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Normfeststellungsklage - Feststellungsinteresse (bejaht) - Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis (bejaht) - Mindestmenge - Qualitätssicherung - Perinatalzentrum Level 1 - Frühgeborene mit Geburtsgewicht unter 1.250 Gramm - Planbarkeit - Leistungsmenge und Leistungsqualität - Abhängigkeit in besonderem Maße (verneint) - IQWiG


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 21.12.2011
Aktenzeichen L 7 KA 77/10 KL ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 137 Abs 3 SGB 5, § 139a SGB 5, § 10 Abs 2 SGG, § 29 Abs 4 Nr 3 SGG, § 31 Abs 2 SGG, Art 3 Abs 1 GG, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG

Leitsatz

1. Die Heraufsetzung der Mindestmenge für die stationäre Versorgung Frühgeborener mit Geburtsgewicht unter 1.250 Gramm von 14 auf 30 mit Wirkung vom 1. Januar 2011 ist rechtswidrig. Die Mindestmengenvereinbarung des Gemeinsamen Bundesausschusses (Beschluss vom 17. Juni 2010) ist insoweit nichtig.
2. Der bloße Trend einer Risikoreduktion ist nicht geeignet, die besondere Abhängigkeit der Leistungsqualität von der Leistungsmenge im Sinne von § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V zu belegen.

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Beklagten vom 17. Juni 2010 insoweit rechtswidrig und damit nichtig ist, als er unter I. Nr. 1 die Mindestmenge für Perinatalzentren des Level 1 (Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.250 g) mit Wirkung vom 1. Januar 2011 von 14 auf 30 Fälle erhöht.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen

Tatbestand

Die 16 Klägerinnen betreiben Krankenhäuser. Sie wenden sich gegen die Heraufsetzung der Mindestmenge für Perinatalzentren des Level 1 von 14 auf 30 ab 1. Januar 2011.

Mit dem Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (Fallpauschalengesetz, FPG) vom 23. April 2002 (BGBl. I S. 1412) ermöglichte der Gesetzgeber als ein Element der Qualitätssicherung die Einführung von Mindestmengen für die Erbringung bestimmter Leistungen in zugelassenen Krankenhäusern. § 137 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) bestimmte in der Fassung des FPG u.a.:

(Abs. 1) Die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung vereinbaren mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft unter Beteiligung der Bundesärztekammer sowie der Berufsorganisationen der Krankenpflegeberufe Maßnahmen der Qualitätssicherung für nach § 108 zugelassene Krankenhäuser einheitlich für alle Patienten. Dabei sind die Erfordernisse einer sektor- und berufsgruppenübergreifenden Versorgung angemessen zu berücksichtigen; dazu ist der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Vereinbarungen nach Satz 1 regeln insbesondere (…)

(Nr. 3.) einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände (…)

Mit dem 1. Januar 2004 übertrug das Gesetz die Kompetenz für Maßnahmen der Qualitätssicherung im Rahmen von § 137 SGB V dem Gemeinsamen Bundesausschuss (im Folgenden: Beklagter; Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Modernisierungsgesetz, GMG] vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190).

Bereits im Mai 2004 stellten die Spitzenverbände der Krankenkassen einen Antrag auf Aufnahme einer Mindestmenge von 40 für die Behandlung von Neugeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht (very-low-birth-weight, VLBW, kleiner als 1.500 g) in neonatalen Intensiveinheiten.

Der Beklagte beschloss jedoch eine ab 1. Januar 2006 wirksame „Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen“ („NICU-Vereinbarung“, Beschluss vom 20. September 2005). Die Vereinbarung enthält keine Mindestmengen, jedoch Anforderungen an Infrastruktur, sächliche und personelle Ausstattung sowie Kriterien über die stationäre Aufnahme von Früh- und Neugeborenen. Aufgestellt wird zudem ein vierstufiges Versorgungskonzept:

- Perinatalzentrum Level 1 für die Versorgung von Frühgeborenen mit einer Reife < 1.250 g und/oder < 29+0 Schwangerschaftswoche (SSW),

- Perinatalzentrum Level 2 für die Versorgung von Frühgeborenen mit einer Reife von 1.250 – 1.499 g und/oder 29+0 bis 32+0 SSW,

- Perinataler Schwerpunkt (Unreife bei Geburtsgewicht von mindestens 1.500 g, postnatale Therapie absehbar, leistungsfähige Neugeborenenmedizin in Krankenhäusern mit Geburts- und Kinderklinik),

- Geburtsklinik (Geburt reifer Neugeborener ohne bestehendes Risiko, keine Kinderklinik vorhanden).

Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz,GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378, gültig ab 1. Juli 2008) wurde § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB V zu § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V. Die Vorschrift lautet nunmehr im Zusammenhang:

(Abs. 3) 1Der Gemeinsame Bundesausschuss fasst für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten auch Beschlüsse über (…)

(Nr. 2) einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände (…)

2 Wenn die nach Satz 1 Nr. 2 erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht wird, dürfen entsprechende Leistungen nicht erbracht werden. 3Die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde kann Leistungen aus dem Katalog nach Satz 1 Nr. 2 bestimmen, bei denen die Anwendung von Satz 2 die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährden könnte; sie entscheidet auf Antrag des Krankenhauses bei diesen Leistungen über die Nichtanwendung von Satz 2.

Im Mai 2007 nahm der Beklagte die Beratungen zur Einführung einer Mindestmenge für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen wieder auf. Im Juli 2007 beauftragte er das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der Erstellung eines Literaturevidenzberichts zur Fragestellung „Zusammenhang zwischen der Zahl der behandelten Früh- und Neugeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht (VLBW) und der Ergebnisqualität“.

Das IQWiG legte seinen Bericht zur Auswertung der aktuellen Literatur im August 2008 vor (https://www.iqwig.de/download/V07-01_Abschlussbericht_Menge_und_ Ergebnis_bei_der_Versorgung_von_Fruehgeborenen.pdf). Zusammenfassend formuliert der Bericht:

Ergebnisse

Es wurden insgesamt 12 Veröffentlichungen zu 10 Beobachtungsstudien identifiziert, die den Ein- und Ausschlusskriterien entsprachen. In 8 Studien wurde die primäre Zielgröße Mortalität untersucht. Dabei ergab sich insgesamt kein völlig einheitliches Bild. Allerdings weisen die Daten in der Gesamtschau auf einen statistischen Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität bei VLBW-Kindern hin, dergestalt, dass sich bei höherer Leistungsmenge die Ergebnisqualität verbessert. Bei 3 der 8 Studien, von denen 2 ein hohes Verzerrungspotenzial aufweisen, zeigte sich keine signifikante Assoziation zwischen Leistungsmenge und Ergebnisqualität. Demgegenüber stehen 4 Studien (alle mit niedrigem Verzerrungspotenzial), die einen statistischen Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität zeigen. Eine weitere Studie mit hohem Verzerrungspotenzial erlaubt keine Signifikanzaussage bzgl. des Zusammenhangs zwischen Leistungsmenge und Mortalität. Insbesondere die Studien mit deutschen Versorgungsdaten zeigen einen signifikanten statistischen Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Ergebnisqualität.

Lediglich 4 Publikationen untersuchten den Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und verschiedenen Morbiditätsvariablen. Die verfügbaren Daten waren insgesamt spärlich, sodass eine abschließende substanzielle Bewertung hier nicht erfolgen konnte.

Fazit

Zur Untersuchung eines Zusammenhangs bei der Versorgung von Frühgeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht zwischen der Leistungsmenge eines Krankenhauses und der Ergebnisqualität wurden in diesem Bericht insgesamt 12 Publikationen zu 10 Studien identifiziert und bewertet. Da es sich ausschließlich um Beobachtungsstudien handelt, können aus den Ergebnissen keine kausalen Zusammenhänge abgeleitet werden. Keine der Studien war konzipiert, explizite Schwellenwerte für Mindestmengen zu ermitteln; Aussagen über spezifische Schwellenwerte haben aufgrund der vorliegenden Datenlage keine sichere wissenschaftliche Basis.

Die Ergebnisse der eingeschlossenen Publikationen weisen bezüglich eines statistischen Zusammenhangs zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität bei der Versorgung von Frühgeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht kein völlig einheitliches und eindeutiges Bild auf. Allerdings geben die Daten in der Gesamtschau bezüglich der primären Zielgröße „Mortalität“ unter Berücksichtigung der Studien- und Publikationsqualität sowie ihres Populationsbezugs deutliche Hinweise auf einen statistischen Zusammenhang, der sich als Trend einer Risikoreduktion mit steigender Leistungsmenge darstellt. Die Daten zur Morbidität sind spärlich, nicht eindeutig und lassen hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen der Leistungsmenge und Ergebnisqualität keine abschließende Beurteilung zu.

Krankenhausleistungsmengen sind als Surrogatfaktoren zu betrachten. Andere Faktoren wie geburtshilfliche Bedingungen, der Transport von Mutter und Kind, die tägliche mittlere Belegungsrate, die Anzahl erfahrener Geburtshelfer / Neonatologen und speziell ausgebildeter Pflegekräfte tagsüber, nachts und am Wochenende sowie unbekannte, bisher nicht erforschte Faktoren können Auswirkungen auf die untersuchten Zielgrößen haben.

Das Institut empfiehlt im Falle der Einführung einer Mindestmengenregelung zur Versorgung von Frühgeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht eine Begleitevaluation, die geeignet ist, Auswirkungen dieser Intervention adäquat zu erfassen.

Mit Beschluss vom 18. Dezember 2008 (und mit Wirkung vom 1. April 2009) änderte der Beklagte seine „Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen“ (nunmehr: „Qneu-RL“), indem er u.a. in Abschnitt 1. A. der Anlage 1 mit Nr. 12 eine Regelmäßigkeitszahl einführte:

Strukturelle Voraussetzung für die Versorgung von Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von < 1.250 g ist, dass das Zeitintervall zwischen den Aufnahmen dieser Frühgeborenen in den letzten 12 Monaten durchschnittlich weniger als 30 Tage betragen hat.

Eine entsprechende Regelung wurde für die Perinatalzentren des Level 2 getroffen (Anlage 1, Abschnitt 2. A., Nr. 10).

In seiner Nichtbeanstandungsverfügung vom 20. Februar 2009 hielt das Bundesministerium für Gesundheit dies für eine Übergangslösung und einen ersten Schritt zur Vermeidung von „Gelegenheitsversorgung“; die Einführung einer höheren Mindestmenge sei „unverzichtbar“.

Mit Beschluss vom 20. August 2009 strich der Beklagte die im Dezember 2008 eingeführte „Regelmäßigkeitszahl“ und führte in seiner „Vereinbarung gemäß § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB V für nach § 108 zugelassene Krankenhäuser“ (Mindestmengenvereinbarung) in Nr. 8 mit Wirkung vom 1. Januar 2010 eine Mindestmenge von 14 Fällen pro Jahr für Perinatalzentren des Level 1 und des Level 2 ein.

Mit Verfügung vom 8. Dezember 2009 ließ das Bundesministerium für Gesundheit auch diesen Beschluss unbeanstandet.

Gegen den Beschluss des Beklagten vom 20. August 2009 haben die 16 Klägerinnen des vorliegenden Verfahrens Klage erhoben. Mit ihr wenden sie sich gegen die Mindestmenge von 14, wie sie zuvor vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2010 für Perinatalzentren des Level 1 galt. Der Senat hat das Verfahren von dem vorliegenden insoweit abgetrennt und führt es unter dem Aktenzeichen L 7 KA 147/11 KL fort.

In der Folgezeit – nach Fassung des Beschlusses vom 20. August 2009 – setzte der Beklagte seine kontroversen Beratungen über die Höhe der Mindestmenge für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen fort. Der GKV-Spitzenverband schlug Mindestmengen in Höhe von 30 Fällen für Perinatalzentren des Level 1 und in Höhe von 10 Fällen für solche des Level 2 vor; die Patientenvertreter beantragten eine Mindestmenge in Höhe von 36 Fällen für Perinatalzentren des Level 1 und keine Mindestmenge für solche des Level 2; die Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft beantragte, auf Mindestmengen ganz zu verzichten.

