Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 19.04.2011 | |
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Aktenzeichen | 10 UF 89/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 10. Dezember 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt abgeändert.
Der Beklagte wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels verurteilt, monatlichen Unterhalt, den zukünftigen jeweils monatlich im Voraus bis zum 3. eines jeden Monats, wie folgt zu zahlen:
a) an die Klägerin zu 1. zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin
- 182 € für die Monate Mai und Juni 2007,
- 253 € für die Monate Juli 2007 bis Juli 2008,
- 232 € für die Monate August bis Dezember 2008,
- 237 € für die Monate Januar 2009 bis Dezember 2010,
- 209 € für die Monate Januar bis März 2011,
- 70,6 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind ab April 2011,
b) an den Kläger zu 2. zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin
- 128 € für die Monate Mai und Juni 2007,
- 169 € für die Monate Juli 2007 bis März 2011,
- 71,7 % des Mindestunterhalts der zweiten Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind von April 2011 bis Juli 2014.
- 71,7 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind ab August 2014.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I.
Die Kläger machen Kindesunterhalt ab Mai 2007 geltend.
Der Beklagte und die Mutter der Kläger heirateten am 20.8.1993. Am ….1.1994 wurde die Klägerin zu 1. geboren, am ….8.2002 der Kläger zu 2. Die Eltern trennten sich im Februar 2007. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts vom 1.9.2008, insoweit rechtskräftig seit dem 18.10.2008, geschieden.
Mit Anwaltsschreiben vom 10.5.2007 forderte die gesetzliche Vertreterin der Kläger den Beklagten zur Auskunftserteilung im Hinblick auf den Kindesunterhalt auf. Nach Erteilung der Auskunft des Beklagten, die eine Erwerbstätigkeit bei einer 30-Stunden-Woche und einem durchschnittlichen Monatseinkommen von rd. 981 € erkennen ließ, haben die Kläger das vorliegende Verfahren eingeleitet mit dem Vortrag, auf der Basis einer 40-Stunden-Woche könne der Beklagte ein monatliches Nettoeinkommen von 1.307 € erzielen und den Mindestunterhalt zahlen.
Mit Beschluss vom 29.6.2007 hat das Amtsgericht den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, ab Juli 2007 für die Klägerin zu 1. monatlichen Unterhalt von 180 € und für den Kläger zu 2. solchen von 100 € zu zahlen.
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Beklagten verurteilt, zu Händen der Mutter ab 1.7.2007 monatlichen Unterhalt von 253 € an die Klägerin zu 1. und 169 € an den Kläger zu 2., außerdem einen Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 1.5.2007 bis 30.6.2007 in Höhe von insgesamt 564 € zu zahlen.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er trägt vor:
Er sei stets bereit gewesen, für jedes der beiden Kinder 90 € monatlichen Unterhalt zu zahlen. Ein Einkommen, wie es das Amtsgericht angesetzt habe, sei für ihn nicht erzielbar. Entgegen der Annahme des Amtsgerichts habe er sich vielfach vergeblich um eine besser bezahlte Beschäftigung bemüht.
Es sei auch die weitere Entwicklung seit Erlass der angefochtenen Entscheidung zu berücksichtigen. Er sei zwischenzeitlich erkrankt und habe ab 12.4.2010 Krankengeld in Höhe von 22,93 € kalendertäglich bezogen. Aufgrund der Erkrankung sei ihm zum 30.6.2010 gekündigt worden. Er habe Kündigungsschutzklage eingereicht und in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich eine Abfindung von 2.500 € erzielt. Mit Wirkung ab 4.8.2010 habe er eine neue Anstellung gefunden.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tragen vor:
Im Rahmen einer 40-Stunden-Woche sei der Beklagte durchaus in der Lage, ein Nettoeinkommen in der vom Amtsgericht angenommenen Höhe zu erzielen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass er Malermeister sei. Im Übrigen sei die erzielte Abfindung auf rd. 12 Monate zu verteilen.
Ihre steuerliche Nachveranlagung als ehemalige Mitgesellschafterin des Beklagten an der S… GbR aufgrund von Unterlagen aus den Jahren 2005 und 2006 lasse auch die Annahme eines Einkommens von 40.000 € im Jahr zu.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat den Beklagten angehört. Insoweit wird auf den Anhörungsvermerk zum Senatstermin vom 15.3.2011 verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten, die sich gemäß § 111 Abs. 1 FGG-RG nach dem bisherigen Verfahrensrecht beurteilt, ist teilweise begründet. Der Beklagte hat den Klägern Kindesunterhalt gemäß §§ 1601 ff. BGB in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang zu zahlen.
