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Vander Elst-Visum; Dienstleistungsfreiheit; vorübergehende Entsendung; Arbeitnehmer; Drittstaatler; Werkvertrag; verfestigte Berufstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat; Kontrollbefugnis des Aufnahmemitgliedstaates


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 09.11.2018
Aktenzeichen OVG 6 B 7.18 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2018:1109.OVG6B7.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen Art 57 AEUV, § 6 Abs 3 AufenthG, § 7 Abs 1 AufenthG, § 18 AufenthG, § 21 BeschV

Leitsatz

1. Bei der Erteilung eines Visums nach den Grundsätzen der Vander Elst-Rechtsprechung des EuGH darf der Aufnahmemitgliedstaat vor der Einreise des Arbeitnehmers kontrollieren, ob der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit eröffnet ist. Dazu gehört die Prüfung, ob es sich um die grenzüberschreitende Erbringung einer vorübergehenden Dienstleistung handelt.

2. Eine Entsendung ist, auch wenn sie nur einige Monate dauert, nicht vorübergehend, wenn sie sich einfügt in ein längerfristig angelegtes Rotationssystem von Arbeitnehmern zur Unterstützung der laufenden Produktion eines Unternehmens im Aufnahmemitgliedstaat durch ein Unternehmen im Entsendemitgliedstaat.

Tenor

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger und die Beigeladene tragen die Kosten des Berufungsverfahrens jeweils zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldner dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Das Verfahren betrifft die Erteilung eines sog. Vander Elst-Visums an einen Drittstaatsangehörigen zur Erbringung einer Dienstleistung durch ein Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat für einen Auftraggeber in Deutschland.

Der Kläger ist ukrainischer Staatsangehöriger. Er hielt sich aufgrund eines befristeten nationalen Visums in Polen auf und war bei der Beigeladenen aufgrund befristeter Arbeitsverträge beschäftigt. Wie zuvor bereits andere bei der Beigeladenen befristet beschäftigte Angehörige von Drittstaaten sollte für mehrere Monate nach F... in Deutschland für eine Tätigkeit bei der dort ansässigen B...B... GmbH & Co. KG entsandt werden.

Die B...B... GmbH & Co. KG gehört ebenso wie die Beigeladene und weitere Gesellschaften zu der Unternehmensgruppe „B... Baugruppe“. Sitz der Hauptverwaltung der Unternehmensgruppe ist F...; von dort aus erfolgt nach Eigenangaben des Unternehmens die zentrale Steuerung der gesamten Unternehmensgruppe. Am Standort F... betreibt die B...B... GmbH & Co. KG ein Betonfertigteilwerk. Die Beigeladene hat ihren Firmensitz in Polen und betreibt dort ein Betonfertigteilwerk; sie unterhält in F... am Sitz der Hauptverwaltung der Unternehmensgruppe eine Zweigniederlassung.

Zwischen der B...B... GmbH & Co. KG und der Beigeladenen werden jedenfalls seit 2009 für jeweils zwei Jahre so bezeichnete Werkverträge geschlossen, nach denen die Beigeladene mit eigenen Arbeitnehmern als Auftragnehmerin die in einem Leistungsverzeichnis festgelegte Produktion von Betonfertigteilen im Betonwerk der Auftraggeberin in F...zu einem festgelegten Gesamtpreis übernimmt. Nach Ablauf der Vertragszeit wird regelmäßig ein neuer Werkvertrag mit neuem Leistungsverzeichnis und ggf. neuen Preisen geschlossen. So wurde der für die Jahre 2016 und 2017 geschlossene Werkvertrag, in dessen Rahmen der Kläger entsandt werden sollte, durch einen Werkvertrag für die Jahre 2018 und 2019 abgelöst. Zur Erfüllung der Aufträge setzt die Beigeladene 50 bis 60 Arbeitnehmer vor Ort ein, die sie in einem Rotationssystem entsendet. Soweit es sich dabei um Drittstaatsangehörige handelt, hat die Beklagte ihnen hierfür bis zu der den Gegenstand u.a. des vorliegenden Verfahrens bildenden Einstellung dieser Praxis regelmäßig Visa nach Vander Elst für Zeiträume von einigen Monaten ausgestellt.

Zum Einsatz der entsandten Arbeitnehmer ist in den Werkverträgen bestimmt, dass die Beigeladene die Anzahl der nötigen Arbeitnehmer bestimmt, sie unter Leitung des Vorarbeiters bzw. Werkführers der Beigeladenen in eigener Regie arbeiten, für die auszuführenden Arbeiten separate Arbeitsplätze sowie Arbeitsmaterial zur Verfügung stehen, die Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis zur Beigeladenen verbleiben und ausschließlich deren Weisungsrecht unterliegen. Die B...B... GmbH und Co. KG verpflichtet sich, alle zur Ausführung notwendigen Materialen, Räumlichkeiten und Betriebsmittel zur Verfügung zu stellen (s. etwa Werkvertrag vom 1. Dezember 2015 für die Jahre 2016 und 2017).