Mit Beschluss vom 17. Juni 2010 änderte der Beklagte die Mindestmengenvereinbarung mit Wirkung vom 1. Januar 2011, erhöhte (unter I. Nr. 1) die Mindestmenge für Perinatalzentren des Level 1 auf 30 Fälle pro Jahr und strich (unter I. Nr. 2) die Mindestmenge für Perinatalzentren des Level 2. Die Auswirkungen des Beschlusses auf die Versorgungsrealität und insbesondere die Ergebnisqualität seien zu evaluieren. In den „tragenden Gründen“ heißt es hierzu:

Die höhere Mindestmenge für Perinatalzentren Level 1 wird auf der Grundlage der in der Vereinbarung des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maß-nahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen gestellten spezifischen Anforderungen an die Strukturqualität von Perinatal-zentren Level 1 und auf die damit implizit geforderte ärztliche und pflegerische Erfahrung und Routine in der Behandlung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von kleiner als 1250 g festgelegt. Damit soll für die betroffenen, extrem gefährdeten Frühgeborenen, die Chance zu überleben bzw. ohne bleibende Behinderungen weiterleben zu können, verbessert werden. Die jetzt geforderte Mindestzahl an zu betreuenden Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht von unter 1250 g bedeutet bei durchgehender Belegung eine Betreuung von zwei bis drei solcher Frühgeburten im Monat. In Übereinstimmung mit der internationalen Literatur geht die Sterblichkeit von Säuglingen auch in Deutschland zu einem großen Teil zulasten der unreifen Frühgeborenen. Erst danach sind Fehlbildungen, Unfälle, andere Erkrankungen oder zum Beispiel der plötzliche Kindstod für die Sterblichkeit verantwortlich. Es ist daher gerechtfertigt, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Überlebenschance zu erhöhen.

Die bisher bestehende Mindestmenge für Perinatalzentren Level 2 in Höhe von 14 Fällen mit einem Geburtsgewicht von 1250 bis 1499 g pro Jahr entfällt im Hinblick auf eine deutlichere Abstufung der Anforderungen von Level 1 zu 2 und zur Verwirklichung bzw. Beibehaltung effektiver Netzwerkstrukturen zwischen Perinatalzentren Level 1 und Level 2. Die bisherige Regelung war nach Auffassung von Experten und Praktikern problematisch, weil eine Mindestfallzahl von 14 Kindern mit einem Geburtsgewicht 1250 bis 1499 g aufgrund des geringen Gewichtsintervalls derart schwer zu erreichen ist, dass dieser Versorgungslevel bisher nicht ausreichend umgesetzt wurde. Hierdurch zeichnete sich eine Ausdünnung der Perinatalzentren Level 2 ab. Dies steht einer gewünschten regionalen Netzwerkbildung entgegen.

In den Beschluss flossen Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität für diesen Leistungsbereich ein. Im Abschlussbericht des IQWiG „Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Ergebnis bei der Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht“ (V07-01) wiesen die eingeschlossenen Publikationen

„bezüglich eines statistischen Zusammenhangs zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität bei der Versorgung von Frühgeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht kein völlig einheitliches und eindeutiges Bild auf. Allerdings geben die Daten in der Gesamtschau bezüglich der primären Zielgröße „Mortalität“ unter Berücksichtigung der Studien- und Publikationsqualität sowie ihres Populationsbezugs deutliche Hinweise auf einen statistischen Zusammenhang, der sich als Trend einer Risikoreduktion mit steigender Leistungsmenge darstellt. Die Daten zur Morbidität sind spärlich, nicht eindeutig und lassen hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen der Leistungsmenge und Ergebnisqualität keine abschließende Beurteilung zu.“

Die dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorliegenden neueren Untersuchungen und Analysen zur Versorgungssituation in Deutschland und anderen Ländern, die in den Beratungsprozess einflossen, unterstützen im Wesentlichen dieses Fazit des IQWiG-Berichtes, wenngleich deren Interpretation kontrovers diskutiert wurde. Eine an Hand von Folien in der Sitzung des Plenums von Seiten der DKG vorgetragene noch nicht veröffentlichte Untersuchung, die zum Beleg eines fehlenden Zusammenhanges zwischen Fallzahl und Ergebnisqualität eingebracht wurde, konnte nur eingeschränkt berücksichtigt werden, weil nach einer mehr als dreijährigen strittigen Beratung spezifisch dieser Thematik eine erneute Vertagung mit dem Ziel der Auswertung dieser im Zeitpunkt der Beschlussfassung unveröffentlichten Studie nicht mehr zugelassen werden konnte. Aus solchen Erhebungen lassen sich auch nur sehr begrenzt Aussagen über die Auswirkungen einer Verdichtung der Zahl von Perinatalzentren Level 1 und einer durch Wegfall von Mindestmengen für Perinatalzentren Level 2 ermöglichten Netzwerkbildung auf eine Verbesserung der Qualität der Versorgung treffen.

Weiterhin wurde im vorliegenden Beschluss eine Evaluation der Auswirkungen der Mindestmengenvereinbarung auf die Versorgungswirklichkeit und die Ergebnisqualität festgelegt. Sie ist erforderlich insbesondere vor dem Hintergrund einer Datenlage mit unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten und einer auch im Gemeinsamen Bundesausschuss nach wie vor kontroversen Diskussion um die Auswirkung von Mindestzahlanforderungen für die Behandlung von Frühgeborenen auf die Qualität der Versorgung. Die Entscheidungsfindung war auch deshalb so schwierig, weil Mindestzahlanforderungen dazu führen, dass die medizinische Behandlung auf Zentren konzentriert wird, und dies im Konflikt zu Forderungen nach einer wohnortnahen Versorgung stehen kann. Die Aufhebung von Mindestzahlanforderungen für Perinatalzentren Level 2 und die damit ermöglichte Vernetzung von wohnortnahen Krankenhäusern dieser Versorgungsstufe mit zentralisierten Perinatalzentren Level 1 trägt diesem Umstand Rechnung.

Nach eingehender Beratung und umfassender Abwägung der zahlreichen kontrovers eingebrachten Argumente für und wider Mindestzahlanforderungen und deren Erhöhung bei der Versorgung von Früh- und Neugeborenen sowie der Evidenzbewertung durch das IQWiG wurde mit dem vorliegenden Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses eine Entscheidung getroffen, die den erforderlichen hohen fachlichen Standard bei der Versorgung dieser besonders schutzbedürftigen Kleinstkinder verbessern soll.

Gegen den Beschluss des Beklagten vom 17. Juni 2010, soweit er in Teil I. Nr. 1 die Mindestmenge für Perinatalzentren des Level 1 von 14 auf 30 erhöht, haben die Klägerinnen am 1. Oktober 2010 die vorliegende Klage erhoben. Gleichzeitig haben sie um Eilrechtsschutz nachgesucht und eine Aussetzung des genannten Beschlusses bis zur Entscheidung in der Hauptsache begehrt (L 7 KA 79/10 KL ER).

Im Eilverfahren L 7 KA 79/10 KL ER hat der Senat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2011 beschlossen, den Vollzug von I. Nr. 1 des Beschlusses des Beklagten vom 17. Juni 2010 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Hauptsache auszusetzen.

In Reaktion auf den Beschluss des Senats vom 26. Januar 2011 hat der Beklagte in seiner Sitzung vom 17. Februar 2011 beschlossen, die angefochtene Regelung in Nummer I.1 des Beschlusses vom 17. Juni 2010 allgemein und mit der Konsequenz außer Vollzug zu setzen, dass für die Perinatalzentren des Level 1 gemäß Nummer 8.1 der Anlage I der Mindestmengenvereinbarung in der vor dem 31. Dezember 2010 geltenden Fassung eine Mindestmenge von 14 gilt (BAnz. Nr. 32, S. 785). Die Aussetzung gilt bis zum Ende des Monats, welcher dem ersten erstinstanzlichen Urteil in einer der Klagen folgt, die bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (bei dem Senat) gegen den Mindestmengenbeschluss Level 1 vom 17. Juni 2010 anhängig sind.

Im Klageverfahren haben die Klägerinnenzu den konkreten Behandlungszahlen ihres Perinatalzentrums in den Jahren 2006 bis 2011, zum Vorhandensein einer Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V, zur Frage, ab wann das Perinatalzentrum Leistungen erbringt und zur Frage, ob und gegebenenfalls seit wann eine personelle Neuausrichtung des Perinatalzentrums vorgenommen worden ist, auf Anfrage des Senats erklärt:

Klägerin zu 1):

Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g:

2006   

2007   

2008   

2009   

2010   

2011   

19    

19    

12    

24    

25    

(hochgerechnet) 26

Eine Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V liege nicht vor. Der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs im Sinne der Anlage 2 Nr. 3 zur Mindestmengenvereinbarung sei nicht gegeben, das Level-1-Zentrum arbeite jedenfalls seit 2006. Eine personelle Neuausrichtung im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung sei ebenfalls nicht gegeben, denn seit 2001 habe es keinen Wechsel auf der Chefarztebene gegeben.

Klägerin zu 2):

Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g:

2006   

2007   

2008   

2009   

2010   

2011   

15    

11    

17    

11    

18    

(hochgerechnet) 26

Eine Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V liege nicht vor. Der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs im Sinne der Anlage 2 Nr. 3 zur Mindestmengenvereinbarung sei nicht gegeben, das Level-1-Zentrum erbringe seit April 2006 Leistungen. Eine personelle Neuausrichtung im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung sei ebenfalls nicht gegeben, denn seit 2006 habe es keinen Wechsel auf der Chefarztebene gegeben.

Klägerin zu 3):

Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g:

2006   

2007   

2008   

2009   

2010   

2011   

21    

25    

22    

27    

25    

(hochgerechnet) 19

Eine Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V liege nicht vor und sei auch nicht beantragt worden, weil eine unmittelbar benachbarte Klinik ebenfalls über ein Perinatalzentrum des Level 1 verfüge. Der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs im Sinne der Anlage 2 Nr. 3 zur Mindestmengenvereinbarung sei nicht gegeben, das Level-1-Zentrum erbringe Leistungen jedenfalls seit 2006. Eine personelle Neuausrichtung im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung habe seit 2006 nicht stattgefunden.

Klägerin zu 4):

Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g:

2006   

2007   

2008   

2009   

2010   

2011   

25    

25    

25    

24    

28    

(hochgerechnet) 19

Eine Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V liege nicht vor und sei auch nicht beantragt worden. Der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs im Sinne der Anlage 2 Nr. 3 zur Mindestmengenvereinbarung sei nicht gegeben, das Level-1-Zentrum erbringe jedenfalls seit 2006 Leistungen. Eine personelle Neuausrichtung im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung sei ebenfalls nicht gegeben, denn seit 2005 habe es keinen Wechsel auf der Chefarztebene gegeben.

Klägerin zu 5):

Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g:

2006   

2007   

2008   

2009   

2010   

2011   

25    

12    

18    

22    

21    

(hochgerechnet) 18

Eine Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V liege nicht vor und sei auch nicht beantragt worden, weil eine nur 14 km entfernte Klinik ebenfalls über ein Perinatalzentrum des Level 1 verfüge. Der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs im Sinne der Anlage 2 Nr. 3 zur Mindestmengenvereinbarung sei nicht gegeben, das Level-1-Zentrum erbringe jedenfalls seit 2006 Leistungen. Eine personelle Neuausrichtung im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung sei insoweit gegeben, als es im November 2009 zu einem Wechsel auf der Chefarztebene (Neonatologie) gekommen sei.

Klägerin zu 6):

Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g:

2006   

2007   

2008   

2009   

2010   

2011   

16    

11    

15    

14    

19    

(hochgerechnet) 18

Eine Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V liege nicht vor und sei auch nicht beantragt worden. Der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs im Sinne der Anlage 2 Nr. 3 zur Mindestmengenvereinbarung sei nicht gegeben, das Level-1-Zentrum erbringe jedenfalls seit 2006 Leistungen. Eine personelle Neuausrichtung im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung sei ebenfalls nicht gegeben, denn seit 2006 habe es keinen Wechsel auf der Chefarztebene gegeben.

Klägerin zu 7):

Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g:

2006   

2007   

2008   

2009   

2010   

2011   

12    

15    

17    

14    

26    

(hochgerechnet) 24

Eine Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V liege nicht vor. Der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs im Sinne der Anlage 2 Nr. 3 zur Mindestmengenvereinbarung sei nicht gegeben, das Level-1-Zentrum erbringe jedenfalls seit 2006 Leistungen. Eine personelle Neuausrichtung im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung sei ebenfalls nicht gegeben, denn seit 2007 habe es keinen Wechsel auf der Chefarztebene gegeben.

Klägerin zu 8):

Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g:

2006   

2007   

2008   

2009   

2010   

2011   

17    

17    

13    

24    

30    

(hochgerechnet) 13,2

Eine Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V liege nicht vor und sei auch nicht beantragt worden, da sich in der Nähe eine weitere Klinik mit einem Perinatalzentrum des Level 1 befinde. Der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs im Sinne der Anlage 2 Nr. 3 zur Mindestmengenvereinbarung sei nicht gegeben, das Level-1-Zentrum erbringe jedenfalls seit 2006 Leistungen. Eine personelle Neuausrichtung im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung sei insoweit gegeben, als es im März 2010 zu einem Wechsel auf der Chefarztebene (Kinder- und Jugendmedizin) gekommen sei.

