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Klagebefugnis - Medizinprodukt - Arzneimittel-Richtlinie - Vorantragsteller - Erstantragssteller - Gebührenordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses -Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 24. Senat Entscheidungsdatum 25.01.2013
Aktenzeichen L 24 KA 43/10 KL ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen Art 3 GG, Art 12 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, § 29 Abs 4 Nr 3 Alt 1 SGG, § 54 SGG, § 20 SGB 10, § 31 S 1 SGB 10, § 31 Abs 1 SGB 5, § 34 Abs 6 SGB 5, § 92 Abs 1 SGB 5, § 7 MPG

Leitsatz

1. Die Klage auf Aufnahme eines Medizinproduktes in die Arzneimittelrichtlinie ist als Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1, Abs. 4 und 5 SGG statthaft.

2. Das Verfahren auf Aufnahme eines Medizinproduktes in die Arzneimittelrichtlinie ist ein (Einzel-)Medizinprodukt bezogenes Verfahren, kein Wirkstoff bezogenes.

3. § 31 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz i. V. m. § 34 Abs. 6 Satz 2 SGB V schränken den Amtsermittlungsgrundsatz ein.

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufnahme ihres Medizinproduktes „A“ in die Anlage V der Richtlinie des Beklagten über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie, AM-RL) ohne die vom Beklagten aufgestellten formalen Antragserfordernisse in vollem Umfang erfüllen zu müssen.

Sie entwickelt und vertreibt Produkte für die Ophtalmologie (Augenheilkunde) und hat sich insbesondere auf Komplettangebote für die Katarakt-Chirurgie spezialisiert. Bei A handelt es sich um eine sterile Salzspüllösung. Sie wird bei Katarakt-Operationen und anderen intraokularen Eingriffen zu Spülungen verwendet und erfüllt als Medizinprodukt der Klasse II a die grundlegenden Anforderungen des Anhanges der Richtlinie 93/42 EWG über Medizinprodukte (Medizinprodukterichtlinie). Die Klägerin gab hierzu eine Konformitätserklärung ab. Dieser lag das Zertifikat der E E Str, A zu Grunde, wonach dieses Zertifizierungsunternehmen bescheinigt, dass das Qualitätssicherungssystem unter dem u. a. das hier streitgegenständliche Produkt hergestellt würden, mit den Anforderungen des Anhangs Medizinprodukterichtlinie übereinstimme.

Die Klägerin lässt das Produkt bei der S AG herstellen, ebenso wie die Firma O das inhaltsstoffidentische Produkt B.

Als erstes wirkstoffidentisches Medizinprodukt ist BSS ® sterile Spüllösung der A GmbH vom Beklagten mit Beschluss vom 18. September 2008 (BAnz S. 3813) in die AM-RL aufgenommen worden.

Mit Schreiben vom 4. Februar 2009 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Aufnahme von Albo-Sol in die AM-RL. Das Produkt entspreche sowohl von der Zweckbestimmung als auch von der Darreichungsform (sterile Spüllösung) und der inhaltlichen Zusammensetzung exakt dem Produkt BSS ® sterile Spüllösung. Für diese Lösung habe der Beklagte bereits festgestellt, dass sie entsprechend ihrer Zweckbestimmung nach Art und Ausmaß der Zweckerzielung zur Krankenbehandlung geeignet sei, eine therapeutische Intervenierbedürftigkeit bestehe, der therapeutische Nutzen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis entspreche und eine andere, zweckmäßige Behandlungsmöglichkeit nicht verfügbar sei. Aufgrund dieser Produktidentität sei auch Albo-Sol in die AM-RL aufzunehmen. Die dem Antrag beigefügte CD-ROM mit unter anderem klinischen Bewertungen und Literaturdaten erfolge rein vorsorglich.

Der Beklagte antworte mit Schreiben vom 20. Februar 2009, die eingereichten Unterlagen seien unvollständig. Relevant erachtete Literatur müsse im Volltext beigefügt werden, für Studien sei der Extraktionsbogen in Anlage 2 der „Entscheidungsgrundlagen“ auszufüllen sowie für Metaanalysen, HTA-Berichte und systematische Übersichten der Bogen der Anlage III. Erst bei Vollständigkeit des Antrages in diesem Sinne werde innerhalb von 90 Tagen entschieden.

Im weiteren Schreiben vom 3. April 2009 äußerte er weiter, aufgrund Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art. 14 Abs. 1 GG verpflichtet zu sein, die Rechte des Erstantragsstellers auf Teilhabe am Wettbewerb ohne staatliche Begünstigung von Konkurrenten sowie des in den Antragsunterlagen verkörperten Know How zu schützen, indem von Antragsteller von Produkten mit identischen Inhaltsstoffen weiterhin die vollständige Vorlage der Antragsunterlagen zu verlangen.

Die Klägerin widersprach dem mit Schreiben vom 22. Mai 2009: Der Beklagte gehe mit seiner Praxis, Medizinprodukte nicht substanzspezifisch zu prüfen, sondern für jedes einzelne Produkt vorzunehmen, über die gesetzlichen Vorgaben des § 31 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hinaus. Hätten Medizinprodukte das Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen und verfügten sie über eine CE-Kennzeichnung, läge eine klinische Bewertung bereits vor. Die vom Beklagten geforderte Literaturextraktionen unter Beachtung einer strengen formalen Darstellung gehe weit über die Anforderung der klinischen Bewertung, aber auch über die Ermächtigung in §§ 31 Abs. 1 Satz 2, 34 Abs. 6 SGB V hinaus. Diese gelte bereits für den Erstantragssteller. Aufgrund § 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) habe der Beklagte die Pflicht, den Sachverhalt von Amtswegen zu ermitteln. Er müsse alle ihm erreichbaren Veröffentlichungen und sonstige Quellen als Entscheidungsgrundlage heranziehen. Er habe auch selbst die Aufgabe, diese Unterlagen auszuwerten. Die im Gesetz geregelte Nachweispflicht stelle sich als bloße Beweislastregel dar.

