Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 a) ArbGG statthafte sowie gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Berufung der Beklagten blieb in der Sache erfolglos.
Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz führte nicht zu einem anderen Ergebnis. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Treuegeld erworben, der weder durch das Unterbleiben einer Geltendmachung in den Jahren 2004 bis 2006 noch durch die am 01.01.2008 in kraft getretene Gesamtbetriebsvereinbarung für die Folgejahre und damit auch für das Jahr 2009 beseitigt worden ist.
1.
Der Anspruch des seit dem 01.09.1962 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigten Klägers auf Zahlung eines Treuegeldes in Höhe von 300,00 € für das Jahr 2009 folgt im Grundsatz aus einer betrieblichen Übung, die von der Beklagten durch die regelmäßige vorbehaltlose Zahlung der Treuegelder nach den Maßgaben von Punkt 6.16 der MuBO, zuletzt i. V. m. der Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 86.1 „Rundung auf glatte Eurobeträge“ begründet wurde.
Für die Zahlung des Treuegeldes bestand im Betrieb H. der Beklagten keine kollektivrechtliche Grundlage, da eine der MBO entsprechende Betriebsvereinbarung dort nicht abgeschlossen wurde. Eine Gesamtzusage mit dem Inhalt der MBO ist von der Beklagten gleichfalls nicht erteilt worden (vgl. Urteil des BAG vom 28.06.2006 – 10 AZR 385/05 -, EzA § 242 BGB 2002 Betriebliche Übung Nr. 7).
2.
Die dreimalige Nichtgeltendmachung des Treuegeldes in den Jahren 2004 bis 2006 hat den Anspruch des Klägers auf Treuegeld für die folgenden Jahre nicht beseitigt.
Spätestens seit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes können die vom BAG zuvor aufgestellten Grundsätze zur Verschlechterung oder Beseitigung durch betriebliche Übung entstandener vertraglicher Ansprüche von Arbeitnehmern auf Sonderzahlungen aufgrund einer gegenläufigen betrieblichen Übung nicht mehr aufrecht erhalten werden. Die Annahme, dass eine dreimalige Nichtgeltendmachung einer aufgrund betrieblicher Übung entstandenen Forderung die Verpflichtung des Arbeitgebers beenden könne, ist mit dem Klauselverbot für fingierte Erklärungen in § 308 Nr. 5 BGB nicht zu vereinbaren (vgl. Urteil des BAG vom 18.03.2009 – 10 AZR 281/08 -, EzA § 242 BGB 2002 Betriebliche Übung Nr. 9).
Die unterbliebene Geltendmachung der Treuegelder seitens des Klägers in den Jahren 2004 bis 2006 hatte deshalb lediglich zur Folge, dass Ausschlussfristen verstrichen sind, nicht jedoch, dass ihm das zugrunde liegende Recht verloren ging (vgl. Urteil des BAG vom 25.11.2009 – 10 AZR 779/08 -, NZA 2010, S. 283 ff.).
2.
Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Treuegeld für das Jahr 2009 ist nicht aufgrund des Inkrafttretens der Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 19 „Pensionsplan B. Transportation Deutschland“ vom 12.12.2007 am 01.01.2008 entfallen bzw. gar nicht erst zur Entstehung gelangt. Diese Betriebsvereinbarung hat die Ansprüche der Arbeitnehmer auf die von der Beklagten aufgrund langjähriger betrieblicher Übung zu zahlenden Treue- und Jubiläumsgelder nicht abgelöst.
2.1
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können durch betriebliche Übung begründete vertragliche Ansprüche auf Sozialleistungen nicht nur durch vertragliche Vereinbarung oder wirksame Änderungskündigung beseitigt, sondern auch durch Betriebsvereinbarung abgelöst werden.
Die betriebliche Übung ist ebenso wie die vertragliche Einheitsregelung und die Gesamtzusage ein individualrechtliches Gestaltungsmittel mit kollektivem Bezug. Für ihr Verhältnis zu einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung gilt nicht das Ablösungsprinzip, sondern grundsätzlich ein modifiziertes Günstigkeitsprinzip, das die aus § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG folgende unmittelbare und zwingende Wirkung der Normen der Betriebsvereinbarung einschränkt. Die Regelungen der Betriebsvereinbarung dürfen bei einem „kollektiven Günstigkeitsvergleich“ gegenüber der bisherigen betrieblichen Übung für die Gesamtheit der von ihr erfassten Arbeitnehmer nicht ungünstiger sein (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des BAG vom 16.09.1986 – GS 1/82 – und vom 07.11.1989 – GS 3/85, EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 17 und 34 sowie Urteil des BAG vom 19.02.2008 – 3 AZR 61/06 -, EzA § 1 BetrAVG Betriebliche Übung Nr. 9).