1.
Mit Rücksicht auf das Anwaltsschreiben vom 10.5.2007 sind die Kläger grundsätzlich berechtigt, Unterhalt ab Mai 2007 geltend zu machen, § 1613 Abs. 1 BGB.
2.
Ausgehend von seinen tatsächlichen Einkünften in den Monaten Mai und Juni 2007 und einem fiktiven Einkommen aus Erwerbstätigkeit von bereinigt 1.330 €, wie im angefochtenen Urteil angenommen, ab Juli 2007 ist der Beklagte eingeschränkt leistungsfähig. Über dem jeweils zu Grunde zu legenden notwendigen Selbstbehalt stehen ihm für den Unterhalt der Kläger nur die aus der Urteilsformel ersichtlichen Beträge zur Verfügung.
a)
Aufgrund der bis Juni 2010 ausgeübten Erwerbstätigkeit hat der Beklagte unter Heranziehung der in den Lohn-/Gehaltsabrechnungen ausgewiesenen Jahreswerte für Dezember 2007, Dezember 2008, Dezember 2009 und Juni 2010 folgende monatliche Nettoeinkünfte erzielt:
- 1.130 € von Mai bis Dezember 2007,
- 1.079 € im Jahr 2008,
- 828 € im Jahr 2009,
- 897 € von Januar bis Juni 2010,
In den Phasen der Arbeitslosigkeit vom 1.7. bis zum 3.8.2010 und vom 28.10.2010 bis zum 14.2.2011 hat der Beklagte Arbeitslosengeld I in Höhe von 558 € monatlich bezogen. Während einer nur vom 4.8. bis zum 27.10.2010 andauernden Erwerbstätigkeit lag das monatliche Nettoeinkommen des Beklagten ausweislich der Bezügeabrechnungen für die Monate August bis Oktober 2010 bei rd. 456 € (= 1.265,70 € : 2 24/31). Mit Wirkung ab 15.2.2011 hat der Beklagte eine Anstellung als „Sales Manager“ gefunden. Arbeitsvertraglich ist eine Gesamtvergütung von 24.000 € brutto jährlich vereinbart. Bonuszahlungen sind möglich. Belege sind noch nicht vorhanden.
Abgesehen von dem noch nicht belegten monatlichen Einkommen aus der neuen Erwerbstätigkeit liegt das Einkommen des Beklagten nur in der Zeit von Mai 2007 bis Dezember 2008 über dem notwendigen Selbstbehalt von 900 € bzw. 950 €. Auf die tatsächlichen Einkünfte kann aber nur bis einschließlich Juni 2007 abgestellt werden.
Den Beklagten trifft gegenüber den minderjährigen Klägern gemäß § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Das heißt, er hat alle verfügbaren Mittel gleichmäßig für sich und die Kinder zu verwenden. Als Unterhaltspflichtiger muss er danach seine Arbeitskraft entsprechend seiner Vorbildung, seinen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen. Er ist grundsätzlich verpflichtet, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, das sind 40 Stunden in der Woche bzw. 173 Stunden im Monat (vgl. BGH, FamRZ 2008, 872; FamRZ 2009, 314). Soweit er keine Arbeit hat, muss er sich ausreichend um Arbeit bemühen (Büttner/Niepmann/Schwamb, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 11. Aufl., Rz. 708; Verfahrenshandbuch Familiensachen – FamVerf-/Schael, 2. Aufl., § 1, Rz. 241). Zu den Arbeitsplatzbemühungen gehört neben der im Falle einer Arbeitslosigkeit regelmäßig erforderlichen Meldung beim Arbeitsamt eine intensive Privatinitiative in Form von rechtzeitigen Bewerbungen auf Stellenangebote in Zeitungen u. ä., eigenen Stellenannoncen sowie mündlichen und schriftlichen Bewerbungen. Dabei dürfen sich die Bewerbungsbemühungen nicht auf den Wohnort des Unterhaltspflichtigen beschränken. Wenn der Unterhaltsschuldner nicht mehr arbeitslos ist, sondern einer Erwerbstätigkeit nachgeht, bedarf es allerdings der Feststellung besonderer Umstände, die es rechtfertigen, unter dem Gesichtspunkt des bestmöglichen Einsatzes der Arbeitskraft von einem höheren fiktiven Einkommen, als tatsächlich erzielt, auszugehen (Senat, FamRZ 2006, 1701). Solche Umstände sind vorliegend gegeben.
