilzeitvertrag für den Zeitraum 01.01.2009 bis zum 30.11.2014 auf der Basis eines Teilzeitmodelles und auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vom 23. Juli 1996 und des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeit (TV ATZ) vom 5. Mai 1998 – in der jeweils geltenden Fassung – ab.

In § 4 des Vertrages ist unter dem Titel „Aufstockungsleistungen“ unter anderem geregelt, dass der Kläger Aufstockungsleistungen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) des Altersteilzeitgesetzes i. V. m. § 5 Abs. 1 TV ATZ in Höhe von 20 v. H. der dem Arbeitnehmer nach § 4 ATZ zustehenden Bezüge zuzüglich des darauf entfallenden sozialversicherungspflichtigen Teils der vom Arbeitgeber zu tragenden Umlage der Zusatzversorgungseinrichtung, mindestens jedoch 83 v. H. des Nettobetrages des bisherigen Arbeitsentgeltes gemäß § 5 Abs. 2 TV ATZ (Mindestnettobetrag) erhält.

In § 8 des Vertrages ist unter dem Stichwort „Auslegung und Anpassung des Vertrages“ geregelt, dass für die Auslegung des Vertrages das Altersteilzeitgesetz in seiner jeweils geltenden Fassung sowie der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (TV ATZ) in seiner jeweils geltenden Fassung maßgeblich sein soll.

§ 5 des TV ATZ, der zuletzt durch den Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 30. Juni 2000 mit Wirkung ab dem 01. Juli 2000 geändert wurde, lautet auszugsweise wie folgt:

„§ 5
Aufstockungsleistungen

(1) Die dem Arbeitnehmer nach § 4 zustehenden Bezüge zuzüglich des darauf entfallenden sozialversicherungspflichtigen Teils der vom Arbeitgeber zu tragenden Umlage zur Zusatzversorgungseinrichtung werden um 20 v. H. dieser Bezüge aufgestockt (Aufstockungsbetrag). …

(2) Der Aufstockungsbetrag muss so hoch sein, dass der Arbeitnehmer 83 v. H. des Nettobetrages des bisherigen Arbeitsentgelts erhält (Mindestnettobetrag). Als bisheriges Arbeitsentgelt ist anzusetzen das gesamte, dem Grunde nach beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer für eine Arbeitsleistung bei bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit (§ 3 Abs. 1 Unterabs. 2) zu beanspruchen hätte; ……

(3) Für die Berechnung des Mindestnettobetrages nach Absatz 2 ist die Rechtsverordnung nach § 15 Satz 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes zugrunde zu legen. Sofern das bei bisheriger Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt nach Absatz 2 Unterabs. 1 Satz 2 das Höchste in dieser Rechtsverordnung ausgewiesene Arbeitsentgelt übersteigt, sind für die Berechnung des Mindestnettobetrages diejenigen gesetzlichen Abzüge anzusetzen, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Altersteilzeitgesetzes).

...“

Die in § 5 Abs. 3 TV ATZ in Bezug genommenen Vorschriften des AltTZG hatten bei Inkrafttreten des Änderungstarifvertrages Nr. 2 zum TV ATZ folgenden Wortlaut:

„§ 3
Anspruchsvoraussetzungen

(1) Der Anspruch auf die Leistungen nach § 4 setzt voraus, dass

1. der Arbeitgeber auf Grund eines Tarifvertrages, einer Regelung der Kirchen und der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften, einer Betriebsvereinbarung oder einer Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer

a) das Arbeitsentgelt für die Altersteilzeit um mindestens 20 vom Hundert dieses Arbeitsentgelts, jedoch auf mindestens 70 vom Hundert des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten bisherigen Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1 (Mindestnettobetrag), aufgestockt hat und

§ 15
Verordnungsermächtigung.

Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung kann durch Rechtsverordnung jeweils für ein Kalenderjahr

1. die Mindestnettobeträge nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a,

2. Nettobeträge des Arbeitsentgelts für die Altersteilzeitarbeit

bestimmen. § 132 Abs. 3 und § 136 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gelten entsprechend. Der Kalendermonat ist mit 30 Tagen anzusetzen.“

§ 136 SGB III, jetzt § 133 SGB III, betraf das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderte Bemessungsentgelt für den Bezug von Arbeitslosengeld (Leistungsentgelt).

Durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) wurde die Mindestnettobetragsgrenze in § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AltTZG für ab dem 01. Juli 2004 beginnende Altersteilzeitarbeitsverhältnisse gestrichen. § 15 AltTZG wurde dahin geändert, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, jetzt Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Mindestnettobeträge nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a in der bis zum 30. Juni 2004 gültigen Fassung durch Rechtsverordnung entsprechend den Vorschriften zum Leistungsentgelt nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bestimmen kann.

Zuletzt bestimmte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Mindestnettobeträge durch die am 01. Januar 2008 in Kraft getretene Mindestnettobetragsverordnung vom 19. Dezember 2007 (BGBl I S. 3040) für Arbeitsentgelte bis einschließlich 5.300,00 EUR monatlich (Mindestnettobetragstabelle 2008; Ausdruck Bl. 105 ff. d. A.).

Am 12. Dezember 2008 teilte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit, dass die auf der Rechtsverordnung vom 19. Dezember 2007 beruhenden und seit dem 01. Dezember 2008 gültigen Mindestnettobeträge nach dem Altersteilzeitgesetz auch im Jahr 2009 unverändert fortgelten. Wegen nur geringfügiger Veränderungen bestehe die Notwendigkeit zur Neufestsetzung nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 17. Dezember 2009 nebst Anlage (Bl. 129 d. A.) verwiesen.

Mit Pressemitteilung vom 09. Dezember 2009 erklärte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dass die derzeit gültigen Mindestnettobeträge auch für das Jahr 2010 fortgelten. Für den Erlass einer neuen Verordnung bestehe keine Notwendigkeit, weil die Förderdauer für die vor dem 01. Juli 2004 begonnenen Altersteilzeitarbeitsverhältnisse zum 30. Juni 2010 auslaufe und nur etwa 1.000 Altfälle betroffen seien. Wegen der Einzelheiten wird auf den Ausdruck der Pressemitteilung verwiesen.

Die Beklagte zahlte an den Kläger seit Beginn der Altersteilzeit ein monatliches Altersteilzeitentgelt in Höhe von 2.872,55 €. Dies entspricht einem Nettoauszahlungsbetrag in Höhe von 1.439,22 €, das Entgelt ist auf der Grundlage der Mindestnettobetragsverordnung vom 19.12.2007 errechnet.