Mit Bescheid vom 15. Oktober 2009 (Zustellung: 19. Oktober 2009) lehnte der Beklagte den Antrag auf Aufnahme von Albo-Sol in die AM-RL ab. Die Verwendung der Antragsunterlagen eines Erstantragesstellers in einem nachfolgenden Verwaltungsverfahren eines (Nachfolge-)Antragsstellers stelle einen hoheitlichen Eingriff in eigentumswerte Vermögenspositionen des Erstantragsstellers dar (Bezugnahme auf OVG Berlin, Beschluss vom 1. Juli 1988 – OVG 5 S 11/88; Papier NJW 1985, 12ff). Der Amtsermittlungsgrundsatz des § 20 SGB X werde durch § 34 Abs. 6 Satz 2 SGB V eingeschränkt. Diese nationale Vorschrift gehe auf Art. 6 Nr. 1 Satz 3 der Richtlinie 89/105/EWG (Transparenzrichtlinie) vom 21. Dezember 1988 zurück.

Mit Bescheid vom 3. November 2009 setzte der Beklagte ferner eine Antragsgebühr gemäß §§ 1 Abs. 1, 3 der Gebührenordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Erhebung von Gebühren im Antragsverfahren nach § 34 Abs. 6 Satz 6 SGB V (GebO) in der Fassung des Beschlusses vom 15. Mai 2008 (BAnz Nr. 98 S. 2376) in Höhe von 10.394,00 Euro fest.

Die Klägerin erhob gegen beide Bescheide am 16. November 2009 Widerspruch: § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V i. V. m. § 34 Abs. 6 Satz 2 SGB V verlange nur eine „ausreichende“ Begründung und die Einreichung der „erforderlichen Nachweise“. Nichts anderes regele auch Art. 6 Abs. 1 Satz 3 der Transparenzrichtlinie. Auch sei die vom Beklagten geforderte Art der Literaturaufbereitung keinesfalls mit der Verwertung von Forschungsergebnissen oder des Know Hows gleichsetzbar, wie dies bei den behördlichen Zulassungsverfahren von Arzneimitteln oder Pflanzenbehandlungsmittel der Fall sei. Soweit der Beklagte Nachweise für die medizinische Notwendigkeit auch dann verlange, wenn diese zu seiner Überzeugung bereits erwiesen seien, stelle er sachlich unnötige und daher unverhältnismäßige Anforderungen und greife in die Berufsausübungsfreiheit der Nachanmelder ein sowie in die garantierte Warenverkehrsfreiheit.

Der Gebührenbescheid vom 3. November 2009 sei rechtswidrig, weil der Beklagte kein Ermessen ausgeübt habe, obwohl § 2 der GebO regele, dass die Gebühr bis zu einem Viertel der Vorgesehen ermäßigt, oder von ihrer Erhebung ganz abgesehen werden könne, wenn ein Antrag abgelehnt wurde, soweit dies der Billigkeit entspreche.

Der Beklagte wies den Widerspruch vom 11. November 2009 mit Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2010 zurück. Zur Begründung führte er aus, die Voraussetzungen für die Zulassungen eines Medizinproduktes zum Verkehr einerseits und für die Beurteilung seiner Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen andererseits seien weder wortgleich formuliert noch inhaltlich kongruent. Auch verkehrsfähige Medizinprodukte müssten nach den spezifischen Leistungskriterien des SGB V beurteilt werden. Hingegen solle § 1 Medizinproduktegesetz (MPG) (nur) die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz der Patienten, Anwender und Dritter zu sorgen. Der Krankenbehandlungserfolg für die Patienten als der Nutzen im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 4 SGB V sei mit der Prüfung der Verkehrsfähigkeit eines Medizinproduktes noch nicht belegt. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Begriff des „therapeutischen Nutzen“ gerade nicht Prüfungsgegenstand im Konformitätsbewertungsverfahren nach § 7 MPG sei.

Dass der Beklagte eine positiv Liste der verordnungsfähigen Medizinprodukte als Anlage 5 der AM-RL erstelle, verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere sei aus dem Verweis in § 31 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 3 SGB V auf eine entsprechende Anwendung des § 35 SGB V nicht ableitbar, dass er eine Wirkstoff bezogene Listung von Medizinprodukten vornehmen müsse. Mit dem Verweis auf § 35 SGB V werde er lediglich ermächtigt, auch für Medizinprodukte Festbetragsgruppen zu bilden, für die dann Festbeträge festgesetzt werden könnten. Auch § 34 Abs. 6 SGB V spreche für die Vereinbarkeit der Erstellung einer Positivliste der verordnungsfähigen Medizinprodukte. § 34 Abs. 6 SGB V regele das Nähere zur Durchführung eines Antragsverfahrens zur Aufnahme von Medizinprodukten in die AM-RL. Antragsberechtigt seien die Medizinproduktehersteller. Diesen räume die Vorschrift ein subjektiv-öffentliches Recht auf Bewertung und Prüfung ihres Medizinproduktes. Das Antragsverfahren sei ein Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 SGB X. Der Beklagte entscheide in Form eines Verwaltungsaktes, der sich als konkret-individuelle Einzelfallentscheidung nur auf das konkret zur Überprüfung gestellte Medizinprodukt beziehen könne, nicht jedoch auf eine bestimmte Medizinproduktekategorie.

Hiergegen hat die Klägerin am 18. Juni 2010 Klage erhoben.

Mit Beschluss vom 20. Januar 2011 hat der Beklagte seine VerfO geändert (BAnz 2011 Seite 1189). Nach § 38 Abs. 5 VerfO neu kann nunmehr der Hersteller bei seinem Antrag zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit auf Unterlagen eines früheren Antragsstellers (Vorantragsteller) Bezug nehmen, sofern der Vorantragsteller schriftlich zustimmt, dass seine Antragsunterlagen verwertet werden.

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Klage ergänzend vor, eine Zusammenstellung der durch den Beklagten in der VerfO vorgesehenen Antragsunterlagen, insbesondere die formalen Kriterien zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit, erfordere einen Recherche- und Dokumentationsaufwand pro Einzelfall, der je nach Literaturstand Kosten in Höhe von 50.000 bis 100.000 Euro je Produkt verursachen könne. Zusammen mit der pauschalen Antragsgebühr in Höhe von 10.394 Euro entstehe ein Kostenaufwand, der für mittelständische Unternehmen eine kaum zu überwindende Hürde darstelle.

