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Entscheidung 5 U 11/12


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 5. Zivilsenat Entscheidungsdatum 21.11.2013
Aktenzeichen 5 U 11/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. Dezember 2011 verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze der Parteien zwischen den Flurstücken 127/1 und 131/4 der Flur 2 der Gemarkung K…, wie sie aus der Anlage zu diesem Urteil ersichtlich ist, auf ihrem Grundstück zwischen der Dorfstraße bis zu der zu ihrem Wohnhaus gehörigen Veranda einzufrieden durch Errichtung eines etwa 1,25 m hohen Zaunes aus Maschendraht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 3/4 und die Beklagten zu 1/4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Gebührenstreitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 6.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin ist seit Anfang 1997 Eigentümerin der im Grundbuch von K… Blatt 414 gebuchten Katasterparzelle 127/1 der Flur 2 der nämlichen Gemarkung. Die Beklagten haben das daran östlich angrenzende Flurstück 131/4 im Jahr 1998 zu Miteigentum erworben (Grundbuchblatt 310). Parallel zur Grundstücksgrenze steht ein Stallgebäude auf dem Grundstück der Klägerin auf. Die Klägerin meint, dass zu ihrem Grundstück ein ca. 60 cm breiter Streifen gehöre, der zwischen und parallel zu Stallgebäude und Grundstücksgrenze verlaufe (Anlage K 1, 7 GA; Grenzverhandlungsniederschrift vom 5. Oktober 1982, Anlage K 2, 81 ff. GA; Grenzniederschrift öb Verm.-Ing. D… zum Zwecke der Grenzwiederherstellung und Abmarkung vom 30. Dezember 2005, Anlage K 3, 84 ff. GA; Lageplan öb Verm.-Ing. D… vom 12. Juni 2006, 42 f. GA). Die Beklagten treten dem unter Verweis auf das Liegenschaftskataster – Liegenschaftskarte – entgegen, wonach die östliche Wand des Stallgebäudes unmittelbar an die Grenze anschließt (Auszug vom 4. August 2006, 32 GA; Auszug vom 9. Februar 2009, 140 ff. GA). Der Klägerin stehe bezüglich des streitgegenständlichen Streifens allenfalls ein Traufrecht zu, wie es in dem Fortführungsriss vom 4. Oktober 1982 vermerkt sei (Anlage B 1, 67 GA).

Die Parteien beklagen unter Zugrundelegung des von ihnen jeweils vermeinten Grenzverlaufs – soweit im zweiten Rechtszug noch gegenständlich – die folgenden Eigentumsbeeinträchtigungen:

Klägerin

- Elektroleitungen im Grundstückstreifen (Lichtbild 2, 186 GA; Urteilsauspruch zu 1)

- Elektroinstallationen an der östlichen Wand des Stallgebäudes (wie vor; Urteilsauspruch zu 2)

- Zinkblechverbindung zwischen dem Verandavordach der Beklagten und der östlichen Wand eines Neben- oder Anschlussgebäudes zum Stallgebäude, sog. „Stallnebengebäude“ (s. Protokoll vom 8. November 2012, 452 f. GA, Lichtbild 3 und 4, 187 GA; Urteilsauspruch zu 3)

- Verandavordach im Grundstückstreifen (Lichtbild 4 und 5, 187 GA; Urteilsauspruch zu 4)

- Antennenhalterung an der westlichen Giebelwand des Wohnhauses der Beklagten (Lichtbild 3 und 4, 17R GA; Urteilsauspruch zu 5)

- Bepflanzungen im Grundstücksstreifen (Lichtbild 2 und 3, 17/17R GA; Urteilsauspruch zu 6)

Beklagte

- Zinkblech am Wohnhaus der Beklagten (Lichtbild 4, 17R GA)

