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Nutzungsuntersagung; Anordnung sofortiger Vollziehung; Beschwerde; formelle Illegalität; Nutzungsänderung; Bestandsschutz; Baugenehmigung; Inhalt; Nutzungszäsur; Eilbedürftigkeit; langjährige Duldung (verneint)


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 06.01.2012
Aktenzeichen OVG 2 S 82.11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 146 Abs 4 S 3 VwGO, § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 73 Abs 3 BauO BB

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 18. August 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung, mit der das Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die vom Antragsgegner mit Bescheid vom 31. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2011 angeordneten Nutzungsuntersagung abgelehnt hat, ist nicht aus den vom Antragsteller dargelegten Gründen, auf deren Prüfung des Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, zu beanstanden.

1. Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, es liege keine formelle Illegalität des Betriebes vor, da die heutige Nutzung der ehemaligen DDR-Kaufhalle als „Schnäppchenmarkt“ zum Verkauf von Waren aller Art an den Endverbraucher durch die Baugenehmigung vom 26. April 1993 gedeckt sei. Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der beschriebenen Nutzung um eine nach § 54 BbgBO genehmigungspflichtige Nutzungsänderung handelt.

Zwar weist der Antragsteller zu Recht darauf hin, dass Gegenstand der genannten Baugenehmigung nicht ein EDEKA-Lebensmittelmarkt ist, sondern dass sie für einen „Umbau-Verbrauchermarkt“ erteilt worden ist. Dies hat jedoch entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht zur Folge, dass damit das Angebot sämtlicher unter den Begriff des Verbrauchermarktes fallender Waren gestattet war (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2003 - 4 C 5/02 -, NVwZ 2003, 1387). Denn der Inhalt der Baugenehmigung wird bestimmt durch den Nutzungszweck des konkreten Vorhabens, wie er sich aus den vom Bauherrn vorgelegten Bauunterlagen ergibt, soweit er sich innerhalb des objektiv Möglichen hält (vgl. Beschluss des Senats vom 6. Juli 2006 - OVG 2 S 2.06, BauR 2006, 1711; BVerwG, Urteil vom 29. April 1992 – 4 C 43/89 –, BVerwGE 90,140). Ausweislich der zur Baugenehmigung vom 26. April 1993 gehörenden Betriebsbeschreibung sollten in dem genehmigten Verbrauchermarkt Waren des täglichen Bedarfs angeboten werden mit der Folge, dass weder eine Beschränkung auf den Verkauf von Lebensmitteln bestand noch ein Einzelhandel mit Möbeln durch die Baugenehmigung gedeckt war. Im Hinblick auf Letzteres ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, die im Januar 1999 aufgenommene Nutzung als Möbelmarkt stelle eine Zäsur dar, weshalb der Antragsteller der streitgegenständlichen Nutzungsuntersagung Bestandsschutzerwägungen nicht erfolgreich entgegenhalten könne, nicht aus den in der Beschwerdebegründung angeführten Gründen zu beanstanden. Fehl geht insbesondere der Einwand, bei einer lediglich einjährigen Anmeldung als Möbeleinzelhandel sei von einer Zwischennutzung auszugehen, da das Verwaltungsgericht ersichtlich nicht nur die von Herrn N… für den Zeitraum 25. Januar 1999 bis 17. März 2000 angemeldete Nutzung in den Blick genommen hat, sondern den folgenden, für die Zeit vom 12. September 2001 bis zum 31. Dezember 2002 von Frau H… angezeigten Einzelhandel von Möbeln, Zubehör, Kleintextilien und Haushaltswaren (HK Möbel mit Sonderposten Vertrieb) in die Betrachtung einbezogen hat, den auch der Antragsteller nicht in Abrede stellt. Ohne Erfolg weist er weiter darauf hin, dass in den gesamten Jahren in dem Gebäude Einzelhandelsbetriebe mit verschiedenen Warensortimenten ansässig gewesen seien, da bereits seine eigene in der erstinstanzlichen Antragsbegründung vom 1. Juli 2011 enthaltene Chronologie der einzelnen Nutzungen für die Zeit vom 1. April 2003 bis zum 30. November 2006 eine Lücke von dreieinhalb Jahren enthält, in der zumindest keine gewerbliche Nutzung angemeldet war. Dies deckt sich mit dem Inhalt des Schreibens der Stadt Falkensee an das Bauordnungsamt des Antragsgegners vom 3. Juli 2008. Ebenso wenig kann der Antragsteller aus dem Schreiben des Antragsgegners vom 15. April 2008 etwas für sich herleiten, weil dem geltend gemachten Bestandsschutz in jedem Fall die vorangegangene Nutzung des Gebäudes als Möbelmarkt sowie zum Zwecke von Einzelhandel mit Möbeln usw. entgegensteht.

