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Gebühr für Fleischhygieneuntersuchung; Äquivalenzprinzip; EG-Pauschalbeträge; höhere Gebühr für tatsächlich angefallene Kosten; Untersuchungszeiten; Stückgebühr; Schriftsatznachlass; vorgefertigter Urteilsentwurf; Antrag auf Prozesskostenhilfe; Antrag auf Zulassung der Berufung; keine ernstlichen Richtigkeitszweifel; keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten; kein Verfahrensmangel


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 17.03.2014
Aktenzeichen OVG 5 N 5.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 103 Abs 1 GG, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 5 VwGO, EWGRL 73/85, LaborGebO BB, UGVMinGebO BB 2011

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 20. Dezember 2011 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 4.532,07 EUR festgesetzt.

Gründe

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den Gründen zu 2 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).

2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

a) Die Einwendungen des Klägers begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Sie sind nicht geeignet, einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen.

Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass die in den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Gebühren für die im gewerblichen Schlachtbetrieb des Klägers durchgeführten amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchungen mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar seien. Dieses verbiete, dass der Wert einer gebührenpflichtigen Leistung und die Gebührenhöhe zueinander in einem gröblichen Missverhältnis stünden, erlaube dabei dem jeweiligen Hoheitsträger aus Gründen der Praktikabilität der Abgabenerhebung aber eine weitgehende Typisierung und Pauschalierung. Inwiefern die ausweislich der beigezogenen Kalkulationsunterlagen auf Erfahrungswerten des Beklagten basierende Differenzierung auf Grund unterschiedlich angesetzter Untersuchungszeiten einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip begründen sollte, sei weder dargetan noch ersichtlich.

Mit seiner Rüge, das Äquivalenzprinzip sei verletzt, weil den EG-Pauschal-beträgen, die sich auf nur ein Viertel der in Rede stehenden Gebühren beliefen, Untersuchungszeiten von acht Minuten für ein Rind und zwei Minuten für ein Schwein zu Grunde lägen, zeigt der Kläger keine ernstlichen Richtigkeitszweifel auf. Die von ihm monierte Überschreitung der EG-Pauschalbeträge ist von vornherein nicht geeignet, einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip zu indizieren. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht die Erhebung einer die EG-Pauschalbeträge überschreitenden Gebühr für Fleischhygieneuntersuchungen einzig unter der Voraussetzung, dass die Gebühr die tatsächlichen Kosten nicht überschreitet (vgl. Urteil vom 19. März 2009 - C-309/07 -, juris Rn. 20; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 31. August 2012 - BVerwG 3 B 26.12 -, juris Rn. 4, mit weiteren Nachweisen). Dass in die streitigen Gebühren nur tatsächlich angefallene Kosten eingeflossen sind, stellt indes selbst der Kläger nicht in Abrede. Seine Forderung, die Gebührenbemessung des Beklagten müsse sich an den genannten „normgemäßen“ Untersuchungszeiten ausrichten, geht ins Leere. Die Protokollerklärung des Agrarrates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Entscheidung des Rates vom 15. Juni 1988 über die Beträge der für die Untersuchung und Hygienekontrollen von frischem Fleisch zu erhebenden Gebühren gemäß der Richtlinie 85/73/EWG (88/408/EWG) vom 24. Januar 1989 (BAnz. 1989, 901) sieht zwar derartige Zeitwerte vor. Diese sind jedoch allenfalls für die Bemessung der EG-Pauschalbeträge von Bedeutung und liefern keine Anhaltspunkte für die Erhebung höherer, auf die Deckung der tatsächlichen Kosten gerichteter Gebühren (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Dezember 2007 - BVerwG 3 C 50.06 -, juris Rn. 33; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. November 2007 - 3 A 3667/03 -, juris Rn. 115, nachfolgend Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10. Juli 2008 - BVerwG 3 B 28.08 - juris Rn. 16). Vor diesem Hintergrund fehlt es dem vom Kläger aus dem Verhältnis der „tatsächlich berechneten Gebühren zu den normgemäßen Untersuchungszeiten“ ermittelten Stundenlohn von 165,00 EUR bereits an einem ausreichenden rechtlichen Bezug, den auch der von dem Kläger angeführte „eindeutige mathematische Zusammenhang“ nicht zu ersetzen vermag.

