Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 02.04.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 B 16.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 43 Abs 1 VwGO, § 42 VwGO, § 167 S 1 VwGO, § 767 ZPO, § 48 Abs 4 VwVfG, § 49 Abs 3 S 1 Nr 1 VwVfG, § 49 Abs 3 S 2 VwVfG, § 49a Abs 1 S 1 VwVfG, § 9 Abs 1 InsO, § 9 Abs 3 InsO, § 28 Abs 1 S 2 InsO, § 30 Abs 1 InsO, § 30 Abs 2 InsO, § 38 InsO, § 55 InsO, § 201 Abs 1 InsO, § 201 Abs 3 InsO, § 286 InsO, § 301 Abs 1 InsO, § 254 Abs 1 S 1 InsO, § 254 Abs 1 S 3 InsO, § 2 Abs 1 S 1 InvZulG, § 133 Abs 3 S 1 BauGB, Art 14 Abs 1 GG |
Eine öffentlich-rechtliche Forderung, die auf der Rückabwicklung einer Subvention wegen Zweckverfehlung beruht, ist nicht erst dann "begründet" im Sinne des § 38 InsO, wenn die zuständige Behörde den Rückforderungsbescheid erlassen hat, sondern regelmäßig schon dann, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rücknahme bzw. den Widerruf des Zuwendungsbescheides objektiv gegeben sind. Dies gilt jedenfalls in Fällen, in denen das Widerrufs- bzw. Rücknahmeermessen intendiert ist.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. April 2012 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Beklagte gewährte dem Kläger mit Zuwendungsbescheid vom 27. Februar 1998, modifiziert durch zwei Bescheide vom 12. Februar und 22. August 2001, Finanzierungshilfen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ über insgesamt 46.000 DM wegen der Errichtung einer Betriebsstätte mit einem fünf Jahre nach dem für den 17. November 1998 vorgesehenen Abschluss der Investitionsmaßnahme zu schaffenden Dauerarbeitsplatz. Im März bzw. Mai 2003 stellte der Kläger den Geschäftsbetrieb ein. Das Amtsgericht Hanau eröffnete am 25. Februar 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers.
Mit Bescheid vom 19. August 2005 widerrief der Beklagte den Zuwendungsbescheid und forderte den Kläger zur Rückzahlung der ausgezahlten Zuwendungsmittel in Höhe von insgesamt 23.519,43 Euro auf. Der Bescheid wurde am 31. Mai 2006 zugestellt. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos, der Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2006 wurde bestandskräftig.
Bereits am 30. Juni 2006 hatte der Insolvenzverwalter dem Beklagten auf entsprechende Anfrage mitgeteilt, dass seine Forderung nicht am Insolvenzverfahren teilnehme, da sie erst nach dessen Abschluss entstanden sei. Das Amtsgericht Hanau erteilte dem Kläger mit Beschluss vom 30. März 2010 sog. Restschuldbefreiung nach § 300 der Insolvenzordnung - InsO -.
Mit Schreiben vom 11. März 2010 forderte der Beklagte den Kläger zur Zahlung der Rückforderungssumme nebst Zustellungs- und Mahnkosten über insgesamt 23.572,87 Euro auf.
