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Soziales Entschädigungsrecht - rechtsstaatswidrige DDR-Haft - Versorgungsrente - bereits festgestellte Schädigungsfolge - posttraummatische Belastungsstörung - weitere traumatische Ereignisse - Kausalität - Retraumatisierung - Nachschaden - besondere berufliche Betroffenheit


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 23.01.2015
Aktenzeichen L 11 VU 24/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 21 Abs 1 StrRehaG, § 21 Abs 5 S 1 StrRehaG, § 30 Abs 1 BVG, § 30 Abs 2 BVG

Tenor

Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. April 2010 abgeändert.

Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 26. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2007 dazu verurteilt, dem Kläger ab dem 1. August 2005 eine Versorgungsrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit/Grad der Schädigungsfolgen von 90 (v. H.) zu gewähren.

Im Übrigen wird die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. April 2010 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten für das gesamte Verfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig sind Leistungsansprüche nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) und nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG), beide in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit.

Der 1961 geborene Kläger besuchte in der ehemaligen DDR die polytechnische Oberschule bis zum Abschluss nach der 10. Klasse, absolvierte dann von 1977 bis 1979 mit Erfolg eine Lehre als Fliesenleger, war in diesem Beruf zunächst auch tätig, ehe er ab dem 1. Juli 1980 als Stranggießer arbeitete. 1981 erwarb er einen Facharbeiterabschluss als Hüttenwerker. Er war weiterhin als Stranggießer tätig, ehe er bei dem Versuch, über die Tschechoslowakei und Österreich in die Bundesrepublik Deutschland zu fliehen, aufgegriffen wurde. Vom 23. September 1981 bis zum 9. Oktober 1981 war er in der Tschechoslowakei, anschließend bis zum 18. Januar 1982 in P inhaftiert. Am 30. Dezember 1981 wurde er wegen versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts durch das Kreisgericht P zu 14 Monaten Haft verurteilt (Az. ). Der Strafvollzug erfolgte im Zuchthaus B, ehe der Kläger am 24. Mai 1982 nach C verlegt wurde. Insgesamt war der Kläger vom 23. September 1981 bis zum 24. Juni 1982 inhaftiert, ehe er am 24. Juni 1982 in die Bundesrepublik Deutschland ausreiste. Nach Arbeitsunfähigkeit war der Kläger seit Januar/Februar 1983 als Verkäufer in einem Schreibwarengeschäft tätig. Von 1983 bis 1984 besuchte er das Oberstufenzentrum Handel und legte eine Prüfung als Verkäufer ab. In diesem Beruf war er bis 1986 auch tätig, ehe er zu den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) wechselte, für die er in verschiedenen Bereichen tätig war. Nachdem er 1998 als Zugabfertiger einen Fahrgastsuizid miterlebt hatte, war er nach übergangsweiser Tätigkeit im Lager als Mitarbeiter im Call-Center tätig. Zum 31. Dezember 2004 schied der Kläger aus seinem Beschäftigungsverhältnis bei der BVG aus. Im Anschluss daran bezog er bis zum 22. Februar 2005 Krankengeld. Auf seinen Antrag vom 2. März 2005 gewährte ihm die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mit Bescheid vom 3. Juni 2005 befristet bis zum 30. April 2006 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die nach weiteren Befristungen mittlerweile auf Dauer gewährt wird.

Am 1. Juli 1982 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Antrag auf Versorgung nach dem BVG und dem Häftlingshilfegesetz (HHG). Ihm wurde von dem Beklagten unter dem 27. Juli 1982 eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG ausgestellt, nach der er vom 23. September 1981 bis zum 24. Juni 1982 in politischem Gewahrsam gewesen war. Wegen des Versorgungsantrages holte der Beklagte unter anderem ein internistisches Gutachten bei der Fachärztin für innere Krankheiten Dr. F vom 3. Mai 1983 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 2. Mai 1983 sowie ein nervenfachärztliches Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T vom 1. August 1983 nach Untersuchung des Klägers am 9. Mai 1983 ein. Beide Gutachter verneinten jeweils für ihr Fachgebiet das Vorliegen von haftbedingten Schädigungsfolgen. Demgemäß lehnte der Beklagte den Versorgungsantrag mit bestandskräftigem Bescheid vom 6. Dezember 1983 ab.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts P vom 15. Januar 1993 wurde das Urteil des Kreisgerichts P vom 30. Dezember 1981 für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger vom 23. September 1981 bis zum 24. Juni 1982 zu Unrecht in Haft war (Az.: ).