Ein kollektiver Günstigkeitsvergleich ist nur dann erforderlich, wenn Ansprüche auf freiwillige Sozialleistungen sowohl im einzelnen Arbeitsvertrag als auch in der Betriebsvereinbarung geregelt sind. Die inhaltlichen Besonderheiten bestimmen die Kriterien des Vergleichsmaßstabs bei der Anwendung des Günstigkeitsprinzips. Nur wenn die kollektiven Voraussetzungen und ein entsprechender Verteilungsplan das Bild einer vertraglichen Einheitsregelung bestimmen, dürfen bei der Anwendung des Günstigkeitsprinzips nicht die einzelnen Zusagen und individuellen Besitzstände in die Vergleichsbetrachtung einbezogen werden. Nur in diesen Fällen kann es auf den wirtschaftlichen Wert der Zusagen insgesamt ankommen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BAG vom 07.11.1989 – GS 3/85, aaO).
In erster Linie wird es dabei darauf ankommen, welchen Zweck Arbeitgeber und Betriebsrat mit der Neuregelung verfolgen. Geht es um die Verbesserung oder Erhaltung von Sozialleistungen, steht das Günstigkeitsprinzip Eingriffen in vertraglich begründete Ansprüche einzelner Arbeitnehmer nicht entgegen. Welche Leistungen und Abreden in den Günstigkeitsvergleich einbezogen werden müssen, hängt ebenfalls vom Regelungsziel der Kollektivparteien ab. Maßgebend ist der objektiv erkennbare Zusammenhang, der sich häufig aus dem Leistungszweck ergibt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BAG vom 16.9.1986 – GS 1/82, aaO).
Bei einem Günstigkeitsvergleich bedarf es in entsprechender Anwendung von § 4 Abs. 3 TVG der Bildung von Sachgruppen. Im Rahmen eines Sachgruppenvergleichs können nur diejenigen Regelungen miteinander verglichen werden, die in einem Sachzusammenhang zueinander stehen. Es sind also die sachlich einander entsprechenden Regelungen miteinander zu vergleichen (vgl. Urteil des BAG vom 01.07.2009 – 4 AZR 261/08 -, EzA § 3 TVG Verbandsaustritt Nr. 3 und Beschluss des BAG vom 20.04.1999 – 1 ABR 72/98 -, EzA Art. 9 GG Nr. 65).
Maßgeblich für die Beurteilung, welche Leistungen und Abreden in den kollektiven Günstigkeitsvergleich einzubeziehen sind, ist der Zeitpunkt der ändernden Betriebsvereinbarung (vgl. Urteil des BAG vom 03.11.1987 – 8 AZR 316/81 -, EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 20).
Ein kollektiver Günstigkeitsvergleich erübrigt sich, wenn die vertragliche Regelung „betriebsvereinbarungsoffen“ ist (vgl. Beschluss des BAG vom 19.02.2008 – 3 AZR 61/06 -, aaO). Dafür muss der Arbeitgeber den durch betriebliche Übung begründeten Zahlungsanspruch unter dem Vorbehalt einer ablösenden Betriebsvereinbarung leisten. Dieser Vorbehalt muss ebenso wie ein Widerrufs- oder Freiwilligkeitsvorbehalt dem Transparenzgebot von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügen (vgl. Urteil des BAG vom 05.08.2009 – 10 AZR 483/08 -, EzA § 242 BGB 2002 Betriebliche Übung Nr. 10).
2.
Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die ab 01.01.2008 geltende Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung die durch betriebliche Übung begründeten Ansprüche der langjährig bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer des Betriebes in H. auf Zahlung von Treue- und Jubiläumsgeldern nicht abgelöst. Ein kollektiver Günstigkeitsvergleich konnte nicht erfolgen.
Es war bereits nicht erkennbar, dass kollektive Voraussetzungen und insbesondere ein entsprechender Verteilungsplan das Bild der aufgrund betrieblicher Übung geleisteten Zahlungen der Beklagten bestimmten. Eine Betriebsvereinbarung, die den Regelungen der MuBO entsprach, war in H. gerade nicht abgeschlossen worden. Weder erfolgten die Zahlungen aufgrund eines Dotierungsrahmens noch gab es einen diesem entsprechenden Verteilungsplan. Auf den wirtschaftlichen Wert der durch die betriebliche Übung zustande gekommenen Zusagen der Beklagten konnte es bereits deshalb nicht ankommen.
Auch konnte nicht festgestellt werden, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 auf die Verbesserung oder den Erhalt der Ansprüche auf die bisher durch betriebliche Übung gewährten Sozialleistungen des Treue- und Jubiläumsgeldes abzielte. Das bei der Kündigung der „A.-Betriebsordnung“ vom 25.06.2003 gegenüber dem Betriebsrat erklärte Ziel der Beklagten, „ein Sozialleistungssystem zu installieren, das den Anforderungen der heutigen Arbeitswelt und den Bedürfnissen der Arbeitnehmer besser Rechnung“ trage, ermöglichte diese Feststellung nicht, da daraus nicht ersichtlich war, dass mit diesem „besseren“ Sozialleistungssystem eine betriebliche Altersversorgung gemeint sein könnte. Ein entsprechendes Regelungsziel der Kollektivparteien ist in der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 nicht formuliert. In deren Präambel heißt es vielmehr, dass die Betriebsrente die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung ergänze und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beklagten zu einer zusätzlichen wirtschaftlichen Absicherung beitragen sol. Auch im Übrigen wird eine beabsichtigte Ablösung von Treue- und Jubiläumsgeldern in der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht erwähnt. Ein objektiver Zusammenhang der Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung mit den bisher geleisteten Treue- und Jubiläumsgeldern war aus dem erklärten Leistungszweck der Betriebsvereinbarung daher nicht abzuleiten.