Im Rahmen der schon vor der Trennung von der gesetzlichen Vertreterin der Kläger begonnenen und bis Juni 2010 weiter ausgeübten Erwerbstätigkeit war der Beklagte nicht vollschichtig, d. h. 40 Stunden in der Woche, tätig. Die wöchentliche Arbeitszeit schwankte je nach befristeten Vertragszusätzen zwischen 30 und 35 Stunden wöchentlich. Nach dem ersten am 23.10.2006 abgeschlossenen Arbeitsvertrag war ein Bruttostundenlohn von 7,43 € vereinbart. Dieser Betrag ist auch im Rahmen späterer Vertragsabänderungen nach den vorgelegten Unterlagen nicht wesentlich angehoben worden. Auf der Grundlage dieses Einkommens war der Beklagte von vornherein erkennbar nicht in der Lage, den Mindestunterhalt für die Kläger zu leisten.
Der Beklagte ist unter Berücksichtigung seines beruflichen Werdegangs, wie er als Anlage zu einem Bewerbungsschreiben vom 17.6.2010 mit Schriftsatz vom 30.6.2010 vorgelegt worden ist, in der Lage, ein deutlich höheres Einkommen zu erlangen, als tatsächlich erzielt. Er hat von 1986 bis 1988 eine Berufsausbildung zum Maler und Lackierer absolviert und war von 1988 bis 1995 als Malergeselle und Fußbodenleger tätig. Nach Besuch der Meisterschule 1992 bis 1994 war er von 1995 bis 1997 als Malermeister beschäftigt und hat als solcher von 1997 bis 2001 eine selbständige Tätigkeit ausgeübt. Vor diesem Hintergrund wäre der Beklagte zu Beginn des Unterhaltszeitraums im Jahr 2007 und auch danach in der Lage gewesen, einer qualifizierten Tätigkeit im Maler- und Lackierergewerbe nachzugehen. Dass seine berufliche Qualifikation aufgrund des Umstandes, dass er in diesem Gewerbe nicht mehr tätig (gewesen) ist, den heutigen Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr genügen könnte, hat der Beklagte nicht substantiiert dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Laut WSI-Tarifarchiv (www.boeckler.de) beträgt die tarifliche Grundvergütung im Maler- und Lackiererhandwerk in Mecklenburg-Vorpommern nach bestandener Gesellenprüfung im ersten und zweiten Gesellenjahr bei mindestens zweijähriger Berufserfahrung zwischen 10,70 € und 11,89 € in der Stunde bzw. zwischen 1.853 € und 2.059 € im Monat. Derartige Löhne können auch für das Land Brandenburg angenommen werden. Im Hinblick auf die abgeschlossene Meisterausbildung und die mehrjährige Tätigkeit als Malermeister, zuletzt sogar in selbständiger Tätigkeit, kann davon ausgegangen werden, dass der Beklagte im Maler- und Lackiererhandwerk ohne weiteres einen Bruttolohn von 2.059 € im Monat erzielen könnte. Schon auf dieser Grundlage wäre ein bereinigtes Einkommen von 1.330 €, wie vom Amtsgericht zugrunde gelegt, erzielbar.