Mit der vorliegenden, bei Gericht am 8. April 2010 eingegangenen Klage begehrt der Kläger, nachdem er dies mit Schreiben vom 14.02.2010 gegenüber der Beklagten geltend gemacht hatte, die Zahlung eines höheren Aufstockungsbetrages ab dem 01.01.2010. Er hat hierzu die Auffassung vertreten, die von der Beklagten vorgenommene Berechnung seiner Altersteilzeitbezüge anhand der Rechtsverordnung vom 19.12.2007 schmälere seinen aus § 5 Abs. 2 TV ATZ resultierenden Anspruch auf Erhalt von mindestens 83 % des bei Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeit erzielten Nettoentgeltes. Seit Erstellung der Tabelle sei die in Steuerklasse I auf ein Bruttoeinkommen von 2.875,00 € entfallende Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag um 66,82 € gesunken. Entsprechend habe sich das pauschaliert berechnete Nettoeinkommen von 1.734,00 € in 2008 auf 1.800,82 € ab Januar 2010 erhöht. Hierauf bezogen betrage der ihm jetzt gewährte Nettobetrag nicht 83 %, sondern lediglich 79,92 % des bei bisheriger Arbeitszeit erzielten Nettoentgelts. Er hat hierzu die Auffassung vertreten, dass die tarifliche Verweisung in § 5 Abs. 3 TV ATZ die Rechtsverordnung im Sinne von § 15 Altersteilzeitgesetz nur insoweit erfasse, als diese auf den geltenden gesetzlichen Abzügen des Lohnzahlungszeitraumes beruhe, in den der Entgeltanspruch falle. Für den Lohnzahlungszeitraum ab Januar 2010 liege eine solchermaßen aktuelle Rechtsverordnung jedoch nicht vor. Unter entsprechender Anwendung der Berechnungsvorschriften zum Leistungsentgelt nach § 133 SGB III müsse sein Anspruch neu ermittelt werden. Dem gegenüber hat die Beklagte vertreten, die Mindestnettoverordnung vom 19.12.2007 sei auch im Jahre 2010 gültig und deshalb nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 TV ATZ bei der Berechnung des Mindestnettoentgelts des Klägers anzuwenden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die dort gewechselten Schriftsätze und den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 30.09.2010 dem klägerischen Begehren entsprochen. Es hat ein Feststellungsinteresse bejaht, da der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber einer entsprechenden Feststellung nachkommen werde. In der Sache sei die Beklagte verpflichtet, den Mindestnettobetrag im Sinne von § 5 Abs. 2 TV ATZ nach der Vorschrift des § 133 SGB III zu berechnen. Dies ergebe eine ergänzende Auslegung des lückenhaften § 5 Abs. 3 TV ATZ. Gemäß dieser Vorschrift beschränke sich der Anspruch des Klägers auf eine pauschalierte Bemessung nach Maßgabe der Tabelle gemäß § 15 Altersteilzeitgesetz. Hieran hätten die Tarifvertragsparteien trotz Umstellung auf eine Bruttoentgeltorientierung festhalten wollen. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung habe jedoch keine jährliche Mindestnettobetragsverordnung mehr erlassen, weil die Förderung ausgelaufen sei. Insofern sei davon auszugehen, dass die Regelung des § 5 Abs. 3 TV ATV nachträglich lückenhaft geworden sei, weil keine jährliche Tabelle mehr erlassen werde. Dies würde bedeuten, dass der Aufstockungsbetrag des Klägers jetzt immer auf den veralteten Steuertabellen beruhte. Der mutmaßliche Wille der Tarifvertragsparteien gehe dahin, diese Lücke zu schließen, und zwar durch eine Berechnung entsprechend § 133 SGB III. Denn in diesem Falle bleibe die Berechnungsmethode jedenfalls gleich. Danach sei der klägerische Anspruch gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 184 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses am 16. November 2010 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 07. Dezember 2010 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht am 10. Januar 2011 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte und Berufungsklägerin hält die Auffassung des Arbeitsgerichts für unzutreffend. Der Kläger habe keinen Anspruch, dass bei der Ermittlung seiner Altersteilzeitbezüge für die Berechnung des ihm nach § 5 Abs. 2 TV ATZ zustehenden Mindestnettobetrages ab Januar 2010 die Vorschriften zur Berechnung des Leistungsentgelts