Der Verweis auf § 35 SGB V gebe entgegen der Auffassung des Beklagten auch für das Verfahren der Erstellung einer Liste in Satz 2 eine wirkstoffbezogene Listung vor. Die Frage, in welchem Fall ein Medizinprodukt unter sozialversicherungsrechtlichen Bedingungen medizinisch notwendig sei, könne nur abstrakt nach Wirkstoffgruppen und deren Zweckbestimmung beurteilt werden. Die medizinische Notwendigkeit, ein Medizinprodukt in die Arzneimittelversorgung einzubeziehen, könne bei wirkstoffidentischen Produkten nicht unterschiedlich ausfallen. Die von jedem Hersteller erneut geforderte aufwendige Literaturrecherche unter Berücksichtigung der vorgegebenen Formatierungs- und Auswertungsvorgaben stelle sich als eine nicht zu rechtfertigende Reglementierung dar.

§ 31 SGB V knüpfe ferner an die Medizinprodukteeigenschaft im Sinne des MPG an, hingegen schreibe § 35 SGB V die Bildung der Festbetragsgruppen Wirkstoff bezogen vor. Für die Vereinbarkeit der Erstellung einer Positivliste spreche der Normgehalt des § 34 Abs. 6 SGB V.

Ferner könne der Hersteller eines Hilfsmittels den medizinischen Nutzen als Voraussetzung für die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Abs. 4 SGB V führen, in dem er die Identität oder auch noch Vergleichbarkeit eines bereits gelisteten Produktes nachweise (Bezugnahme auf Becker/Kingreen SGB V § 139 Rdnr. 16 unter Verweis auf BSG, SGb 2007, 489, 493).

Weiter habe die Klägerin mit dem Antrag zahlreiche Literaturdaten hinsichtlich des Produktes vorgelegt. Der Beklagte werfe ihr nur vor, diese Literaturdaten nicht im Volltext recherchiert und aufbereitet zu haben. Diese rein formale Aufbereitung jedermann frei zugänglicher Literatur könne kein Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnis des Erstantragsstellers sein. Ein Geheimnis scheide bereits begriffnotwendig aus.

Schutzbestimmungen für Erstanmelder wie z. B. im § 24b AMG oder § 13 Pflanzenschutzgesetz alte Fassung, § 20a Chemikaliengesetz, die jeweils einen zeitlich befristeten Unterlagenschutz vorsähen, beträfen nur Konstellationen, in welchen ein Produkt erstmals auf dem Markt gebracht werden solle. Hier hingegen sei nicht die Verkehrserlaubnis bzw. die allgemeine Zulassung im Streit, sondern die Aufnahme eines sich bereits im Verkehr befindlichen zugelassenen Medizinprodukt in die Anlage V der AM-RL. Der Ausschluss bereits vorhandenen Wissens verstoße jedenfalls gegen das Übermaßgebot. Der neu eingeführte § 137e SGB V (Erprobung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) zeige, dass es zu den eigenen Aufgaben des Beklagten gehöre, Untersuchungs- und Behandlungsmethoden abstrakt – und nicht konkret vom Hersteller eines Produktes abhängig – zu untersuchen und einzustufen. Im Falle des Einsatzes eines Medizinproduktes rege das Gesetz zwar eine finanzielle Unterstützung des Herstellers im Hinblick auf die entstehenden Kosten an, § 137e SGB V räume jedoch dem Hersteller kein Recht ein, Behandlungsmethoden mit seinem Medizinprodukt anschließend exklusiv durchführen zu dürfen.

Der Umstand, dass derselbe Lohnhersteller sowohl Albo-Sol als die identischen Konkurrenzprodukte produziere, zeige auffällig, wie widersinnig der Beklagte vorgehe. Die Klägerin sei derzeit gezwungen, das Produkt BSS DISTRA-SOL einzukaufen und gegen ihr Produkt zu ersetzen, um ihrem Kundenstamm ein gelistetes Medizinprodukt anbieten zu können. Die O. sei einer der wenigen Hersteller, welcher überhaupt seine Lösung an Händler und nicht ausschließlich an Anwender abgebe, so dass es auch für die Klägerin nicht ohne weiteres möglich sei, sich beliebig einzudecken. Der Jahresumsatz betrage derzeit ca. 50.000,00 Euro (2.500,00 Verkaufseinheiten zu je 20,00 Euro). Die Klägerin verspreche sich von der Listung eine Verzehnfachung der Verkaufseinheiten.

Hinsichtlich der festgesetzten Gebühr fehle es an Ermessungserwägungen. Im Übrigen sei § 2 GBO einschlägig, weil aufgrund der Formalablehnung der Umfang der Verwaltungstätigkeit mangels Einstieg in eine Sachprüfung gering gewesen sei, so dass die Gebühr im Einzelfall nicht gerechtfertigt erscheine.

Sie beantragt,

den Bescheid vom 15. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, das Medizinprodukt „A“ der Klägerin in die Anlage V der Arzneimittel-Richtlinie aufzunehmen,

hilfsweise, den Gebührenbescheid vom 3. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Klage sei nicht als Leistungs- sondern nur als Bescheidungsklage zulässig. Es fehle an den Voraussetzungen einer Normerlassklage. Die Form der Bescheidung gegenüber dem Antragsteller spiegele lediglich die Anforderung der Transparenzrichtlinie wieder.