Zusätzlich verlangt die Klägerin von den Beklagten, entlang der vermeinten Grenze eine Einfriedung zu errichten (Urteilsauspruch zu 7).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage – soweit im zweiten Rechtszug noch gegenständlich –stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Im Ergebnis der Verhandlungen und durchgeführten (Zeugen-) Beweisaufnahmen sei davon auszugehen, dass die Grenze wie von der Klägerin behauptet verlaufe. Dieser Grenzverlauf werde durch die beigebrachten Unterlagen, insbesondere das Grenzverhandlungsprotokoll von 1982 belegt. Die Auszüge aus dem Liegenschaftskataster stünden dem nicht entgegen, da dort vermerkt sei, dass „die Karteninhalte aus unterschiedlichen Datengrundlagen abgeleitet und nicht unbedingt die Lagegenauigkeit des angegebenen Maßstabs“ gewährleisten. Der im Grenzverhandlungsprotokoll von 1982 ausgewiesene Grenzverlauf werde durch die Aussagen der Zeugen D… und M… belegt. Ersterer habe bestätigt, dass sich der Grenzverlauf eindeutig aus den Katasterunterlagen ableiten lasse (Protokoll vom 27. November 2008, 97 ff. GA). Letzterer habe die Vermessung von 1982 auf Grundlage einer Reinkarte von 1866 (177 f. GA) durchgeführt und bezeugt, dass man die durch die Dachentwässerung entstandene Rinne als Anhaltspunkt für die Grenzziehung genommen habe, woraus sich die Angabe „Traufrecht“ in dem Vermessungsriss erkläre (Protokoll vom 14. Mai 2009, 169 ff. GA). Die Beklagten hätten daher den Grundstücksstreifen in den ursprünglichen Zustand zu versetzen. Hinsichtlich der Veranda könnten sie sich nicht auf einen gerechtfertigten Überbau berufen, weil ein solches Bauwerk, einem Carport vergleichbar, kein Gebäude darstelle und die Veranda augenscheinlich über das ursprünglich vorhandene Vordach (Lichtbild 71 GA) hinausreiche. Der Einfriedungsanspruch der Klägerin ergebe sich aus §§ 28 ff. BbgNRG. Demgegenüber könnten die Beklagten nicht die Entfernung des an ihrem Wohnhaus befindlichen Zinkbleches verlangen, weil sie für ihre Behauptung, dass es von der Klägerin angebracht worden sei, beweislos geblieben seien. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen das ihnen am 22. Dezember 2011 zugestellte Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer am 19. Januar 2012 eingelegten und nach mehrmaliger Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 22. April 2012 am 23. April 2012, einem Montag, begründeten Berufung.

Die Beklagten rügen die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges. In der Sache vertiefen die Beklagten ihren Vortrag, dass der Klägerin allenfalls ein Traufrecht an dem Grundstücksstreifen zustehe. Anderes lasse sich auch der Aussage M… bei fehlerfreier Würdigung nicht entnehmen. Zudem habe das Landgericht verkannt, dass die Beklagten bei Durchführung der Maßnahmen, zu deren Beseitigung sie verurteilt worden seien, in gutem Glauben gewesen seien. Ferner seien etwaige Beseitigungsansprüche verwirkt, da sämtliche dieser Maßnahmen in den 90er Jahren durchgeführt worden seien. Weiterhin sei das Vorhandensein von Elektroleitungen und die Größe des Verandavordaches streitig geblieben, das „wesentlich“ auf dem alten, vor dem Jahre 1982 errichteten Vordach aufliege. Gleichfalls sei streitig geblieben, ob das Zinkblech an das Stallgebäude montiert sei. Außerdem hätten die Beklagten bestritten, das Zinkblech montiert und die Anpflanzungen vorgenommen zu haben. Dem zugesprochenen Einfriedungsanspruch treten die Beklagten unter Berufung auf § 30 BbgNRG entgegen. Bezüglich ihrer Widerklage erneuern sie den im ersten Rechtszug angebotenen Beweis (Sachverständiger und Augenschein). Schließlich bemängeln die Beklagten, dass das Landgericht den Wert der Klageabweisung mit 500,00 € um ebendiesen Betrag zu niedrig bewertet habe. Im Übrigen nehmen die Beklagten ihr erstinstanzliches Vorbringen in Bezug, mit dem sie u. a. Verjährung eingeredet haben (Urteilstatbestand S. 7, 61 GA).

Die Beklagten beantragen,

in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen und nach ihrem erstinstanzlichen Widerleistungsklageantrag zu erkennen (Entfernung Zinkblech).

