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Nichtzulassungsbeschwerde - Zulässigkeit - unrichtiger Ausspruch über Nichtzulassung der Berufung - berechtigtes Interesse an der Aufhebung des unrichtigen Ausspruchs über die Nichtzulassung der Berufung - keine analoge Anwendung von § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG - Kostenentscheidung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 25. Senat Entscheidungsdatum 29.12.2011
Aktenzeichen L 25 AS 1946/11 NZB ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 143 SGG, § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG, § 145 Abs 5 S 1 SGG

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. September 2011 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die Klägerin wendet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. September 2011. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 11. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 2010 lehnte der Beklagte, der ausweislich der Beschwerdeschrift alleiniger Beschwerdegegner ist, ihren Antrag auf Erstattung ihrer Auslagen in Höhe von 232,05 € „für die vom Beklagten veranlasste Übersetzung ihres Scheidungsurteils“ ab. Mit ihrer zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage begehrt sie, ihr Übersetzungskosten in Höhe von 232,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 10. Juni 2008 zuzüglich einer Pauschale in Höhe von 20 € für Kopier- und Portokosten zu gewähren und festzustellen, dass der Beklagte künftig verpflichtet sei, ihr die für eingeforderte Unterlagen notwendigen Aufwendungen zu erstatten und die geforderte Qualität der einzureichenden Beweismittel bzw. Beweisurkunden bereits bei Anforderung zu bezeichnen. Mit Urteil vom 28. September 2011 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung dafür, dass das Urteil gegebenenfalls mit der Nichtzulassungsbeschwerde anzugreifen sei, ausgeführt: Die Berufung sei nicht zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 750 € nicht übersteige. Sie habe auch nicht zugelassen werden müssen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung habe, noch das Urteil von einer obergerichtlichen Entscheidung abweiche.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet; sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Sozialgerichts über die Nichtzulassung der Berufung. Denn die Berufung ist kraft Gesetzes nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.

Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 € nicht übersteigt. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt voraus, dass die Klage ausschließlich Leistungen betrifft, die dem vorgenannten Leistungskatalog zuzuordnen sind. Ist daneben ein weiteres Begehren Streitgegenstand, welches nicht eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung sondern eines sonstige behördliche Handlung betrifft, findet § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG hingegen keine Anwendung (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 144, Rn 9b). Hiervon ausgehend ist das Sozialgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Berufung zulassungsbedürftig ist. Denn neben ihrem auf die Gewährung von Geldleistungen gerichteten Begehren beantragt die Klägerin jedenfalls auch die Feststellung, dass der Beklagte künftig verpflichtet ist, die geforderte Qualität der einzureichenden Beweismittel bzw. Beweisurkunden bereits bei Anforderung zu bezeichnen. Für ein solches Auskunftsbegehren, welches weder eine konkrete Geldleistung noch eine Dienst- oder Sachleistung betrifft, gilt § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht.

Da die Berufung danach kraft Gesetzes zulässig ist, bedarf es keiner Entscheidung des Senats über deren Zulassung, so dass die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin erfolglos bleiben muss, soweit sie hierauf gerichtet ist. Dem Ausspruch in dem Urteil des Sozialgerichts, dass die Berufung nicht zugelassen werde, kommt keine konstitutive Bedeutung zu. Auch wenn die Klägerin somit nicht gehindert war, sogleich Berufung einzulegen, entfällt hierdurch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für ihre Nichtzulassungsbeschwerde. Die Entscheidung des Sozialgerichts erweckt nämlich den Anschein, die Berufung gegen das Urteil sei kraft Gesetzes ausgeschlossen und es bedürfe zu ihrer Statthaftigkeit einer besonderen Zulassung durch das Gericht. Dieser Rechtsschein belastet denjenigen, der gegen ein Urteil Berufung einlegen möchte. Deshalb ist ein berechtigtes Interesse des Rechtsmittelklägers an der Aufhebung des unrichtigen Ausspruchs über die Nichtzulassung der Berufung anzuerkennen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Mai 2007 – L 9 KR 205/04 NZB –, Beschluss vom 13. April 2011 – L 10 AS 1087/09 NZB –, jeweils veröffentlicht in juris).

Mangels einer Entscheidung des Senats über die Zulassung der Berufung tritt die Rechtsfolge des § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG nicht ein. Das Beschwerdeverfahren wird nicht kraft Gesetzes als Berufungsverfahren fortgesetzt; es bedarf vielmehr der Einlegung einer Berufung, für die die wegen der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung durch das Sozialgericht maßgebliche Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG gilt und die die Klägerin hier gegebenenfalls noch einlegen muss. Eine entsprechende Anwendung des § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht Es fehlt hierfür bereits an einer Regelungslücke, die durch eine Analogie geschlossen werden könnte; denn den Beteiligten steht es bei einer irrtümlich ausgesprochenen Nichtzulassung der Berufung offen, gegen das Urteil entweder sogleich oder aber nach Aufhebung dieser Entscheidung Berufung einzulegen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Mai 2007 – L 9 KR 205/04 NZB –, a. a. O.), wobei ihnen gegebenenfalls bei Versäumung der Berufungsfrist nach Maßgabe des § 67 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre.

Eine (auch nur teilweise) Erstattung der der Klägerin durch das Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten kommt nicht in Betracht. Hierfür fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Es ist keine gesetzliche Vorschrift ersichtlich, die es ermöglichen würde, im Falle unrichtiger Sachbehandlung durch das Gericht, die in der fehlerhaften Entscheidung über die Zulassungsbedürftigkeit der Berufung liegt, entstandene außergerichtliche Kosten eines der Beteiligten einem anderen Beteiligten oder, was näher liegt, der Staatskasse aufzuerlegen (ständige Rechtsprechung des mit denselben Berufsrichtern wie der hiesige Senat besetzten 11. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, vgl. u. a. Beschluss vom 19. März 2010 – L 11 VJ 12/10 B RG –).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).