Der Antrag des Klägers auf Erteilung eines Visums nach Vander Elst für eine befristete Erwerbstätigkeit für die als Referenzadresse angegebene deutsche Niederlassung der Beigeladenen in F... lehnte die Botschaft der Beklagten in Warschau jeweils mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen für eine Visumerteilung nach Vander Elst für die Erbringung von Dienstleistungen in Deutschland durch ein Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat nicht vorlägen. Die geplante Entsendung nach Deutschland erfolge nicht zur Erbringung einer Dienstleistung der Beigeladenen, sondern sei als Personalunterstützung zu Gunsten des Empfängerunternehmens anzusehen. Dafür spreche auch die im Visumverfahren eingereichte Erklärung des Geschäftsführers des deutschen Unternehmens, dass seit Wochen wegen der fehlenden Arbeitskräfte die Produktion nicht mehr im geforderten Umfang aufrechterhalten werden könne, und die fast vollständige Deckung des Beschäftigungszeitraums der Arbeitnehmer in Polen mit dem Entsendezeitraum nach Deutschland. Eine Remonstration des Klägers gegen die Versagung des Visums blieb ohne Erfolg (Remonstrationsbescheid vom 31. März 2016).

Hiergegen hat der Kläger am 2. Mai 2016 Klage erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich ausweislich des Werkvertrags zwischen der Beigeladenen und der B... B... GmbH und Co. KG, die jeweils rechtlich selbständig seien, nicht um eine konzerninterne Personalunterstützung oder um eine Entsendung in die deutsche Niederlassung der Beigeladenen gehandelt habe, sondern um einen grenzüberschreitenden Fall der Dienstleistungsfreiheit. Der Einsatz solle im Rahmen des Werkvertrages im Werk der B...B... GmbH und Co. KG in F... erfolgen. Dass in dem Visumantrag als Referenzadresse in Deutschland die deutsche Niederlassung der Beigeladenen angegeben worden sei, beruhe auf einem Missverständnis. Er habe ungeachtet der in Folge des Zeitablaufs eingetretenen Erledigung ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Visa nach Vander Elst, weil er weiterhin beabsichtigte, als Werkvertragsarbeitnehmer vorübergehend in Deutschland für die Beigeladene tätig zu werden.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass der Bescheid der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Warschau vom 31. März 2016 rechtswidrig war.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es Sinn und Zweck der Vander Elst-Rechtsprechung sei, den in einem EU-Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen, welche drittstaatsangehörige Arbeitnehmer beschäftigten, die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung in anderen Mitgliedstaaten zu erleichtern, d.h. das vorübergehende Tätigwerden in einem anderen EU-Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen keine Niederlassung habe. Die Beigeladene habe indes eine Niederlassung in Deutschland. Zudem seien die B... B...GmbH & Co. KG und die Beigeladene Teil eines Konzerns. Dazu passe die zeitliche Dichte und Anzahl der beantragten Visa für eine Tätigkeit von Arbeitern der Beigeladenen zu Gunsten der B... B... GmbH & Co. KG. Allein im Zeitraum von 2012 bis 2015 seien bei der Botschaft in Warschau 68 Anträge gestellt worden. Dies lege nahe, dass es sich bei der Entsendung um eine reine Personalunterstützung zu Gunsten des Empfängerunternehmens handele. Darüber hinaus sei aufgrund des Werkvertrages kein konkreter Bezug zu einem bestimmten, abgrenzbaren Dienstleistungsvorhaben etwa in der Form eines Auftrags oder eines Projekts zu erkennen. Zweck der Entsendung der Drittstaatsangehörigen und die eigene Geschäftstätigkeit des deutschen Empfängerunternehmens seien deckungsgleich. Beide beträfen die Herstellung von Betonfertigteilen, die auch Leistungsinhalt der geschlossenen Werkverträge sei.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. Juli 2018 abgewiesen. Nach den Grundsätzen der Vander Elst-Rechtsprechung des EuGH könne ein Visum auch für die Arbeitnehmertätigkeit im Rahmen einer grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung erteilt werden. Die beabsichtigte Tätigkeit des Klägers unterfalle aber nicht der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV. Diese umfasse in Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit nur vorübergehende Dienste im Ausland, nicht eine Tätigkeit des Leistenden, die dauerhaft bzw. auf unbestimmte Zeit angelegt sei. Der vorübergehende Charakter einer Tätigkeit sei nicht nur unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, sondern auch ihrer Häufigkeit, regelmäßigen Wiederkehr oder Kontinuität zu beurteilen. Danach liege hier keine Dienstleistung