Hinzu kommt, dass der Beklagte sich seit 2001 beruflich flexibel gezeigt und verschiedene, auch anspruchsvollere Tätigkeiten ausgeübt hat. So war er von 2001 bis 2006 als selbständiger Versicherungs- und Finanzberater tätig. Seit 2006 übte er als selbständiger Handelsvertreter für Trinkwasseraufbereitungssysteme eine Nebentätigkeit aus. Im Rahmen der von 2006 bis 2010 ausgeübten Beschäftigung war er als Fachtrainer Verkauf und Kommunikation sowie stellvertretender Teamleiter tätig. Dies lässt erkennen, dass der Beklagte seit Beginn des Unterhaltszeitraumes auch außerhalb des Maler- und Lackierhandwerks qualifizierte und besser dotierte Beschäftigungen hätte ausüben können. Dass der Beklagte davon selbst ausgegangen ist, macht der Umstand deutlich, dass er in den zur Akte gereichten Bewerbungen zunächst Gehaltsvorstellungen von 45.000 € brutto im Jahr plus Firmenwagen geäußert hat, später immerhin noch von 35.000 € bzw. 25.000 € jährlich, bereinigt ebenfalls rd. 1.330 € im Monat. Dass ein bereinigtes Einkommen von 1.330 € den beruflichen Möglichkeiten des Beklagten entspricht, macht schließlich auch der Umstand deutlich, dass, wenn auch entsprechende Belege noch nicht vorliegen, aufgrund des neuen Beschäftigungsverhältnisses ab 15.2.2011 ein entsprechendes Einkommen arbeitsvertraglich vereinbart ist.
Die Bemühungen des Beklagten, eine besser bezahlte Beschäftigung zu finden, waren nicht ausreichend. Denn der Beklagte hat sich nach den erstinstanzlich zur Akte gereichten Bewerbungen gerade zu Beginn des Unterhaltszeitraums nur punktuell auf eine andere Arbeitsstelle beworben. Bewerbungen in einem nennenswerten Umfang sind erst im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 6.8.2010 vorgelegt worden. Diese Bewerbungen stammen alle von Juli 2010 und rechtfertigen schon deshalb nicht die Annahme, der Beklagte habe trotz ausreichender Bemühungen während des Unterhaltszeitraums keine besser bezahlte Beschäftigung gefunden.
Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, wie er es als Mitgesellschafter der S… GbR nach dem Vorbringen der Kläger in den Jahren 2005 und 2006 erzielt hätte, kann nicht fingiert werden, nachdem der Beklagte bereits seit Oktober 2006 und damit schon vor der im Februar 2007 erfolgten Trennung von der gesetzlichen Vertreterin der Kläger wieder abhängig beschäftigt ist und ihm ein seiner Ausbildung, seinen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage entsprechendes Einkommen zugerechnet wird.
Eine einkommenserhöhende Berücksichtigung der Abfindung scheidet aus, da diese grundsätzlich dazu dient, infolge Arbeitslosigkeit etwa abgesenktes Einkommen auf den vorigen Stand anzuheben. Hier wird dem Beklagten aber ohnehin ein (noch) höheres Einkommen fiktiv zugerechnet.
Während der Senat bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung im Senatsbeschluss vom 31.1.2011 zugunsten des Beklagten noch angenommen hatte, dass er die bereits bei Bestehen der Ehe im Jahr 2006 aufgenommene Tätigkeit bis Ende 2008 hätte beibehalten dürfen, ist nun vor dem Hintergrund der weiteren vorgelegten Unterlagen davon auszugehen, dass der Beklagte bereits ab Juli 2007 eine besser bezahlte Stelle hätte innehaben müssen.
Der Beklagte und die gesetzliche Vertreterin der Kläger haben sich ausweislich der beigezogenen Scheidungsakte im Februar 2007 getrennt. Da die gemeinsamen Kinder in der Obhut der Mutter verblieben sind, musste sich der Beklagte der ihn nun treffenden gesteigerten Erwerbsobliegenheit bewusst sein. Er hätte daher sogleich entsprechende Bemühungen, sein Einkommen zu verbessern, aufnehmen müssen. Immerhin hat der Beklagte nach den im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen von sich aus eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von 30 auf 35 Stunden erreichen können. Angesichts der Unterhaltspflicht hätte eine vollschichtige Tätigkeit angestrebt werden müssen und können. Wenn das bei dem seinerzeitigen Arbeitgeber, wie vom Beklagten vor dem Senat am 15.3.2011 geäußert, nicht möglich war, hätte der Beklagte sich nach einer anderen Arbeitsstelle umsehen müssen. Dies gilt umso mehr, als der Bruttostundenlohn, den der Beklagte seinerzeit und auch weiterhin bis zum Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis im Juni 2010 erzielt hat, seiner beruflichen Qualifikation nicht entsprach.