Dass die den EG-Pauschalbeträgen zu Grunde liegenden Untersuchungszeiten „fast exakt“ für die Untersuchungen beim Kläger benötigt worden seien, stellt die Einhaltung des Äquivalenzprinzips gleichfalls nicht in Frage. Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass der für den Beklagten verbindliche Tarifvertrag für die Regelung der Rechtsverhältnisse der amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure außerhalb öffentlicher Schlachthöfe (TV-Ang-O-aöS) bestimmte Untersuchungszeiten vorsehe und es daher nicht sachwidrig sei, wenn er die in die Kalkulation einzustellenden Personalkosten nach den tarifvertraglichen Regelungen bemesse. Im Übrigen gehörten zu dem umlagefähigen Aufwand alle Kosten des Verwaltungspersonals, das im Zusammenhang mit der Organisation bzw. Abwicklung der Untersuchungen sowie der gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen Gebührenerhebung im gebotenen Umfang eingesetzt worden sei. Angesichts des breiten Spektrums der kostenverursachenden Untersuchungs- und Verwaltungstätigkeiten für die Erbringung der gebührenpflichtigen Leistungen und dem berechtigten Bestreben des Beklagten, zur Sicherstellung einer effizienten und wirksamen Aufgabenwahrnehmung im Rahmen der Gebührenbemessung sämtliche weiteren Kosten zu berücksichtigen, die bei ihm im Zusammenhang mit den amtlichen Kontrollen anfallen (vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. April 2012 - BVerwG 3 C 20.11 -, juris Rn. 21), liegt es auf der Hand, dass die Angemessenheit der Gebührenhöhe nicht allein auf die Frage reduziert werden kann, wie viel Zeit die Tätigkeit des Tierarztes im Schlachtbetrieb in Anspruch nimmt. Hieran ändert auch die aus der Luft gegriffene Behauptung des Klägers nichts, wonach die „Vor- bzw. Nacharbeiten pro Tier“ „im Sekundenbereich“ anzusiedeln seien, zumal er dabei verkennt, dass es sich bei den streitigen Gebühren nicht um Zeit,- sondern um Stückgebühren handelt.

Anders als der Kläger meint, hat der Verordnungsgeber mit dem Erlass der Gebührenordnung vom 17. Juli 2007 (GVBl. II S. 314) die EU-Pauschalbeträge nicht als verbindliche Gebühren eingeführt, sondern den ursprünglichen Gebührenrahmen beibehalten (vgl. Anlage 2 Tarifstelle 13.11.7). Die vom Kläger behauptete Verbindlichkeit ergibt sich auch nicht aus den jüngeren Gebührenordnungen des Verordnungsgebers (siehe nur die Gebührenordnung des Ministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 22. November 2011 [GVBl. II Nr. 77], die weiterhin Mindestgebühren normiert und zur Kostendeckung die Erhebung höherer Gebühren zulässt [vgl. Anlage 2 Tarifstellen 9.12.1 und 9.12.6]).

b) Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor, weil die Rechtssache im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, die einer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfen. Die von dem Kläger angeführte lange Verfahrensdauer begründet allein noch keine überdurchschnittlichen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten.

c) Eine Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) kommt ebenfalls nicht in Betracht.

Der Kläger rügt ohne Erfolg, dass das angefochtene Urteil ihn in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletze (Art. 103 Abs. 1 GG), weil seinem Antrag auf Schriftsatznachlass in der mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 2011 nicht entsprochen worden sei. Der Schriftsatznachlass bezweckt, den Beteiligten die Gelegenheit zu geben, sich zu einer überraschenden Rechtsauffassung des Gerichts zu äußern. Davon kann im Hinblick darauf, dass das Verwaltungsgericht mit seinem rechtlichen Hinweis vom 13. Dezember 2011 dem Kläger keine neuen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte mitgeteilt hat, mit denen er nach dem Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte, keine Rede sein. Ungeachtet dessen hätte im Zusammenhang mit der Gehörsrüge substanziiert dargetan werden müssen, was mit einem nachgereichten Schriftsatz vorgetragen worden wäre und inwieweit dieser Vortrag die angefochtene Entscheidung hätte beeinflussen können (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Februar 2012 - OVG 11 N 32.09 -, juris Rn. 26, mit weiteren Nachweisen). Eine derartige Darlegung findet sich in der Zulassungsschrift des Klägers nicht.

Schließlich lässt die Beanstandung des Klägers, dass das Urteil zum Termin bereits fertig geschrieben vorgelegen habe, keinen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens erkennen. Selbst wenn der mit der Entscheidung befasste Einzelrichter schon vor der mündlichen Verhandlung ein in Urteilsform gehaltenes schriftliches Votum mit dem Vorschlag einer Klageabweisung gefertigt haben sollte, wäre gegen diese Verfahrensweise nichts zu erinnern. Etwas anderes würde nur gelten, wenn er den vorab vorgefertigten Urteilsentwurf verwendet hätte, ohne die gegebenenfalls vom Kläger in der mündlichen Verhandlung neu vorgetragenen Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. März 1959 - 1 BvR 53/56 -, juris Rn. 12). Das hat der Kläger selbst nicht behauptet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).