Der vom Kläger daraufhin erhobenen Klage festzustellen, dass die Vollstreckung aus dem Rückforderungsbescheid unzulässig sei, hat das Verwaltungsgericht stattgegeben, die entsprechende Feststellung getroffen und zur Begründung ausgeführt: Dem Beklagten sei die Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid dauerhaft verwehrt. Nach § 301 Abs. 1 InsO wirke die dem Kläger erteilte Restschuldbefreiung gegen alle Insolvenzgläubiger, was auch für Gläubiger gelte, die ihre Forderungen nicht angemeldet hätten. Der Beklagte sei Insolvenzgläubiger, weil sein Anspruch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründet gewesen sei. Hierfür sei die Rückforderungslage maßgeblich und nicht die einen Bescheid voraussetzende Rückforderungserklärung. Die Rückforderungslage trete ein, wenn ein Sachverhalt verwirklicht sei, der einen Rückforderungstatbestand setze. Dabei sei unerheblich, ob die Behörde den Sachverhalt kenne oder nach den ermessensteuernden Vorgaben zur Rückforderung befugt sei.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung. Er macht geltend, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass den von der Restschuldbefreiung betroffenen Gläubigern die Anmeldung ihrer Forderung möglich gewesen sein müsse. Das sei hier zu verneinen, weil der Kläger pflichtwidrig versäumt habe, den Beklagten in Kenntnis zu setzen. Im Übrigen sei die streitige Rückforderung bei Insolvenzeröffnung noch nicht entstanden gewesen. Die Insolvenzeröffnung sei für sich genommen kein hinreichender Grund für einen Widerruf der Bewilligungsbescheide, weil bei Fortführung oder Wiederaufnahme der selbstständigen Tätigkeit des Fördernehmers durchaus eine Belassung der Zuwendungsmittel in Betracht gekommen wäre. Weiter sei die Rechtsaufassung des Insolvenzverwalters erheblich, wonach eine Forderungsanmeldung durch den Beklagten nicht möglich gewesen sei, weil sie erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens entstanden sei. „Begründet“ im Sinne des § 38 InsO sei ein Vermögensanspruch gegen einen Insolvenzschuldner erst, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand vor der Verfahrenseröffnung bereits vollständig erfüllt und materiell-rechtlich abgeschlossen sei. Bei öffentlich-rechtlichen Forderungen werde sogar die Auffassung vertreten, dass dies erst dann angenommen werde könne, wenn der Verwaltungsakt dem Schuldner bekannt gegeben worden sei.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin 17. April 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
I. Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
1. Dabei ist das Verwaltungsgericht zutreffend von der Zulässigkeit der erhobenen Feststellungsklage im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ausgegangen. Einer Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO steht entgegen, dass nach § 167 Satz 1 VwGO die Zivilprozessordnung nur entsprechend anzuwenden ist, soweit die Verwaltungsgerichtsordnung keine Bestimmungen über das Verfahren enthält. Die Vollstreckungsabwehrklage ist, soweit sie die Vollstreckung unanfechtbarer Verwaltungsakte betrifft, daher dann ausgeschlossen, wenn eine Klage nach § 42 oder - wie hier - nach § 43 VwGO zulässig ist (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2011 - OVG 10 B 7.10 -, Rn. 15 bei juris m.w.N.).
2. Die Klage ist auch begründet. Die Beitreibung der im bestandskräftigen Bescheid vom 19. August 2005 festgesetzten Rückforderung ist nicht mehr zulässig, weil dem Beklagten die Zwangsvollstreckung aus diesem dauerhaft verwehrt ist. Zwar können die Insolvenzgläubiger gemäß § 201 Abs. 1 InsO nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen. Gemäß § 201 Abs. 3 InsO bleiben hiervon die Vorschriften über die Restschuldbefreiung jedoch unberührt. Von der dem Kläger vom Insolvenzgericht am 30. März 2010 erteilten Restschuldbefreiung ist die mit Bescheid vom 19. August 2005 titulierte Forderung erfasst. Nach § 301 Abs. 1 Satz 1 InsO wirkt eine Restschuldbefreiung gegen alle Insolvenzgläubiger. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Der Beklagte ist im Hinblick auf die hier streitige Forderung Insolvenzgläubiger im Sinne der Vorschrift (a.), dass er (unverschuldet) keine Kenntnis von dem Insolvenzverfahren hatte und seine Forderung (nur) deshalb nicht angemeldet hat, ist hierbei unerheblich (b.).
a. Wer Insolvenzgläubiger ist, regelt § 38 InsO. Danach dient die Insolvenzmasse zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Ob der Beklagte in diesem Sinne Insolvenzgläubiger ist, beurteilt sich also danach, ob der mit dem Rückforderungsbescheid verfolgte Anspruch, der, weil er auf die Zahlung von Geld gerichtet ist, ein Vermögensanspruch im Sinne der Vorschrift ist, im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 25. Februar 2004 „begründet“ war.