Im Hinblick auf die Trennung im Februar 2007, die Aufforderung zur Unterhaltszahlung unter dem 10.5.2007 und die Änderung des Arbeitsvertrags ab 1.7.2007 ist anzunehmen, dass der Beklagte jedenfalls ab Juli 2007 bei entsprechenden Bemühungen ein bereinigtes Einkommen von 1.330 € hätte erzielen können. Ab Juli 2007 ist der Unterhaltsberechnung daher nicht mehr das tatsächliche Einkommen, sondern ein fiktives Einkommen in der genannten Höhe zugrunde zu legen.
b)
Der Beklagte ist zur Unterhaltszahlung nur verpflichtet, soweit sein bereinigtes Einkommen den notwendigen Selbstbehalt übersteigt. Dabei ist von folgenden Selbstbehaltsätzen auszugehen:
- 820 € für die Monate Mai bis Dezember 2007,
- 900 € für die Monate Januar 2008 bis Dezember 2010,
- 950 € für die Zeit ab Januar 2011
(vgl. Nr. 21.2 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.2005, 1.7.2007, 1.1.2008, 1.1.2011).
Angesichts dieser Selbstbehaltsätze ist der Beklagte auch bei einem fiktiven bereinigten Einkommen von 1.330 € ab Juli 2007 nicht in vollem Umfang leistungsfähig. Es ist daher eine Mangelverteilung vorzunehmen. Dabei ist die Verteilungsmasse, also das über dem jeweiligen notwendigen Selbstbehalt liegende Einkommen entsprechend den Einsatzbeträgen auf die beiden Kläger zu verteilen. Für die Zeit bis einschließlich Dezember 2007 ist für jeden Kläger der Regelbetrag (Ost) als Einsatzbetrag heranzuziehen. Für die Zeit ab Januar 2008 hingegen ist der jeweilige Zahlbetrag als Einsatzbetrag in die Berechnung einzustellen (BGH, FamRZ 2010, 1318, Tz. 27 ff.). Zu beachten ist dabei, dass, während die Klägerin zu 1. durchgängig der dritten Altersstufe angehört, beim Kläger zu 2. innerhalb des Unterhaltszeitraumes ein Wechsel in der Altersstufe eingetreten ist. Bis einschließlich Juli 2008 war er der ersten Altersstufe zuzuordnen. Ab Vollendung des sechsten Lebensjahres im August 2008 gehört er der zweiten Altersstufe an. Der gekürzte Unterhaltsanspruch im Wege der Mangelverteilung errechnet sich aus dem Quotienten von Verteilungsmasse und Summe der Einsatzbeträge, multipliziert mit dem jeweiligen Einsatzbetrag (vgl. Johannsen/Henrich/Graba, Familienrecht, 5. Aufl., § 1603 BGB, Rz. 29). Es ergibt sich folgende Berechnung:
Mai bis Juni 2007 | |||
Verteilungsmasse | 310 € | (= 1.130 € - 820 €) | |
Einsatzbetrag Klägerin zu 1. | 269 € | ||
Einsatzbetrag Kläger zu 2. | 188 € | ||
Summe der Einsatzbeträge | 457 € | ||
Kürzungsfaktor | 67,83 % | (= 310 € : 457 €) | |
Es entfallen auf | |||
die Klägerin zu 1. | 182 € | (= 269 € x 67,83 %), | |
den Kläger zu 2. | 128 € | (= 188 € x 67,83 %) | |
Juli bis Dezember 2007 | |||
Verteilungsmasse | 510 € | (= 1.330 € - 820 €) | |
Einsatzbetrag Klägerin zu 1. | 267 € | ||
Einsatzbetrag Kläger zu 2. | 186 € | ||
Summe der Einsatzbeträge | 453 € |
In diesem Zeitraum kann somit rechnerisch der Mindestunterhalt für die beiden Kläger geleistet werden und damit jedenfalls der vom Amtsgericht ausgeurteilte Unterhalt von 253 € bzw. 169 €.