Am 19. April 1993 wurde der Kläger Opfer eines tätlichen Angriffs. Dabei wurde er von Z A an den Kopf geschlagen. Gemeinsam mit zwei weiteren Personen schlug dieser auf den am Boden liegenden Kläger ein, der eine Kieferprellung, Prellungen am rechten Daumen und Oberkörper sowie Hautabschürfungen im Gesicht erlitt. Daneben erlitt der Kläger einen Schock und befand sich daher in psychotherapeutischer Behandlung. Der Kläger beantragte bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem OEG. Der Beklagte holte ärztliche Auskünfte bei dem praktischen Arzt Dr. N, dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S und Dr. H (wohl Zahnarzt) ein. Des Weiteren zog er unter anderem ein Behandlungsblatt der E Krankenhaus über die Behandlung des Klägers am 19. April 1993 sowie die Akten der Staatsanwaltschaft B (Az.) bei. Der Beklagte holte eine nervenärztliche Stellungnahme bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie L vom 11. April 1994 ein und lehnte mit Bescheid vom 20. Januar 1995 die Gewährung laufender Versorgungsleistungen ab, weil die durch die Gewalttat am 19. April 1993 hervorgerufenen Gesundheitsstörungen folgenlos abgeheilt seien. Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies der Beklagte nach Einholung einer nervenärztlichen Stellungnahme der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H vom 9. August 1995 durch Widerspruchsbescheid vom 8. September 1995 zurück.

Am 3. September 1997 beantragte der Kläger bei dem Beklagten unter Vorlage zahlreicher Unterlagen die Neufeststellung nach dem OEG. Die für die Angelegenheiten nach dem OEG zuständige Dienststelle des Beklagten leitete der für die Angelegenheiten nach dem HHG zuständigen Dienststelle unter anderem eine psychologische Stellungnahme des Diplom-Psychologen S vom 27. Mai 1997, in der dieser unter anderem die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung in Folge politischer Haft in der ehemaligen DDR und des tätlichen Überfalls vom 19. April 1993 mitteilte, zu.

Der Beklagte übersandte nunmehr dem Kläger die Antragsunterlagen für einen Antrag nach dem StrRehaG, die dieser dem Beklagten am 17. Dezember 1997 ausgefüllt zurücksandte. Zu dieser Zeit war bei dem Kläger durch von ihm mit Widerspruch angefochtenem Bescheid des Beklagten vom 12. Dezember 1997 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 wegen eines depressiv-phobischen Syndroms (Einzel-GdB: 30), beginnenden Wirbelsäulen- und Gelenkverschleißes (Einzel-GdB: 10) und einer Zwerchfellhernie mit Speiseröhrenreizung (Einzel-GdB: 10) anerkannt.

Der Beklagte holte einen ärztlichen Befundbericht bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S vom 12. Mai 1998 und zunächst eine nervenfachärztliche Stellungnahme vom 11. November 1998, dann ein nervenfachärztliches Gutachten vom 23. April 1999 der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. D ein. Letztgenanntes erstellte Dr. D nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 23. April 1999. Dr. D fasste die Angaben des Klägers zu den schädigenden Ereignissen wie folgt zusammen: „Er sei im September 1981 in der ehemaligen CSSR festgenommen worden, dort an die Heizung gekettet, habe sich ausziehen müssen, einer Körperuntersuchung stellen, auch nochmals in der U-Haft. Komme auf die sexuellen Übergriffe während der Haftzeit in B zu sprechen, könne es nicht abschalten. Richtig losgeworden sei er es nie, in der ersten Zeit wäre es aber besser gewesen, er konnte es verdrängen bis zum Überfall 1993, das sei eine extreme Körperbelastung gewesen durch die Tritte gegen den Körper als er schon wehrlos am Boden lag. Drei betrunkene Männer hätten ihn überfallen vor seiner Wohnung, die haben sich nur an ihm abreagiert und sind dazu jetzt noch auf freiem Fuß, während er unter den Folgen zu leiden habe. Bis zu der Haft habe er eine völlig normale Entwicklung genommen, in der Kindheit und Jugend gab es zwar Rangeleien, dort war er auch unterlegen, das hatte aber eine andere Qualität, da habe er einfach Pech gehabt.“.