In der Sache erfordere bereits die Entscheidungsfrist über Anträge auf Aufnahme innerhalb von 90 Tagen, dass die einzureichenden Unterlagen so aufbereitet sein müssten, dass eine einheitliche Überprüfung erfolgen könne. Er habe den unbestimmten Rechtsbegriff der „medizinischen Notwendigkeit“ im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V anhand von Bewertungskriterien in § 36 VerfO konkretisiert. Dort sei insbesondere auf der Grundlage des § 34 Abs. 6 Satz 7 SGB V das Nähere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen geregelt. Im Einzelnen seien in § 38 VerfO die Anforderungen an die Antragsstellung normiert. Die Anlage III zur VerfO mit dem dort enthaltenden Antragsbogen und den Studienextraktionsbögen diene im Wesentlichen der Systematisierung und Nachvollziehbarkeit der einzureichenden Unterlagen. Dies sei – entgegen der Auffassung der Klägerin – kein reiner Formalismus.

Die ausnahmsweise Einbeziehung von Medizinprodukten in die Arzneimittelversorgung sei an medizinisch notwendige Fälle gekoppelt. Diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgend sei der Antragsteller darlegungs- und beweisbelastet für die Erfüllung der vom Beklagten konkretisierten Kriterien zur Feststellung der medizinischen Notwendigkeit. § 31 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz i. V. m. § 34 Abs. 6 Satz 2 SGB V sehe eine Ermittlung von Amts wegen nicht vor. Bereits nach der zu Grunde liegenden Vorschrift des Art. 6 Nr. 1 Satz 3 Transparenzrichtlinie mache der Antragsteller den zuständigen Behörden „ausreichende Angaben“. Komme der Antragsteller seiner ihm obliegenden Begründungspflicht nicht nach, lasse sich keine gesetzliche Pflicht ableiten, die fehlenden Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln. Die allgemeinen Verfahrensgrundsätze seien durch die speziellen Vorschriften des SGB V suspendiert.

Die Klägerin habe statt eigenen Unterlagen vorzulegen nicht auf die Unterlagen eines Vorantragsstellers Bezug nehmen können. Ganz allgemein definierten sich Medizinprodukte im Gegensatz zu Arzneimitteln nicht über ihre einzelnen Bestandteile. Bereits deshalb verweise § 31 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 3 SGB V insoweit nicht auf § 35 SGB V. Der Verweis sei kein Rechtsfolgen- sondern ein Rechtsgrundverweis.

Bei der Nachweispflicht des Antragsstellers handele es sich nicht bloß um eine Beweislastregel.

Mit der entsprechenden Anwendung der §§ 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 sowie Abs. 6 und § 35 SGB V sollte die Begrenzung des Leistungsanspruches nach vorgenannten Vorschriften übernommen werden. Damit seien Kinder bis zum 12. Lebensjahr und Entwicklungsgestörte bis zum 18. Lebensjahr in die Erstattung einbezogen, vor allem der Erhöhung der Lebensqualität dienenden Medizinprodukte von der Versorgung ausgeschlossen sowie die Möglichkeit zur Festsetzung von Festbeträgen eröffnet.

Zum Schutz des Vorantragstellers verweist der Beklagte ergänzend auf den Urheberschutz, welchen nach § 3 Urhebergesetz auch der genieße, der bereits vorliegende Informationen strukturiert aufbereite. Dem Urheberschutz könnten also auch solche geistige Schöpfungen unterliegen, die durch Bearbeitung und ggf. Zusammenfassung und Aufbereitung eigenständig geschützter geistiger Werke entstanden seien.

Sähe man dies anders, müsse der Vorantragsteller notwendig beigeladen werden, hier also konkret die A GmbH.

Zum Gebührenbescheid trägt er ergänzend vor, sein Personalaufwand sei angesichts der umfangreichen rechtlichen Einwände nicht gering.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist im Hauptantrag bereits für unzulässig, darüber hinaus jedenfalls unbegründet.

1. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist erstinstanzlich zuständig aufgrund § 29 Abs. 4 Nr. 3, 1. Alternative Sozialgerichtsgesetz (SGG).

2. Der Hauptklageantrag ist als Anfechtungs- und Leistungsklage nach §§ 54 Abs. 1, Abs. 4 und 5 SGG statthaft.

Die Ablehnung des Aufnahmeantrages erfolgte zu Recht in der Form eines Verwaltungsaktes. § 31 SGB X ist erfüllt.

Der Beklagte hat eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit nach dem Sozialgesetzbuch ausgeübt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Die Ablehnung ist eine Entscheidung einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalles nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Adressat ist nur die Klägerin. Für die Versicherten und Vertragsärzte regelt bereits das SGB V, dass alle nicht in der Liste enthaltenen Produkte nicht wie Arzneimittel in die Versorgung einbezogen werden (vgl. dazu sogleich).

An der Verwaltungsaktqualität der Ablehnung ändert der Umstand nichts, dass umgekehrt die Aufnahme in die Anlage V der AM-RL keine Einzelfallregelung im engeren Sinne darstellt, weil es sich insoweit nach vorherrschender Meinung um einen Akt der Normsetzung handelt.

Eine Verpflichtungsklage als spezieller Form der Leistungsklage auf Erlass eines Verwaltungsaktes ist nämlich nicht erhoben.

Der Umstand, dass der Erlass einer Norm bzw. eine normähnliche Entscheidung begehrt wird, führt nicht dazu, dass anstelle eines Leistungsbegehrens nur eine Feststellungsklage zulässig ist (so aber Becker/Kingreen/Axer, SGB V § 34 Rdnr. 16). Der in dieser Kommentierung in Bezug genommene Teil der Urteilsbegründung der Entscheidung des BSG vom 31. Mai 2006 (B 6 KA 13/05 R BSGE 96, 26 = SozR 4-2500 § 92 Nr. 5 Rdnr. 27) betraf eine andere Konstellation, nämlich die Klage eines Arzneimittelherstellers gegen einen Therapiehinweis nach § 92 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 6, Abs. 2 Satz 1 SGB V. Dabei handelt es sich um eine generell-abstrakte Regelung, von welcher der dortige Kläger nur indirekt betroffen war. Die hier begehrte Aufnahme eines Medizinproduktes in die AM-RL betrifft zwar auch § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V. §§ 31 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. 34 Abs. 6 Satz 1 SGB V räumen jedoch dem Unternehmer ein ausdrückliches Antragsrecht auf Aufnahme ein, also ein Recht auf entsprechende Anpassung der Richtlinie.