nach § 133 SGB III zugrunde gelegt würden. Die Berechnung erfolge vielmehr über die gemäß § 5 Abs. 3 TV ATZ maßgebliche Rechtsverordnung nach § 15 Altersteilzeitgesetz. Nach dem klaren Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 1 TV ATZ sei für die Berechnung des Mindestnettobetrages die Rechtsverordnung nach § 15 Altersteilzeitgesetz zugrunde zu legen. Der Mindestnettobetrag, auf dessen Auszahlung die Altersteilzeitkraft einen Anspruch habe, errechne sich also über die Mindestnettobetragsverordnung vom 01. Januar 2008, die unverändert in Kraft sei. Der Wortlaut des § 5 Abs. 3 TV ATZ sei insoweit völlig klar, eine ergänzende Auslegung komme nicht in Betracht, da jedenfalls keine unbewusste Lücke vorliege. Im Übrigen sei es auch Sache der Tarifvertragsparteien selbst, unbewusste Lücken beim nächsten Tarifabschluss zu schließen. Von einer unbewussten Lücke könne insbesondere deswegen nicht ausgegangen werden, weil eine gesetzliche Verpflichtung zum jährlichen Erlass einer entsprechenden Verordnung nicht bestehe. Die Verweisung auf die Tabelle habe im Übrigen auch nicht nur steuerrechtliche Hintergründe, sondern sei zur Vereinfachung und Pauschalierung selbst erfolgt. Die Tarifvertragsparteien hätten auf die unveränderte Fortschreibung der Tabelle in den Jahren 2008 und 2009 jedenfalls nicht reagiert. Der Zweck der Verweisung habe nach wie vor Bestand. Insbesondere aber habe das Arbeitsgericht nicht selbst die Lücke schließen dürfen, denn für eine mögliche Schließung der Lücke hätten verschiedene Varianten zur Verfügung gestanden. Wenn das Arbeitsgericht daraus seinerseits eine bestimmte wähle, sei dies ein unzulässiger Eingriff in die Tarifautonomie. Das Arbeitsgericht habe damit gegen die Grundsätze der Rechtsprechung aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.07.2000 verstoßen. Mit Schriftsatz vom 27.04.2011 hat die Beklagte weitere Rechtsausführungen vorgenommen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. September 2010 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe zu Recht seiner Klage stattgegeben. Es sei davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien eine pauschalierte Berechnung des Mindestnettobetrages auf der Grundlage einer steuerrechtlich aktualisierten Tabelle hätten regeln wollen. In § 5 Abs. 2 TV ATZ sei unter Bezugnahme auf § 3 Abs. 1 Altersteilzeitgesetz eine Legaldefinition für die auszuzahlenden 83 % erfolgt. Für deren Berechnung sei nach § 15 Altersteilzeitgesetz die Rechtsverordnung zugrunde zu legen. Die Tarifvertragsparteien hätten eine in sich stimmige und widerspruchsfreie Regelung schaffen wollen. Es sei nicht anzunehmen, dass sie auf veraltete steuerrechtliche Tabellen hätten zurückgreifen wollen. Die Tarifvertragsparteien hätten sich zunächst darauf verlassen können, dass das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung jährliche Tabellen erlasse. Insofern hätten die Tarifvertragsparteien nur bezüglich der Berechnung hierauf verweisen wollen. Der Anspruch auf exakte 83 % sei ihnen aber wichtig gewesen. Das Arbeitsgericht habe die so entstandene Lücke durchaus schließen können. Der entsprechende Wille der Tarifvertragsparteien sei nämlich in diesem Falle deutlich und die Lückenausfüllung durch das Arbeitsgericht folgerichtig. Soweit die Beklagte auf andere „Möglichkeiten“ verweise, die Lücke zu schließen, seien diese aufgezeigten Konstellationen sehr unbestimmt und könnten nicht zu einer Änderung der arbeitsgerichtlichen Bestimmung führen. Denn die Tarifvertragsparteien hätten in § 5 Abs. 3 Satz 2 TV ATZ schon den Hinweis auf die Lückenschließung eindeutig gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Beklagten und Berufungsklägerin vom 10. Januar 2011 (Bl. 211 ff. d. A.) und vom 27. April 2011 (Bl. 249 ff. d. A.) und auf denjenigen des Klägers und Berufungsbeklagten vom 14. Februar 2011 (Bl. 227 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG, 511 ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht im Sinne von §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