In der Beurteilung führte Dr. D aus, dass die Entwicklung bis zur Inhaftierung im Alter von 20 Jahren im Wesentlichen unauffällig gewesen sei. Der Kläger sei sicherlich in seiner Persönlichkeit auch noch nicht gefestigt gewesen, als er mit 21 Jahren in Haft gekommen sei und hier die schweren Bedrohungen seines Selbstwertgefühles, einschließlich der jetzt auch bekannt gewordenen sexuellen Übergriffe habe ertragen müssen. Die vorliegenden Kopien aus dem Sozialversicherungsbuch über ambulante Behandlungen bis 1981 sprächen nicht für behandlungsbedürftige neurotische oder psychosomatische Leiden, dies sei auch in den unmittelbar nach der Haftentlassung und Übersiedlung nach Westberlin erstellten nervenärztlichen und internistischen Gutachten herausgearbeitet worden. Die in der Haft vorübergehend aufgetretenen Symptome, insbesondere Schlafstörungen, seien rückläufig gewesen innerhalb des ersten Jahres nach der Haft. Der Kläger habe geheiratet, der Sohn sei geboren worden. Die Ehe sei wohl an psychischen Auffälligkeiten der Ehefrau gescheitert, die nach der Scheidung noch weitere Kinder bekommen und diese vernachlässigt habe. Dem Kläger sei das Sorgerecht für seinen leiblichen Sohn übertragen worden. Selbst in dieser schwierigen Situation sei er noch mit den Bedingungen soweit zurechtgekommen, dass er zwar wahrscheinlich unter depressiven Verstimmungen und Erschöpfungen gelitten habe, hierbei aber nicht so überfordert gewesen und dekompensiert sei, wie dies dann nach 1993 der Fall gewesen sei.

Der Überfall am 19. April 1993 sei in diese Belastungsphase gefallen und habe letztendlich zu einer vollständigen Dekompensation geführt. Ab November 1996 habe sich der Kläger auch in ambulanter Behandlung des Diplompsychologen S befunden. Zu Beginn der Psychotherapie hätten Ein- und Durchschlafstörungen, Brust- und Magenschmerzen, heftige Alpträume, Angstzustände, überwältigende Gefühle von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein, häufige Flashbacks sowie starke Beeinträchtigungen der Konzentration und beruflichen Leistungsfähigkeit bestanden. Diese Symptomatik sei von dem Kläger glaubhaft auch zur Begutachtung geschildert worden, jedoch in deutlich verminderter Ausprägung jetzt durch die Therapie. Im Vordergrund gestanden hätten noch die Körperschmerzen, Schweißausbrüche und Angstzustände sowie Schlafstörungen, die verstärkt bei aggressiven Anforderungen oder Auseinandersetzungen zu Tage träten und ursächlich auf die traumatischen Gewalterfahrungen zurückzuführen seien und nicht auf die überfordernde häuslich-berufliche Situation. Diese Beurteilung sei während der Begutachtung doch recht deutlich geworden, es handele sich hierbei nicht allein um einen psychovegetativen Erschöpfungszustand mit depressiven Begleiterscheinungen infolge Scheidung und beruflicher Überforderung, sondern um die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung, wobei selbst nach dem Überfall im April 1993 noch eine gewisse Zeit vergangen sei, ehe die Symptome voll zur Ausprägung gelangt seien. Dieser Verlauf sei aber durchaus bekannt, dass es erst nach Jahren in schwierigen beruflichen und familiären Entscheidungssituationen zum Ausbruch posttraumatischer Störungen komme, wenn sich die Frage nach dem Sinn des Überlebens stelle, wie dies möglicherweise auch bei dem Kläger nochmals durch den Fahrgastunfall bei der BVG zum Tragen gekommen sei.

Es sei nur sehr schwer möglich, die Schädigungsfolgen nach dem StrRehaG und nach dem OEG getrennt aufzunehmen. Es werde empfohlen, ab November 1996 als Schädigungsfolgen zeitlich abgestuft anzuerkennen eine chronische posttraumatische Belastungsstörung mit Angstzuständen, erhöhtem Erregungsniveau, Schlafstörungen, Alpträumen, Wiedererinnerungen und psychosomatisch begründeten Körperbeschwerden im Sinne der Entstehung nach Haft und Verschlimmerung durch Überfall 1993 mit dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v. H. für die Zeit von November 1996 bis September 1998 und ab dann mit dem Grad einer MdE von 30 v. H. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 24. August 1999 stellte sie klar, dass die Absenkung des Grades der MdE von 40 v. H. auf 30 v. H. erst ab dem 1. Oktober 1998 gerechtfertigt sei. Den GdB bewertete Dr. D mit 50, wobei sie unter anderem ein schädigungsunabhängig bestehendes depressives Syndrom mit einem Einzel-GdB von 30 bewertete.

Mit Bescheid vom 30. Juli 1999 erkannte der Beklagte als Schädigungsfolgen eine chronische posttraumatische Belastungsstörung mit Angstzuständen, erhöhtem Erregungsniveau, Schlafstörungen, Alpträumen, Wiedererinnerungen und psychosomatisch begründeten Körperbeschwerden an und zwar hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 21 StrRehaG und verschlimmert durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 OEG. Der Grad der MdE betrage vom 1. September 1997 bis 30. September 1998 40 v. H. und ab dem 1. Oktober 1998 30 v. H. In den Gründen führte der Beklagte aus, die Gesundheitsstörungen seien Folge der rehabilitierten Haftzeit nach dem StrRehaG, die durch den Überfall vom 19. April 1993 verschlimmert worden seien. Da eine genaue Abgrenzung der Gesundheitsstörungen nach dem StrRehaG und dem OEG aus versorgungsärztlicher Sicht nicht möglich sei, würden die Folgen der Haft und der Gewalttat, die auch ganzheitlich therapiert würden, sowohl in der Bezeichnung der Schädigungsfolgen als auch in der Bewertung zusammengefasst aufgeführt. Der Beklagte stützte seine Entscheidung auf § 30 Abs. 1 BVG. Ob eine Höherbewertung nach § 30 Abs. 2 BVG in Betracht komme, werde noch geprüft.

Mit Abhilfebescheid vom 5. Oktober 1999 stellte der Beklagte dem Gutachten von Dr. D folgend den GdB mit 50 fest.

Zu den Voraussetzungen nach § 30 Abs. 2 BVG sowie zu denen eines Berufsschadensausgleichs gemäß § 30 Abs. 3 BVG ermittelte der Beklagte weiter. Insbesondere holte er ein nervenfachärztliches Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D vom 8. Mai 2001 ein, das dieser nach ambulanter Untersuchung vom 7. Mai 2001 erstellte und in dem er zu der Einschätzung gelangte, im Vergleich zur letzten nervenärztlichen Untersuchung im April 1999 bestünden die posttraumatische Belastungsstörung mit intrusiver Symptomatik, mit Vermeidungsverhalten und den Symptomen eines erhöhten Erregungsniveaus unverändert weiter. Bezüglich der psychosomatisch begründeten Körperbeschwerden und der Schmerzsymptomatik habe eine vom 5. Dezember 2000 bis 30. Januar 2001 in der E-Klinik in Bad D durchgeführte Badekur eine weitere Verschlimmerung vermieden, es sei jedoch nicht zu einer anhaltenden Symptombesserung gekommen. Mit Veränderungen des Arbeitsplatzes ab Sommer 2000 habe sich im psychischen Bereich eine Verschlechterung ergeben. Durch das Eintreten neuer Kollegen aus dem östlichen Teil Berlins habe sich zwischenzeitlich bei dem Kläger eine vorsichtige und misstrauische Haltung entwickelt. Hier sollte die anerkannte Schädigungsfolge bei zunächst unveränderter Formulierung im oberen Bereich der stärker behindernden seelischen Störungen mit dem Grad einer MdE von 40 v. H. ab Juli 2000 bewertet werden. Der Gutachter führte weiter aus, dass der Kläger wegen Schädigungsfolgen den von ihm angestrebten Beruf nicht erreicht habe und im ausgeübten Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in wesentlich höherem Maße als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sei. In diesem Zusammenhang führte Dr. D aus, der Kläger habe wegen der Schädigungsfolgen das Abitur und ein anschließendes Studium des Hüttenwesens/der Hüttentechnik nicht erreichen können. Den Gesamt-GdB schätzte Dr. D mit 60 ein, wobei er ein depressives Syndrom mit Anhedonie und depressivem Affekt als schädigungsunabhängiges Leiden berücksichtigte.