Bei Ablehnung muss dieser deshalb mit gerichtlicher Hilfe die Aufnahme erzwingen können und kann nicht darauf verwiesen werden, dass lediglich eine Verpflichtung des Beklagten zur Aufnahme festgestellt wird.

Käme das Gericht zum Ergebnis, dass auch unter Berücksichtigung der normativen Freiräume des Beklagten als Ergebnis nur eine Aufnahme rechtmäßig sei, wäre es ihm lediglich verwehrt, die Aufnahme selbst rechtsgestaltend vorzunehmen. Es müsste jedoch in diesem Fall den Beklagten verpflichten, den entsprechenden Beschluss vorzunehmen.

Hätte zwar das Anfechtungsbegehren Erfolg, stünde jedoch aufgrund des Gestaltungsfreiraumes des Beklagten das Ergebnis der neuerlichen Prüfung nicht fest, so müsste das Gericht in entsprechender Anwendung des § 131 Abs. 3 SGG die Verpflichtung des Beklagten aussprechen, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. „Bescheiden“ in diesem Sinne wäre nicht Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern die erneute Entscheidung über die begehrte Anpassung der AM-RL.

Diese Verpflichtung ist im Leistungsantrag auf Vornahme der Aufnahme selbst auch ohne ausdrücklichen Hilfsantrag enthalten.

3. Es fehlt jedoch an der Behauptung der Beschwer nach § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG, also der Klagebefugnis. Soweit die Klagebefugnis unterstellt wird, wäre die Klage aus demselben Grund aufgrund fehlender Verletzung in eigenen Rechten unbegründet:

3.1 Wie bereits ausgeführt, räumt das SGB V auf einfachgesetzlicher Ebene dem Unternehmer einen Anspruch auf Aufnahme seines Medizinproduktes ein.

Die Klägerin behauptet, alle materiellen Voraussetzungen für einen solchen Anspruch seien für A seien erfüllt.

Sie hält jedoch die formalen Begründungsanforderungen, die sie selbst von ihr nicht erfüllt ansieht, für rechtswidrig.

Sie führt den Rechtsstreit (nur) zur Klärung der Frage, ob der Beklagte in seiner VerfO die bemängelten Anforderungen auch an Folgeanmelder stellen darf.

3.2 Die Klagebefugnis ergibt sich jedoch nicht bereits daraus, dass der Klägerin nach materiellen Kriterien möglicherweise ein Anspruch auf Aufnahme zusteht (vgl. zur Möglichkeitstheorie Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, SGG § 54 Rdnr. 9 mit Nachweisen der BSG-Rechtsprechung).

Auf einfachgesetzlicher Ebene räumen nämlich das Gesetz und die dieses konkretisierenden Regelungen der VerfO des Beklagten nur demjenigen Antragsteller einen Anspruch auf Aufnahme ein, dessen Medizinprodukt alle materiellen Voraussetzungen erfüllt, der auch einen formal vollständigen Antrag eingereicht hat.

Diese formale Anknüpfung verstößt auch nicht möglicherweise gegen (höherrangige) subjektive (Verfassungs-)Rechte, auf die sich die Klägerin berufen kann:

Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V hat der Beklagte in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V festzulegen, in welchen medizinischen notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des MPG zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie die §§ 35, 126 und 127 SGB V gelten entsprechend. Ferner gilt für verschreibungspflichtige und nichtverschreibungspflichtige Medizinprodukte § 34 Abs. 1 Satz 6 SGB V entsprechend.

Der Beklagte hat in seiner Verfahrensordnung in der Fassung vom 18. Dezember 2008 (VerfO; BAnz 2009, Seite 2050), geändert am 17. Dezember 2009 mit Wirkung ab 12. Februar 2010 (BAnz 2010, Seite 968) im Fünften Abschnitt die Bewertung von Medizinprodukten hinsichtlich einer Aufnahme in die AM-RL geregelt.

Es handelt sich bei diesen Regelungen um das Nähere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen im Sinne der §§ 31 Abs. 1 Satz 2, erster Halbsatz, 34 Abs. 6 Satz 6 SGB V.

3.3 Die §§ 35ff der Verfahrensordnung (in der Verfassung vom 18. Dezember 2008 BAnz 2009 Seite 2050) geändert am 17. Dezember 2009 (BAnz 2010, Seite 968) sehen dabei ein (Einzel-) Medizinprodukt bezogenes Verfahren vor, und kein wirkstoffbezogenes. Dies ergibt sich auch bereits aus dem Gesetz:

Zwar ist § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V dem Wortlaut nach so formuliert, als ob der Beklagte auch bestimmen könnte, dass Stoffe bzw. Zubereitungen aus Stoffen ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. Jedoch ergibt sich bereits aus Satz 3 dieses Absatzes, dass die Aufnahme (Einzel-)Medizinprodukt bezogen zu verstehen ist:

Der ausdrücklich für entsprechend anwendbar erklärte § 34 Abs. 6 SGB V regelt nämlich auch für Arzneimittel nur ein Anspruchsrechts der pharmazeutischen Unternehmer zur Aufnahme von (Einzel-)Arzneimitteln. Die sogenannte OTC-Liste hätte von der Regelungsmöglichkeit her ansonsten auch wirkstoffbezogen ausgestaltet sein müssen.

3.4 Die vom Beklagten in seiner Verfahrensordnung im Einzelnen festgelegten Antragserfordernisse stehen mit den übergeordneten Rechtsvorschriften im Einklang.

Der Anspruch auf Aufnahme eines Medizinprodukts setzt bereits nach dem materiellen Gesetz voraus, dass er ausreichend begründet wird und die erforderlichen Nachweise beigefügt werden. § 31 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz i. V. m. § 34 Abs. 6 Satz 2 SGB V sehen eine Ermittlung von Amts wegen nicht vor (vgl. Ausschussbericht zum Entwurf des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes BT-Drucksache 16/4247 Seite 32 rechte Spalte).

Der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 20 SGB X) ist also von vornherein durch die speziellen Regeln im SGB V eingeschränkt.