Die Berufung ist daher zulässig.

2. Die Berufung hatte in der Sache Erfolg.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf einen Aufstockungsbetrag nach der von ihm vorgenommenen Berechnung nicht zu. Die Beklagte hat die Berechnung zutreffend auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen und § 5 Abs. 3 TV ATZ i. V. m. der Mindestnettolohnverordnung gemäß § 15 Altersteilzeitgesetz vorgenommen.

2.1 Die von der Beklagten geschuldeten Aufstockungsleistungen bemessen sich nach § 4 des Altersteilzeitvertrages sowie § 5 TV ATZ. Gemäß § 5 Abs. 2 TV ATZ muss der Aufstockungsbetrag so hoch sein, dass der Arbeitnehmer 83 v. H. des Nettobetrages des bisherigen Arbeitsentgeltes erhält und dass als bisheriges Arbeitsentgelt das gesamte, dem Grunde nach beitragspflichtige Arbeitsentgelt anzusehen ist, das der Arbeitnehmer für eine Arbeitsleistung bei bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit zu beanspruchen hätte.

Die Berechnung des Mindestnettobetrages nach Absatz 2 der Vorschrift ist gemäß § 5 Abs. 3 TV ATZ nach der Rechtsverordnung nach § 15 Satz 1 Nr. 1 Altersteilzeitgesetz vorzunehmen.

Die Tarifvertragsparteien haben mithin für die Berechnung des gemäß § 5 Abs. 2 TV ATZ geschuldeten Aufstockungsbetrages auf die Rechtsverordnung nach § 15 Satz 1 Nr. 1 Altersteilzeitgesetz, mithin also auf die Mindestnettolohnvereinbarung verwiesen. Sie haben an dieser Verweisung auch festgehalten, nachdem die gesetzliche Mindestaufstockung für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse an das Bruttoentgelt anknüpft. Die Tarifvertragsparteien haben mithin die gesetzlichen Vorschriften eigenständig und dynamisiert zum Inhalt von § 5 Abs. 3 TV ATZ gemacht; die Tarifvertragsparteien haben diese pauschalierende Berechnungsweise ausdrücklich gewählt, weil sie an einer einfachen Methode zur Berechnung des Aufstockungsbetrages festhalten wollten. Sie haben damit die Möglichkeit einer individuellen Berechnung ausgeschlossen, und zwar bewusst (vgl. BAG vom 14.10.2010 – 9 AZR 466/07 – NZA – RR 2009, 541).

2.2 Der Umstand, dass das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in der Folgezeit aus Gründen des Auslaufens der Förderung die Mindestnettolohntabelle nicht (mehr) jährlich neu festgeschrieben hat, führt entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu einer „Lücke“ der tarifvertraglichen Regelung in § 5 Abs. 2 TV ATZ i. V. m. § 5 Abs. 3 TV ATZ.

Denn die Mindestnettolohntabelle ist nach wie vor „in Kraft“. Der Umstand, dass sie in den Jahren 2009 und 2010 nicht „neu“ gefasst und erlassen worden wäre, sondern lediglich „unverändert fortbesteht“, führt nicht zu der vom Kläger so gesehenen „Lücke“. Denn eine Berechnung des Aufstockungsbetrages nach den auch in der jetzigen Fassung der Tabelle maßgeblichen Gesichtspunkten ist nach wie vor möglich. Die Mindestnettolohntabelle im Sinne von § 15 Altersteilzeitgesetz besteht nach wie vor, ein Rückgriff auf sie ist zur Berechnung des Aufstockungsbetrages nach wie vor möglich. Eine „Lücke“ im Sinne einer „Anwendungsunmöglichkeit“, also dahin, dass die nunmehr vorgenommene Regelung nicht widerspruchsfrei durchzuführen wäre, liegt nicht vor.

2.3 Aber auch eine unbewusste Tariflücke deswegen, weil sich durch eine Änderung anderer Rechtsvorschriften ergeben würde, dass der – gemeinsame – Regelungswille der Tarifvertragsparteien nicht mehr hinreichend zum Ausdruck kommt, war nicht anzunehmen. Wie bereits gezeigt, ging der Wille der Tarifvertragsparteien bei der Festlegung der Berechnungsmodalitäten für den Aufstockungsbetrag dahin, eine pauschalierte Regelung zu schaffen, die losgelöst von einer individualisierten Berechnung eine einfache Berechnungsformel darstellt. Dabei sind in jeder Phase individuelle Abweichungen von der „Formel“ des § 5 Abs. 2 TV ATZ in Kauf genommen worden. Zweifellos lagen die tolerierten Abweichungen von einer individuellen Bemessungsweise in Zeiten geringer, als die Mindestnettolohntabelle jährlich aktualisiert worden ist. Indes kann nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Marge der Abweichung zum Anlass genommen hätten, die tarifvertraglichen Regelungen zu verändern. Eine solche Annahme bliebe jedenfalls spekulativ. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Tarifvertragsparteien bei solchen Änderungen, die sich auf Veränderungen in den Bezugsmerkmalen beziehen würden, davon ausgegangen sein würden, dass diese im Hinblick auf mögliche anderweitige Vorteile, die dem Arbeitnehmer zugute kommen können, nicht auf die Berechnung auswirken sollten. Jedenfalls von einer „gemeinsam“ erkannten Anpassungsnotwendigkeit kann angesichts dieser Sachlage nicht ohne Weiteres ausgegangen werden.