i.S.v. Art. 56, 57 AEUV vor. Abzustellen sei nicht auf die Entsendezeit des Klägers und auch nicht auf die Laufzeit der einzelnen Werkverträge zwischen der B...B... GmbH & Co. KG und der Beigeladenen, die nach Ablauf der Vertragslaufzeit jeweils neu abgeschlossen würden, sondern auf die vertraglich vereinbarte Tätigkeit der Beigeladenen insgesamt. Danach ergebe sich, dass die Tätigkeit der Beigeladenen für die B...B... GmbH & Co. KG auf Dauer angelegt sei. Die Beigeladene erbringe seit Jahren durchgehend gegenüber diesem deutschen Unternehmen der gemeinsamen Unternehmensgruppe Produktionsleistungen, indem sie durch ihre Arbeitnehmer Fertigteile in den Produktionshallen der B...B... GmbH & Co. KG herstelle. Der Geschäftsführer der Beigeladenen habe in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass es bereits bei Beginn seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen im Jahr 2009 diese Werkverträge gegeben habe und es sie wohl auch vorher gegeben habe. Die entsandten Arbeitnehmer würden fortlaufend in die Produktion der B...B... GmbH & Co. KG geschickt, die naturgemäß auf Dauer angelegt sei. Dies zeige auch eine E-Mail des Geschäftsführers vom 22. März 2016 an die Beklagte. Damit werde eine Tätigkeit ausgeübt, die sich in die nationale Volkswirtschaft integriere und den Zugang zum hiesigen Arbeitsmarkt betreffe. Daran änderten die Regelungen in dem Werkvertrag nichts. Die Prüfung, ob überhaupt der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit eröffnet sei, stehe der Beklagten auch zu. Nachdem fortlaufend Arbeitnehmer von der Beigeladenen zu dem gleichen Zweck entsandt worden seien und die Beklagte zu dem Schluss gekommen sei, dass die Grundsätze der Vander Elst-Rechtsprechung keine Anwendung finden, habe sie die Ausstellung des Visums an den Kläger versagen dürfen, ohne auf eine nachträgliche Kontrolle verwiesen zu sein.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass entgegen der missverständlichen Angabe im Visumantrag nicht die deutsche Zweigniederlassung der Beigeladenen der Arbeitgeber für die Zeit der Entsendung sein sollte, sondern weiterhin die Beigeladene. Vorgesehen gewesen sei eine Entsendung zur Ausführung eines Werkvertrages. Er habe einen Anspruch auf Erteilung eines Visums nach Vander Elst und zu diesem Zweck alle im Visumshandbuch der Beklagten geforderten Unterlagen vorgelegt. Daraus ergebe sich, dass er sowohl bei Antragstellung als auch während der beabsichtigten zeitlich befristeten Entsendung nach Deutschland ordnungsgemäß in Polen beschäftigt und dort in die Volkswirtschaft integriert gewesen sei. Eine Eingliederung in den deutschen Arbeitsmarkt sei zu keiner Zeit beabsichtigt gewesen. Die Beklagte habe keine Befugnis, im Rahmen der Erteilung des Visums zu prüfen, ob der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit erfüllt sei, sondern sei auf eine nachträgliche Kontrolle beschränkt. Im Übrigen sei der Anwendungsbereich eröffnet. Es handele sich entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts um eine vorübergehende Tätigkeit in Deutschland im Rahmen eines Werkvertrages. Art. 57 AEUV normiere keine zeitliche Grenze zur Unterscheidung der Dienstleistungsfreiheit von der Niederlassungsfreiheit. Eine vorübergehende Tätigkeit könne durchaus mehrere Jahre andauern. Entscheidend sei, ob eine Eingliederung in die nationale Volkswirtschaft des Aufnahmemitgliedstaates erfolge. Nicht entscheidend sei hingegen, dass die Beigeladene über eine Zweigniederlassung in Deutschland verfüge; denn von dieser gehe in Deutschland keine Geschäftstätigkeit aus. Sie sei allein wegen der benötigten Eintragung in die Handwerksrolle gegründet worden. Dass bereits mehrere Werkverträge hintereinander geschlossen worden seien, sei in dem Umstand begründet, dass die Auftrag gebende B...B... GmbH und Co. KG diese Arbeiten nicht mit eigenem Personal ausführen könne. Eine auf unbestimmte Zeit angelegte Geschäftsbeziehung bestehe indes nicht. Im Übrigen gehe weder aus dem Primärrecht noch der Rechtsprechung des EuGH hervor, dass sich die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit in jeder Sachverhaltskonstellation stets ausschlössen. Auch die Entsenderichtlinie enthalte keine zeitliche Begrenzung einer Dienstleistung. Würde der Kläger im Rahmen eines Werkvertrages mit einer anderen deutschen Firma entsandt, hätte ein Visum nicht unter Hinweis auf eine fehlende Dienstleistung abgelehnt werden können. Der Kläger wäre dann aber ebenso wenig wie bei der Erteilung eines Visums für einen Einsatz bei der B...B... GmbH und Co. KG in den deutschen Arbeitsmarkt integriert worden.