Die Frage, ob eine Forderung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinne des § 38 InsO „begründet“ war, ist danach zu beantworten, ob das Schuldverhältnis schon vor Verfahrenseröffnung bestand bzw. der Schuldrechtsorganismus, der die Grundlage der Forderung bildet, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschaffen war. Hierfür muss die Forderung nicht schon wirksam entstanden und durchsetzbar gewesen sein. Es genügt vielmehr, wenn von ihrem Entstehungstatbestand zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits so viele Merkmale verwirklicht waren, dass der Gläubiger eine gesicherte haftungsrechtliche Anwartschaft am Vermögen des Schuldners erlangt hat. Demgegenüber ist eine Forderung als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 InsO einzustufen, wenn sich ihre Begründung erst nach Verfahrenseröffnung vollzogen hat (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Januar 2010 - OVG 9 S 1.09 -, NVwZ-RR 2010, S. 494 f., Rn. 11 bei juris). Das Begründetsein eines Vermögensanspruchs in diesem Sinne setzt nicht zwingend voraus, dass er bereits entstanden ist. Die Entstehung oder Fälligkeit einer Forderung kann auch erst nach deren Begründung liegen (Büterowe, in Karsten Schmidt, InsO, 18. Auflage 2013, § 38, Rn. 16). Daher ordnet beispielsweise § 41 Abs. 1 InsO an, dass noch nicht fällige (sog. betagte) Forderungen als fällig zu behandeln sind. Das gilt auch für befristete Forderungen, die erst in Zukunft bestehen (Büterowe, a.a.O.). § 42 InsO bestimmt, dass auch aufschiebend und auflösend bedingte Forderungen Insolvenzforderungen sind.
Eine öffentlich-rechtliche Forderung, die auf der Rückabwicklung einer Subvention wegen Zweckverfehlung beruht, entsteht zwar erst mit der Aufhebung des Zuwendungsbescheides, denn dieser bildet bis zu diesem Zeitpunkt den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Subvention (vgl. § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG). Das schließt nach dem zuvor Gesagten aber nicht aus, dass eine solche Forderung schon zu einem früheren Zeitpunkt „begründet“ im Sinne des § 38 InsO ist. „Begründet“ ist eine solche Forderung nicht erst, wenn die zuständige Behörde den Rückforderungsbescheid erlassen hat, sondern regelmäßig schon dann, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rücknahme bzw. den Widerruf des Zuwendungsbescheides objektiv gegeben sind. Dies gilt jedenfalls in Fällen, in denen das Widerrufs- bzw. Rücknahmeermessen intendiert ist. Bereits dann, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rückforderung einer Subvention vorliegen, existiert der „Schuldrechtsorganismus“, der die Grundlage der Forderung bildet. Ab diesem Zeitpunkt ist es der Behörde möglich, einen Rückforderungsbescheid zu erlassen. Sofern das Widerrufs- bzw. Rücknahmeermessen intendiert ist, ist die Rückforderung der Subvention gewissermaßen „vorprogrammiert“. Für die Ausübung des Ermessens ist nur in Ausnahmefällen Raum. Zu welchem Zeitpunkt der Rückzahlungsanspruch gegenüber dem Subventionsnehmer als dessen Schuldner geltend gemacht wird, hängt im Wesentlichen vom Willen bzw. Vorgehen der Behörde ab.
Dementsprechend ist etwa in der Rechtsprechung der Finanzgerichte anerkannt, dass der Rechtsgrund für die Entstehung eines auf Rückzahlung einer Investitionszulage gerichteten Anspruchs bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt ist, wenn die Investitionszulage von vornherein unter dem Vorbehalt gewährt wurde, dass sie bei Verletzung der Bindefristen zurückzuzahlen ist (Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Mai 2008 - 13 K 2037/05 -, EFG 2008, 1579 f., Rn. 23 bei juris, unter Berufung auf BFH, Urteil vom 14. Oktober 1977 III R 111/75). Die Bindefristen sollen gewährleisten, dass die Anschaffung und Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören, in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben und in jedem Jahr zu nicht mehr als 10 vom Hundert privat genutzt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 InvZulG). Dabei geht die Finanzgerichtsbarkeit davon aus, dass bei Nichteinhaltung dieser Bindefristen die Rückzahlungsverpflichtung von vornherein angelegt ist, wenn die Investitionszulage unter einem entsprechenden Vorbehalt gewährt wurde.