Klägerin zu 9):

Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g:

2006   

2007   

2008   

2009   

2010   

2011   

26    

20    

23    

23    

25    

(hochgerechnet) 31

Eine Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V liege nicht vor. Der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs im Sinne der Anlage 2 Nr. 3 zur Mindestmengenvereinbarung sei nicht gegeben, das Level-1-Zentrum erbringe jedenfalls seit 2006 Leistungen. Eine personelle Neuausrichtung im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung sei ebenfalls nicht gegeben, denn seit 2006 habe es keinen Wechsel auf der Chefarztebene gegeben.

Klägerin zu 10):

Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g:

2006   

2007   

2008   

2009   

2010   

2011   

9       

17    

15    

7       

31    

(hochgerechnet) 17

Eine Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V liege nicht vor und sei auch nicht beantragt worden. Der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs im Sinne der Anlage 2 Nr. 3 zur Mindestmengenvereinbarung sei nicht gegeben, das Level-1-Zentrum erbringe jedenfalls seit 2006 Leistungen. Eine personelle Neuausrichtung im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung sei insoweit gegeben, als es im November 2009 zu einem Wechsel auf der Chefarztebene („Kinder/Neonatologie“) gekommen sei.

Klägerin zu 11):

Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g:

2006   

2007   

2008   

2009   

2010   

2011   

27    

36    

30    

29    

34    

(hochgerechnet) 41

Eine Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V liege nicht vor und sei auch nicht beantragt worden. Der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs im Sinne der Anlage 2 Nr. 3 zur Mindestmengenvereinbarung sei nicht gegeben, das Level-1-Zentrum erbringe jedenfalls seit 2006 Leistungen. Eine personelle Neuausrichtung im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung sei ebenfalls nicht gegeben, denn seit 2006 habe es keinen Wechsel auf der Chefarztebene gegeben.

Klägerin zu 12):

Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g:

2006   

2007   

2008   

2009   

2010   

2011   

14    

15    

15    

13    

11    

(hochgerechnet) 9

Eine Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V liege nicht vor und sei auch nicht beantragt worden, da eine andere Klinik in der Nähe ebenfalls über ein Perinatalzentrum des Level 1 verfüge. Der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs im Sinne der Anlage 2 Nr. 3 zur Mindestmengenvereinbarung sei nicht gegeben, das Level-1-Zentrum erbringe jedenfalls seit 2006 Leistungen. Eine personelle Neuausrichtung im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung sei insoweit gegeben, als es im November 2010 zu einem Wechsel auf der Chefarztebene (Gynäkologie/Geburtshilfe) gekommen sei. Mit Zustimmung der Kostenträger habe sich die Klägerin zu 12) daher für das Jahr 2011 auf die Ausnahmeregelung zur personellen Neuausrichtung berufen können. Ob ihr dies auch noch für das Jahr 2012 möglich sei, sei unklar.

Klägerin zu 13):

Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g:

2006   

2007   

2008   

2009   

2010   

2011   

2       

5       

7       

13    

14    

(hochgerechnet) 24

Eine Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V liege nicht vor und sei auch nicht beantragt worden, denn im Berliner Raum gebe es zwei weitere Perinatalzentren des Level 1.

Der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs im Sinne der Anlage 2 Nr. 3 zur Mindestmengenvereinbarung sei nicht gegeben, das Level-1-Zentrum erbringe jedenfalls seit 2006 Leistungen. Eine personelle Neuausrichtung im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung sei ebenfalls nicht gegeben, denn seit 2006 habe es keinen Wechsel auf der Chefarztebene gegeben.

Klägerin zu 14):

Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g:

2006   

2007   

2008   

2009   

2010   

2011   

25    

34    

24    

31    

35    

(hochgerechnet) 29

Eine Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V liege nicht vor und sei auch nicht beantragt worden. Der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs im Sinne der Anlage 2 Nr. 3 zur Mindestmengenvereinbarung sei nicht gegeben, das Level-1-Zentrum erbringe jedenfalls seit 2006 Leistungen. Eine personelle Neuausrichtung im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung sei ebenfalls nicht gegeben. In der Geburtshilfe sei es in den letzten Jahren zu keinem Wechsel auf der Chefarztebene gekommen.

Klägerin zu 15):

Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g:

2006   

2007   

2008   

2009   

2010   

2011   

10    

11    

8       

24    

28    

(hochgerechnet) 33

Eine Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V liege nicht vor und sei auch nicht beantragt worden, denn im Berliner Raum gebe es zwei weitere Perinatalzentren des Level 1.

Der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs im Sinne der Anlage 2 Nr. 3 zur Mindestmengenvereinbarung sei nicht gegeben, das Level-1-Zentrum erbringe jedenfalls seit 2006 Leistungen. Eine personelle Neuausrichtung im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung sei ebenfalls nicht gegeben, denn seit 2006 habe es keinen Wechsel auf der Chefarztebene gegeben.

Klägerin zu 16):

Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g:

2006   

2007   

2008   

2009   

2010   

2011   

17    

17    

18    

10    

23    

(hochgerechnet) 8,4

Eine Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V liege nicht vor und sei auch nicht beantragt worden. Der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs im Sinne der Anlage 2 Nr. 3 zur Mindestmengenvereinbarung sei nicht gegeben, das Level-1-Zentrum erbringe jedenfalls seit 2006 Leistungen. Eine personelle Neuausrichtung im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung sei ebenfalls nicht gegeben, denn seit 2006 habe es keinen Wechsel auf der Chefarztebene gegeben.

Zur Begründung der Klage haben die Klägerinnen im Wesentlichen vorgebracht:

Sie erfüllten sämtlich fortlaufend die Strukturvorgaben der NICU-Vereinbarung für ein Perinatalzentrum des Level 1. Auch krankenhausplanungsrechtlich seien sie insoweit nicht eingeschränkt, insbesondere nicht gehindert, Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g zu versorgen. Die entsprechenden Fallgruppen seien in den Budgetverhandlungen vereinbart worden. Praktisch führe die Anhebung der Mindestmenge von 14 auf 30 kurzfristig zur nachhaltigen Zerschlagung seit langem etablierter und gut arbeitender, regional bedeutsamer Versorgungseinheiten. Es drohten eine deutliche Verschlechterung der Versorgung Frühgeborener, auch durch die zu befürchtende Überlastung der verbleibenden Hochfrequenzzentren, und erheblich längere Fahrwege für die betroffenen schwangeren Frauen. Mit Wirksamwerden der Mindestmenge von 30 seien die Klägerinnen jeweils gezwungen, ihren Status als Perinatalzentren des Level 1 aufzugeben. Zu erwarten sei ein erheblicher Erlösverlust. Aufgrund der vergleichbaren Fixkostenbelastung sei auch ein Ausweichen auf den Level 2 defizitär, weil die Versorgung von Frühgeborenen unter 1.250 g wesentlich höhere Fallpauschalen auslöse als diejenige Frühgeborener über 1.250 g Geburtsgewicht. Beeinträchtigt werde auch die Geburtshilfe allgemein, da Schwangere in erheblichem Umfange zu den verbleibenden Hochfrequenzzentren umgeleitet würden, sofern eine Frühgeburt auch nur drohe. Mit einem Rückfall auf die dritte Versorgungsstufe (perinataler Schwerpunkt) müsse zur Abwendung einer Insolvenz – am Beispiel etwa der Klägerin zu 2) – eine Entlassung von 41 Vollzeitkräften einher gehen. Die Aberkennung des Status als Perinatalzentrum des Level 1 gehe nicht zuletzt auch bei den Zuweisern und der breiten Bevölkerung mit einem gravierenden Verlust an Renommee und Vertrauen einher.

Davon abgesehen sei der Beschluss vom 17. Juni 2010 aus mehreren Gründen rechtswidrig und damit nichtig. Frühgeburtlichkeit sei grundsätzlich nicht „planbar“ im Sinne von § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V, sondern verlaufe dynamisch und sei nicht vorhersehbar. Das zeige auch das sehr stark schwankende Zahlenmaterial der Jahre 2006 bis 2011. Zudem sei eine Kausalität zwischen Leistungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses nicht hinreichend sicher belegt. Leistungsmengen seien nur ein schwacher Surrogatfaktor für die Vorhersage der Leistungsqualität; maßgeblich ins Gewicht fielen auch andere Qualitätsanforderungen wie zum Beispiel Qualifikation und Geschick von Ärzten und Pflegekräften, Prozessqualität und sachliche Ausstattung. Der Beklagte habe insgesamt nur unzureichende Sachaufklärung betrieben, zumal das IQWiG in seinem Bericht vom 14. August 2008 ausdrücklich erklärt habe, dass aus den Ergebnissen der analysierten Beobachtungsstudien keine kausalen Zusammenhänge ableitbar seien. Konkrete Mindestmengen seien bei dieser Studienlage nicht begründbar. Erst recht sei nicht belegt, dass – wie vom Gesetz gefordert – Menge und Ergebnis „in besonderem Maße“ von einander abhängig seien. Schlichte – ohnehin nicht vorhandene – statistische Korrelationen reichten insoweit nicht aus. Im Rahmen der Ergebnisanalyse dürfe zudem nicht ausschließlich auf die Mortalität als Zielgröße abgestellt werden; hier bestehe die Gefahr einer Überschätzung von Einheiten, die eine niedrige Mortalität auf Kosten einer hohen Morbidität erzielten. Zu befürchten sei auch eine Fehlsteuerung dergestalt, dass Kliniken gegebenenfalls nicht mehr um jeden Preis bemüht sein könnten, sehr unreife Frühgeburten zu vermeiden, um die Mindestmenge zu erreichen. Eine Schwellenwertermittlung sei nicht einmal versucht worden; der Beklagte habe damit seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung gravierend verletzt. Die Mindestmenge von 14 sei ebenso willkürlich wie die von 30. Verfahrensfehlerhaft sei vor allem die Nichtberücksichtigung der in der Sitzung des Beklagtes vom 17. Juni 2010 vorliegenden, von der Deutschen Krankenhausgesellschaft in Auftrag gegebenen aktuellen Analyse der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS-Institut). Diese belege den fehlenden Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität im Rahmen der Frühgeborenenversorgung. Mit der neuen Mindestmengenregelung sei ein unzulässiger Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Grundgesetz (GG) verbunden. Hinzu komme die fehlende demokratische Legitimation des Beklagten für die getroffene Mindestmengenregelung, mithin die Verfassungswidrigkeit von § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V als Ermächtigungsgrundlage.

Entgegen der Auffassung des Beklagten bestehe an der Zulässigkeit der Klage, insbesondere angesichts der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, kein Zweifel. Die Normfeststellungsklage sei als solche statthaft, ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe; Subsidiarität sei ebenso zu verneinen wie fehlende Betroffenheit der Klägerinnen.

Die Klägerinnen beantragen,

festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten vom 17. Juni 2010 insoweit rechtswidrig und damit nichtig ist, als er unter I. Nr. 1 die Mindestmenge für Perinatalzentren des Level 1 (Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1250 g) mit Wirkung vom 1. Januar 2011 von 14 auf 30 Fälle erhöht,
hilfsweise den Beschluss des Beklagten vom 17. Juni 2010 insoweit aufzuheben, als er unter I. Nr. 1 die Mindestmenge für Perinatalzentren des Level 1 (Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.250 g) mit Wirkung vom 1. Januar 2011 von 14 auf 30 Fälle erhöht.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bringt im Wesentlichen vor: Die Klage sei schon unzulässig. Rechtsschutz gegen Normen im Wege einer abstrakten Normenkontrolle sei im sozialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen. § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG sei eine bloße Zuständigkeitsregelung. Es fehle zudem an der eigenen und unmittelbaren Betroffenheit der Klägerinnen: Es werde bestritten, dass sie alle die strukturellen Voraussetzungen für ein Perinatalzentren des Level 1 erfüllten; zudem entfalte die Mindestmengenvereinbarung ihre Wirkung erst in Gestalt der krankenhausplanerischen Maßnahmen der Länder bzw. in konkreten Pflegesatzvereinbarungen, gegen die gegebenenfalls primär vorzugehen sei. Insoweit sei auch ein Feststellungsinteresse nicht ersichtlich, die gewählte Klage sei subsidiär. Es müsse primär Rechtsschutz gegenüber den Krankenkassen und den Krankenhausplanungsbehörden gesucht werden.