Der Kläger beantragt,

das erstinstanzliche Urteil zu ändern und festzustellen, dass die Versagung des beantragten Visums durch den Remonstrationsbescheid der Beklagten vom 31. März 2016 rechtswidrig war und der Kläger einen Anspruch auf Erteilung des Visums hatte.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht im Wesentlichen geltend, dass sie zu der angestellten Prüfung vor Erteilung des Visums an den Kläger befugt gewesen sei. Zwar finde in den Vander Elst-Verfahren grundsätzlich nur eine einfache Plausibilitätskontrolle statt, ansonsten erfolge nach der Rechtsprechung des EuGH eine nachträgliche Kontrolle. Dies betreffe aber nicht die Frage, ob der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit für die Entsendung des Arbeitnehmers überhaupt eröffnet sei. Das sei hier sowohl in Bezug auf den Kläger als auch in Bezug auf die Beigeladene zu verneinen. Eine grenzüberschreitende Wahrnehmung der Dienstleistungsfreiheit scheide schon deshalb aus, weil die Beigeladene über eine Zweigniederlassung in Deutschland verfüge und insoweit von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch gemacht habe. Die Entsendung von Arbeitnehmern in die deutsche Zweigniederlassung stelle unter dem Blickwinkel der Dienstleistungsfreiheit einen reinen Inlandssachverhalt dar. Aber auch ohne Berücksichtigung der deutschen Zweigniederlassung unterfalle die Entsendung des Klägers nicht der Dienstleistungsfreiheit, sondern stelle eine Personalunterstützung zur Verringerung des bei der B...B... GmbH und Co. KG bestehenden Personalmangels dar. Die Werkverträge bezeichneten keine hinreichend abgrenzbaren Dienstleistungen; vielmehr seien sie bei einer Gesamtbetrachtung auf Dauer angelegt. Angesichts des Rotationssystems der Arbeitnehmerentsendung fehle es an einem vorübergehenden Charakter und damit an einer Dienstleistung im Sinne des Unionsrechts. Dafür spreche die Dauer, die Häufigkeit, die regelmäßige Wiederkehr und die Kontinuität der praktizierten Arbeitnehmerentsendung. Selbst wenn der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit eröffnet sei, wäre ihre Beschränkung zur Wahrung der Rechte der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Arbeitsmarktzugangs zulässig. Das von der Beigeladenen praktizierte Rotationssystem stelle eine Umgehung der Dienstleistungsfreiheit dar, weil es dem deutschen Arbeitsmarkt auf Dauer Drittstaatsangehörige zuführe, die sich weder auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen könnten noch über einen Aufenthaltstitel zum Zwecke der Beschäftigung in Deutschland verfügten. Das Ziel der Verhinderung von Umgehungen der Dienstleistungsfreiheit durch eine Arbeitnehmerentsendung komme auch in der Entsenderichtlinie 96/71/EG, der Durchsetzungs-Richtlinie 2014/67/EU sowie der Änderung der Entsenderichtlinie durch die Richtlinie (EU) 2018/957 zum Ausdruck.

Die Beigeladene schließt sich dem Antrag des Klägers an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist zwar als Fortsetzungsfeststellungsklage im Verpflichtungsfall analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aus den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen statthaft. Auch ist der Kläger gem. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt; er hatte möglicherweise einen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Zwecke der Erwerbstätigkeit in Deutschland nach den Grundsätzen der Vander Elst-Rechtsprechung des EuGH. Aus der Dienstleistungsfreiheit der Beigeladenen folgt ein abgeleitetes Recht der Arbeitnehmer zu Einreise und Aufenthalt (Höller, ZESAR 2006, 460, 466). Die Klage ist jedoch unbegründet, weil die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums nach den Grundsätzen der Vander Elst-Rechtsprechung des EuGH im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses nicht vorlagen.

1. Rechtsgrundlage für die Erteilung des begehrten Visums ist § 6 Abs. 3 i.V.m. § 7 Abs. 1 und §§ 18 Abs. 2 AufenthG i.V.m. den Grundsätzen der Vander Elst-Rechtsprechung des EuGH.

Nach § 6 Abs. 3 AufenthG ist für längerfristige Aufenthalte ein Visum für das Bundesgebiet erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Die Erteilung richtet sich nach den für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Vorschriften. Nach § 7 Abs. 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis zu den im Gesetz genannten Aufenthaltszwecken erteilt. Zur Ausübung einer Beschäftigung im Bundesgebiet kann einem Ausländer gem. § 18 Abs. 2 AufenthG ein Aufenthaltstitel erteilt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder die Ausübung der Beschäftigung ohne eine solche Zustimmung zulässig ist. Keiner Zustimmung bedarf gem. § 21 BeschV die Erteilung eines Aufenthaltstitels an Personen, die von einem Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU in dem Sitzland des Unternehmens ordnungsgemäß beschäftigt sind und zur Erbringung einer Dienstleistung vorübergehend in das Bundesgebiet entsandt werden.

Damit sind zugleich die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums nach Maßgabe der Vander Elst-Rechtsprechung des EuGH umschrieben. Der EuGH hat entschieden, dass es der Dienstleistungsfreiheit zuwiderläuft, dass ein Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmen, die zur Erbringung von Dienstleistungen auf seinem Gebiet tätig werden und die Angehörige von Drittstaaten ordnungsgemäß und dauerhaft beschäftigen, unter Androhung einer Geldbuße dazu verpflichtet, für diese Arbeitnehmer bei einer nationalen Einwanderungsbehörde eine Arbeitserlaubnis einzuholen und die damit verbundenen Kosten zu tragen (Urteil vom 9. August 1994 – Rs. C-43/93 – Vander Elst). Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, dass ein solches Erfordernis eine unverhältnismäßige Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstelle, weil die Arbeitnehmer, die von einem in einem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen beschäftigt und vorübergehend zur Erbringung einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden, keinen Zutritt zum Arbeitsmarkt dieses zweiten Staates verlangen, da sie nach Erfüllung ihrer Aufgabe in ihr Herkunfts- oder Wohnsitzland zurückkehren.