Januar bis Juli 2008 | |||
Verteilungsmasse | 430 € | (= 1.330 € - 910 €) | |
Einsatzbetrag Klägerin zu 1. | 288 € | ||
Einsatzbetrag Kläger zu 2. | 202 € | ||
Summe der Einsatzbeträge | 490 € | ||
Kürzungsfaktor | 87,76 % | (= 430 € : 490 €) | |
Es entfallen auf | |||
die Klägerin zu 1. | 253 € | (= 288 € x 87,76 %), | |
den Kläger zu 2. | 177 € | (= 202 € x 87,76 %) | |
August bis Dezember 2008 | |||
Verteilungsmasse | 430 € | (= 1.330 € - 900 €) | |
Einsatzbetrag Klägerin zu 1. | 288 € | ||
Einsatzbetrag Kläger zu 2. | 245 € | ||
Summe der Einsatzbeträge | 533 € | ||
Kürzungsfaktor | 80,68 % | (= 430 € : 533 €) | |
Es entfallen auf | |||
die Klägerin zu 1. | 232 € | (= 288 € x 80,68 %), | |
den Kläger zu 2. | 198 € | (= 245 € x 80,68 %) | |
Januar bis Dezember 2009 | |||
Verteilungsmasse | 430 € | (= 1.330 € - 900 €) | |
Einsatzbetrag Klägerin zu 1. | 295 € | ||
Einsatzbetrag Kläger zu 2. | 240 € | ||
Summe der Einsatzbeträge | 535 € | ||
Kürzungsfaktor | 80,37 % | (= 430 € : 535 €) | |
Es entfallen auf | |||
die Klägerin zu 1. | 237 € | (= 295 € x 80,37 %), | |
den Kläger zu 2. | 193 € | (= 240 € x 80,37 %) | |
Januar bis Dezember 2010 | |||
Verteilungsmasse | 430 € | (= 1.330 € - 900 €) | |
Einsatzbetrag Klägerin zu 1. | 334 € | ||
Einsatzbetrag Kläger zu 2. | 272 € | ||
Summe der Einsatzbeträge | 606 € | ||
Kürzungsfaktor | 70,96 % | (= 430 € : 606 €) | |
Es entfallen auf | |||
die Klägerin zu 1. | 237 € | (= 334 € x 70,96 %), | |
den Kläger zu 2. | 193 € | (= 272 € x 70,96 %) | |
ab Januar 2011 | |||
Verteilungsmasse | 380 € | (= 1.330 € - 950 €) | |
Einsatzbetrag Klägerin zu 1. | 334 € | ||
Einsatzbetrag Kläger zu 2. | 272 € | ||
Summe der Einsatzbeträge | 606 € | ||
Kürzungsfaktor | 62,71 % | (= 380 € : 606 €) | |
Es entfallen auf | |||
die Klägerin zu 1. | 209 € | (= 334 € x 62,71 %), | |
den Kläger zu 2. | 171 € | (= 272 € x 62,71 %). |
Da die Kläger dynamisierten Unterhalt im Sinne von § 1612 a BGB verlangen, ist der nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung fällig werdende Unterhalt als Prozentsatz des Mindestunterhaltes auszudrücken (vgl. FamVerf-/Schael, 2. Aufl., § 1, Rz. 236 sowie FamVerf-/Gutjahr, § 1, Rz. 388). Für die Klägerin zu 1. ergeben sich insoweit 70,6 % [=(209 € + 92 € Kindergeldanteil) : 426 €] des Mindestunterhalts, für den Kläger zu 2. sind es 71,7 % [=(169 € + 92 € Kindergeldanteil) : 364 €].
Abweichend von den für die Klägerin zu 1. von Juli bis Dezember 2007 und für den Kläger zu 2. ab Juli 2007 ermittelten Beträgen, die – abgesehen vom Zeitraum Juli bis Dezember 2007 – im Wege der Mangelverteilung errechnet worden sind, hat es mit Rücksicht auf das angefochtene Urteil, das – mangels Anschlussberufung - im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot, § 528 S. 2 ZPO (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 528, Rz. 24) nicht zulasten des Beklagten als Rechtsmittelführers abgeändert werden darf, für die Klägerin zu 1. in den Monaten Juli bis Dezember 2007 bei einem monatlichen Unterhalt von 253 €, für den Kläger zu 2. in der gesamten Zeit ab Juli 2007 bei einem monatlichen Unterhalt von 169 € zu verbleiben.
Auf Grund der einstweiligen Anordnung vom 24.6.2007 etwa geleisteter bzw. beigetriebener Unterhalt stellt keine Erfüllung dar (HK FamR/Schael, § 644 ZPO, Rz. 16). Deshalb scheidet eine Anrechnung auf den hier titulierten Unterhalt aus. Die entsprechend Anordnung durch das angefochtene Urteil war im Übrigen mangels Bestimmtheit ohne Wirkung.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.