Jedenfalls sei die Klage aber unbegründet. An der Tragfähigkeit der gesetzlichen Regelung in § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V bestehe kein Zweifel. Die Norm sei hinreichend bestimmt und verfolge einen legitimen Zweck, nämlich die Sicherung der Qualität von Krankenhausbehandlung.

Der Begriff „planbar“ beziehe sich nicht auf die konkrete medizinische Leistung aus Sicht der Ärzte oder Patienten, sondern solle „zum Ausdruck bringen, dass die Leistungserbringung im Vorhinein für das einzelne Krankenhaus geplant erfolgt – und zwar prognostisch oberhalb der Mindestmenge“; Bezugspunkt der Planbarkeit seien damit ausschließlich die Erlösbudgetverhandlungen. Weitere Ausführungen zur „Planbarkeit“ der Leistungen aus Sicht der Leistungserbringer erübrigten sich angesichts dieses Begriffsverständnisses.

Es lägen auch deutliche Anhaltspunkte vor, um den besonderen Zusammenhang der Qualität des Behandlungsergebnisses von der Menge der erbrachten Leistungen zu begründen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Qualitätssicherung durch Mindestmengen ein Instrument der Gefahrenvorsorge bzw. der Risikominderung darstelle. Die Regelungen der §§ 137 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 SGB V berechtigten ihn – den Beklagten – zu einem Risikomanagement, das im Sinne einer Gefahrenvorsorge der Wahrung der Grundrechte der Versicherten dienen solle. Dabei habe er in Bindung an die Erkenntnisse der Wissenschaft im Rahmen eines Beurteilungsspielraums festzulegen, wann der besondere Zusammenhang zwischen Menge und Qualität gegeben sei. Dadurch werde ein dynamischer Grundrechtsschutz gewährleistet, der berücksichtige, dass er nicht nur berechtigt, sondern zur Risikominimierung sogar verpflichtet sei, eine Mindestmenge festzulegen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergebe sich, dass der Gesetzgeber mit der verwendeten Begrifflichkeit „in besonderem Maße“ keine spezifischen Anforderungen habe stellen wollen. Das geforderte „besondere Maß“ gelte nicht für die Leistungsmenge, sondern für die Auswahl des Leistungsbereichs. „In besonderem Maße“ bestehe der Zusammenhang zwischen Quantität und Qualität jedenfalls dann, wenn Patienten besonders von der erhöhten Praxis der Behandler profitierten; dies sei der Fall, wenn die Menge einen besonders relevanten Indikator beeinflusse oder in einer Gesamtschau der beeinflussten Indikatoren Patientenrelevanz anzunehmen sei. Ein evidenzbasierter Beleg für eine konkrete Mindestmenge sei nicht erforderlich. Ein Beleg für die Wirksamkeit des Instruments „Mindestmenge“ dürfe nicht verlangt werden, denn es gebe zu viele Faktoren, welche die Qualität zu beeinflussen geeignet seien. Der vom Gesetz geforderte besondere Zusammenhang von Leistungsmenge und Ergebnisqualität sei bei der Gruppe der Frühgeborenen unter 1.250 g Geburtsgewicht gegeben. Allein die Tatsache, dass Frühgeburtlichkeit der die Säuglingssterblichkeit am stärksten beeinflussende Faktor sei, reiche aus, um den Grundsatz „Übung macht den Meister“ zur Anwendung kommen zu lassen und den Tatbestand des § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V zu bejahen. Auch das IQWiG habe deutliche Hinweise für das Bestehen eines Zusammenhangs von Menge und Mortalität gefunden. Eine „besonders starke“ Abhängigkeit dürfe insoweit nicht gefordert werden. Auch eine neuere Studie von Nocon/Gruber belege den Zusammenhang zwischen Menge und Qualität. Angesichts dieser Studienlage und der absoluten Relevanz des Endpunkts „Mortalität“ sei vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Mindestmengenregelung auszugehen.

Mit der konkreten Höhe der Mindestmenge von 30 bewege man sich im Entscheidungskorridor des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Erforderlichkeit und Angemessenheit seien gewährleistet. Sofern Grundrechte der Klägerinnen überhaupt berührt seien, liege ein verhältnismäßiger, dem Gemeinwohl dienender Eingriff vor. Einen absoluten Evidenzbeleg für eine bestimmte Mindestmenge gebe es nicht, der Nachweis für einen bestimmten Schwellenwert dürfe nicht verlangt werden. Um die entsprechend der Qneu-RL mit hohem, insbesondere personellem, Aufwand betriebenen Perinatalzentren des Level 1 gesundheitsökonomisch und betriebswirtschaftlich auszulasten, bedürfe es sogar einer Mindestmenge von etwa 40. Auch das IQWiG habe in seinem Bericht wissenschaftliche Belege für den Zusammenhang von niedrigerer Mortalität bei höherer Fallzahl gefunden. Eine Mindestmenge von 50 für Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1.500 g fordere auch die Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften zu den strukturellen Voraussetzungen der perinatologischen Versorgung in Deutschland. Derzeit überschritten in Deutschland 64 Einrichtungen die Mindestfallzahl von 30. Die geschätzte maximale Kilometerzahl für das Erreichen eines Level-1-Krankenhauses betrage insoweit 150 km. Bei jährlich rund 5.000 Frühgeborenen unter 1.250 g werde diese Zahl sich bei Geltung der Mindestmenge von 30 noch erhöhen.

Eine unterschiedliche Handhabung der Frühgeburten unter 1.250 g (Mindestmenge 30) und der Frühgeburten zwischen 1.250 und 1.499 g (Aufhebung jeglicher Mindestmenge) sei nicht willkürlich, denn auch die Qneu-RL nehme insoweit eine Differenzierung vor. Nach Beobachtung der Versorgungslandschaft und wegen der negativen Auswirkungen auf die essentielle Netzwerkbildung zwischen den verschiedenen Versorgungsleveln habe der Beklagte Abstand genommen von einer Mindestmenge für Perinatalzentren des Level 2. Unter Geltung einer Mindestmenge für Einrichtungen des Level 2 sei zu befürchten gewesen, dass es zur Schließung ganzer Abteilungen komme, was nicht Anliegen des Beklagten gewesen sei. Die Versorgung der Frühgeborenen über 1.250 g sei damit aber nicht ungeregelt, sondern unterliege nach wie vor den Strukturanforderungen der Qneu-RL. Die Versorgungslandschaft werde damit insgesamt nicht nachteilig beeinflusst. Die Klägerinnen könnten die von ihnen befürchteten Nachteile durch eine bewusste Entscheidung für einen Level-2-Status und eine Vernetzung mit einer Level-1-Einrichtung vermeiden.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte zum Hauptsache- (zwei Bände) und zum Eilverfahren L 7 KA 79/10 KL ER (zwei Bände) sowie auf die vom Beklagten eingereichte Normsetzungsdokumentation (zwei Ordner) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist für alle Klägerinnen zulässig und begründet.

A. Der Senat behandelt den vorliegenden Streit von Krankenhausträgern gegen den Gemeinsamen Bundesausschuss in Übereinstimmung mit dem für das Vertragsarztrecht zuständigen 6. Senat des Bundessozialgerichts als eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts im Sinne der §§ 10 Abs. 2, 31 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG; vgl. Urteile des 6. Senats des Bundessozialgerichts vom 31. Mai 2006, B 6 KA 13/05 R; vom 6. Mai 2009, B 6 KA 1/08 R; vom 3. Februar 2010, B 6 KA 31/09 R, jeweils zitiert nach juris; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 27. August 2010, L 7 KA 11/10 KL ER [Otobacid ®] und vom 26. Januar 2011, L 7 KA 79/10 KL ER [Mindestmengen Perinatalzentren] sowie Urteil vom 17. August 2011, L 7 KA 77/08 KL [Mindestmenge Knie-TEP], jeweils zitiert nach juris).

Zwar ist in der Rechtsprechung verschiedener Senate des Bundessozialgerichts umstritten, nach welchen Kriterien die besondere Zuständigkeit einer Kammer bzw. eines Senats für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts (§§ 10 Abs. 2, 31 Abs. 2 SGG) von der allgemeinen Zuständigkeit einer Kammer bzw. eines Senats für Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG) abzugrenzen ist; beim Großen Senat des Bundessozialgerichts ist insoweit auf Vorlage des dortigen 3. Senats (B 3 KR 36/09 B, Beschlüsse vom 10. März 2010 und 21. Juli 2011) ein Verfahren anhängig, in dem eine grundsätzliche Abgrenzung von krankenversicherungsrechtlicher und vertragsarztrechtlicher Streitigkeit vorgenommen werden soll (GS 1/10).

Im Interesse der Rechtssicherheit hält der Senat derzeit und bis zum 31. Dezember 2011 aber noch an der Zuordnung einer Streitigkeit wie der vorliegenden zum Vertragsarztrecht fest. Nichts anderes gilt vor allem angesichts der Regelungen in Art. 8 Nr. 1 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze, das der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung am 1. Dezember 2011 beschlossen hat (vgl. BT-Drs. 17/6764 [Gesetzentwurf der Bundesregierung] sowie BT-Drs. 17/7991 [Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales]). Mit der Neuregelung wird § 10 Abs. 2 SGG ein Satz angefügt, der den Gegenstand des Vertragsarztrechts konkretisieren will und lautet (in Zukunft § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGG): „Zu diesen Streitigkeiten gehören auch Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, soweit diese Entscheidungen und die streitgegenständlichen Regelungen der Richtlinien die vertragsärztliche Versorgung betreffen.“ Hieran gemessen wäre die Klage eines Krankenhausträgers gegen den Gemeinsamen Bundesausschuss zum Beispiel in Zusammenhang mit der Mindestmengenvereinbarung nicht mehr dem Vertragsarztrecht, sondern dem Krankenversicherungsrecht zuzuordnen, mit entsprechenden Konsequenzen für die Besetzung der Richterbank (vgl. §§ 12 Abs. 2 und 3, 33 SGG). So führt die Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 17/6764, S. 26, li.Sp.) auch ausdrücklich aus, dass Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137 Abs. 3 SGB V nicht mehr unter den Begriff des Vertragsarztrechts fielen.

Allerdings gilt die Neuregelung gemäß Art. 23 Abs. 1 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze erst mit Wirkung vom 1. Januar 2012. Schon deshalb verbietet sich eine Erstreckung auf das vorliegende Verfahren. Bestätigt sieht der Senat sich insoweit durch die Formulierung in der Gesetzesbegründung (a.a.O.), die zwar einerseits von einer „Klarstellung“ spricht, andererseits aber wiederholt anführt, diese solle erst „künftig“ gelten, also mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012. Nichts anderes ist insoweit der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 30. November 2011 (BT-Drs. 17/7991, S. 21, li.Sp.) zu entnehmen.

B. Für die Streitigkeit ist der Senat erstinstanzlich zuständig. Die Klage richtet sich unmittelbar „gegen Entscheidungen und Richtlinien“ des Beklagten im Sinne von § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG, nämlich gegen einen Verbindlichkeit entfaltenden Beschluss im Sinne der §§ 91 Abs. 6, 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V.

C. Die Klage ist zulässig (vgl. zum Folgenden schon Urteil des Senats vom 17. August 2011, L 7 KA 77/08 KL [Mindestmenge Knie-TEP], zitiert nach juris, dort Rdnr. 50 ff.). Die mit Nachdruck erhobenen Rügen des Beklagten greifen insoweit nicht durch und lassen sowohl die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung als auch den Zweck einer jeden Zulässigkeitsprüfung außer Betracht, nur offensichtlich ungeeignete Verfahren von der Sachprüfung im Rahmen der Begründetheit auszuschließen.

1. Statthaft ist die Klage als Normfeststellungsklage. Der erkennende Senat hat als 7. Senat des LSG Berlin-Brandenburg und als 7. Senat des früheren LSG Berlin in ständiger Rechtsprechung als Klage auf Feststellung des Bestehen oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG auch die Normfeststellungsklage für zulässig gehalten, wenn sie auf die Feststellung der Gültigkeit bzw. der Nichtigkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm gerichtet war (vgl. Urteile vom 15. Juli 2009, L 7 KA 30/08 KL [§ 116 b SGB V] und L 7 KA 50/08 KL; Urteil vom 17. März 2010, L 7 KA 125/09 KL [Monapax ®]; Beschluss vom 26. Januar 2011, L 7 KA 79/10 KL ER [Mindestmengen Perinatalzentren]; LSG Berlin, Urteil vom 14. Juni 1995, L 7 Ka 6/95 [laborärztliche Leistungen]; zitiert jeweils nach juris).

Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass es sich bei dem hier streitigen Beschluss des Beklagten nach § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V („Mindestmengenvereinbarung“) nicht um einen Verwaltungsakt handelt, der die Möglichkeit der Anfechtungsklage eröffnet, sondern um eine gemäß § 91 Abs. 6 SGB V verbindliche untergesetzliche Norm, vergleichbar mit den Richtlinien des Beklagten im Sinne von § 92 Abs. 1 SGB V, die in der Rechtsprechung seit Langem als untergesetzliche Rechtsnormen anerkannt sind und deren Bindungswirkung gegenüber allen Systembeteiligten ebenso außer Frage steht (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 20. März 1996, 6 RKa 62/94, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20; Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 21 [sortis]). Als sachgerechte Klageart kommt deshalb zur Vermeidung von verfassungsrechtlich im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) nicht hinnehmbaren Rechtsschutzlücken nur eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG in Betracht, weil das SGG – von dem seit 1. April 2011 geltenden, aber nur auf Satzungen nach § 22a Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende) bezogenen § 55a SGG abgesehen – offensichtlich lückenhaft ist und Rechtsschutz in Form der Normenkontrolle nicht ausdrücklich vorsieht; eine § 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechende Norm fehlt noch immer im SGG, das andererseits in § 29 Abs. 4 Nr. 3 – einer Norm zur funktionellen Zuständigkeit – Rechtsschutz gegen Entscheidungen und Richtlinien des Beklagten ausdrücklich voraussetzt und damit einen Bedarf an tauglichem Prozessrecht verursacht.

Diese Rechtsschutzmöglichkeit hat auch das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 31. Mai 2006 (B 6 KA 13/05 R [Clopidogrel], zitiert nach juris; vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 17. März 2010, L 7 KA 125/09 KL [Monapax ®]) anerkannt. Danach sind Klagen von Arzneimittelherstellern gegen die Rechtmäßigkeit von Therapiehinweisen, die der Beklagte zu einer Arzneimitteltherapie abgegeben hat, im Rahmen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig; zur Überzeugung des Senats kann für eine Klage gegen die Mindestmengenvereinbarung nach § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V nichts anderes gelten. Bestätigt sieht der Senat sich insoweit auch durch eine jüngst ergangene Entscheidung des 6. Senats des Bundessozialgerichts (B 6 KA 29/19 R [Monapax ®], Urteil vom 14. Dezember 2011). Der Terminsbericht (http://juris.bundessozialgericht.de) hebt ausdrücklich hervor, dass das Landessozialgericht im Verfahren nach § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG im Rahmen eines Feststellungsantrages über Wirksamkeit oder Ungültigkeit von Rechtsnormen zu entscheiden hat, „zumal bei Fehlen eines Normenkontrollverfahrens gemäß § 47 VwGO“.

2. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere besteht für alle Klägerinnen ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 55 Abs. 1, letzter Halbs. SGG („berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung“).

a) Das Feststellungsinteresse ist ein Sonderfall bzw. eine Ausprägung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses. Letzteres fehlt grundsätzlich, wenn das begehrte Urteil die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern würde oder wenn das angestrebte Ergebnis auf einfachere Weise erreicht werden kann (vgl. nur Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl. 2008, Rdnr. 16 vor § 51; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Rdnrn. 32, 33, 39 zu § 43). Das Feststellungsinteresse im Besonderen verlangt ein vernünftigerweise gerechtfertigtes, als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse am Ausgang der Sache, das rechtlicher, aber auch bloß wirtschaftlicher oder ideeller Art sein kann; an „baldiger“ Feststellung besteht ein Interesse, wenn eine Gefährdung oder Unsicherheit schutzwürdiger Interessen schon gegenwärtig besteht (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2006, B 3 KR 5/06 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17; Urteil vom 2. August 2001, B 7 AL 18/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11; Keller, a.a.O., Rdnrn. 15 a und 18 zu § 55).

Überspitzte Anforderungen verbieten sich auf dieser Ebene, um die Filterfunktion der Zulässigkeitsprüfung nicht zu sehr zu strapazieren, nicht in bloße Förmelei zu verfallen, die schutzwürdigen Interessen der Klägerseite ernst zu nehmen und der Begründetheitsprüfung Raum zu geben für eine Erörterung der fallentscheidenden Fragen.

b) Hieran gemessen haben alle Klägerinnen ein schutzwürdiges Interesse am Ausgang der Sache, denn die stattgebende Entscheidung verbessert ihre rechtliche und wirtschaftliche Stellung unmittelbar.

aa) Sämtliche Klägerinnen sind nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser, für die die Mindestmengenvereinbarung unmittelbar verbindlich ist. Gleichzeitig erbringen sämtliche Klägerinnen unstreitig Leistungen zur Versorgung von Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 1.250 g. Sie sind insoweit Adressatinnen der allgemeinverbindlichen Regelung, als mit ihr unmittelbar ein Verbot der Leistungserbringung statuiert wird. Dies liegt in der Natur der Mindestmenge und bedarf keiner weiteren behördlichen Umsetzungsmaßnahmen. So bestimmen sowohl § 137 Abs. 3 Satz 2 SGB V als auch § 5 der Mindestmengenvereinbarung ausdrücklich, dass die Vereinbarung für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser „unmittelbar verbindlich“ ist. „Wird die erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht, dürfen ab dem Jahr des jeweiligen Inkrafttretens der Mindestmenge entsprechende Leistungen nicht erbracht werden“. Die Mindestmengenregelung kann damit die Rechtstellung der Klägerinnen als Plankrankenhäuser und ihren Besitzstand in Bezug auf die (noch) erlaubte Versorgung von Frühgeborenen unter 1.250 g direkt beeinträchtigen. Bei privatrechtlicher Organisation der Krankenhäuser und überwiegend privater Trägerschaft kommt zudem das Vorliegen einer Berufsausübungsregelung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG in Betracht (vgl. hierzu Bohle, Mindestmengen im Krankenhaus, GesR 2010, S. 587 [589]).

Eine erfolgreiche Klage gegen den Beschluss des Beklagten vom 17. Juni 2010 würde ihre Rechtsstellung damit unmittelbar verbessern, weil sie einer Mindestmenge von nur 14 und nicht von 30 unterlägen.

bb) Ob die Klägerinnen sämtlich fortlaufend und gegenwärtig die strukturellen Voraussetzungen der „Vereinbarung“ des Beklagten „über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen“ vom 20. September 2005, zuletzt geändert am 20. August 2009, erfüllen, ist entgegen der Auffassung des Beklagten für die Zulässigkeit der Klage gegen die Mindestmenge unerheblich.

Die genannte Vereinbarung basiert auf § 137 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V; danach bestimmt der Beklagte für die vertragsärztliche Versorgung und für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 SGB V insbesondere „Kriterien für die indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität der durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen, insbesondere aufwändiger medizintechnischer Leistungen; dabei sind auch Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität festzulegen.“ Mit § 4 der Vereinbarung und deren Anlage 1 hat der Beklagte umfangreiche und sehr detaillierte „Merkmale der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität“ für die einzelnen Versorgungsstufen aufgestellt. Der Nachweis über die Erfüllung dieser Voraussetzungen zur neonatologischen Versorgung als Perinatalzentrum Level 1, Perinatalzentrum Level 2 oder Perinataler Schwerpunkt ist gegenüber den Krankenkassen vor Ort im Rahmen der jährlichen Pflegesatzverhandlungen in Form einer Checkliste gemäß Anlage 2 der Vereinbarung bis spätestens 30. September eines Jahres zu führen (§ 5 Abs. 2 der Vereinbarung); der medizinische Dienst der Krankenversicherung ist berechtigt, die Richtigkeit der Angaben vor Ort zu überprüfen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 der Vereinbarung).

Nur wenn offensichtlich wäre, dass im Einzelfall die Strukturvoraussetzungen der Vereinbarung nach § 137 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V nicht erfüllt werden und die Krankenkassen vor Ort es daher abgelehnt haben, Leistungen auf einem bestimmten Versorgungslevel zu vergüten, bestünden Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis für die Klage gegen die Mindestmengenregelung. Hierfür ist allerdings bei keiner der Klägerinnen etwas ersichtlich. Daher bleibt der Streit um die Mindestmenge unbeeinflusst von im Einzelfall gegebenenfalls bestehenden Problemen mit der Erfüllung der Strukturanforderungen aus der Vereinbarung nach § 137 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V.

cc) Es ist auch nicht ersichtlich, welchen Weg die Klägerinnen an Stelle des Normenkontrollantrages vorrangig gehen sollten, um die Mindestmenge von 30 nicht erbringen zu müssen. Einen Verweis auf eine etwa vorrangig bei der Krankenhausplanungsbehörde des Landes zu beantragende Ausnahmegenehmigung nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V hält der Senat nicht für sachgerecht. Es muss einem jeden Betroffenen offen stehen, sich gegen eine unmittelbar belastende Regelung an sich zu wenden, bevor er sich darauf einlässt, sich unter Inkaufnahme dieser Regelung um eine Ausnahme bzw. einen Dispens von derselben zu bemühen. Diese Sichtweise trägt auch dem gesetzlich vorgesehenen Zusammenspiel von Gemeinsamem Bundesausschuss und Landesplanungsbehörden Rechnung (vgl. Bohle, a.a.O. S. 595). Als oberstes Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist der Beklagte ermächtigt, zum Zwecke der Qualitätssicherung zentrale Vorgaben in Gestalt von Mindestmengen zu machen, die vor Ort – wie gezeigt – bei Unterschreitung der jeweiligen Fallzahlen zu einem verbindlichen Leistungserbringungsverbot der Krankenhäuser führen. Durchbrochen werden darf dies durch individuelle Ausnahmeentscheidungen der Landesbehörden, § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V, um die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausleistungen zu gewährleisten. Die Akteure verfolgen damit vom Zweck des Gesetzes her unterschiedliche Zielsetzungen. Jedenfalls darf ein Krankenhaus nicht auf den Weg der Ausnahme bzw. des Dispenses nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V verwiesen werden, wenn es der Überzeugung ist, dass die zentral vorgegebene Mindestmenge rechtswidrig sei, zumal die Erteilung der Ausnahme im Ermessen der Planungsbehörde steht und der Drittanfechtung unterliegen kann.

Daraus ergibt sich, dass es der Normfeststellungsklage am Feststellungsinteresse fehlt, wenn ein Krankenhaus tatsächlich über eine unbefristete Ausnahmegenehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V verfügt (hierzu Urteil des Senats vom 21. Dezember 2011, L 7 KA 93/11 KL). Das ist jedoch bei keiner der 16 Klägerinnen der Fall.

dd) Unabhängig davon kann der Klage auch nicht das Feststellungsinteresse abgesprochen werden, weil gegebenenfalls Ausnahmetatbestände im Sinne der Anlage 2 der Mindestmengenvereinbarung erfüllt sind. Ein „Aufbau neuer Leistungsbereiche“ im Sinne von Anlage 2 Nr. 3 mit der Möglichkeit eines Übergangszeitraums von 36 Monaten liegt bei keiner Klägerin vor. 12 der 16 Klägerinnen – alle außer den Klägerinnen zu 5), 8), 10) und 12) – unterlagen in der jüngeren Vergangenheit auch keiner „personellen Neuausrichtung“ im Sinne von Anlage 2 Nr. 4 mit der Möglichkeit eines Übergangszeitraums von maximal 24 Monaten. Unerheblich ist insoweit auch der bei den Klägerinnen zu 5) und 10) jeweils im November 2009 vollzogene Chefarztwechsel, denn dieser liegt nun jeweils schon 25 Monate zurück. Ohne Konsequenzen für das Rechtsschutzbedürfnis ist auch der Chefarztwechsel bei der Klägerin zu 8) im März 2010; unabhängig davon, dass der 24-monatige Zeitraum schon im März 2012 abgelaufen wäre, ist eine Ausnahmegenehmigung aufgrund von Anlage 2 Nr. 4 zur Mindestmengenvereinbarung nicht erteilt worden. Einzig die Klägerin zu 12) verfügt aufgrund des Chefarztwechsels Ende 2010 über eine Ausnahmegenehmigung bis Ende 2011, die nach ihrem Vorbringen aber nicht in das Jahr 2012 erstreckt werden wird. In keinem der 16 Fälle sind damit Ausnahmetatbestände erfüllt bzw. Ausnahmegenehmigungen nach der Anlage 2 zur Mindestmengenvereinbarung erteilt, die durchgreifende Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis begründen könnten.

ee) Schließlich gestalten sich auch die jeweiligen Fallzahlen so, dass die Mindestmenge von 30 unmittelbar belastend wirkt. Sämtliche Klägerinnen haben schlüssig dargetan, dass eine stattgebende Entscheidung des Senats ihre Rechtsstellung verbessern würde. Bei 14 der 16 Klägerinnen – alle außer der Klägerin zu 11) und der Klägerin zu 12) – bewegen sich die Fallzahlen der Jahre 2006 bis 2011 (insoweit jeweils im Rahmen einer Hochrechnung) durchweg zwischen 14 und 29; zwar wird der Wert von 14 in einzelnen Fällen und einzelnen Jahren unterschritten, während der Wert von 30 in einzelnen Fällen und einzelnen Jahren erreicht oder überschritten wird. Das Gesamtbild ist jedoch durchweg so, dass grundsätzlich von einer Überschreitung der Zahl 14 und einer ungewissen Überschreitung der Zahl 30 ausgegangen werden muss. Alle diese Klägerinnen haben deshalb ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom 17. Juni 2010, mit dem die Mindestmenge von 14 auf 30 erhöht wurde.

