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Entscheidung 13 U 82/10


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 13. Zivilsenat Entscheidungsdatum 15.06.2011
Aktenzeichen 13 U 82/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

1. Zu einer richterlichen Aufklärung (§ 139 ZPO) besteht bei einem nicht nur ergänzungsbedürftigen, sondern substanzlosen Vorbringen kein Anlass (vgl. BGH, Urteil vom 22.4.1982 - VII ZR 160/81 = BGHZ 83, 371; OLG Köln, Urteil vom 8.6.2004 - 22 U 212/03 = BauR 2004, 1833; Juris Text Ziff. 34, m.w.N.).

2. § 531 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ZPO schließt die Berücksichtigung solcher tatsächlichen Umstände, die in erster Instanz nicht vorgebracht wurden, obwohl sie und ihre Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits der Parteien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem erstinstanzlichen Gericht bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in der Berufungsinstanz aus (BGH, Urteil vom 19.3.2004 - V ZR 104/03 = BGHZ 158, 295).

3. Der Partei eines Bauprozesses ist es im Rahmen ihrer Prozessförderungspflicht zuzumuten, auf das Fachwissen des von ihr zur Bauüberwachung eingeschalteten Architekten zurückzugreifen.

4. Im Rahmen des § 531 Abs. 2 S 1 Nr. 3 ZPO gereicht dem Rechtsmittelführer bereits einfache Fahrlässigkeit zum Nachteil (Musielak/Ball, ZPO, 8. Aufl., § 531, Rn. 19, m.w.N.).

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 30.6.2010 - 8 O 454/09 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von der berufungsführenden Beklagten Werklohn.

Sie beauftragte ihn auf der Grundlage seines am 24.6.2008 noch an eine B… GmbH gerichteten Angebots (vgl. K 1, 20 ff. GA) gemäß Schreiben vom 10.10.2008 (K 3, 26 GA) mit Heizungs- und Sanitärarbeiten auf einem Bauvorhaben B… in B…. Vereinbart waren die Geltung der VOB/B sowie Einheitspreise bei einer Bausumme von 19.263,71 € brutto. In der Folgezeit beauftragte die Beklagte den Kläger sodann auf der Grundlage seines Angebotes vom 1.11.2008 am 3.11.2008 mit weiteren Heizungs- und Sanitärarbeiten auf dem Bauvorhaben unter Geltung der VOB/B, Einheitspreisen und bei einer Bausumme von 4.892,09 € brutto (vgl. K 1, 24 f. GA). Der Kläger erbrachte seine Leistungen teilweise. Nachdem er ein Schreiben des Zeugen B… vom 20.11.2008 (vgl. 59 GA) unbeantwortet gelassen hatte, ließ die Beklagte die restlichen Arbeiten durch eine dritte Firma ausführen. Mit Schreiben vom 28.1.2009 (vgl. K 8, 73 GA) erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, der Bauvertrag gelte für den Fall eines fruchtlosen Fristablaufes zur Leistung einer Sicherheit als aufgehoben.

Mit Schreiben vom 6.2.2009 (vgl. K 9, 75 GA) forderte der Kläger die Beklagte zur Abnahme auf. Bis zum Ende der I. Instanz hat die Beklagte keine Mängel angezeigt.

Seine Leistungen zum Auftrag vom 10.10.2008 berechnete der Kläger gemäß Schlussrechnung vom 12.2.2009 mit 15.428,43 € (vgl. K 1, 18 GA), seine Leistungen zum Auftrag vom 3.11.2008 gemäß Schlussrechnung vom 2.12.2008 mit 4.557,70 € und einen noch offenen Restbetrag von 1.340,90 € brutto (vgl. K 1, 16 GA).

Die Beklagte hat erstinstanzlich gegenüber der Klageforderung die Aufrechnung erklärt mit den unbezifferten Kosten der von ihr beauftragten Drittfirma und mit gleichfalls nicht bezifferten Mietverlusten. Die nicht bezifferten Gegenforderungen hat sie aus Verzug des Klägers hergeleitet.

Dieser ist dem Aufrechnungseinwand unter Hinweis auf die fehlende Bezifferung der Gegenforderung und deren fehlender Einlassungsfähigkeit entgegengetreten und hat im Übrigen die Voraussetzungen eines Verzuges bestritten.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Die Aufrechnung gegen die nach Entstehung und Höhe unstreitigen Werklohnforderungen scheitere an einer fehlenden Bezifferung einer aufrechenbaren Gegenforderung (vgl. 6 UA).

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren uneingeschränkt weiter. Die als Anlage K 6 zur Akte gereichte Rechnung vom 2.12.2008 sei entgegen der VOB/B nicht prüffähig und zudem bereits durch Zahlung vom 7.10.2008 vorab beglichen. Die Rechnung vom 12.2.2009 sei ebenfalls nicht prüffähig. Das Landgericht habe das Bestreiten der Gegenforderung durch den Kläger ohne Hinweis an sie durchgreifen lassen und ihr verfahrensfehlerhaft keine Schriftsatzfrist nachgelassen zur Erwiderung auf den Klägerschriftsatz vom 20.5.2010. Zweitinstanzlich beziffert sie einen Mietausfallschaden für die Monate Dezember 2008 und Januar 2009 mit 8.431 €. Ferner behauptet sie, die Leistungen der Klägerin seien mangelhaft, wie eine Begehung vom 11.10.2010 aufgrund von Mängelanzeigen der Mieter ergeben habe.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 30.6.2010 - 8 O 454/09 - abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem zweitinstanzlichen Vorbringen der Beklagten entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze sowie auf sein Terminsprotokoll vom 25.5.2011.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

Der Kläger hat einen Werklohnanspruch in erstinstanzlich ausgeurteilter Höhe aus den §§ 631 Abs. 1 BGB, 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B.