Dem entspricht das vereinfachte (Anmelde-)Verfahren zur Erlangung eines Vander Elst-Visums in der Verwaltungspraxis der Beklagten nach Maßgabe des Visumhandbuchs. Danach wird das Visum nach einer einfachen Plausibilitätsprüfung erteilt, wenn die Erteilungsvoraussetzungen, also die Erbringung einer Dienstleistung, die ordnungsgemäße Beschäftigung des Arbeitnehmers im Entsendemitgliedstaat sowie eine vorübergehende Entsendung, erfüllt sind.

2. Auf der Grundlage der dargestellten Voraussetzungen hatte der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung eines Vander Elst-Visums.

a) Ein Anspruch auf Erteilung der Visums folgt nicht etwa daraus, dass die Beklagte gehindert wäre, die Voraussetzungen für eine Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung durch ein in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenes Unternehmen vor der Einreise zu prüfen.

Richtig ist allerdings, dass der Aufnahmemitgliedstaat die Erbringung der Dienstleistung nicht durch unnötige bürokratische Hürden erschweren darf. Hinsichtlich der Überprüfung der Voraussetzungen für einen erleichterten Zugang zur Erbringung einer Dienstleistung hat der EuGH entschieden, dass jede nationale Regelung, die die Erbringung einer Dienstleistung durch ein in einem anderem Mitgliedstaat niedergelassenes Unternehmen im Inland von einer vorherigen behördlichen Erlaubnis abhängig macht, eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ist, die gerechtfertigt und erforderlich sein muss (EuGH, Urteil vom 19. Januar 2006 Rs. C-244/04 – Kommission ./. Deutschland Rn. 34, 37). Zwar darf ein Mitgliedstaat kontrollieren, ob ein Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und Arbeitnehmer aus einem Drittstaat entsendet, den freien Dienstleistungsverkehr nicht zu einem anderen Zweck als dem der Erbringung der betreffenden Leistung nutzt, beispielsweise dazu, sein Personal kommen zu lassen, um Arbeitnehmer zu vermitteln oder Dritten zu überlassen (vgl. Urteil vom 21. Oktober 2004 – Rs. C-445/03 – Kommission ./. Luxemburg Rn. 39; Urteil vom 27. März 1990 Rs. C-113/89 - Rush Portuguesa, Rn. 17). Diese Kontrollen müssen die vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen beachten und dürfen die Dienstleistungsfreiheit nicht illusorisch machen (Urteils vom 27. März 1990 a.a.O.).

Der EuGH hat deshalb in Bezug auf die damalige deutsche Verwaltungspraxis eine Kontrolle bestimmter Voraussetzungen für die Erteilung eines Vander Elst-Visums durch die Vorlage entsprechender Unterlagen vor der Einreise als Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 56 AEUV angesehen. Diese Unterlagen betrafen die Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung des Arbeitnehmers im Entsendemitgliedstaat. Hierzu hat der EuGH ausgeführt (Urteil vom 19. Januar 2006 Rs. C-244/04 – Kommission ./. Deutschland Rn. 41):

Wie jedoch der Generalanwalt in Nummer 27 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, böte eine Verpflichtung des Dienstleistungsunternehmens, eine einfache vorherige Erklärung dahin gehend abzugeben, dass der Aufenthalt, die Arbeitserlaubnis und die soziale Absicherung der betreffenden Arbeitnehmer in dem Mitgliedstaat, in dem sie von diesem Unternehmen beschäftigt werden, ordnungsgemäß sind, den nationalen Behörden auf weniger einschneidende Art und Weise als die Kontrolle vor der Entsendung, aber genauso wirksam die Garantie, dass diese Arbeitnehmer legal beschäftigt werden und ihre Haupttätigkeit in dem Mitgliedstaat ausüben, in dem das Dienstleistungsunternehmen ansässig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Luxemburg, Randnr. 46). Eine solche Verpflichtung würde es den nationalen Behörden ermöglichen, diese Angaben nachträglich zu überprüfen und die im Fall einer rechtswidrigen Beschäftigung dieser Arbeitnehmer gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung könnte auch die einfache Übersendung der erforderlichen Schriftstücke verlangt werden, insbesondere wenn die Dauer der Entsendung keine wirksame Vornahme einer solchen Kontrolle zulässt.

Hintergrund der Forderung des EuGH einer erst nachträglichen Kontrolle der ordnungsgemäßen Beschäftigung des Arbeitnehmers im Entsendestaat ist der Umstand, dass bestimmte Dienstleistungen im Rahmen kurzfristiger projektbezogener Verträge erfolgen und bürokratische Hürden den Dienstleister aus einem anderen Mitgliedstaat insbesondere dann behindern können, wenn eine zügige Erbringung der Dienstleistung geboten ist (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Oktober 2010 Rs. C-515/08 Santos Palhota Ls. 1). Deshalb kann die Pflicht zur vorherigen Vorlage und Prüfung der Unterlagen, die eine ordnungsgemäße Beschäftigung des Arbeitnehmers im Entsendemitgliedstaat dokumentieren, eine Benachteiligung gegenüber Dienstleistern im Mitgliedstaat der Dienstleistung bedeuten. Aus diesem Grund soll für die Visumerteilung eine einfache Erklärung ausreichen, dass der Aufenthalt, die Arbeitserlaubnis und die soziale Absicherung der betreffenden Arbeitnehmer in dem Mitgliedstaat, in dem sie von diesem Unternehmen beschäftigt werden, ordnungsgemäß sind; hierzu kann auch die einfache Übersendung der erforderlichen Schriftstücke verlangt werden. Eine Überprüfung erfolgt dann ggf. nach der Einreise.

