Gericht | FG Berlin-Brandenburg 12. Senat | Entscheidungsdatum | 17.08.2011 | |
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Aktenzeichen | 12 K 12253/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Klägerin erhob mit Schriftsatz vom 01. November 2010 Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 2006. Gegen diesen Bescheid war unstreitig zu der Zeit bereits unter dem Aktenzeichen 5 K 5201/09 ein Klageverfahren bei dem 5. Senat des Gerichts anhängig.
Zu dem hier anhängigen Klageverfahren kam es dadurch, dass der Beklagte mit Datum vom 17. Februar 2010 einen Änderungsbescheid über Umsatzsteuer 2006 erließ. In den Erläuterungen führte der Beklagte aus, dass der Bescheid den – mit der Klage in dem Verfahren 5 K 5201/09 angegriffenen – Bescheid vom 26. November 2008 ändere. Der Beklagte erteilte dazu eine Rechtsbehelfsbelehrung über die Statthaftigkeit des Einspruchs, der allerdings folgender Zusatz beigefügt war:
„Ein Einspruch ist jedoch ausgeschlossen, soweit dieser Bescheid einen Verwaltungsakt ändert oder ersetzt, gegen den ein zulässiger Einspruch oder (nach einem zulässigen Einspruch) eine zulässige Klage, Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde anhängig ist. In diesem Fall wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens.“
Die Klägerin, vertreten durch ihre Bevollmächtigte, legte gegen diesen Bescheid mit Schreiben vom 12. März 2010 Einspruch ein. Mit Schreiben vom selben Tage legte sie auch Einsprüche ein gegen die Bescheide über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 2006, die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer 2006, die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß §§ 27 Abs. 2 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 3 und 38 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) für 2006, die Bescheide über Gewerbesteuermessbetrag und Gewerbesteuer 2006 und die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes 2006. Der Beklagte fasste die Einsprüche zusammen und wies sie mit Einspruchsentscheidung vom 28. September 2010 als unbegründet zurück.
Die Klägerin räumt ein, dass die Klage unzulässig ist. Sie ist jedoch der Auffassung, dass nach Rücknahme der Klage der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen habe, da er den Einspruch vom 12. März 2010 unrichtigerweise nicht als unzulässig, sondern als unbegründet zurückgewiesen habe. Daher sei es ihr, der Klägerin, nicht anzulasten, dass sie daraufhin die hier anhängige unzulässige Klage erhoben habe.
Der Beklagte macht geltend, dass er in der Rechtsbehelfsbelehrung des Änderungsbescheides darauf hingewiesen habe, dass der Einspruch nur dann statthaft sei, wenn er durch den Änderungsbescheid nicht ein Bescheid geändert werde, der bereits Gegenstand eines Einspruchs- oder Klageverfahrens sei. Die Klägerin habe somit einen unzulässigen Einspruch eingelegt. Der Umstand, dass er, der Beklagte, diesen Einspruch nicht als unzulässig, sondern als unbegründet zurückgewiesen habe, sei nicht so gravierend, als dass ihm die Kosten des Klageverfahrens aufzuerlegen wären.
Darauf erwidert die Klägerin, dass es ihr nicht zumutbar gewesen sei, die Situation nach Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 28. September 2010 zutreffend einzuschätzen. Zwar vertrete ihre Bevollmächtigte in diesem Verfahren sie auch in dem Verfahren 5 K 5201/09 vor dem 5. Senat des Gerichts. Ihr, der Klägerin, Geschäftsführer habe aber nicht überblicken können, ob in dem hier anhängigen Verfahren bereits Klage eingereicht worden sei und ob dies zur Wahrung ihrer, der Klägerin, steuerlichen Interessen notwendig gewesen sei. Da es ihrem, der Klägerin, Geschäftsführer nicht zumutbar gewesen sei, den Überblick über diese diffizile Problematik zu behalten, sei Klage geboten gewesen. Zudem habe in der laufenden Steuerberatung in dieser Zeit ein Beraterwechsel stattgefunden.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Rechtshängigkeit der Streitsache 5 K 5201/09 löst eine Sperrwirkung aus. Eine Klage mit demselben Streitgegenstand gegen dasselbe Finanzamt ist bei jedem anderen Gericht und bei demselben Gericht unzulässig (§§ 70, 155 FGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes [GVG]). Dem Interesse der Klägerin an effektivem Rechtsschutz wird durch eine Entscheidung im diesem Verfahren entsprochen.
Der Senat kann offen lassen, ob die Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig ist oder ob sie, weil der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen hat, als unbegründet abzuweisen ist (im letzteren Sinne Beschluss des Bundesfinanzhofes [BFH] vom 11. November 2008 – V B 2/08, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs [BFH/NV] 2009, 401).
Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, dass die Kosten des Verfahrens wegen falscher Sachbehandlung dem Beklagten aufzuerlegen seien. Die Rechtsprechung hat es bislang, soweit ersichtlich, für unerheblich gehalten, ob die Finanzbehörde einen Einspruch zutreffend als unzulässig oder unzutreffend als unbegründet zurückweist (vgl. BFH in BFH/NV 2009, 401; für einen vergleichbaren Fall – Kosten eines unzulässigen Beschwerdeverfahrens, nachdem ein Änderungsbescheid versehentlich nicht zum Gegenstand eines anderen bereits anhängigen Verfahrens gemacht wurde – BFH-Beschluss vom 30. Juli 2009 – VIII B 61/09, juris). Der erkennende Senat schließt sich dem an. Es ist zuvorderst Sache des Klägers, zu prüfen, ob ein Einspruch in zulässiger Weise eingelegt oder eine Klage in zulässiger Weise erhoben werden kann. Wenn durch einen unzulässigen Einspruch ein Einspruchsverfahren in Gang gesetzt wird, ist es der Finanzbehörde nicht anzulasten, dass sie dies nicht sofort erkennt. Die Klägerseite hat vielmehr die Folgen, die sich aus der Einspruchseinlegung ergeben, zu tragen, und zwar auch insoweit, als sich danach ein Klageverfahren anschließt, das möglicherweise hätte vermieden werden können, wenn der Beklagte den Einspruch zutreffend als unzulässig zurückgewiesen hätte. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn Kenntnis über das anhängige Verfahren allein die Finanzbehörde, nicht aber die Klägerseite hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Klägerseite fällt es regelmäßig leichter, zu beurteilen, ob ein Streitgegenstand schon rechtshängig gemacht wurde, als der Finanzbehörde, die in dem Massenverfahren der Einspruchsbearbeitung diesen Umstand eher übersehen kann.
Ohne Erfolg macht die Klägerin demgegenüber geltend, dass ihr Geschäftsführer den Überblick über die Notwendigkeit der Klageerhebung verloren gehabt habe und die Klageerhebung in diesem Verfahren daher notwendig gewesen sei. Der Geschäftsführer der Klägerin ist insoweit selbst überhaupt nicht tätig geworden, sondern stets die Bevollmächtigte der Klägerin. Der Bevollmächtigten der Klägerin ist zuzumuten, zu wissen, dass sie wegen eines Streitgegenstandes bereits Klage erhoben hat und dies nicht erneut tun kann. Daher ist es auch unerheblich, dass möglicherweise im fraglichen Zeitraum ein – die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, soweit ersichtlich, nicht tangierender – Wechsel in der laufenden Steuerberatung stattgefunden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.