Diese Konstellation ist mit dem hier in Rede stehenden Fall des Widerrufs eines Zuwendungsbescheides wegen Zweckverfehlung und der daran geknüpften Rückforderung weitgehend vergleichbar. Eine zu einem bestimmten Zweck gewährte Zuwendung unterliegt regelmäßig dem Widerruf, wenn dieser Zweck nicht oder nicht binnen der im Zuwendungsbescheid vorgesehenen Frist erreicht wird. Die Gewährung der Zuwendung ist damit untrennbar mit der Erreichung des vorgesehenen Zwecks verknüpft. Ob man dabei so weit gehen muss wie die finanzgerichtliche Rechtsprechung, wonach schon im Hinblick auf die Gewährung der Investitionszulage unter Vorbehalt der Rechtsgrund für die Entstehung des Rückforderungsanspruches gelegt und damit „begründet“ im Sinne des § 38 InsO sei, bedarf dabei vorliegend keiner Entscheidung. Jedenfalls ab dem Zeitpunkt, ab dem die Zweckverfehlung und damit das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG feststeht, besteht ein gewisser Automatismus hinsichtlich der Aufhebung des Zuwendungsbescheides und damit zugleich der sich hieran knüpfenden Rückforderung der Zuwendung (vgl. § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG).
Die Auffassung des Beklagten, wonach öffentlich-rechtliche Forderungen generell nicht schon dann im Sinne des § 38 InsO begründet sind, wenn die rechtlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts vorliegen, sondern erst dann, wenn der Aufhebungsbescheid dem Schuldner bekannt gegeben ist, überzeugt jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art nicht. Auch der vom Beklagten insoweit angeführte und in der einschlägigen Fachliteratur (vgl. etwa: Bäuerle, in Braun, InsO, 5. Auflage 2012, § 38, Rn.4 a.E.) zur Begründung dieser Auffassung zitierte Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Januar 2010 (a.a.O., Rn. 15 bei juris) rechtfertigt vorliegend keine andere Einschätzung. Der Beklagte verkennt, dass sich diese Entscheidung allein auf die Fälle einer Vorausleistungsforderung nach § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB bezieht. Nach dieser Vorschrift können Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag verlangt werden für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird oder wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlagen begonnen worden und deren endgültige Herstellung innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist. Der 9. Senat hat hierzu ausgeführt: Die Erhebung von Vorausleistungen stehe im (freien) Ermessen des Gläubigers. Die Vorausleistungspflicht als zeitlich vorgezogene Erschließungsbeitragsleistung sei mangels gesetzlicher Entstehung aber erst mit dem Erlass des Vorausleistungsbescheides begründet und ruhe auch erst ab diesem Zeitpunkt als öffentliche Last auf dem Grundstück (a.a.O., Rn. 14 bei juris). Dies verdeutlicht den Unterschied zur hier fraglichen Konstellation der Rückforderung einer Subvention wegen Zweckverfehlung. An das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB als solche lässt sich nicht die (sichere) Erwartung knüpfen, dass Vorausleistungen erhoben werden. Diese Frage hängt vielmehr stets von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Haushaltslage der betroffenen Gemeinde, der Größe des Bauvorhabens und dem Umfang und Aufwand der erforderlichen Erschließung. Dies rechtfertigt die Annahme, dass der die Grundlage der Forderung bildende „Schuldrechtsorganismus“ erst dann gegeben ist, wenn die Behörde sich hierzu im Wege der Ermessensausübung entschlossen und sich dieser Wille im Erlass eines entsprechenden Vorausleistungsbescheides manifestiert hat. Demgegenüber lässt die Verfehlung des mit einer Subvention verfolgten Zwecks regelmäßig deren Rückforderung erwarten. Diesen Befund stützt nicht zuletzt der hier gegebene Sachverhalt.