Das nach Entstehung, Fälligkeit und Höhe schlüssige Klägervorbringen hat die Beklagte erstinstanzlich durch ihre Primäraufrechnung anerkannt.

Ihre zweitinstanzlichen Angriffe hiergegen bleiben ohne Erfolg. Ihr Vorbringen zu einer fehlenden Prüfbarkeit einer als Anlage K 6 zur Akte gereichten Rechnung vom 2.12.2008 ist nicht nachzuvollziehen. Eine Anlage K 6 zu einer Rechnung vom 2.12.2008 befindet sich nicht bei der Akte. Als Anlage K 6 hat die Klägerin lediglich Mahnungen vom 19.11.2008 (41 GA) und 12.2.2009 (42 GA) zur Akte gereicht.

Die als Anlage K 1 (16 GA) zur Akte gereichte Rechnung vom 2.12.2008 enthält keine Pauschalposition. Der Erfüllungseinwand gegenüber dieser Rechnung ist unzulässig und prozessual nicht zu beachten, § 531 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um neues Verteidigungsvorbringen, dem der Kläger entgegengetreten ist, und Anhaltspunkte für die Berücksichtigungsfähigkeit dieses neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 ZPO sind weder dargetan noch ersichtlich.

Soweit die Beklagte die Prüffähigkeit der Rechnung vom 12.2.2009 (vgl. K 1, 18 GA) beanstandet, ist dieser Einwand unerheblich, da die zweimonatige Prüffrist des § 16 Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 VOB/B längst verstrichen ist.

Das Landgericht hat die Aufrechnung der Beklagten gegen die Werklohnforderungen des Klägers in nicht zu beanstandender Weise an der fehlenden Bezifferung von aufrechnungsfähigen Gegenforderungen scheitern lassen. Es brauchte die Beklagte auch nicht gemäß § 139 ZPO auf die unzulängliche Substanziierung ihres Sachvortrages hinzuweisen. Zu einer richterlichen Aufklärung bestand bei ihrem nicht nur ergänzungsbedürftigen, sondern substanzlosen Vorbringen kein Anlass (vgl. BGH, Urteil vom 22.4.1982 – VII ZR 160/81 = BGHZ 83, 371; OLG Köln, Urteil vom 8.6.2004 – 22 U 212/03 = BauR 2004, 1833; Juris Text Ziff. 34, m.w.N.). Das Vorbringen der Beklagten zu einer Aufrechnung mit Gegenforderungen war mangels jeglicher Bezifferung der Gegenforderung nicht ansatzweise subsumtionsfähig, sondern völlig substanzlos. Bei dieser Sachlage musste es sich der Beklagten unabweisbar aufdrängen, dass es ihre selbstverständliche Pflicht war, ihre Gegenforderungen zu beziffern. Dass die anwaltlich vertretene Beklagte ihre Gegenforderungen irrtümlich für aufrechenbar beziffert erachtet oder eine Aufrechnung mit nicht bezifferten Gegenforderungen für rechtlich möglich gehalten hätte, war für das Landgericht nicht erkennbar.

Zur Einräumung einer Schriftsatzfrist bestand keine Veranlassung, da die Beklagte im Termin vor dem Landgericht entgegen § 283 ZPO keinen dahingehenden Antrag gestellt hatte (vgl. 80 GA).

Aus den von der Beklagten erstmals zweitinstanzlich behaupteten Mängeln kann diese auch kein Leistungsverweigerungsrecht (§ 320 BGB) herleiten, da ihr Vortrag hierzu prozessual nicht zu berücksichtigen ist, § 531 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um neues Verteidigungsvorbringen, dem der Kläger entgegengetreten ist, und Anhaltspunkte für seine Zulässigkeit nach § 531 Abs. 2 ZPO sind weder dargetan noch ersichtlich. § 531 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ZPO schließt die Berücksichtigung solcher tatsächlichen Umstände, die in erster Instanz nicht vorgebracht wurden, obwohl sie und ihre Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits der Parteien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem erstinstanzlichen Gericht bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in der Berufungsinstanz aus (BGH, Urteil vom 19.3.2004 – V ZR 104/03 = BGHZ 158, 295). Angriffs- und Verteidigungsmittel, die der Partei erst nach der letzten mündlichen Verhandlung bekannt geworden sind, können in der Berufung nur dann vorgebracht werden, wenn sie ihr auch bei zumutbarer Recherche nicht schon während der ersten Instanz hätten bekannt werden können. Die hier von der Beklagten geltend gemachten Mängel wären bei zumutbarer Recherche ohne weiteres bereits während der ersten Instanz feststellbar gewesen, denn sie waren offensichtlich (vgl. BB 2) und ohne besondere Untersuchungen festzustellen, zumal die Beklagte problemlos auf das Fachwissen des von ihr zur Bauüberwachung eingeschalteten Architekten zurückgreifen konnte. Das Unterlassen einer zumutbaren Recherche während der ersten Instanz beruht auf Nachlässigkeit, wobei insoweit der Rechtsmittelführerin bereits einfache Fahrlässigkeit zum Nachteil gereicht (Musielak/Ball, ZPO, 8. Aufl., § 531, Rn. 19, m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da ihre Entscheidung von keiner Beantwortung einer höchstrichterlich bisher noch nicht entschiedenen Frage abhängt. Sie gibt auch keine Veranlassung, in den berührten Rechtsgebieten neue Leitsätze aufzustellen, Gesetzeslücken zu füllen oder von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen. Die Feststellungen des Senats beruhen auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles.