Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 28.11.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 9 RS 1.14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 57 Abs 2 VwGO, § 82 Abs 1 S 1 VwGO, § 152a Abs 2 S 1 VwGO, § 166 VwGO, § 114 S 1 ZPO, § 222 ZPO, § 187 BGB, § 188 BGB |
1. Der Prozesskostenhilfeantrag der Antragstellerin für eine Anhörungsrüge gegen die Beschlüsse des Senats vom 30. Juli 2014 (OVG 9 S 59.13 u.a. und OVG 9 M 51.13) wird abgelehnt.
2. Die Anhörungsrüge der Antragstellerin gegen die Beschlüsse des Senats vom 30. Juli 2014 (OVG 9 S 59.13 u.a. und OVG 9 M 51.13) wird verworfen.
Die Kosten der Anhörungsrüge trägt die Antragstellerin.
I.
Die Antragstellerin führt vor dem Verwaltungsgericht ein Klageverfahren gegen ihre Heranziehung zu einem Straßenbaubeitrag. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Klageverfahren abgelehnt. Außerdem hat es in einem parallelen Eilverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie den Eilantrag selbst abgelehnt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 30. Juli 2014 (OVG 9 M 51.13) die Beschwerde der Klägerin gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zurückgewiesen.
Mit einem weiteren Beschluss vom 30. Juli 2014 (OVG 9 S 59.13 u.a.) hat der Senat es abgelehnt, der Antragstellerin Prozesskostenhilfe für eine noch zu erhebende Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Eilantrags zu bewilligen. Zugleich hat er hinsichtlich des Eilverfahrens die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe und die Streitwertbeschwerde zurückgewiesen.
Mit ihrer Anhörungsrüge wendet sich die Antragstellerin gegen die prozesskostenhilferechtlichen Entscheidungen des Senats. Für das Anhörungsrügeverfahren selbst begehrt die Antragstellerin wiederum Prozesskostenhilfe.
II.
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Die in Rede stehende Anhörungsrüge richtet sich gegen die beiden Beschlüsse des Senats nur insoweit, wie sie prozesskostenhilferechtliche Entscheidungen treffen. Das Prozesskostenhilfeverfahren selbst stellt indessen keine „Prozessführung“ im Sinne von § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO dar, so dass hierfür keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann (BVerwG, Beschluss vom 22. August 1990 – BVerwG 5 ER 640.90 –, juris, Rdnr. 1 f.; OVG Berlin–Brandenburg, Beschluss vom 28. März 2014 – OVG 5 M 10.14 –, Juris, Rdnr. 4 m.w.N.). Dies gilt nicht nur für das Verfahren über einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe – hier: OVG 9 S 59.13 u.a. –, sondern auch für das Verfahren über eine Beschwerde gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe (vgl. OVG Berlin–Brandenburg, a.a.O.) – hier: sowohl OVG 9 S 59.13 u.a. als auch OVG 9 M 51.13 – und dementsprechend für eine Anhörungsrüge, die Entscheidungen in solchen prozesskostenhilferechtlichen Verfahren betrifft.
Im Übrigen bietet die Rechtsverfolgung auch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO), wie sich aus den nachfolgenden Gründen zu 2. ergibt.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Das Prozesskostenhilfeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten der Gegenseite werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).
2. Die Anhörungsrüge ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht erhoben worden ist.
Nach § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO ist die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Kenntnis von der Verletzung rechtlichen Gehörs meint die Kenntnis der maßgeblichen Fakten, nicht der rechtlichen Bewertung als Gehörsverstoß. Bei Gehörsverstößen durch im schriftlichen Verfahren ergehende Entscheidungen kann der Zeitpunkt der Kenntnis, muss aber nicht mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe an den betroffenen Beteiligten identisch sein. Die Zeitpunkte fallen auseinander, wenn die Lektüre der Entscheidung an einem späteren Tag erfolgt. Wird die Anhörungsrüge innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung erhoben, ist die Frist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO gewahrt. Auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme kommt es dann nicht an. Er braucht deshalb auch nicht glaubhaft gemacht zu werden. Liegt die Bekanntgabe dagegen länger als zwei Wochen zurück, muss der Betroffene vortragen und glaubhaft machen, wann er von der Entscheidung und damit von den Tatsachen Kenntnis genommen hat, aus denen er den Gehörsverstoß ableitet. Für diesen Fall beansprucht die Bestimmung des § 152a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO Geltung (BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 2013 – BVerwG 4 B 4.13 –, juris, Rdnr. 4 f.).