Im dem Kläger vom Beklagten erteilten Zuwendungsbescheid vom 27. Februar 1998 heißt es unter „10 Erstattung der Zuwendung“, dass die Bewilligung auch rückwirkend widerrufen werde und bereits ausgezahlte Mittel verzinst zurückgefordert würden, wenn die der Bewilligung zu Grunde liegenden Fördervoraussetzungen nach Abschluss des Investitionsvorhabens nicht erfüllt seien, insbesondere, wenn die unter Ziffer 5.3 des Bescheides nach Abschluss des Vorhabens genannte Zahl von Dauerarbeitsplätzen nicht für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren nach Abschluss des Investitionsvorhabens vorhanden gewesen und die geforderte Betriebsstätte ganz oder teilweise auf andere übertragen, geschlossen oder verlagert worden sei. Die Zuwendung stand damit unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass diese Nebenbestimmungen nicht eingehalten würden. Dass dies der Fall sein würde, war spätestens mit Aufgabe des Geschäftsbetriebes anzunehmen. Der Kläger gab den Geschäftsbetrieb nach eigenen Angaben im Mai 2003, nach den fernmündlichen Angaben des Insolvenzverwalters gegenüber dem Beklagten hingegen im März 2003 auf. Welcher dieser beiden Zeitpunkte zutrifft, kann auf sich beruhen, da jedenfalls beide deutlich vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 25. Februar 2004 lagen. Es sind im Übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass von dem hierdurch ausgelösten intendierten Widerrufsermessen ausnahmsweise abzurücken sein könnte. Dies gilt insbesondere deshalb, weil auch eine Fortführung des Betriebs mit der Folge des vollständigen oder teilweisen Absehens von einer Rückforderung im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht in Betracht kam. Denn die Geschäftsaufgabe lag zeitlich deutlich vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Für die hier vertretene Auffassung spricht weiter, dass es die Behörde nach eigenem Gutdünken in der Hand hätte, ob sie einen Anspruch auf Rückzahlung einer Subvention als Insolvenzforderung geltend macht oder dem Betroffenen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewissermaßen als neue Schuld auferlegt, verlangte man den Erlass eines Rückforderungsbescheides zur Begründung eines (öffentlich-rechtlichen) Vermögensanspruchs im Sinne des § 38 InsO. Bereits das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zu Recht darauf hingewiesen, dass man damit angesichts der praktisch durchweg auf Bescheiden beruhenden öffentlich-rechtlichen Rückforderungsansprüche der öffentlichen Hand öffentlich-rechtliche Forderungen dem Regime des Insolvenzverfahrens entziehen könnte und sich dies schwerlich mit der vom Bundesgesetzgeber mit dem Übergang von der Konkursordnung zur Insolvenzordnung angestrebten weitgehenden Abschaffung aller staatlichen Privilegien (Kießner, in Braun, a.a.O., § 1, Rn. 6) vereinbaren ließe.
Dem lässt sich nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass hierdurch die Widerrufs- bzw. Rücknahmefrist des § 48 Abs. 4 VwVfG (in Verbindung mit § 49 Abs. 3 Satz 2 VwVfG) unzulässig verkürzt würde. Zwar dürfte eine Subventionsbehörde gehalten sein, zumindest einen Aufhebungsbescheid binnen der vom Insolvenzverwalter nach § 28 Abs. 1 Satz 2 InsO festgelegten Anmeldefrist zu erlassen, da eine Anmeldung nur für bereits entstandene Ansprüche zulässig sein dürfte und die Anmeldefrist höchstens drei Monate beträgt. Die in § 48 Abs. 4 VwVfG vorgesehene Frist schränkt die Befugnis der Behörde ein, die Entscheidung über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes zeitlich über das darin geregelte Maß hinauszuschieben. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass andere gesetzliche Regelungen die Entscheidungsbefugnis der Behörde in zeitlicher Hinsicht weiter einschränken. So ist es hier. Die Regelung in § 48 Abs. 4 VwVfG wird durch die Vorgaben des Insolvenzverfahrens gleichsam „überlagert“. Auch dies erweist sich letztlich als Konsequenz aus der vom Gesetzgeber beabsichtigten weitgehenden Abschaffung der Privilegierung öffentlich-rechtlicher Forderungen.