Mit Bescheid vom 19. Juni 2001 stellte der Beklagte mit Wirkung ab dem 1. September 1997 den Versorgungsanspruch des Klägers neu fest. Die Schädigungsfolgen, hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des StrRehaG und verschlimmert durch schädigende Einwirkungen im Sinne des OEG, benannte der Beklagte wie bisher. Er bewertete sie mit dem Grad einer MdE von 50 v. H. vom 1. September 1997 bis 30. September 1998, 40 v. H. vom 1. Oktober 1998 bis 31. Juli 2000 und 50 v. H. ab dem 1. August 2000. Den Gründen des Bescheides lässt sich entnehmen, dass der Beklagte dabei von einer besonderen beruflichen Betroffenheit ausging und hierfür eine Erhöhung des medizinischen Grades der MdU um 10 v. H. veranschlagte. Der Beklagte bewilligte dem Kläger dem Grunde nach einen Berufsschadensausgleich. Dem Gutachter Dr. D folgend legte der Beklagte zugrunde, dass der Kläger aufgrund der Schädigungsfolgen den angestrebten Beruf als Ingenieur für Hüttenwesen nicht erreicht habe. Das Vergleichseinkommen bestimmte er nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 der Berufsschadensausgleichsverordnung. Dabei ging er von dem Vergleichsmaßstab eines technischen Angestellten des Wirtschaftsbereichs Metallerzeugung und –bearbeitung mit der Leistungsgruppe II aus. Der Beklagte gewährte dem Kläger rückwirkend ab dem 1. September 1997 einen Berufsschadensausgleich.

Den GdB bewertete der Beklagte bei dem Kläger nunmehr von Amts wegen mit Bescheid vom 11. Juli 2001 mit 60 wegen Schädigungsfolgen nach dem StrRehaG und nach dem OEG (Einzel-GdB: 40), einem depressiven Syndrom (Einzel-GdB: 30), einem beginnenden Wirbelsäulen- und Gelenkverschleiß (Einzel-GdB: 10) sowie einer Zwerchfellhernie mit Speiseröhrenreizung (Einzel-GdB: 10).