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf es und ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ferner behauptet sie, dass die Beklagten bei Erwerb ihres Grundstücks hinsichtlich des Grenzverlaufs nicht in gutem Glauben gehandelt haben könnten (447 GA), da sich dieser aus dem Verkehrswertgutachten (28 GA, in der grünen Anlagenmappe) ergebe, das den Beklagten bei Grundstückskauf vorgelegen habe.

Der Senat hat mit Beschluss vom 8. November 2012 auf die von den Parteien übersehenen und vom Landgericht für unerheblich erachteten Gesichtspunkte hingewiesen, dass die Beklagten ihr Grundstück gutgläubig in den Katastergrenzen erworben haben könnten, die Beklagten Verjährung eingeredet haben und die von diesen ausgebaute Veranda als Überbau zu dulden sein könnte. Auf die mit nachgelassenem Schriftsatz der Klägerin beigebrachten Auszüge aus dem Liegenschaftskataster (Anlage K 4, 490 f. GA) hat der Senat die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und eine amtliche Auskunft der Katasterbehörde zu dem in der Liegenschaftskarte ausgewiesenen Grenzverlauf eingeholt (Beschluss vom 11. Juni 2013). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Auskunft des Landkreises O…, Kataster- und Vermessungsamt, vom 20. Juni 2013 verwiesen (541 f. GA). Auf weiteren Hinweis des Senats hat die Klägerin ihr Einfriedungsverlangen dahingehend konkretisiert, dass die Errichtung eines 1,25 m hohen Maschendrahtzaunes begehrt werde, was die Beklagten als verspätet rügen (Protokoll vom 30. Oktober 2013, 545 GA).

II.

Der Berufung – deren Zulässigkeit keinen Bedenken unterliegt – hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Klägerin kann lediglich die Einfriedung des Grundstücks der Beklagten entlang der Grundstücksgrenze beanspruchen. Die klageweise geltend gemachten Beseitigungsansprüche sind jedenfalls verjährt, der widerklagend geltend gemachte Beseitigungsanspruch ist jedenfalls verwirkt.

1. Die Klage ist zulässig. Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ist gegeben, weil es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit handelt (§ 13 GVG). Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche aus Eigentum geltend (§ 1004 BGB). Bei den Parteien handelt es sich zudem um Privatrechtssubjekte. In einem solchen Fall kommt eine Zuordnung der Streitigkeit zum öffentlichen Recht (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nur in Betracht, wenn eine Partei durch oder auf Grund Gesetz mit öffentlich-rechtlichen Handlungsbefugnissen ausgestattet und entsprechend aufgetreten ist (statt vieler Zöller/Lückmann, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 13 GVG Rn. 5 mit Rechtsprechungsnachw.). Das Landgericht hätte zwar auf Rüge der Beklagten gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab über die Zulässigkeit des Rechtsweges entscheiden müssen, da die Rüge der Zulässigkeit des Rechtsweges nicht verzichtbar ist (§ 295 Abs. 2 ZPO). Der Senat kann die Zulässigkeit des Rechtsweges jedoch im Urteil bejahen, da kein Anlass für die Zulassung der Beschwerde nach § 17a Abs. 5 Satz 5 GVG besteht (BGHZ 132, 245, juris Rn. 8; BbgOLG VIZ 2001, 386, juris Rn. 35).

2. a) Die Begründetheit der Beseitigungsklage (§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB) hängt zunächst davon ab, wo die Grenze zwischen den Grundstücken der Parteien verläuft.

Landgericht und Parteien haben zwar übersehen, dass die Beklagten ihr Grundstück rechtsgeschäftlich erworben haben, nachdem die Klägerin ihr Grundstück rechtsgeschäftlich erworben hat. Es besteht heute Einigkeit darüber, dass sich die Richtigkeitsvermutung des Grundbuches nach § 891 BGB auch auf den sich aus dem Liegenschaftskataster ergebenden Grenzverlauf erstreckt (BGH, NJW-RR 2006, 662, juris Rn. 8 m. w. Nachw.). Nach § 2 Abs. 2 GBO werden die Grundstücke im Grundbuch nach dem Liegenschaftskataster benannt. Der Grenzverlauf kann danach in aller Regel und so auch hier über die in Spalte 3 b des Bestandsverzeichnisses des Grundbuches eingetragenen Parzellennummern in Verbindung mit der Katasterkarte erschlossen werden. Der öffentliche Glaube erstreckt sich dann, wenn eine Flurkarte in den Grenzangaben mit den maßgeblichen Unterlagen nicht übereinstimmt, auf die nach außen in Erscheinung tretende Flurkarte. Nur wenn die Angaben in der Flurkarte in sich widerspruchsvoll oder ersichtlich mehrdeutig sind, ist die Karte allein nicht als Grundlage für den öffentlichen Glauben geeignet (BGH, Urteil v. 1. März 1973 – III ZR 69/70, juris Rn. 7; Senat NZI 2012, 774, juris Rn. 20).