Dasselbe gilt aber auch für die Klägerinnen zu 11) und zu 12):

Die Klägerin zu 11) weist zwar verhältnismäßig hohe Fallzahlen auf; so lag die Anzahl der versorgten Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 g im Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2011 bei ca. 33. Allerdings zeigt das Gesamtbild der vom Senat für alle Klägerinnen angeforderten Zahlen eine erhebliche Schwankungsbreite von Jahr zu Jahr, was in der Natur der Sache liegt; auch die Klägerin zu 11) hatte in den Jahren 2006 und 2009 Fallzahlen von unter 30. Daher kann auch für die Klägerin zu 11) nicht mit der erforderlichen Sicherheit prognostiziert werden, dass sie die Menge von 30 in der Zukunft sicher erreichen oder überschreiten wird, so dass auch sie ein Interesse an der baldigen Feststellung im Sinne des Klageantrages hat.

Ähnlich – wenn auch im Ansatz umgekehrt – verhält es sich mit der Klägerin zu 12). Sie hat relativ niedrige Fallzahlen aufzuweisen, nämlich im Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2011 etwa 12,8. Gleichzeitig war die Grenze von 14 in den Jahren 2006 bis 2008 erreicht bzw. überschritten. Es kann daher nicht mit der notwendigen Sicherheit angenommen werden, dass die Klägerin zu 12) auch in Zukunft stets unter der Grenze von 14 Behandlungsfällen pro Jahr liegen werde. Sie ist daher ebenso rechtsschutzbedürftig wie die übrigen Klägerinnen, denen mit einer Fortgeltung der „14er-Regelung“ unmittelbar geholfen wäre.

3. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen bestehen nicht; insbesondere ist die Normfeststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht fristgebunden (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 17. August 2011, L 7 KA 77/08 KL [Mindestmenge Knie-TEP], zitiert nach juris, dort Rdnr. 57 bis 60).

D. Die Klage ist auch begründet. Denn die vom Gesetz in § 137 Abs. 3 Nr. 2 SGB V geforderten Voraussetzungen für die umstrittene Heraufsetzung der Mindestmenge für Perinatalzentren des Level 1 lassen sich nicht feststellen.

1. Im Rahmen der Normfeststellungsklage hat der Senat grundsätzlich einen engen Prüfungsmaßstab anzulegen und Zurückhaltung zu üben gegenüber der Normsetzungskompetenz des Beklagten. Gleichzeitig ist der Maßstab für eine Überprüfung administrativer Normsetzung ein weniger strenger als bei derjenigen von Parlamentsgesetzen durch die Verfassungsgerichtsbarkeit; die Zurückhaltung etwa des Bundesverfassungsgerichts gegenüber dem parlamentarischen Gesetzgeber muss eine andere sein als diejenige der Fachgerichtsbarkeit bei der Kontrolle von Rechtsnormen der Verwaltung. Die im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Richtlinien des Beklagten sind damit gerichtlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26 [sortis]; Gerhardt/ Bier in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Rdnr. 140 zu § 47; so auch schon der Senat im Urteil vom 17. August 2011, L 7 KA 77/08 KL [Mindestmenge Knie-TEP], zitiert nach juris, dort Rdnr. 62).

Hiervon ausgehend ist die vom Beklagten bewirkte Normsetzung darauf zu überprüfen, ob die spezifischen Verfahrens- und Formvorschriften eingehalten sind, ob sich die untergesetzliche Norm auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsnorm erfüllt sind und ob die Grenzen des Gestaltungsspielraums in Gestalt etwa höherrangigen Rechts eingehalten sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 31. Mai 2006, B 6 KA 13/05 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 68).

Die in § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V für den Erlass von Mindestmengen normierten Tatbestandsvoraussetzungen (Vorliegen planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist) sind danach vom Senat vollständig überprüfbar; der Gesetzgeber belässt dem Beklagten bei der Umsetzung dieser Regelungselemente keinen Gestaltungsspielraum (so ausdrücklich in Zusammenhang mit den Tatbestandsmerkmalen aus § 35 SGB V: Bundessozialgericht, Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26 [sortis]). Art. 19 Abs. 4 GG erlaubt und gebietet zugleich eine vollständige gerichtliche Überprüfung, denn das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V ist ohne Weiteres einer sachgerechten Überprüfung auch durch ein Gericht zugänglich.

Ein Gestaltungsspielraum ist nur eröffnet, wenn bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen das Tor für eine gestalterische Entscheidung gleichsam aufgestoßen ist, etwa in Bezug auf die Bewertung der zutreffend ermittelten Studienlage oder im Hinblick auf den Zeitpunkt der Einführung oder die konkrete Höhe der Mindestmenge. Ist Letzteres der Fall, hat der Senat den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum des Beklagten zu respektieren, denn insoweit steht dem Beklagten eine durch seine fachkundige und interessenpluralistische Zusammensetzung begründete Entscheidungsprärogative zu, die es ausschließt, dass die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen an die Stelle der vom Beklagten getroffenen Wertungen setzt (vgl. Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 8 Rdnr. 38; Beier in jurisPK-SGB V, § 92 Rdnr. 38; Bundessozialgericht, Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27 [sortis]; Urteil vom 31. Mai 2006, B 6 KA 13/05 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 67 ff. [Clopidogrel]; Urteil vom 16. Mai 2001, B 6 KA 20/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 31 [Überprüfung einer EBM-Ä-Regelung]; Urteil vom 19. März 2002, B 1 KR 36/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 29 [Leistungsausschluss für Hippotherapie]; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 2. Dezember 2009, L 9 KR 8/08 [sortis ® I], zitiert nach juris, dort Rdnr. 102).

2. Verfahrens- oder Formfehler sind in Zusammenhang mit der rechtlichen Überprüfung der Mindestmengenregelung für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.250 g nicht ersichtlich (vgl. hierzu den vorangegangenen Eilbschluss vom 26. Januar 2011, L 7 KA 79/10 KL ER, zitiert nach juris, dort Rdnr. 75 f.), im Gegensatz zu dem vom Senat kürzlich entschiedenen Fall zur Mindestmenge für die Versorgung mit Kniegelenktotalendoprothesen (Urteil vom 17. August 2011, L 7 KA 77/08 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 66 bis 80).

3. Die angegriffene Mindestmengenregelung ist aber materiell rechtswidrig und damit nichtig, denn sie steht nicht in Einklang mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Zur Überzeugung des Senats liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen aus § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V für die Erhöhung der Mindestmenge für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.250 g nicht vollständig vor.

a) Der Senat lässt zunächst ausdrücklich offen, ob es sich bei der Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.250 g um „planbare Leistungen“ im Rechtssinne handelt (anders noch Beschl. im Eilverfahren vom 26. Januar 2011, a.a.O., dort Rdnr. 79 bis 82). Denn hierauf kommt es nicht an.

b) Auch im Hauptsacheverfahren war nicht mit der notwendigen Sicherheit festzustellen, dass die Qualität der Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.250 g „in besonderem Maße“ von der Menge der erbrachten Leistungen abhängt.

aa) Der Gesetzgeber hat sich tatbestandlich als Voraussetzung für die Einführung einer Mindestmenge nicht mit einem einfachen Zusammenhang von Leistungsmenge und Behandlungsergebnis begnügt (Gesetzesbegründung: BT-Drs. 14/6893, S. 31 li.Sp.; s.a. Roters in Kasseler Kommentar, 69. Ergänzungslieferung 2011, SGB V, Rdnr. 33 zu § 137; v. Wolff, NZS 2009, S. 184 [188 f.]). Dieser dürfte ohnehin nach dem Motto „Übung macht den Meister“ bei so gut wie jeder Art von ärztlicher Behandlung bestehen, so dass ohne das Merkmal „in besonderem Maße“ annähernd jede Leistung – ihre Planbarkeit vorausgesetzt – von der Erbringung einer Mindestmenge abhängig gemacht werden könnte.

Notwendig ist vielmehr das Vorliegen von „Operationen oder Prozeduren (…), bei denen ein Zusammenhang zwischen der Zahl der durchgeführten Eingriffe und der Qualität der Leistung in besonderem Maße vorliegt“ (BT-Drs. a.a.O.). Diese Formulierung trägt der Erkenntnis Rechnung, dass Leistungsmengen nur ein mittelbarer Faktor zur Vorhersage von Leistungsqualität sind; unmittelbar wird das jeweilige Leistungsergebnis regelmäßig durch andere Faktoren wie etwa Qualifikation und Geschick von Ärzten und Pflegekräften, sachliche und personelle Ausstattung, Prozessqualität, Implementierung und Aktualisierung von Standards, Aufarbeitung von Fehlern und regelmäßige Fortbildung bestimmt. Der Fallzahl an sich kann dagegen nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann Steuerungsfunktion im Rahmen der Qualitätssicherung zukommen, wenn feststeht, dass in besonderem Maße eine Abhängigkeit von Leistungsmenge und Leistungsqualität feststellbar ist und nicht nur eine allgemeine statistische Assoziation (vgl. v. Wolff, a.a.O., S. 189).

Die erforderliche Gewissheit dafür, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses „in besonderem Maße“ von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, können zur Überzeugung des Senats nur belastbare wissenschaftliche Belege erbringen. Diese setzt der Antragsgegner selbst in § 3 Abs. 2 Nr. 1 der Mindestmengenvereinbarung voraus. Gefordert wird danach eine „Zusammenfassung des aktuellen Wissensstandes und empirischer Ergebnisse zu der Frage, ob für einen bestimmten Leistungsbereich die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistung abhängig ist (evidenzbasiertes Verfahren)“. Die Einhaltung dieses Standards ist nicht nur sachgerecht, sondern auch gesetzlich geboten. Der Beklagte muss ihn nach dem ihn bindenden, aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) abzuleitenden Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes bei seiner untergesetzlichen Normgebung beachten.

§ 137 Abs. 3 Nr. 2 SGB V bezweckt die Sicherung der Qualität der Krankenhausbehandlung und dient damit der in § 1 Satz 1 SGB V formulierten Aufgabe des SGB V, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Das u.a. mit § 137 Abs. 3 Nr. 2 SGB V verfolgte Ziel der Qualitätssicherung ist an den Wissenschaftsvorbehalt gebunden, der neben dem Gesetzesvorbehalt aus § 31 Sozialgesetzbuch/erstes Buch (SGB I) und dem Arztvorbehalt aus § 15 Abs. 1 SGB V die Leistungserbringung im SGB V beherrscht. So bestimmt schon § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen für die Versicherten dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Leistungen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, sind grundsätzlich weder ausreichend noch zweckmäßig, dürfen von den Leistungserbringern nicht bewirkt, von den Krankenkassen nicht bewilligt werden (vgl. § 12 Abs. 1 SGB V) und müssen von den Versicherten nicht als Erfüllung ihrer Ansprüche aus § 27 Abs. 1 SGB V akzeptiert werden. Auch die Aufgabenerledigung des Beklagten ist nach dem SGB V ausdrücklich dem Wissenschaftsvorbehalt unterworfen. Die vom Beklagten zu beschließenden Richtlinien müssen grundsätzlich dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Rechnung tragen (§ 92 Abs. 1 Satz 1, 3. Halbs. SGB V). Untersuchungs- und Behandlungsmethoden hat der Beklagte nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu bewerten (§§ 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 137 c Abs. 1 Satz 1 SGB V). Gemäß § 139 a Abs. 1 Satz 1 SGB V schließlich gründet der Beklagte ein fachlich unabhängiges, rechtsfähiges, wissenschaftliches Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und ist dessen Träger; das Institut ist international anerkannten wissenschaftlichen Standards verpflichtet (§ 139 a Abs. 4 Satz 1 SGB V).