Aus dieser Rechtsprechung des EuGH kann indes nicht gefolgert werden, dass dem Aufnahmemitgliedstaat jedwede vorgelagerte Prüfung, ob überhaupt ein Sachverhalt vorliegt, der eine erleichterte Einreise nach den Kriterien der Vander Elst-Rechtsprechung ermöglicht, als unzulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit untersagt ist (vgl. zu den Konsequenzen der Entscheidung des EuGH Offer/Mävers, BeschV, 1. Aufl. 2016 § 21 Rn. 9; Thym, NZA 2006, 713; Höller ZESAR 2006, 460). Vielmehr hat der EuGH es lediglich als unverhältnismäßig angesehen, die Erlaubnis der Einreise davon abhängig zu machen, dass die ordnungsgemäße Beschäftigung des zu entsendenden Arbeitnehmers im Entsendemitgliedstaat - also Aufenthaltsrecht, Arbeitserlaubnis, Beschäftigung im entsendenden Unternehmen, Sozialversicherung - vor der Einreise vertieft geprüft wird, weil insoweit vor der Einreise eine einfache Erklärung und die Übersendung der erforderlichen Schriftstücke ausreicht und im Übrigen insoweit eine nachträgliche Kontrolle stattfinden kann, um zu gewährleisten, dass der Arbeitnehmer nach Erbringung der Dienstleistung in den Entsendemitgliedstat zurückkehrt.

Daraus lässt sich für den vorliegenden Fall nichts ableiten. Zum einen genügt die vom EuGH gerügte Verwaltungspraxis der Beklagten nunmehr diesen Vorgaben, weil als Nachweis einer ordnungsgemäßen Beschäftigung im Entsendestaat lediglich die Vorlage der Aufenthalts-/Beschäftigungserlaubnis verlangt wird (vgl. Visumhandbuch). Vor allem aber betrifft der hier in Rede stehende Versagungsgrund nicht die Frage, ob die entsandten Arbeitnehmer im Entsendemitgliedstaat ordnungsgemäß beschäftigt sind - das steht bzw. stand in Bezug auf den Kläger nicht in Zweifel - sondern die Frage, ob die Entsendung des Klägers von der Dienstleistungsfreiheit gedeckt ist. Dies vor der Einreise in den Blick zu nehmen, kann dem Aufnahmemitgliedstaat nicht verwehrt sein. Er ist nicht darauf verwiesen, sehenden Auges Arbeitnehmer einreisen zu lassen, für deren Entsendung die Dienstleistungsfreiheit nach den Kriterien der Vander Elst-Rechtsprechung nicht eröffnet ist. Denn dem Aufnahmemitgliedstaat ist die Prüfung erlaubt, ob ein Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und Arbeitnehmer aus einem Drittstaat entsendet, den freien Dienstleistungsverkehr nicht zu einem anderen Zweck als dem der Erbringung der betreffenden Leistung nutzt, beispielsweise dazu, sein Personal kommen zu lassen, um Arbeitnehmer zu vermitteln oder Dritten zu überlassen (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 und vom 27. März 1990, jew. a.a.O.).

Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte zunächst für eine Mehrzahl von Arbeitnehmern der Beigeladenen Vander Elst-Visa für Arbeiten bei der B...B... GmbH und Co. KG erteilt hatte, bis sich bei ihr die Erkenntnis verfestigt hat, dass es sich bei den Entsendungen um ein auf Dauer angelegtes Rotationssystem handelt, das nicht mehr den Charakter einer typischerweise vorübergehenden Tätigkeit im Rahmen einer Dienstleistung trägt. Insofern ist diese Erkenntnis durchaus das Ergebnis einer „nachträglichen“ Kontrolle.

b) Die Einreise der Kläger dient nicht der Wahrnehmung der grenzüberschreitenden Dienstleistungsfreiheit der Beigeladenen durch eine vorübergehende Entsendung von Arbeitnehmern nach den Kriterien der Vander Elst-Rechtsprechung des EuGH.

aa) Zwar mag der Einordnung des Vorgangs als grenzüberschreitende Dienstleistung nicht entgegenstehen, dass die Beigeladene am Sitz des aufnehmenden deutschen Unternehmens eine unselbständige Zweigniederlassung unterhält; denn die Beigeladene möchte die vertraglich vereinbarte Werkleistung mit Arbeitnehmern erbringen, die in einem Arbeitsverhältnis mit ihr nach polnischem Recht stehen und die für Polen über eine nationale Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis verfügen. Auch ist davon auszugehen, dass der Kläger ungeachtet der missverständlichen Angabe in dem Visumantrag nicht in die Zweigniederlassung der Beigeladenen, sondern in das Betonwerk der B...B... GmbH & Co. KG entsandt werden sollte.

bb) Es fehlt jedoch an dem Charakter einer vorübergehenden Dienstleistung.