Bereits nach der zu Grunde liegenden Vorschrift des Art. 6 Nr. 1 Satz 3 der Transparenzrichtlinie obliegt es dem Antragsteller, den zuständigen Behörden „ausreichende Angaben“ zu machen. Kommt der Antragsteller dieser Obliegenheit nicht nach, lässt sich daraus keine gesetzliche Pflicht ableiten, die fehlenden Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln.

3.5 § 32 Abs. 1 Satz 2, 1 Halbsatz i. V. m. § 34 Abs. 6 SGB V verstößt seinerseits nicht gegen Grundrechte der Antragsteller, auch nicht gegen solche des Erstantragsstellers.

Entgegen der Auffassung der Klägerin greift diese Einschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes insbesondere nicht in die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG ein.

Ganz allgemein räumt dieses Grundrecht einem Unternehmer nicht das Recht ein, dass der Staat seine Produkte kaufen muss.

Etwas anderes begehrt die Klägerin hier letztlich nicht: Sie möchte ihr Produkt in die AM-RL aufgenommen wissen, damit sie es ihren Kunden, den Augenärzten, als Praxisbedarf verkaufen kann. Damit sollen letztlich die gesetzlichen Krankenkassen das Produkt bezahlen, weil diese für die Vergütung der Vertragsärzte aufkommen. Die Krankenkasse bezahlen auch die Apotheker, soweit verordnungsfähige Medizinprodukte über Apotheken vertrieben werden.

Hersteller und Vertreiber von Medizinprodukten können sich wie Arzneimittelhersteller bzw. Vertriebsunternehmen allenfalls auf eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 12 GG (und bei juristischen Personen i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG) berufen, in dem ein erheblicher Wettbewerbsnachteil behauptet wird (so ständige Rechtsprechung des Senats als 1. Senat, zuletzt im Urteil vom 22. Juni 2012 –L 1 KR 269/09 KL mit weiteren Nachweisen jeweils zu Verfahren gegen Arzneimittel-Festbetragsfestsetzungen; grundlegend Beschluss v. 20.12.2006 - L 1 B 236/06 KR ER - juris Rdnr 42 in Nachfolge von BSG, Urt. v. 24.2004 - B 3 KR 10/04 R - BSGE 93, 296, 298ff und - B 3 KR 23/04 R - BSGE 94, 1,4ff).

Diese Auffassung entspricht jedenfalls im Ergebnis auch der einhelligen Auffassung der mit der Materie befassten Senate des BSG. Diese sind sich einig, dass eine Verletzung subjektiver Rechte eines Arzneimittelherstellers im Zusammenhang mit der Richtlinienfestsetzung des hiesigen Beklagten nur - indirekt - aus der damit verbundenen Einflussnahme auf den Wettbewerb der Hersteller untereinander resultieren kann.

Der 6. Senat des BSG hat in seinem bereits erwähnten Urteil vom 31. Mai 2006 für den Therapiehinweis BSGE 96, 261, 266f Rdnr. 34f) auf die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit bei staatlicher Verbreitung marktrelevanter Informationen berufen (Bezugnahme auf BVerfGE 105, 252, 273 - Glykol).

Auch der 3. Senat des BSG habe, so der 6. Senat des BSG, a. a. O., in seinem Urteil vom 24. November 2004 (BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr. 3) ausgeführt, dass die Hersteller gerichtlichen Rechtsschutz gegen solche staatlichen Maßnahmen beanspruchen könnten, die den Wettbewerb mit ihren Konkurrenten verfälschten. Werde eine Versorgungsalternative infolge unzutreffender medizinisch-pharmakologischer Bewertung zu Unrecht als mit anderen Arzneimitteln gleichwertig eingestuft, so bedeute dies nicht nur eine Fehlinformation des Arztes und eine Benachteiligung des Versicherten. Es beinhalte auch eine Benachteiligung des betroffenen Arzneimittelherstellers im Wettbewerb, wenn die besondere therapeutische Qualität seines Arzneimittels durch Gleichbewertung mit andersartigen Konkurrenzprodukten verneint werde und dieses Arzneimittel als durch andere gleichwertig ersetzbar erscheine. Nichts anderes gelte, wenn fälschlicherweise ein teureres Arzneimittel durch eine staatliche Maßnahme als unwirtschaftlich gekennzeichnet und seine Verordnung weitgehend eingeschränkt werde, weil es - infolge einer unzutreffenden Bewertung seiner Wirkungsweise - als mit dem billigeren Präparat therapeutisch gleichwertig beurteilt werde. Entsprechend habe der 6. Senat für die Konstellation, dass sich ein Produzent von Kontrastmitteln gegen eine Entscheidung des Bewertungsausschusses (§ 87 Abs. 2 SGB V) wende, die Klage für zulässig gehalten, soweit das Unternehmen geltend gemacht habe, ohne Korrektur des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen in seiner Betätigungsfreiheit am Markt gegenüber anderen Anbietern von Kontrastmitteln benachteiligt zu sein.

Diese Judikatur betrifft inhaltlich eine andere Konstellation. Therapiehinweise, die den Vertragsärzten nahelegen, ein bestimmtes (teures) Arzneimittel nur nach Maßgabe des Hinweises zu verordnen, beeinflussen den Markt zugelassener und zu verordnungsfähiger Arzneimittel. Hingegen geht es bei der Aufnahme eines Medizinproduktes gerade erst um das Pendant zur Verordnungsfähigkeit. Ohne die Aufnahme in die AM-RL gibt es noch keine Teilnahme am Wettbewerb der zugelassenen Medizinprodukte.