Da die im ersten Rechtszug vorgelegte Liegenschaftskarte den Grenzverlauf unmittelbar entlang des Stallgebäudes ausweist, war zunächst in Betracht zu ziehen, dass die Beklagten ihr Grundstück mit dieser Grenze wenigstens gutgläubig erworben haben (§ 892 BGB). Selbst wenn die Grenze ursprünglich entsprechend dem Grenzverhandlungsprotokoll von 1982 verlief, verliefe sie danach mithin wie in der Liegenschaftskarte ausgewiesen. Die damals falsch in der Liegenschaftskarte ausgewiesene Grenze wäre durch gutgläubigen Erwerb zur richtigen Grenze geworden.

Auf entsprechenden Hinweis des Senats hat die Klägerin allerdings zwei jeweils vom 4. August 2006 datierende Auszüge aus der Liegenschaftskarte vorgelegt, in denen das Stallgebäude nur in einem Auszug entlang der Grundstücksgrenze eingezeichnet ist (Anlage K 4, 490 f. GA). Daraufhin hat der Senat das Kataster- und Vermessungsamt um amtliche Auskunft ersucht, welcher Grenzverlauf sich aus der Liegenschaftskarte bei Erwerb des Grundstücks durch die Beklagten ergab.

Ausweislich der Auskunft vom 20. Juni 2013 war das Stallgebäude in der Liegenschaftskarte bei Erwerb des Grundstücks durch die Beklagten nicht verzeichnet. Die Grenze zwischen den Katasterparzellen 127/1 und 131/4 verlief nach der Liegenschaftskarte jeweils unmittelbar entlang der jeweils auf den Flurstücken eingezeichneten, südöstlich des Stallgebäudes belegenen (Wohn-) Gebäuden. Das Stallgebäude sei in dem die Katasterparzelle 127/1 betreffenden Auszug aus der Liegenschaftskarte erst am 5. September 2006 mit einer gestrichelten Gebäudeumringslinie dargestellt worden, was für noch „nicht katastermäßig eingemessene Gebäude“ stehe. Diese Darstellung beruhe auf der Auswertung von Luftbildern, weswegen die Lagegenauigkeit der Gebäudegrundrisse +/- 0,50 m betrage und insbesondere in Grenznähe nicht den Anforderungen genügen könne, Aussagen zur Lage von Gebäuden und Grenzen zueinander zu treffen.

Aufgrund dieser Auskunft des Kataster- und Vermessungsamts, gegen deren Richtigkeit die Parteien keine Einwendungen erheben, lässt sich zur Überzeugung des Senats ausschließen, dass die Beklagten ihr Grundstück gutgläubig mit einer Grenze unmittelbar entlang des Stallgebäudes auf der Katasterparzelle 127/1 erworben haben. Zwar scheint die Auskunft insoweit der Urkundenlage zu widersprechen, als in einem der beiden vom 4. August 2006 datierenden Auszüge aus der Liegenschaftskarte das Stallgebäude bereits verzeichnet ist. Ein solcher Widerspruch besteht jedoch tatsächlich nicht, wenn sich die Auskunft ausschließlich auf den die Katasterparzelle 127/1 betreffenden Auszug aus der Liegenschaftskarte bezieht, weil der Auszug aus der Liegenschaftskarte, in dem das Stallgebäude verzeichnet ist, das Flurstück 131/4 zum Gegenstand hat. Davon abgesehen ändert letzteres weder etwas daran, dass jedenfalls zum Zeitpunkt des Erwerbs der Katasterparzelle 131/4 durch die Beklagten das Stallgebäude nicht in der Liegenschaftskarte verzeichnet war, noch daran, dass es selbst danach mit einer gestrichelten Gebäudeumringslinie dargestellt worden ist, wodurch ein noch nicht katastermäßig eingemessenes Gebäude bezeichnet wird.