Die erleichterten Zugangsmöglichkeiten für Arbeitnehmer zur Erbringung von Dienstleistungen durch ein Unternehmen im Entsendemitgliedstaat, insbesondere das Verbot, insoweit eine Arbeitserlaubnis durch den Aufnahmemitgliedstaat zu verlangen, beruht maßgeblich auf der Erwägung, dass die Entsendung nur vorübergehend ist und deshalb kein Zugang zu dem Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaates erfolgt (EuGH, Urteil vom 9. August 1994 Rs. C-43/93 Vander Elst Rn. 21). Überdies ist der grenzüberschreitenden Dienstleistungsfreiheit immanent, dass sie in Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit nur vorübergehend ist (vgl. Art. 57 Satz 3 AEUV). Für die Erteilung eines Vander Elst-Visums kommen deshalb nur solche Dienstleistungen in Betracht, für deren Erbringung Arbeitnehmer vorübergehend entsandt werden.

Für die Abgrenzung der Dienstleistungsfreiheit von der Niederlassungsfreiheit hat der EuGH entschieden, dass der vorübergehende Charakter einer Tätigkeit nicht nur unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, sondern auch ihrer Häufigkeit, regelmäßigen Wiederkehr oder Kontinuität zu beurteilen ist (EuGH, Urteile vom 30. November 1995 - C-55/94 - juris Rdn. 26 f. und vom 11. Dezember 2003 - C-215/01 - juris Rdn. 28). Der Begriff "Dienstleistung" im Sinne des Vertrages kann Dienstleistungen ganz unterschiedlicher Art umfassen, einschließlich solcher, deren Erbringung sich über einen längeren Zeitraum, bis hin zu mehreren Jahren, erstreckt, z. B., wenn es sich um Dienstleistungen handelt, die im Rahmen eines Großbauprojekts erbracht werden. Auch Leistungen, die ein in einem Mitgliedstaat ansässiger Wirtschaftsteilnehmer mehr oder weniger häufig oder regelmäßig, auch über einen längeren Zeitraum, für Personen erbringt, die in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, können Dienstleistungen im Sinne des Vertrages sein, etwa die entgeltliche Beratung oder Auskunftserteilung. Eine abstrakte Bestimmung der Dauer oder Häufigkeit, ab der die Erbringung einer Dienstleistung oder einer bestimmten Art von Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat nicht mehr als eine Dienstleistung im Sinne des Vertrages angesehen werden kann, kennt das Unionsrecht nicht (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 30 f.). Davon zu unterscheiden ist die Situation eines Unternehmers, der in stabiler und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt (EuGH a.a.O. Rn. 29).

Nach diesen Maßstäben liegt hier keine vorübergehende Entsendung von Arbeitnehmern zur Erbringung einer Dienstleistung i.S.v. Art. 56, 57 AEUV vor.

Die Beigeladene produziert im Rahmen der immer wieder für zwei Jahre abgeschlossenen Verträge mit einer Belegschaft von 50 bis 60 Arbeitnehmern, darunter 10 bis 15% Drittstaatsangehörige, die turnusmäßig ausgetauscht werden, in einem abgegrenzten Bereich und einer separaten Werkhalle auf dem Gelände der B...B... GmbH & Co. KG unter der Kontrolle von drei bis vier eigenen Vorarbeitern Betonfertigteile; Arbeitnehmer der deutschen Firma kommen nur für unterstützende Arbeiten (technische Dienste, Hilfsdienste, Zulieferung, Qualitätskontrollen) zum Einsatz, nicht aber in der eigentlichen Produktion. Für die Unterbringung der Arbeitnehmer hat die Beigeladene ein gesamtes Hotel (Wohnheim) angemietet. Die Arbeitnehmer werden je nach Arbeitsanfall in Deutschland oder dem Werk der Beigeladenen in Polen eingesetzt und hin und her geschickt. Schon diese Umstände sprechen dafür, dass die Beigeladene in Deutschland keine vorübergehende Dienstleistung erbringt, sondern hier in verfestigter und kontinuierlicher Weise die Produktion von Betonfertigteilen betreibt. Der Geschäftsführer der Beigeladenen hat diese Umstände in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zutreffend mit den Worten beschrieben, dass man eigentlich seine Arbeit in zwei Werken führe. Für eine verfestigte und kontinuierliche Tätigkeit in Deutschland spricht ferner die Gestaltung der Werkverträge, die immer wieder für zwei Jahre geschlossen werden und die keine abgrenzbaren Projekte zum Gegenstand haben, sondern die laufende Produktion von Betonfertigteilen, begrenzt lediglich durch die vom zeitlichen Rahmen der einzelnen Verträge bestimmte mengenmäßige Beschränkung.