Der so verstandene Wissenschaftsvorbehalt verpflichtet die Akteure des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung zunächst grundsätzlich dazu, den Versicherten nur Leistungen zur Verfügung zu stellen, deren Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in Theorie und Praxis wissenschaftlich erwiesen sind; nur so kann erreicht werden, dass das System der gesetzlichen Krankenversicherung mit der Zwangsmitgliedschaft Versicherter und deren Anspruch auf den besonderen Schutz ihres Lebens und ihrer Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Übereinstimmung gebracht wird. Aus dem Wissenschaftsvorbehalt folgt aber weiter, dass der Beklagte wirtschaftlich erbrachte Leistungen zugelassener Leistungserbringer, deren Qualität und Wirksamkeit nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin grundsätzlich anerkannt sind und im konkreten Fall insoweit keinen wissenschaftlich nachgewiesenen Qualitätsmängeln unterliegen, aus der Leistungserbringung für gesetzlich Versicherte nicht ausschließen darf. Ist mit einem solchen Ausschluss wie im vorliegenden Fall nach § 137 Abs. 3 Satz 4 SGB V zugleich der Ausschluss bestimmter Leistungserbringer aus dem Leistungsgeschehen verbunden, würde damit ggf. nicht nur in Rechte der Leistungserbringer aus Art. 12 Abs. 1 GG auf Freiheit ihrer Berufsausübung eingegriffen; es würden vor allem auch Rechte der Versicherten auf eine Wahl des Leistungserbringers ihres Vertrauens verletzt, die sich im vorliegenden Fall aus § 39 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 SGB V ergeben und verfassungsrechtlich auf Art. 2 Abs. 1 GG fußen. Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen sind unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Anforderungen an den wissenschaftlichen Nachweis fehlender Qualifikation besonders hoch, wenn die von der Ausschlussnorm Betroffenen - wie die Klägerinnen - nur geringe Möglichkeiten haben, den Ausschluss durch eigene Anstrengungen zu überwinden. Das ist hier der Fall, weil der Leistungsausschluss nach § 137 Abs. 3 Satz 4 SGB V wegen des Fehlens einer ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen an eine Tatsache anknüpft, auf die die Klägerinnen im Grundsatz nur in geringem Umfang Einfluss nehmen können und die sie insbesondere durch Bemühungen um eine verbesserte Qualifikation ihrer Ärzte und der Leistungserbringung im Übrigen nicht ohne Weiteres überwinden können.

Der Grundgedanke der gesetzlichen Regelung, eine am Versorgungsanspruch des Versicherten ansetzende, wissenschaftlich abgesicherte Qualitätssicherung zu bewirken, schließt es vor diesem Hintergrund aus, die Befugnis zur Einführung von Mindestmengen im Krankenhaus nach § 137 Abs. 3 SGB V gleichzusetzen mit einer Kompetenz zur Gefahrenabwehr im Sinne der Risikominimierung. Einen § 137 SGB V vermeintlich innewohnenden Aspekt der Gefahrenabwehr hat der Beklagte allerdings insbesondere im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich verteidigt. Er begegnet nicht nur verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Gefahrenabwehr und des Beklagten als Sonderordnungsbehörde mit der Kompetenz zum Erlass von Polizeiverordnungen (vgl. Art. 30 und 74 Nr. 12 GG). Vor allem ist er unvereinbar mit dem Zweck des Gesetzes und führte zu einer grundlegend verkehrten methodischen Herangehensweise. An die Stelle eines wissenschaftlich fundierten Belegs für die Abhängigkeit der Menge von der Qualität träte nämlich eine bloße Prognoseentscheidung, beruhend auf einer nur subjektiven Einschätzung, wie sie für die Ermittlung einer Gefahr typisch ist (vgl. hierzu Denninger in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, E 46). Eine solche Auslegung des § 137 Abs. 3 SGB V findet deshalb im SGB V keine Stütze.

Die nach alledem im Rahmen von Maßnahmen der Qualitätssicherung zwingend zu fordernden wissenschaftlichen Belege müssen unter Beachtung üblicher methodischer Standards der medizinischen Wissenschaft beweisen, dass die nach der gesetzlichen Wertung zugrunde zu legende Vermutung für einen Zusammenhang von Quantität und Qualität stärker als üblich besteht und eine nennenswerte, greifbare und patientenrelevante Beziehung zwischen Menge und Qualität existiert. Erforderlich ist hier mehr als nur eine schlichte statistische Assoziation, denn sie allein belegt keine „besondere“ Kausalität der Leistungsmenge für bessere Ergebnisqualität. Denkbar ist hier vor allem ein evidenz-basierter Nachweis über kontrollierte Studien.

bb) Hinreichende wissenschaftlichen Belege für eine besonders starke Abhängigkeit der Ergebnisqualität von der Leistungsmenge liegen dem Senat für den Bereich der Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.250 g nach wie vor nicht vor. Die Erkenntnislage hat sich insoweit gegenüber dem Zeitpunkt des Eilbeschlusses im Januar 2011 nicht maßgeblich verändert.

(1) Der Beklagte hat so schon keine Bestrebungen unternommen, die derzeit und seit 1. Januar 2010 geltende Mindestmenge von 14 einer Evaluation zu unterziehen. Eine Begleitevaluation hatte schon das IQWiG in seinem Abschlussbericht vom 14. August 2008 empfohlen, um die Auswirkungen der Einführung einer Mindestmengenregelung adäquat zu erfassen. Auch der Beklagte hat in seinem mit der Klage angefochtenen Beschluss vom 17. Juni 2010 angekündigt, eine „Evaluation der Auswirkungen der Mindestmengenvereinbarung auf die Versorgungswirklichkeit und die Ergebnisqualität“ vornehmen zu wollen. Das Fehlen einer solchen Evaluationsstudie, die beispielsweise die Auswirkungen der Mindestmenge von 14 hätte untersuchen können, wirkt sich letztlich zu Lasten des Beklagten aus, denn es kann nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass eine methodisch einwandfreie Evaluationsstudie tragfähige Belege für die Abhängigkeit der Behandlungsqualität von der Fallzahl erbracht hätte.

(2) Auch im Übrigen gibt es zur Überzeugung des Senats im Bereich der Frühgeborenenversorgung keine tragfähigen, den oben definierten Anforderungen genügenden Belege für die besondere Abhängigkeit der Leistungsqualität von der Leistungsmenge.

(a) Maßgeblich orientiert der Senat sich hier an dem im Auftrage des Beklagten erstellten Abschlussbericht des IQWiG vom 14. August 2008 zum „Zusammenhang zwischen der Zahl der behandelten Früh- und Neugeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht (VLBW) und der Ergebnisqualität“, dessen Thema vollständig dem gesetzlich vorgesehenen Tatbestandsmerkmal der Abhängigkeit der Qualität des Behandlungsergebnisses von der Menge der erbrachten Leistungen entspricht. Aber nicht nur die passgenaue inhaltliche Thematik des Berichts drängt es auf, ihm gehobene Relevanz beizumessen; gerade auch die besondere, gesetzlich begründete Stellung des IQWiG gebietet es, seinen Arbeitsergebnissen besondere Bedeutung beizumessen.

Der Beklagte hat das IQWiG gesetzeskonform als fachlich unabhängiges, rechtsfähiges, wissenschaftliches Institut errichtet (§ 139a Abs. 1 Satz 1 SGB V, eingeführt mit Wirkung vom 1. Januar 2004 durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190) Zu seinem Aufgabenbereich gehört u.a. nach § 139a Abs. 3 Nr. 2 SGB V die Erstellung von wissenschaftlichen Ausarbeitungen, Gutachten und Stellungnahmen zu Fragen der Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Leistungen. Das IQWiG arbeitet in einer transparenten Form unter Unterrichtung Betroffener und Interessierter über alle Arbeitsschritte und Arbeitsergebnisse (§ 139a Abs. 4 SGB V),insbesondere auch über die Grundlagen für die Entscheidungsfindung Mit § 139a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 SGB Vhat der Gesetzgeber klargestellt, dass das IQWiG seine Arbeitsmethode nach den international üblichen und akzeptierten Standards der evidenzbasierten Medizin auszurichten hat. Das IQWiG geht nach der Gesetzeskonzeption bei seinen Bewertungen in vergleichbarer hoch qualitativer Weise vor wie andere mit entsprechenden Aufgaben betraute Stellen im internationalen Bereich, z.B. das National Institute for Health and Clinical ExcellenceZusätzlich bestehen Rechte Sachverständiger, Interessierter und Betroffener, Stellung zu nehmen (§ 139a Abs. 5 SGB V). Ziel des Gesetzgebers ist es, durch Einbindung des IQWiG in die Zuarbeit für den Beklagten den dynamischen Prozess der Fortentwicklung der medizinischen und pflegerischen Leistungen zu sichern und die kontinuierliche Einbeziehung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in eine qualitativ gesicherte Leistungserbringung zu gewährleisten (vgl. BT-Drucks. 15/1525, S. 127).

Im vorliegenden Zusammenhang, nämlich im auf Einführung einer Mindestmenge gerichteten Verfahren, das auf Antrag der Spitzenverbände der Krankenkassen vom Mai 2004 in Gang gekommen war, hat der Beklagte das IQWiG folgerichtig und nachvollziehbar im Juli 2007 mit einem Bericht über den Zusammenhang zwischen der Zahl der behandelten Früh- und Neugeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht (VLBW) und der Ergebnisqualität beauftragt. Hierin lag nicht etwa nur eine formlose Anfrage, sondern die Erteilung eines förmlichen Auftrags im Sinne von § 139a Abs. 3 Nr. 2 SGB V. Dass der Beklagte das IQWiG nicht etwa zwingend beauftragen musste, wie das Gesetz es in anderem Zusammenhang vorsieht (z.B. im Rahmen der Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln gemäß § 35 b Abs. 1 Satz 1 SGB V), ist dabei – anders als vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat behauptet – unerheblich; denn jedenfalls bewegt die Beauftragung des IQWiG sich im Rahmen des ihm zugewiesenen Auftrags nach § 139a Abs. 3 Nr. 2 SGB V, so dass der Beklagte den Arbeitsergebnissen auch die ihnen zukommende Bedeutung beimessen muss. Gemäß§ 139b Abs. 4 Satz 1 SGB Vleitet das IQWiG seine Arbeitsergebnisse dem Beklagten als Empfehlungen zuDieser hat die Empfehlungen im Rahmen seiner Aufgabenstellung „zu berücksichtigen“ (§ 139b Abs. 4 Satz 2 SGB V), „wird also nur mit besonderer Begründung davon abweichen“ dürfen (so ausdrücklich Bundessozialgericht, Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 82 [sortis]).

Nur diese Sichtweise wird der vom Gesetzgeber vorgesehenen Rolle des IQWiG gerecht. Es stellt ein Expertengremium dar, das in seiner persönlichen und fachlichen Integrität und Qualität durch Transparenz und Unabhängigkeit gesetzlich und institutionell besonders abgesichert ist; aus AusstattungAufgabe und gesetzlichem Zweck der Einrichtung des IQWiG folgt sogar eine Rechtsvermutung für die Richtigkeit seiner Beurteilungen (so ausdrücklich Bundessozialgericht, Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 77 ff. [sortis]), die nur durch substantielle wissenschaftliche Beweise entkräftet werden kann.

(b) Der Abschlussbericht des IQWiG vom 14. August 2008 lässt indessen keine verlässlichen Schlussfolgerungen darauf zu, dass die Ergebnisqualität im Bereich der Frühgeborenenversorgung „in besonderem Maße“ von der Leistungsmenge abhängt. Das Gegenteil ist der Fall.

Der Bericht legt den Hintergrund, die Fragestellung, den Projektablauf, die Methoden und die Ergebnisse transparent und nachvollziehbar dar, ohne dass entscheidende Fragen offen blieben oder Widersprüche zutage träten. Im Rahmen einer Analyse der wissenschaftlichen Publikationslage wurden Interventions- und Beobachtungsstudien als relevant angesehen, die Aussagen zum primären Endpunkt der Mortalität und zu sekundären patientenrelevanten Zielgrößen wie der Morbidität enthielten. Die Auswahl der analysierten Studien erscheint transparent und sachgerecht. Insgesamt wurden 12 Veröffentlichungen zu Beobachtungsstudien identifiziert, die den Ein- und Ausschlusskriterien entsprachen.