Damit bestätigt die amtliche Auskunft den vom Landgericht festgestellten Grenzverlauf. Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellung, zu der das Landgericht aufgrund sorgfältiger und ausführlicher Vernehmung teils sachverständiger Zeugen gelangt ist, bestehen nicht (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Grund für die Einholung der amtlichen Auskunft waren nicht Anhaltspunkte für Zweifel an den aus Sicht des Landgerichts (allein) entscheidungserheblichen Feststellungen zur „richtigen“ Grenze, sondern der von Parteien und Gericht übersehene rechtliche Gesichtspunkt eines Gutglaubenserwerbs des Grundstücks der Beklagten mit einer im Liegenschaftskataster möglicherweise „falsch“ nachgewiesenen Grenze. Davon wiederum abgesehen würden etwaige Zweifel an dem vom Landgericht festgestellten Grenzverlauf jedenfalls durch den weiteren Inhalt der Auskunft ausgeräumt. Denn danach ergibt sich aus den Nachweisen des Liegenschaftskatasters (Vermessungsrisse), dass das Stallgebäude auf dem Flurstück 127/1 einen Abstand von ca. 60 cm zur Grenze zum Flurstück 131/4 aufweist, was sich mit den Bekundungen der im ersten Rechtszug vernommenen sachverständigen Zeugen deckt, insbesondere den des Zeugen D…, der diese Grenze aufgrund der Katasterunterlagen im Jahre 2005 wiederhergestellt hat.

b) Danach ist zunächst ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Beseitigung der Elektroleitungen im Grundstücksstreifen (Urteilsausspruch zu 1) und der Elektroinstallationen an der östlichen Wand des Stallgebäudes (Urteilsausspruch zu 2) entstanden. Die Verlegung der Stromleitungen haben die Beklagten zu Protokoll vom 26. Juni 2008 (45 ff. GA) zugestanden. Der Beseitigungsanspruch umfasst zudem die Bepflanzungen im Grundstücksstreifen (Urteilsausspruch zu 6), bei denen es sich augenscheinlich (Lichtbild 2 und 3, 17/17R GA) nicht um Wildwuchs handelt. Darüber hinaus ist ein Anspruch auf Beseitigung der Antennenhalterung an der westlichen Giebelwand des Wohnhauses der Beklagten entstanden, die augenscheinlich (Lichtbild 3 und 4, 17R GA) in das Grundstück der Klägerin hineinragt (Urteilsausspruch zu 5).

Die Veranda einschließlich des Vordachs (Urteilsausspruch zu 4) ist entgegen der Annahme des Landgerichts einem Carport nicht vergleichbar, sondern wesentlicher Bestandteil (§ 94 Abs. 2 BGB) des Wohnhauses der Beklagten und deshalb als Überbau zu dulden (§ 912 Abs. 1, § 1004 Abs. 2 BGB), sofern diese bei deren Errichtung nicht mindestens grob fahrlässig gehandelt haben. Der nachgelassene Vortrag der Klägerin gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Dass das Vordach an die Außenfassade des Wohnhauses der Beklagten angeschraubt sein soll, macht es nicht zu einer selbstständigen Baulichkeit oder einem Scheinbestandteil (vgl. BFH, BB 1990, 1185, juris Rn. 15 für Markise). Da das Verandavordach auch nicht in der Breite, sondern lediglich in der Länge weiter als das alte Vordach auf das Grundstück der Klägerin übergreift, die Beklagten sich vielmehr augenscheinlich bei Neuerrichtung der Veranda am vorgefundenen Bautenbestand orientiert haben (Lichtbild 71 GA), erscheint es dem Senat eher fernliegend, dass sie bei der Überbauung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt grob missachtet haben. Letztlich kann die Verschuldensfrage jedoch auf sich ein beruhen, da ein Anspruch auf Beseitigung des Verandavordachs jedenfalls nicht durchsetzbar ist (unten c).