Vor allem aber ist die beabsichtigte Entsendung des Klägers, wenn auch nur für einige Monate, nicht nur vorübergehend, weil sie sich einfügt in ein längerfristig angelegtes Rotationssystem von Arbeitnehmern zur Unterstützung der Produktionsstätte in Deutschland. Für die Beurteilung der zeitlichen Dauer der Tätigkeit kommt es nicht auf die Entsendezeit der einzelnen Arbeitnehmer und auch nicht auf die Laufzeit der einzelnen Verträge zwischen der B... GmbH & Co. KG und der Beigeladenen an, die nach Ablauf der Vertragslaufzeit von zwei Jahren jeweils neu abgeschlossen werden. Vielmehr ist in einer Gesamtschau auf die vertraglich vereinbarte Tätigkeit der Beigeladenen für die deutsche GmbH & Co KG abzustellen. Diese Tätigkeit dauert nach den Angaben des Geschäftsführers der Beigeladenen vor dem Verwaltungsgericht seit mindestens 2009 an, zunächst im Wege der Entsendung polnischer Arbeitnehmer, seit dem Jahr 2012 auch im Wege der Entsendung von ukrainischen Arbeitnehmern, die jeweils für eine Dauer von einigen Monaten in Deutschland eingesetzt werden, dann zurückkehren und nach erneuter Erteilung bzw. Verlängerung der polnischen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis ggf. erneut im Rahmen eines Vander Elst-Visums nach Deutschland entsandt werden. Die Richtigkeit dieser Angaben bestätigt sich durch die von der Beklagten vorgelegten Übersicht über die seit 2012 an ukrainische Arbeitnehmer der Beigeladenen erteilten Visa nach Vander Elst für Einsätze bei der B...B... GmbH und Co. KG in F....

Daraus ergibt sich, dass die Beigeladene kontinuierlich und durchgehend Arbeitnehmer stets an die B...B... GmbH & Co. KG entsendet, um in deren Werk Betonfertigteile herzustellen. Es ist in der Gesamtschau eine verfestigte und auf Dauer angelegte Zuführung von Arbeitskräften zugunsten der Produktionsstätte in Deutschland. Zwar wird der einzelne Arbeitnehmer jeweils nur vorübergehend entsandt und integriert sich nicht in den deutschen Arbeitsmarkt. Darauf kann es aber unter dem Gesichtspunkt der Relevanz für den Arbeitsmarkt des aufnehmenden Mitgliedstaates nicht ankommen; denn die von der Beigeladenen praktizierte Vorgehensweise entfaltet dieselbe Wirkung wie ein durchgehender Einsatz von Arbeitnehmern für die über alle Werkverträge betrachtete Dauer der Tätigkeit in Deutschland, nämlich die nicht nur vorübergehende Besetzung von Arbeitsplätzen im Werk der B...B... GmbH und Co. KG. Die serienmäßigen Wiederholungen der Entsendungen namentlich an den stets gleichen Einsatzort sind durch die Vander Elst-Kriterien nicht gedeckt (vgl. auch Hailbronner, Ausländer- und Asylrecht, C 1.1, Anm. BeschV Rn. 169 a.E.).

Die Richtigkeit dieser Gesamtbetrachtung wird durch Bestimmungen des Sekundärrechts gestützt. Art. 3 Abs. 6 UA 2 der Entsenderichtlinie 96/71/EG bestimmt, dass bei der Berechnung der Entsendedauer die Dauer einer gegebenenfalls im Rahmen einer Entsendung von einem zu ersetzenden Arbeitnehmer bereits zurückgelegten Entsendungsdauer berücksichtigt wird. Die Ergänzung der Entsenderichtlinie durch die Richtlinie (EU) 2018/957 sieht zudem in Art. 6 Abs. 1a UA 4 vor, dass dann, wenn ein Unternehmen einen entsandten Arbeitnehmer durch einen anderen entsandten Arbeitnehmer, der die gleiche Tätigkeit am gleichen Ort ausführt, ersetzt, als Entsendungsdauer die Gesamtdauer der Entsendezeiten der betreffenden einzelnen entsandten Arbeitnehmer gilt. Schließlich ist noch auf die Durchsetzungsrichtlinie 2014/67/EU zu verweisen, die unter anderem Vorschriften zur Vermeidung von Missbrauch im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerentsendung enthält, so Art. 4 Abs. 1, wonach bei der Durchführung der Entsenderichtlinie eine Gesamtbetrachtung aller tatsächlichen Umstände erforderlich ist, und Art. 4 Abs. 3, wonach bei der Beurteilung, ob ein entsandter Arbeitnehmer seine Tätigkeit vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, sämtliche Umstände zu prüfen sind, unter anderem (Buchstabe g) vorangegangene Zeiträume, in denen die Stelle von demselben oder einem anderen entsandten Arbeitnehmer besetzt wurde.

Diese Vorschriften sollen unter dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmerschutzes einem Missbrauch der Dienstleistungsfreiheit bei der Arbeitnehmerentsendung entgegenwirken. Der darin zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, dass eine Aufteilung einer längeren Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat in mehrere kürzere Entsendungen derselben oder anderer Arbeitnehmer außer Betracht bleibt, ist aber ebenso in dem hier gegebenen Zusammenhang maßgeblich.

cc. Eine Vorlage an den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens ist nicht veranlasst, weil die Kriterien für die Erteilung eines Vander Elst-Visums durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt sind und hier nur über deren Anwendung auf einen konkreten Fall zu entscheiden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.