Soweit die Beklagte nach der Kündigung der „A.-Betriebsordnung“ und den Entscheidungen des BAG vom 28.06.2006 und vom 28.03.2007 mit dem Betriebsrat Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung zur Kompensation für den Wegfall der Treue- und Jubiläumsgelder aufgenommen haben will und ihr Geschäftsführer und Arbeitsdirektor Stefan Schönholz in diversen Betriebsversammlungen immer wieder darauf hingewiesen hat, dass die Leistungen aus der Betriebsvereinbarung aus ihrer Sicht diejenigen auf Treue- und Jubiläumsgeld ersetzten, hat dies in der Betriebsvereinbarung vom 12.12.2007 jedenfalls keinen Niederschlag gefunden und war für die Arbeitnehmer deshalb eine gemeinsame diesbezügliche Absicht der Betriebsparteien objektiv nicht erkennbar.
Zudem war nicht feststellbar, dass die aufgrund betrieblicher Übung geleisteten Treue- und Jubiläumsgelder in einem Sachzusammenhang mit den Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung in der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.2007 stehen und dass es sich dabei um sachlich einander entsprechende Regelungen handelt. Die Regelungen zur betrieblichen Altersvorsorge dienen im Gegensatz zu den Treue- und Jubiläumsgeldern nicht der aktuellen Entlohnung einer besonders langjährigen Betriebstreue, da sie eine Unverfallbarkeit der Anwartschaft bereits bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens fünf Jahren vorsehen, auch wenn die Jahre der Betriebszugehörigkeit vor dem 01.01.2008 berücksichtigt werden, und weil etwaige Zahlungen erst nach Erreichen des Rentenalters erfolgen. Für den kollektiven Günstigkeitsvergleich hätte es nach der zitierten Rechtsprechung zudem auch nur auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Betriebsvereinbarung und nicht auf eine – im Übrigen von vielen von der Beklagten nicht erkennbar berücksichtigten Unwägbarkeiten, insbesondere der vorzeitigen Beendigung von Arbeitsverhältnissen beeinflusste und schon deshalb unerhebliche - Hochrechnung auf das Jahr 2050 ankommen können. Die Beklagte hat keine Angaben zu ihren Rückstellungen für Pensionsleistungen bei Inkrafttreten der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgetragen. Soweit sie für das Jahr 2008 ihre Rückstellungen für Pensionsleistungen mit 1.621.490,29 € einem Aufwand für Treue- und Jubiläumsgelder von nur 256.757,39 € gegenübergestellt hat, erfolgten jedenfalls keinerlei Betriebsrentenzahlungen an die Arbeitnehmer. Es war deshalb letztlich auch nicht zu erkennen, dass die von der Beklagten aufgrund der Regelungen in der Gesamtbetriebsvereinbarung erbrachten Leistungen im Zeitpunkt von deren Inkrafttreten für die Gesamtheit der in H. beschäftigten Arbeitnehmer nicht ungünstiger waren als die von ihr aufgrund der bisherigen betrieblichen Übung zu zahlenden Treue- und Jubiläumsgelder.
Ein kollektiver Günstigkeitsvergleich erübrigte sich im vorliegenden Fall auch nicht deshalb, weil die betriebliche Übung „betriebsvereinbarungsoffen“ ausgestaltet gewesen wäre. Die Beklagte hat die Treue- und Jubiläumsgelder in der Vergangenheit stets vorbehaltlos gewährt. Sie hat niemals erklärt, diese unter dem Vorbehalt einer ablösenden Betriebsvereinbarung leisten zu wollen. Auch wenn sie diese Leistungen auf der Grundlage der Regelungen in der MuBO erbracht hat, geschah dies ohne Abschluss einer dieser entsprechenden Betriebsvereinbarung und damit ohne kollektivrechtliche Grundlage. Allein die Kenntnis der Arbeitnehmer, dass eine kollektivrechtliche Regelung für den Betrieb in H. angestrebt werde, genügte nicht dem Transparenzgebot von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, da auch daraus nicht in der erforderlichen Weise für die Arbeitnehmer klar und verständlich hervorging, dass die Leistung von Treue- und Jubiläumsgeldern mit Abschluss einer Betriebsvereinbarung entfallen könnte.
3.
Aus diesen Gründen war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
III.
Die Revision wurde zuzulassen, weil die entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Unzulässigkeit eines kollektiven Günstigkeitsvergleichs der auf Grundlage der betrieblichen Übung bislang erbrachten Zahlungen von Treue- und Jubiläumsgeldern mit den Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung grundsätzliche Bedeutung hat und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt sind.