Die Zinkblechverbindung zwischen dem Verandavordach der Beklagten und der östlichen Wand des Neben- oder Anschlussgebäudes zum Stallgebäude der Beklagten (Urteilsausspruch zu 3) teilt grundsätzlich das Schicksal des Verandadachs, das es abschließt und abdichtet. Soweit es allerdings mit dem Stallmauerwerk verschraubt ist, liegt eine über den Überbau hinausgehende Eigentumsbeeinträchtigung vor, die die Klägerin nicht nach § 912 BGB zu dulden hat. Soweit die Beklagten einwenden, dass streitig geblieben sei, ob das Zinkblech an das Stallgebäude montiert sei, ist dieses Bestreiten angesichts der durch Lichtbilder (187 GA) bezeugten festen Verbindung mit der Steinmauer unerheblich (unsubstantiiert). Da das Zinkblech augenscheinlich dem Abschluss der von ihnen errichteten Veranda dient, können die Beklagten zudem nicht ernstlich und damit erheblich bestreiten, für dessen Anbringung verantwortlich zu sein.

c) Die Beklagten, die Verjährung eingeredet haben, sind jedoch aufgrund dessen berechtigt, die Erfüllung der Beseitigungsansprüche zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB).

Die Beseitigungsansprüche unterliegen gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 EGBGB, § 4 BbgNRG ab dem 1. Januar 2002 der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB (BGH NJW-RR 2010, 807, juris Rn. 23). Die Beklagten tragen unwidersprochen vor, sämtliche Maßnahmen, deren Beseitigung begehrt wird, bereits in den 90er Jahren abgeschlossen zu haben. Die Verjährung beginnt mit der ersten Beeinträchtigung (vgl. BGHZ 60, 235, juris Rn. 20; BGH NJW 1994, 999, juris Rn. 21).

Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat im Termin vom 8. November 2012 (452 f. GA) hat die Klägerin erklärt, von den streitbefangenen Maßnahmen ebenfalls bereits Ende der 90er Jahre Kenntnis erlangt zu haben (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Auch hat die Klägerin auf den Senatshinweis zugestanden, dass sie die Beklagten, nachdem diese „nach dem Kauf nach und nach das Wohnhaus und die Außenanlagen hergerichtet“ hätten, mehrfach darauf hingewiesen habe, dass die Grundstücksgrenze nicht entlang dem Stallgebäude, sondern in einiger Entfernung dazu verlaufe (488 GA). Allerdings sei ihr aufgrund eines straßenseitigen Bretterzaunes und Tores die Einsicht in das Grundstück der Beklagten verwehrt gewesen. Erst im Zuge der Wiederherstellung der Grenze durch den Zeugen D… im Dezember 2005 hätte sie das Grundstück der Beklagten betreten und die Eigentumsbeeinträchtigungen feststellen können. Hinzu komme, dass ihr der genaue Grenzverlauf erst infolge der Grenzwiederherstellung bekannt geworden ist.

Letzteres steht den subjektiven Voraussetzungen für den Verjährungsbeginn nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht entgegen, weil die Klägerin sich eigenem Bekunden nach bereits vor der Grenzverhandlung mehrfach des Eigentums an einem östlich des Stallgebäudes gelegenen Grundstücksstreifen berühmt haben will. Während ihrer persönlichen Anhörung im Senatstermin vom 30. Oktober 2013 (545 ff. GA) hat die Klägerin bekundet, dass ihr der Grenzverlauf bekannt gewesen sei („Wir wussten es ja …“). Damit hat die Klägerin Kenntnis von den Grenzen ihres Grundeigentums als anspruchsbegründender Tatsache gehabt. Der Überzeugung einer Person von einer Tatsache, die sich als zutreffend erweist, kann die Qualifikation als Tatsachenkenntnis aber nicht deshalb abgesprochen werden, weil sich diese Person ihre Überzeugung auf einer möglicherweise nicht beweiskräftigen Grundlage gebildet hat.