2. Auf die weiteren Einwände, die der Antragsteller gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts vorbringt, die Nutzungsuntersagung rechtfertige sich aus den festgestellten brandschutz- und sicherheitstechnischen Verstößen, kommt es nicht an. Denn das Verwaltungsgericht hat seine ablehnende Entscheidung nicht nur hierauf, sondern selbständig tragend mit der formellen Illegalität der aktuellen Nutzung der baulichen Anlage begründet. Diesen Begründungsteil hat der Antragsteller aus den dargelegten Gründen erfolglos angegriffen. Damit kann der gerügte Begründungsteil hinweg gedacht werden, ohne dass das Ergebnis der erstinstanzlichen Entscheidung dadurch beeinflusst wäre, weil es von dem erfolglos beanstandeten Begründungselement allein getragen wird. Das Gleiche gilt, soweit der Antragsteller die Annahme einer negativen Vorbildfunktion rügt, weil das Verwaltungsgericht hierauf in einer von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs unabhängigen Interessenabwägung, einem weiteren, die ablehnende Entscheidung selbstständig tragenden Begründungsteil abstellt.

3. Der Vorwurf des Antragstellers, das Gewerbe sei in der ausgeübten Form seit 2006 geduldet worden, weshalb es an der erforderlichen Eilbedürftigkeit fehle, rechtfertigt gleichfalls nicht die Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge hatte die maßgebliche, für die Bauaufsicht zuständige Dienststelle, das Bauordnungsamt des Antragsgegners, erst seit März 2008 Kenntnis von der verfahrensgegenständlichen Nutzung (vgl. Bayer. VGH, Beschluss vom 2. November 2011 - 2 CS 11.1558 -, juris). Für die Folgezeit ist eine der Anordnung der sofortigen Vollziehung entgegenstehende langjährige Duldung der Nutzung seitens des Antragsgegners nicht gegeben. Er hat die ungenehmigte Nutzung gerade nicht ohne gewichtigen oder gar ohne erkennbaren Grund geduldet, sondern zunächst die gebotene Sachverhaltsermittlung unter Einbeziehung der Stadt Falkensee und des Antragstellers durchgeführt (vgl. Bayer. VGH, a.a.O.). Ein Besprechungstermin im September 2008, an der die beteiligten Behörden und der Antragsteller teilnahmen, diente der Vorbereitung einer einvernehmlichen Lösung, z.B. des Grundstückserwerbs durch die Stadt Falkensee, gleichzeitig kündigte der Antragsgegner bei dieser Gelegenheit jedoch für den Fall des Scheiterns die Durchführung eines bauordnungsrechtlichen Verfahrens mit dem Ziel einer Nutzungsuntersagung an. Die Zeit bis zum Ende des Jahres 2008 diente dazu, die Möglichkeiten einer Einigung auszuloten, ohne dass der Antragsteller ausweislich der Verwaltungsvorgänge hierzu einen nachhaltigen Beitrag geleistet hätte. Er stellte im März 2009 einen Bauantrag zur Genehmigung der beanstandeten Nutzung, deren Erteilung im Oktober 2009 versagt wurde. Es schlossen sich Widerspruchs- und Klageverfahren an, mit Bescheid vom 31. Mai 2010 wurde die streitgegenständliche Nutzung untersagt. Angesichts dessen kann von einer Duldung rechtswidriger Zustände keine Rede sein. Vielmehr hat der Antragsgegner bereits frühzeitig darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht ein baurechtswidriges Verhalten vorliegt und der Antragsteller mit bauaufsichtsrechtlichen Maßnahmen rechnen muss. Dass der Widerspruchsbescheid erst vom 25. Mai 2011 datiert, rechtfertigt entgegen der Ansicht des Antragstellers keine abweichende Beurteilung. Der Widerspruch vom 14. Juni 2010 enthielt eine lediglich knappe, schlagwortartige Begründung sowie den Vorbehalt weiterer Ausführungen. Die jetzige Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers meldete sich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erst im Dezember 2010.

4. Die abschließende pauschale Bezugnahme auf den bereits erfolgten (erstinstanzlichen) Vortrag genügt nicht dem Begründungserfordernis von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Eines richterlichen Hinweises bedurfte es angesichts der anwaltlichen Vertretung des Antragstellers nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).