Der 1. Senat des BSG sieht hingegen bislang bei Festbetragsfestsetzungen von vornherein ausschließlich Art. 3 Abs. 1 GG einschlägig. Er will die gleichen Grundsätze Anwendung finden lassen, welche das BVerfG in Vergabeverfahren für maßgeblich erachtet. Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an einen Mitbewerber und die der Vergabeentscheidung zugrunde gelegten Kriterien berührten ebenso wie mögliche Vorstufen einer Vergabeentscheidung grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des erfolglosen Bewerbers. Bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags beeinflusse die handelnde staatliche Stelle den Wettbewerb nicht von außen, sondern werde selbst auf der Nachfrageseite wettbewerblich tätig. Dabei sei es grundsätzlich Sache des Nachfragers, nach welchen Kriterien und in welchem Verfahren er das günstigste Angebot auswähle. Festbetragsfestsetzungen beträfen lediglich die Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Betätigung pharmazeutischer Unternehmer, nämlich in einem weiteren Sinne Auswahlkriterien für die Einbeziehung von Arzneimitteln in den GKV-Leistungskatalog. Pharmazeutische Unternehmer hätten jedoch keinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch darauf, dass ihre Angebote in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen und nicht von Festbetragsfestsetzungen betroffen seien.

Anders läge es nur, wenn die angewandten Bewertungskriterien nach ihrer Zielsetzung und ihren Wirkungen einen Ersatz für eine staatliche Maßnahme darstelle, die als Grundrechtseingriff in die Berufsfreiheit zu qualifizieren wäre (Bezugnahme u. a. auf BVerfGE 105, 252, 273). An einer eingriffsgleichen Wirkung einer staatlichen Maßnahme fehle es jedoch, wenn mittelbare Folgen lediglich ein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten Regelung seien (Bezugnahme u. a. auf BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr. 2 S 18). Zu messen sei die Festbetragsentscheidung allerdings am allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG.

Vorliegend zeigen sich deutliche Parallelen zum Vergabeverfahren: Die Klägerin verhält sich ähnlich wie ein Unternehmer, der sich an einer Ausschreibung beteiligen will, jedoch meint, er müsse das Ausschreibungsverfahren nicht einhalten, beispielsweise keine Gebühren für die Ausschreibungsunterlagen zahlen.

Eine Verletzung des Rechts der Klägerin aus Art. 19 Abs. 3 i. V. m. Art. 3 GG ist hier von vornherein ausgeschlossen:

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung. Die Verfassung verbietet nach der neuen Formel (vgl. hierzu mit Nachweisen Jarass/Pieroth, GG, 11. A. 2011 Art. 3 Rdnr. 17ff) nicht nur eine willkürliche Ungleichbehandlung. Das BVerfG prüft vielmehr im Einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Entscheidend ist dabei auch, in welchem Maße sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (so weitgehend wörtlich BVerfG, B. v. 13.02.2007 - 1 BvR 910/05, 1 BvR 1389/05 - juris-Rdnr. 98. mit weiteren Nachweisen seiner Judikatur) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz kann somit eine strenge Bindung des Gesetzgebers an Verhältnismäßigkeitserfordernisse folgen, so dass es zu einer wechselseitigen Verschränkung von Gleichheits- und Freiheitsschutz kommen kann (so BVerfG, B. v. 16.06.2011 - 1 BvR 2394/10 -, Rdnr. 7).

Der Beklagte hat hier die VerfO eingehalten und behandelt die Klägerin damit genau gleich wie alle anderen Antragsteller. Unterschiedliche Personengruppen -hier Unternehmergruppen- sind nicht unterschiedlich betroffen.

Die Regelung des Beklagten ist weder auf abstrakter Ebene noch in ihrer Anwendung im hiesigen Einzelfall möglicherweise willkürlich.

Es gibt kein relevantes Kriterium für eine Bevorzugung der Zweit- bzw. weiterer Antragsteller, aufgrund dessen der Beklagte die Vorlage der vollständigen Unterlagen durch Beiziehung der Materialien des Erstantragstellers ersetzen muss, bzw. der Inhalt dieser Unterlagen bereits von Amts wegen als bekannt angesehen werden muss, falls der Vorantragsteller dem nicht zugestimmt hat.

Die Klägerin beruft sich letztlich nur auf vorgebliche Vorrechte des Mittelstandes, in dem sie vorbringt, als Mittelständler die mit dem Antragsverfahren verbundenen Kosten nicht stemmen zu können.

Ein Verfassungsrecht bringt sie damit nicht vor.

Es gibt auch kein vom Beklagten anzuwendendes Gesetz zur Förderung des Mittelstandes, wie dies teilweise in den Ländern zu beachten ist.

Dahingestellt kann deshalb bleiben, ob die Klägerin mit ihrem Vorbringen, das strikte Beharren auf Einreichung vollständiger Unterlagen benachteilige kleine Unternehmer im Sinne des Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 12 GG überhaupt zutrifft.

Der hier erkennende Senat hat (als 1. Senat) ferner angenommen, eine relevante Wettbewerbsverzerrung liege jedenfalls vor, wenn die bemängelte Entscheidung eine Ausrichtung der unternehmerischen Ziele am Gesetz und ein Handeln in Einklang mit den gesetzgeberischen Zielvorstellungen nicht nur nicht belohne, sondern sogar bestrafe. Der Staat verzerre den Wettbewerb, wenn er die Nachfrage konträr zu seinen eigenen gesetzlichen Zielvorstellungen beeinflusst, sich also widersprüchlich verhält. Daraus resultierende Begünstigungen müsse ein Wettbewerber nicht hinnehmen (so bereits B. d. Senats vom 20.12.2006 - L 1 B 236/06 KR ER - Juris Rdnr 85 mit Bezugnahme auf BVerfG, B. v. 12.06.1990, BVerfGE 82, 209, 223f).

Auch daran fehlt es hier: Der Beklagte betont möglicherweise den Schutz des Erstantragstellers über Gebühr. Dies ist aber nicht widersprüchlich sondern seiner Rechtsposition geschuldet, Art. 14 GG schütze das durch die Erstanmeldung begründete Recht, dass sich weitere Antragsteller nicht auf die von ihm eingereichten Unterlagen berufen dürften.

Soweit die Klägerin argumentiert, ein Rückgriff auf die Unterlagen des Erstantragsstellers führe letztlich zu geringeren Preisen für zugelassene Medizinprodukte und verbessere die Wirtschaftlichkeit der gesetzlichen Krankenversicherung, beruft sie sich nicht auf eine (auch) sie schützende Rechtsposition. Ob ihre These stimmt, oder ob nicht umgekehrt zu Lasten der Versicherten der Effekt entstünde, dass die Anmeldungen sinnvoller Medizinprodukte unterblieben könnte, weil dann kein Hersteller der Erstanmelder sein wollte, kann deshalb dahingestellt bleiben.