In seinem „Fazit“ (S. 59) betont das IQWiG ausdrücklich, aus den Ergebnissen der ausgewerteten Beobachtungsstudien ließen sich keine kausalen Zusammenhänge ableiten; Aussagen über spezifische Schwellenwerte hätten keine sichere wissenschaftliche Basis. In Bezug auf die primäre Zielgröße „Mortalität“ gäben die Daten allerdings deutliche Hinweise auf einen statistischen Zusammenhang, der sich als Trend einer Risikoreduktion mit steigender Leistungsmenge darstelle. Die Daten zur Morbidität seien hingegen spärlich, nicht eindeutig und ließen hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen Leistungsmenge und Leistungsqualität keine abschließende Beurteilung zu.

Diesen Ausführungen lässt sich sowohl hinsichtlich der Mortalität als auch hinsichtlich der Morbidität nicht ansatzweise ein belastbarer Beleg für den notwendigen besonderen Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Leistungsqualität entnehmen.

Hinsichtlich der Morbidität ergeben die Ausführungen des IQWIG, dass sich ein Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Leistungsqualität nicht feststellen lässt. Allein dies belegt schon, dass die Voraussetzungen des Tatbestands des § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V nicht gegeben sind. Denn der Beklagte ist nach dieser Rechtsnorm nicht berechtigt, bei der Festsetzung von Mindestmengen zur Qualitätssicherung Feststellungen zur Morbidität vollständig außer Acht zu lassen. Weder die in §§ 1 Abs. 1 oder 2 Abs. 1 SGB V beschriebenen Ziele des SGB V noch die oben bereits zitierten Aufgabenzuweisungen des Gesetzes an den Beklagten ermächtigen diesen, bei seinen Beschlüssen zur Qualitätssicherung durch Mindestmengen dem Schutz des Lebens gegenüber dem der Gesundheit der Versicherten uneingeschränkt den Vorrang einzuräumen. Vielmehr definiert das Gesetz - zwar in anderem Zusammenhang (zur therapeutischen Verbesserung bei der Festsetzung von Festbeträgen) in § 35 Abs. 1b, jedoch beispielhaft für die Qualitätssicherung im SGB V -, dass als patientenrelevante Endpunkte für die Qualitätssicherung neben der Mortalität auch die Morbidität und die Lebensqualität zu berücksichtigen sind. Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, wäre eine Qualitätssicherung durch die Festsetzung von Mindestmengen, die sich allein am Mortalitätsrisiko auch auf Kosten ggf. lebenslang bestehender schwerster Behinderungen oder Schmerzen orientierte, für die Grundrechte der betroffenen Eltern und der Kinder aus Art. 2 Abs. 1, 2 Satz 1 und 6 GG so bedeutsam, dass sie in diesem Sinne ausdrücklich durch ein Parlamentsgesetz geregelt werden müsste. Ein solches Gesetz existiert aber nicht.

Aber auch hinsichtlich der Mortalität fehlt es an Belegen nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin für den durch das Gesetz geforderten besonderen Zusammenhang zwischen Leistungsmange und Leistungsqualität.

Der vom IQWiG so bezeichnete „Trend“ bewegt sich weit unterhalb der Gewissheit, die § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V für die Einführung einer Mindestmenge fordert. In der (nicht sachgerechten) ordnungsrechtlichen Terminologie des Beklagten könnte man hier auch von einem Gefahrenverdacht oder einer Gefahrenvermutung sprechen, worauf allerdings keine Maßnahme der Gefahrenabwehr folgen darf, sondern nur eine Maßnahme der Gefahrerforschung, hier in Gestalt einer wissenschaftlich tragfähigen Evaluation der seit Anfang 2010 geltenden Mindestmenge von 14 in der Versorgung von Frühgeborenen mit Geburtsgewicht unter 1.500 g.

Konsequent hat das IQWiG weiter ausgeführt (ebd.), Krankenhausleistungsmengen seien nur als „Surrogatfaktoren“ zu betrachten. Im vorliegenden Zusammenhang seien für die Leistungsqualität auch viele andere Faktoren maßgeblich wie geburtshilfliche Bedingungen, Transport von Mutter und Kind, tägliche mittlere Belegungsrate oder Anzahl erfahrener Geburtshelfer bzw. Neonatologen und speziell ausgebildeter Pflegekräfte tagsüber, nachts und am Wochenende. Damit dürfte die Leistungsmenge nach derzeitiger wissenschaftlicher Erkenntnis im Bereich der Frühgeborenenversorgung nur ein Faktor unter vielen anderen sein, die maßgeblich für die Leistungsqualität sind. Für die vom Gesetz geforderte Dominanz der Leistungsmenge in dem multifaktoriellen Geflecht ist jedoch nichts ersichtlich.

Insgesamt wirkt der Abschlussbericht des IQWiG vom 14. August 2008 schlüssig und überzeugend, so dass der Senat ihn ohne Weiteres zur maßgeblichen Grundlage seiner Entscheidung machen darf. Es gibt keinen Grund, an der methodengerechten, tragfähigen Herleitung des zitierten Fazits zu zweifeln. Stimmen aus der Wissenschaft, die ins Gewicht fallende Kritik an Vorgehensweise und Ergebnisformulierung des IQWiG üben würden, sind weder ersichtlich noch von den Beteiligten angeführt worden.

(c) Substantielle jüngere wissenschaftliche Beweise, die in der Lage wären, das vom IQWiG gewonnene Ergebnis zu entkräften, sind nicht ersichtlich. Das gilt insbesondere für die vom Beklagten durchgeführte „Update-Recherche“ seiner Abteilung „Fachberatung Medizin“ vom 4. August 2011, bearbeitet von Nocon/Gruber. Diese Update-Recherche baut auf der Untersuchung des IQWiG aus dem Jahre 2008 auf und konnte nur eine relevante neuere Studie ausfindig machen, die zudem keine komplett neue Datenquelle, sondern zum Teil nur eine Aktualisierung einer bereits im IQWiG-Bericht berücksichtigten Arbeit darstellt. Im Ergebnis konnte nur das vom IQWiG formulierte Fazit bestätigt werden.

4. Unabhängig davon hat der Beklagte zur Überzeugung des Senats sein Ermessen als Normgeber in Bezug auf die Gestaltung der Mindestmenge nicht beanstandungsfrei ausgeübt.

a) Die konkrete Höhe der Mindestmenge von 30 erscheint dabei grundsätzlich beanstandungsfrei. Sofern – wie hier – konkrete Schwellenwerte wissenschaftlich nicht begründbar sind, öffnet sich dem Antragsgegner ein Entscheidungskorridor, der jedenfalls unerträglich hohe Mindestmengen ausschließt, die entweder schlechthin nicht erfüllbar sind oder auf eine erhebliche Ausdünnung bzw. Zentralisierung der Versorgung in nur sehr wenigen Kliniken und damit auf Unterversorgung in bestimmten Regionen hinauslaufen. Hiervon kann aber bei einer Mindestmenge von 30 nicht die Rede sein. Angesichts von etwa 5.300 bis 5.500 Geburten in der Gewichtsklasse unter 1.250 g in Deutschland (vgl. Seeling/Metzinger in Das Krankenhaus 2010, S. 932) liegt auf der Hand, dass in Zukunft nicht nur sehr wenige, sondern einige dutzend Kliniken in Deutschland derartige Frühgeborenenversorgung vornehmen dürften. So hat auch der GKV-Spitzenverband errechnet, dass eine Mindestmenge von 30 mindestens 64 Kliniken zur Behandlung Frühgeborener der genannten Gewichtsklasse berechtigen würde. Diese Größenordnung an sich erscheint dem Senat grundsätzlich beanstandungs- und vor allem willkürfrei, zumal es den Landesplanungsbehörden – wie gezeigt – offen steht, die Versorgung im Einzelfall über eine Feinsteuerung durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V sicherzustellen.

b) Willkürlich im Sinne eines klar messbaren Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist der angefochtene Beschluss vom 17. Juni 2010 aber aus einem anderen Grund. Die Gruppenbildung von Frühgeborenen unter 1.250 g einerseits und ab 1.250 g andererseits lässt eine sachliche, durch Studienmaterial belegte Grundlage nicht erkennen. Beide Gruppen werden nach dem Beschluss vom 17. Juni 2010 ungleich behandelt, obwohl es kein sachliches Differenzierungskriterium gibt; Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht zwischen 1.000 g und 1.499 g müssen im Sinne der Qualitätssicherung stets als gleich schutzwürdig angesehen werden.

Von Beginn seiner Beratungen an verfolgte der Beklagte das Ziel der Qualitätssicherung bei der Behandlung der Frühgeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht. Das Spektrum des sehr geringen Geburtsgewichts (VLBW) beginnt nach international anerkanntem und nicht bestrittenem Sprachgebrauch bei einem Geburtsgewicht von unter 1.500 g. Schlüssig war insoweit die seit dem 1. Januar 2010 geltende Mindestmengenregelung, die für die Behandlung von Frühgeborenen unter 1.500 g grundsätzlich eine Mindestmenge von 14 vorsah, was Geltung entfaltete sowohl für die Perinatalzentren des Level 2 als auch für diejenigen des Level 1. Aus den tragenden Gründen des Beschlusses vom 17. Juni 2010 geht hervor, dass diese Regelung zu einer unerwünschten Ausdünnung der Level 2-Zentren geführt hat, weil im engen Gewichtssegment von 1.250 g bis 1.499 g eine Mindestfallzahl von 14 kaum zu erreichen war. Die vom Beklagten gezogene Schlussfolgerung hält der Senat für doppelt willkürlich: Einerseits wird für einen Teil der Frühgeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht, die nach der Einschätzung des Beklagten selbst alle in gleicher Weise schützenswert sind und von einer Qualitätssicherung über Mindestmengen profitieren sollen, die Mindestmenge ganz fallen gelassen, andererseits wird sie für das Segment des Geburtsgewichts unter 1.250 g mehr als verdoppelt. Diese gegenläufige Reaktionsweise ist in sich widersprüchlich und mit dem Zweck der Qualitätssicherung schlechthin nicht vereinbar. Zudem verfolgt der Beklagte mit seiner Maßnahme ausdrücklich das Ziel einer „regionalen Netzwerkbildung“; damit hat er schon das ihm obliegende Feld der Qualitätssicherung verlassen und das Terrain der Krankenhausstrukturpolitik betreten, das in der Zuständigkeit der Länderbehörden liegt.

Aus Sicht des Senats hätte der Beklagte daher zwingend überdenken müssen, ob er grundsätzlich an der Aufteilung der Versorgung Frühgeborener mit sehr geringem Geburtsgewicht in zwei Gewichtssegmente festhält oder ob nicht eine Differenzierung von Frühgeborenen in solche mit sehr geringem Geburtsgewicht (unter 1.500 g) und in solche mit einem extrem geringen Geburtsgewicht (unter 1.000 g) notwendig ist. Eine solche Überprüfung hielte der Senat aus zwei Gründen für erforderlich: Mindestmengenreglung einerseits und die bisher praktizierte Aufteilung der Perinatalzentren nach Level 1 und Level 2 andererseits haben sich nicht als kompatibel erwiesen; auch international gibt es nur eine einheitliche Nomenklatur zu den sehr kleinen Frühgeborenen, denn der Begriff „VLBW“ erstreckt sich auf das Segment des Geburtsgewichts zwischen 1.000 g und 1.499 g.

So differenziert schon der Fallpauschalenkatalog (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz i.V.m. § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz) für das Jahr 2011 in den maßgeblichen DRG´s für die Versorgung Neugeborener nicht anhand der Grenze von 1.250 g; die DRG´s P03A, P03B und P03C legen als einheitliche Gewichtsklasse ein Aufnahmegewicht von 1.000 g bis 1.499 g fest (http://www.g-drg.de/cms/G-DRG-System_2011/Fallpauschalen-Katalog/Fallpauschalen-Katalog_2011).

Besonderes Gewicht misst der Senat aber der einschlägigen Leitlinie der deutschen wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften bei (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin und Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin). In der Leitlinie „Indikationen zur Einweisung von Schwangeren in Krankenhäuser der adäquaten Versorgungsstufe“ (Stand Oktober 2010; http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/024-001_S1_Indikationen_zur_Einweisung_von_Schwangeren_in_Krankenhaeuser_der_adaequaten_Versorgungsstufe_06-2008_06-2013.pdf) sind als maßgebliche Gewichtsgrenzen, die unterschiedliche Einweisungen gebieten, 1.000 g und 1.500 g genannt. Ausdrücklich merkt die Leitlinie an, dass der Beklagte zusätzlich und abweichend die Grenze von 1.250 g berücksichtige. Ein nachvollziehbarer Grund hierfür ist im gesamten Verfahren nicht erkennbar geworden.

E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.