Nach diesen Maßgaben ist die Anhörungsrüge nicht fristgerecht erhoben worden. Die Antragstellerin hat die zweiwöchige Frist zwischen Bekanntgabe der Entscheidung und Erhebung der Anhörungsrüge bei beiden Beschlüssen um mehr als zwei Monate überschritten. Der Beschluss vom 30. Juli 2014 zu den Verfahren OVG 9 S 59.13, OVG 9 M 53.13 und OVG 9 L 52.13 wurde ihr ausweislich der Postzustellungsurkunde am 1. August 2014 zugestellt. Insoweit lief die Zweiwochenfrist am Freitag, den 15. August 2014 ab. Der Beschluss vom 30. Juli 2014 zum Verfahren OVG 9 M 51.13 wurde am 31. Juli 2014 auf den Postweg gegeben. Als formlos mitgeteilte Entscheidung gilt dieser Beschluss mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (§ 152a Abs. 2 Satz 3 VwGO). Für ihn gilt daher Sonntag, der 3. August 2014, als Tag der Bekanntgabe mit der Folge, dass insoweit die zweiwöchige Frist am Montag, den 4. August 2014, zu laufen begonnen und mit Ablauf des 18. August 2014, eines Montags, geendet hat (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 ZPO, §§ 187 f. BGB). Indessen ist die Anhörungsrüge gegen beide Beschlüsse nicht schon am 15. August 2014 bzw. 18. August 2014 erhoben worden, sondern erst auf den 28. Oktober 2014 datiert und am 5. November 2014 bei Gericht eingegangen.
Nachdem die Antragstellerin ihre Anhörungsrüge hier nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Bekanntgabe des jeweiligen Beschlusses erhoben hat, ist sie daher gehalten gewesen, in ihrer Rüge vorzutragen, zu welchem späteren Zeitpunkt sie von dem jeweiligen Beschluss, aus dem sich die Gehörsverletzung ergeben soll, Kenntnis erlangt hat, und diesen späteren Zeitpunkt auch glaubhaft zu machen. Das hat sie nicht getan. Einen späteren Zeitpunkt der Kenntniserlangung, für den die zweiwöchige Frist noch gewahrt gewesen wäre, hat sie weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
Eine Wiedereinsetzung hinsichtlich der versäumten Frist zur Erhebung der Anhörungsrüge kommt nicht in Betracht, weil nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, dass die Antragstellerin ohne Verschulden verhindert war, die bezeichnete gesetzliche Frist einzuhalten (§ 60 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 VwGO).
Unabhängig davon ist die Anhörungsrüge auch unbegründet. Soweit die Antragstellerin sinngemäß geltend macht, das Gericht habe ihr rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es versäumt habe, von ihr Belege über Telefon–/ Stromnutzung o.ä. vor der Entscheidung anzufordern, verkennt sie, dass der Senat hierzu nicht verpflichtet war. Es geht um ihre eigene prozessuale Mitwirkungspflicht gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Schon im erstinstanzlichen Eilverfahren hatten gerichtliche Hinweise vom 20. August 2013 und vom 5. September 2013 die Antragstellerin auf die berechtigten Zweifel an ihren Angaben zur ladungsfähigen Anschrift aufmerksam gemacht. Die Unzulässigkeit des Aussetzungsantrages hat das Verwaltungsgericht auf das Fehlen der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift gestützt. Danach musste es sich der Antragstellerin aufdrängen, dass sie bei Festhalten an der Anschrift im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht von sich aus in geeigneter Weise glaubhaft machen muss, auch tatsächlich dort zu wohnen und regelmäßig persönlich erreichbar zu sein. Die Beschlussgründe (OVG 9 S 59.13 u.a., BA S. 4) geben nur einige naheliegende Beispiele dafür an, wie sie das hätte tun können. Im Übrigen ist die Antragstellerin ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht hinsichtlich der Anschrift - soweit ersichtlich - weder gegenüber dem Verwaltungsgericht noch gegenüber dem Oberverwaltungsgericht nachgekommen. Der lange Zeitraum, der zwischen der Bekanntgabe der Senatsbeschlüsse und dem Erheben der Anhörungsrüge verstrichen ist, bestätigt indessen die Zweifel daran, dass die Antragstellerin unter der angegebenen Anschrift auch tatsächlich wohnt und dort regelmäßig persönlich erreichbar ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1, § 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).