b. Dass der Beklagte von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Kenntnis hatte, unter Umständen auch nicht haben konnte und nur deshalb seine Forderung nicht angemeldet hat, ist insoweit ohne Bedeutung.
aa. Das ergibt sich aus § 301 Abs. 1 Satz 2 InsO, wonach die Restschuldbefreiung auch für Gläubiger gilt, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Diese Regelung differenziert ihrem Wortlaut nach nicht nach den Gründen, aus denen eine Forderungsanmeldung unterblieben ist. Sie erfasst damit schon nach ihrem Wortlaut sowohl die Fälle, in denen ein Gläubiger die Anmeldung seiner Forderung trotz Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens absichtlich unterlassen hat als auch die Fälle, in denen die Forderungsanmeldung - wie hier - aus Unkenntnis unterblieben ist. Dies entspricht auch dem Zweck der Vorschrift, die der Rechtsklarheit und der Effektivität der Restschuldbefreiung dienen soll (Henning, in Karsten Schmidt, a.a.O., § 301, Rn. 1). Eine Restschuldbefreiung, die sich auf solche Gläubiger beschränkt, die ihre Forderung angemeldet haben, könnte ihr Ziel, den Schuldner von seinen im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten zu befreien (Lang, in Braun, a.a.O., § 301, Rn. 1), nicht oder zumindest nur sehr unvollkommen erreichen. Es wäre dann nicht auszuschließen, dass Gläubiger eine Anmeldung ihres Anspruchs im Insolvenzverfahren absichtlich unterlassen, um so ihre Forderung gemäß § 201 Abs. 1 InsO auch nach dessen Abschluss gegenüber dem Schuldner weiter uneingeschränkt verfolgen zu können. Insolvenzgläubiger hätten es dann in der Hand, die Restschuldbefreiung durch eine Nichtbeteiligung leerlaufen zu lassen (Henning, a.a.O., Rn. 4).
bb. Für eine Differenzierung danach, ob ein Gläubiger Kenntnis vom Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners hatte und dafür, diejenigen vom Anwendungsbereich des § 301 Abs. 1 Satz 2 InsO auszunehmen, die unverschuldet keine Kenntnis hatten, bietet daher weder der Wortlaut hinreichenden Anhalt noch der dargelegte Zweck der Restschuldbefreiung noch erscheint dies aus verfassungsrechtlichen Gründen im Hinblick auf die Eigentumsgarantie des Artikels 14 GG geboten.
Dies ist hier schon deshalb der Fall, weil sich der Beklagte als Schuldner einer öffentlich-rechtlichen Forderung nicht auf den Schutz dieses Grundrechts gegenüber dem Gesetzgeber berufen kann (BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1992 - 2 BvR 1187/80 -, BVerfGE 61, 82 ff., Rn. 55 ff. bei juris).