2.4 Aber selbst dann, wenn man eine entsprechende unbewusste Tariflücke annehmen würde, wäre eine Lückenschließung durch die Gerichte für Arbeitssachen nicht möglich. Denn die Arbeitsgerichte haben hierbei die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie zu beachten (BAG vom 24.09.2008 – 4 AZR 642/07). Die Gerichte sind nicht befugt, gegen den Willen der Tarifvertragsparteien ergänzende tarifliche Regelungen zu „schaffen“ oder etwa eine schlechte Verhandlungsführung einer Tarifvertragspartei dadurch zu prämieren, dass ihr Vertragshilfe geleistet wird. Für eine Schließung einer Tariflücke ist zudem erforderlich, dass sich aus dem im Tarifvertrag selbst hinreichende Anhaltspunkte dafür finden, welche Regelungen die Tarifvertragsparteien vorgenommen hätten, um die tarifliche Regelungslücke zu schließen. Dabei ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien sodann den Weg über § 133 SGB II vereinbart hätten, wie sie es in § 5 Abs. 3 Satz 2 TV ATZ für diejenigen Arbeitsentgelte vorgenommen haben, deren Höhe das höchste des in der Rechtsverordnung ausgewiesenen Arbeitsentgeltes übersteigt. Denn letztere Regelung ist als Ausnahmeregelung gegenüber dem Vereinfachungsgedanken ohne Weiteres nachvollziehbar, weil es sich dabei nur um ganz wenige Fälle gehandelt haben dürfte, für die die Tarifvertragsparteien in eine individualisierte Berechnungsweise ohne Weiteres als möglich erachtet haben. Ob sie dies gleichermaßen für Fallkonstellationen vorgenommen hätten, die gerade keine Ausnahmen darstellten, sondern hinsichtlich deren Häufigkeit der Pauschalierungsgedanke greifen sollte, kann nicht ohne Weiteres unterstellt werden. Hier wären vielmehr andere, anders pauschalierende oder anders vereinfachende Regelungen denkbar gewesen. Es ist sicher richtig, dass – anders als in anderen Tarifverträgen – die Tarifvertragsparteien ihrerseits eine „alternative“ Berechnungsmethode für bestimmte Fälle schon festgelegt haben, so dass der Schluss, dass diese zur Lückenschließung verwandt werden könnte, als möglich erscheint. Nimmt man indes wiederum auf diejenigen Gründe Bezug, die gerade zu dieser Differenzierenden Berechnungsweise geführt haben, wird der Schluss von der einen auf die hilfsweise andere Berechnungsmethode nicht mehr zwingend.

Dementsprechend war davon auszugehen, dass selbst dann, wenn man eine Lücke annehmen würde, die vom Kläger begehrte Schließung einer so entstandenen Lücke nicht zwingend wäre. Im Hinblick auf den Vorrang der Tarifvertragsparteien dafür, wie Lücken, wenn sie denn nach dem Willen der Tarifvertragsparteien überhaupt geschlossen werden sollten, zu schließen sein, war eine gerichtliche Ersetzung desselben verwehrt.

2.5 Auch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist nicht anzunehmen. Es ist im Rahmen von Bemessungsgrenzen nicht schlechterdings ausgeschlossen, einen Grenz- oder Eckwert anzunehmen, von dem an eine anderweitige Berechnung zu erfolgen hat, als es zuvor geschehen ist.

3. Nach alledem war dem Anspruch des Klägers nicht zu entsprechen. Das Urteil des Arbeitsgerichts war entsprechend abzuändern, die Kostenfolge ergab sich aus § 91 ZPO.

4. Die Zulassung der Revision erfolgte gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung und auf die Abweichung von der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. März 2011 zum Az. 18 Sa 2719/10.