Der Frage, ob die VerfO des Beklagten gegen die Warenverkehrsfreiheit der Art. 28, 34ff des Vertrages über die Arbeitsweise der europäischen Union verstößt, braucht der Senat mangels grenzüberschreitendes Bezug im Falle der Klägerin nicht nachzugehen.

Ob § 38 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 32 Abs. 2 Satz 2 VerfO („nur Literatur, die in Volltext dem Antrag beigefügt ist, wird bei der Antragsprüfung berücksichtigt“) rechtmäßig sind, kann hier damit dahingestellt bleiben.

Da von Verfassungsweg ein Anspruch auf Aufnahme eines Medizinproduktes nur als Anspruch auf wettbewerbsrechtliche Gleichstellung mit Konkurrenten besteht, kann sich die Klägerin nicht auf Vorschriften berufen, welche für alle Wettbewerber gleich gelten. Der einfach gesetzliche Anspruch auf Aufnahme ihres Medizinproduktes besteht für sie von vornherein nur nach Maßgabe der näheren Ausgestaltung durch den Beklagten.

4. Die Klage im Hauptantrag ist im Übrigen –ihre Zulässigkeit unterstellt- jedenfalls unbegründet.

Die Regelung, dass auch weitere Anmelder die vollständigen Unterlagen einzureichen haben kann jedenfalls von der Klägerin auch abgesehen von fehlender subjektiver Betroffenheit nach den dargestellten Kriterien nicht mit Erfolg angegriffen werden:

4.1 Ganz allgemein verspricht diese Methode dem Beklagten einen höheren Erkenntniswert als ein bloßer Rückgriff auf die bereits vorhandenen Antragsunterlagen. Sie dient deshalb nicht nur dem Schutz des Erstantragstellers. Der Beklagte kann sich nämlich so sowohl auf die neuere Literaturrecherche und die geforderte Aufbereitung stützen, als auch auf die bereits vorhandene. Mit jeder weiteren Antragstellung steigt abstrakt betrachtet die Gewähr, eine in der Sache richtige Entscheidung zu treffen bzw. getroffen zu haben.

4.2 Soweit der Beklagte dem Erstanmelder einen zeitlich unbefristeten Schutz zubilligt und damit über ähnliche Regelungen in anderen Materien hinausgeht (neben dem klassischen Patentschutz vgl. z. B. § 24b Arzneimittelgesetz [Zulassung eines Generikums, acht Jahre], § 13 Pflanzenschutzgesetz in der bis 13. Februar 2012 geltenden Fassung [Zulassung eines Pflanzenschutzmittels, zehn Jahre] und § 16b Futtermittelverordnung in der bis 23. März 2007 geltenden Fassung [Zulassung von Futtermittelzusatzstoffen, fünf Jahre), kann sich die Klägerin hierauf im konkreten Fall schon nicht berufen, weil die Erstzulassung hier erst im September 2008 erfolgte .

II.

Auch dem Hilfsantrag bleibt Erfolg versagt.

1. Dieser kann im Wege der Klagehäufung nach § 56 SGG geltend gemacht werden. Er ist als Eventualantrag zulässig, weil die Bedingung innerprozessual bleibt.

2. Die Klage ist auch im Hilfsantrag unbegründet. Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 3. November 2009 ist rechtmäßig.

2.1 Die Ermächtigungsgrundlage für die Gebührenordnung findet sich in § 34 Abs. 6 Satz 6 SGB V.

2.2 § 4 Abs. 2 GBO ist nicht einschlägig. Danach kann die Gebühr bis auf die Hälfte ermäßigt werden, wenn der mit der Prüfung des Antragsverbundene Personal- und Sachaufwand einerseits und die Bedeutung, der wirtschaftlichen Wert oder der sonstigen Nutzen der Aufnahme des nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels oder des Medizinproduktes in die AM-RL für den Gebührenschuldner anderseits dies rechtfertigen.

Von einem atypisch geringen Personalaufwand kann hier nicht ausgegangen werden:

Das vorliegende Antragsverfahren führt die Klägerin als Grundsatzverfahren zur Klärung der grundsätzlichen Frage, ob sie als weiterer Anmelder Medizinproduktes, welches unter anderem Namen bei identischer Zusammensetzung bereits in die AM-RL aufgenommen ist, auf die Erstanmelderunterlagen verweisen darf.

Das Antragsverfahren hat zu einem umfassenden Schriftwechsel geführt. Der Beklagte musste durch seine Justiziare Stellung nehmen.

2.3 Dass die Gebühr selbst, die nach § 3 GebO 10.394,00 Euro beträgt, gegen das Äquivalentsprinzip verstoßen könnte, welches aus dem verfassungsrechtlich verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hergeleitet wird und ein Missverhältnis zwischen der Gebühr und der von der öffentlichen Hand gebotenen Leistung verbietet (BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1966 – 2 BvR 179, 476, 477/64 – BVerfGE 20, 257, 270) trägt die Klägerin selbst nicht vor und ist auch nicht ansonsten ersichtlich.

2.4 Die Ausnahmevorschrift des § 2 GBO selbst – ebenso wie die Grundvorschrift des § 6 Verwaltungskostengesetz- sehen Ermäßigungsermessen nur vor, soweit dies aus Gründen der Billigkeit geboten ist.

Ermessen ist dem Beklagten danach nicht in jedem Falle eine Antragsablehnung eröffnet, sondern nur, wenn die Gebührenermäßigung der Billigkeit entspricht.

Sähe man dies anders, läge jedenfalls ein Fall intendierten Ermessens vor.

Eine Gebührenermäßigung ist hier weder im persönlicher noch in sachlicher Hinsicht aus Gründen der Billigkeit ersichtlich. So hat insbesondere auch die Klägerin nicht vorgebracht, durch die Gebühr in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet zu sein.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision war aufgrund grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.