Dessen ungeachtet ist Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG, wonach das Eigentum gewährleistet wird, sein Inhalt und seine Schranken durch die Gesetze bestimmt werden, aber auch aus anderen Gründen nicht verletzt. Zwar kann eine Beschränkung oder erhebliche Erschwerung der Durchsetzbarkeit einer Forderung trotz der Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers einen Eingriff in das Eigentum des Gläubigers darstellen. Dem entspricht, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Eigentumsrechten und des dazugehörigen Verfahrensrechts an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden ist (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 1 BvL 8/03 -, NJW 2004, S. 1233 f., Rn. 15 bei juris). Die Erstreckung der Restschuldbefreiung auf Gläubiger, die unverschuldet eine Forderung nicht zum Insolvenzverfahren angemeldet haben, erscheint aber nicht unverhältnismäßig. Könnte sich ein Gläubiger nachträglich mit Erfolg darauf berufen, ohne Verschulden von dem Insolvenzverfahren oder seiner Forderung bzw. den ihr zu Grunde liegenden Umständen keine Kenntnis erlangt zu haben, wäre dies der mit der Regelung bezweckten Rechtssicherheit in hohem Maße abträglich. Auch sonst muss es ein Gläubiger hinnehmen, dass eine verspätet angemeldete Forderung nicht bei der Verteilung berücksichtigt oder eine nicht angemeldete Forderung durch den Insolvenzplan (§ 254 Abs. 1 Satz 1 und 3 InsO) gekürzt wird (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 - IX ZR 24/10 -, MDR 2011, S. 259 f., Rn. 20 bei juris). Hinzu kommt, dass auch eine besondere Schutzbedürftigkeit des am Insolvenzverfahren nicht teilnehmenden oder seine Forderung nicht ordnungsgemäß anmeldenden Insolvenzgläubigers nicht anzuerkennen ist. Denn infolge der öffentlichen Bekanntmachung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 30 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 InsO ist jeder Gläubiger grundsätzlich in der Lage, von der Insolvenz eines Schuldners Kenntnis zu nehmen. Dadurch wird er in den Stand gesetzt, seine Forderung rechtzeitig anzumelden. Angesichts des Umstands, dass seit dem Jahr 1999 für natürliche Personen die Möglichkeit der Restschuldbefreiung gemäß §§ 286 ff. InsO besteht, müssen Gläubiger seither verstärkt damit rechnen, dass auch ihr Schuldner im Falle der Insolvenz einen solchen Antrag stellt (BGH, a.a.O., Rn. 20 bei juris und Beschluss vom 13. Juli 2006 - IX ZB 288/03 -, MDR 207, S. 362 f., Rn. 11 bei juris). Das gilt unabhängig davon, ob Gläubiger der Forderung eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts oder der Staat ist.
cc. Soweit der Beklagte es für unzumutbar hält, sich über etwaige Insolvenzen seiner Subventionsnehmer zu informieren, verkennt er, dass es gerade Aufgabe der öffentlichen Bekanntmachung ist, der Entscheidung nach außen hin Geltung zu verschaffen und die Publizitätswirkung auch gegenüber solchen Personen eintreten zu lassen, an die eine Einzelzustellung nach § 30 Abs. 2 InsO nicht erfolgt (Böhner, in Braun, a.a.O., § 9, Rn. 1; Stephan, in Karsten Schmidt, a.a.O., § 9, Rn. 8). Dementsprechend genügt gemäß § 9 Abs. 3 InsO die öffentliche Bekanntmachung zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten, auch wenn das Gesetz neben ihr eine besondere Zustellung vorschreibt. Dies macht zugleich deutlich, dass die vom Beklagten geforderte Möglichkeit der Anmeldung seiner Forderung zum Insolvenzverfahren tatsächlich bestanden hat.
dd. Hinzu kommt, dass der Beklagte vorliegend auch dessen ungeachtet die Möglichkeit gehabt haben dürfte, von dem Insolvenzverfahren Kenntnis zu erlangen. Er hat den Kläger seit der Auszahlung der Zuwendung mehrfach wegen des Nachweises ihrer zweckentsprechenden Verwendung angeschrieben (vgl. etwa die Schreiben vom 24. Juli 2000, 17. Oktober 2000, 18. März 2002, 31. März 2004 und 15. April 2004), ohne dass eine Reaktion erfolgt wäre. Hätte der Beklagte hier schon zu einem früheren Zeitpunkt „nachgehakt“ und nicht erst am 19. August 2005 eine Melderegisterauskunft veranlasst, hätte er die neue Anschrift des Klägers zu einem früheren, anzunehmenderweise vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Zeitpunkt erfahren und mit diesem in Kontakt treten können. Daran ändert auch nichts, dass es der Kläger pflichtwidrig unterlassen hat, dem Beklagten seine neue Anschrift mitzuteilen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil die allgemeine Frage, unter welchen Voraussetzungen eine wegen Zweckverfehlung zurückgeforderte öffentlich-rechtliche Subvention „begründet“ im Sinne des § 38 InsO ist, bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und daher grundsätzliche Bedeutung hat.