Was die Kenntnis der Klägerin von den einzelnen Eigentumsbeeinträchtigungen angeht, wird ihr jetziges Vorbringen, sie habe von diesen erst anlässlich des Grenztermins Kenntnis erlangt, durch ihre Einlassung vor dem Senat widerlegt. Dort hat die Klägerin wörtlich bekundet: „Was die hier beanstandeten Handlungen auf der Beklagtenseite angeht, so habe ich bereits im Jahre 1998 auf die Unzulässigkeit aufmerksam gemacht.“ Diese Einlassung ist im Unterschied zu jenem Vorbringen, das erst nach gerichtlichem Hinweis auf den Verjährungseintritt erfolgte, glaubhaft, weil sie nicht durch das Interesse der Klägerin am Ausgang des Rechtsstreits motiviert gewesen ist. Wären die Beeinträchtigungen wirklich unerkannt geblieben, wäre zudem unerklärlich, weshalb die Klägerin eigenem Bekunden nach (Protokoll vom 26. Juni 2008, 45 ff. GA) seit dem Jahre 2000 verschiedene Versuche unternommen haben will, sich mit den Beklagten zu einigen. Denn es ist nicht ersichtlich, was die bekundeten Einigungsversuche anderes zum Gegenstand gehabt haben könnten, als eben die Beeinträchtigungen ihres Eigentums durch die Beklagten. Die an der westlichen Giebelwand des Wohnhauses der Beklagten befindliche Antennenhalterung war für die Klägerin ausweislich der von ihr zur Akte gereichten Lichtbilder (17R GA) ohnehin frei einsehbar.

Verjährung vollendete danach mit Ablauf des Jahres 2004 und konnte durch die im Jahr 2008 erhobene Klage nicht mehr gehemmt werden (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

3. Die Einfriedungsklage (Urteilsausspruch zu 7) rechtfertigt sich aus §§ 28, 32 Abs. 1 Satz 1 BbgNRG, nachdem die Klägerin ihren ursprünglichen Antrag, der nicht hinreichend bestimmt gewesen ist, auf Senatshinweis den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechend konkretisiert hat. Die daraufhin von den Beklagten erhobene Verspätungsrüge greift schon deshalb nicht, weil das Landgericht die Unbestimmtheit des ursprünglichen Klageantrages verkannt hat und der Senat der Klägerin deshalb zu diesem von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkt rechtliches Gehör zu gewähren hatte (§ 139 Abs. 3 ZPO).

Eine Ausnahme von der Einfriedungspflicht nach § 30 Abs. 1 BbgNRG kommt nicht in Betracht. Die Grenze ist nicht, zumal nicht über ihre gesamte Länge, mit dem Stallgebäude besetzt. Die insoweit beweisbelasteten Beklagten haben für ihre Behauptung, dass Einfriedungen „in diesem Bereich“ nicht ortsüblich seien, keinen Beweis angeboten. Aus dem Umstand, dass – wie die Beklagten einwenden – es einer Einfriedung in geringem Abstand entlang von Gebäuden nicht bedürfe, lässt sich nicht zwingend darauf schließen, dass solche Einfriedungen nicht ortsüblich sind. Ein solcher Schluss verbietet sich im Streitfall umso mehr, als nicht entlang der gesamten Grundstücksgrenze Baulichkeiten auf dem Grundstück der Klägerin vorhanden sind. Davon abgesehen besteht jedenfalls dann ein Bedürfnis für eine Einfriedung, wenn die Nachbarn seit Jahren über den Grenzverlauf und damit zusammenhängende Eigentumsbeeinträchtigungen streiten.

Nachdem keine der Parteien eine ortsübliche Beschaffenheit der Einfriedung behauptet hat, kann die Klägerin die Errichtung eines etwa 1,25 m hohen Zaunes aus Maschendraht verlangen (32 Abs. 1 Satz 1 BbgNRG).

Der Anspruch ist schließlich nicht verjährt, weil die Einfriedungspflicht nicht kraft Gesetzes, sondern erst durch Einfriedungsverlangen des Nachbarn entsteht (Postier, Das Nachbarrecht in Brandenburg, 5. Aufl. 2012, § 28 Anm. 1).

4. Die auf Beseitigung des Zinkblechs am Wohnhaus der Beklagten gerichtete Widerklage ist unbegründet. Mit ihr verlangen die Beklagten, was sie der Klägerin bezüglich des Klageantrages zu 3 verwehren. Infolge dessen stellen sich beide einander komplementären Beseitigungsbegehren jeweils als treuwidrig dar (§ 242 BGB: widersprüchliches Verhalten, sog. venire contra factum proprium).

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Der Gebührenstreitwert für den Berufungsrechtszug wird – der Festsetzung des Streitwerts im ersten Rechtszug folgend – gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO auf 6.500,00 € festgesetzt.