In der Nacht zum 8. August 2002 wurde der Kläger im Rahmen eines Auslandsaufenthaltes in K abermals Opfer einer Gewalttat. Ausweislich eines von dem Kläger selbst verfassten Tathergangs schlugen einige Männer auf ihn ein und ließen ihn, nachdem sie ihm seinen Brustbeutel und mehrere Wertgegenstände entwendet hatten, am Boden liegen. Bezugnehmend auf diesen Vorfall forderte der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 21. Oktober 2002 dazu auf, einem bereits im April 2002 gestellten Antrag schnellstmöglich zu entsprechen und ein psychosomatisches Heilverfahren zu bewilligen. Seinem Schreiben fügte er unter anderem ein ärztliches Attest des Facharztes für Psychiatrie G vom 18. Oktober 2002 bei, in dem dieser erklärte, durch das erneute Trauma infolge des Überfalls vom 8. August 2002 habe sich die psychische und psychosomatische Erkrankung stark verschlimmert. Des Weiteren war beigefügt ein aus russischer Sprache übersetzter Auszug aus der Krankengeschichte des KGebietskrankenhauses über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 8. bis 22. August 2002 in der Kiefer- und Gesichtschirurgieabteilung. Hier wurden als Diagnosen eine offene zweiseitige Fraktur des Unterkiefers ohne Bruchstückverschiebung, eine Prellung des linken Auges sowie eine Gehirnerschütterung mitgeteilt. Am 28. Oktober 2002 übermittelte der Kläger dem Beklagten zu seinem Antrag auf stationäre Rehabilitation eine psychologische Stellungnahme von Herrn S vom 22. Oktober 2002. Eine weitere psychologische Stellungnahme von Herrn S vom 10. Dezember 2002 ging dem Beklagten am 12. Dezember 2002 zu. Nach Einholung einer neurologisch-psychiatrischen Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W vom 7. Januar 2003, ärztlicher Befundberichte bei der Fachärztin für Allgemeinmedizin S vom 28. Januar 2003 und dem Facharzt für Psychiatrie G vom 4. Februar 2003 sowie Beiziehung einer Übersicht von Arbeitsunfähigkeitszeiten der Krankenkasse des Klägers und eines Berichts vom 6. Februar 2001 über die von dem Kläger vom 5. Dezember 2000 bis 30. Januar 2001 in der E-Klinik in Bad D durchgeführte stationäre Kurbehandlung holte der Beklagte nervenfachärztliches Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D vom 4. April 2003 ein, das dieser nach ambulanter Untersuchung vom 24. März 2003 erstellte und in dem er zu der Einschätzung gelangte, die anerkannten Schädigungsfolgen im psychischen Bereich, die auf die DDR-Haft und die Gewalttat von 1993 zurückführbar seien, seien im Wesentlichen unverändert geblieben. Die durch die erneute Gewalttat in K erlittenen Gesundheitsstörungen, Schädelhirntrauma 1. Grades und doppelter Unterkieferbruch, seien ohne anhaltende Funktionseinschränkungen abgeheilt. Die vorbestehende schädigungsunabhängige psychische Symptomatik eines depressiven Syndroms habe sich jedoch deutlich verstärkt. Es bestünden jetzt eine ausgeprägte depressive Verstimmung, resignativer Rückzug, eine Antriebsstörung, eine Anhedonie, eine ausgeprägte Körperschmerzsymptomatik, vor allem im Bewegungsapparat, eine Partner-Beziehungsproblematik und latente parasuizidale Gedanken sowie ein Grübeln darüber, wie er wiederholt zum Opfer von Gewalttaten habe werden können. Diese Symptomatik weise mit den anerkannten Schädigungsfolgen sowohl Überlappungen (hinsichtlich der psychosomatischen Funktionsstörungen) als auch negative Verstärkungen auf. Zu einer diskutierten Verschiebung der Wesensgrundlage für die anerkannten Schädigungsfolgen durch die Gewalttat von August 2002 sei es nicht gekommen. Bei den damit in Zusammenhang stehenden Gesundheitsstörungen handele es sich um einen Nachschaden. Die auf dieses Ereignis zurückführbaren Gesundheitsstörungen könnten bei der Feststellung des Grades der MdE nach § 30 Abs. 1 BVG nicht berücksichtigt werden und zwar auch dann nicht, wenn sie zusammen mit den Schädigungsfolgen zu besonderen Auswirkungen führten, bei denen die Schädigungsfolgen eine gleichwertige oder überwiegende Bedeutung haben. Da Dr. D das schädigungsunabhängige depressive Syndrom mit psychosomatischen Funktionsstörungen nunmehr mit einem Einzel-GdB von 40 bewertete, schätzte er bei im Übrigen unveränderten Einzel-GdB den Gesamt-GdB nunmehr mit 70 ein.

Am 2. März 2005 beantragte der Kläger bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) erstmals eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Verwaltungsverfahren bezüglich der Erwerbsminderungsrente stellten sich wie folgt dar: Die BfA holte insbesondere ein neurologisch-psychiatrisches Facharztgutachten des Arztes für Psychiatrie und Neurologie B vom 10. April 2005 ein, das dieser nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 4. April 2005 erstellte. Dieser führte in der Epikrise aus, der Kläger habe während der Gefängnisaufenthalte in der Tschechoslowakei und in der DDR erhebliche physische und psychische Gewalttaten erlitten, die zu einer posttraumatischen Belastungsstörung geführt hätten, die aktualisiert worden sei durch einen Raubüberfall im Jahr 1993 und eine zweite Retraumatisierung im Jahre 2002 durch einen Raubüberfall in K. Eine weitere Traumatisierung sei 1998 erfolgt, als er als Zugabfertiger habe erleben müssen, dass sich ein Fahrgast suizidiert habe durch Sprung unter die Bahn. Der Kläger habe an insgesamt zehn stationären Heilmaßnahmen und Behandlungen teilgenommen. Er befinde sich seit 1997 in durchgehender Psychotherapie bei einem Traumapsychotherapeuten sowie in nervenärztlicher Behandlung. Er schildere seinen augenblicklichen Zustand als gerade noch lebendig, andererseits aber gefangen in seinen Erinnerungen, die ihn nicht nur tagsüber, sondern auch in der Nacht in Form von Albträumen verfolgen würden. „Flash-backs“ erlebe er in vielfältiger Form, zum Beispiel durch Schweißgeruch von Menschen, der ihn an die damalige Gefängnissituation (Schweißgeruch der Schwerverbrecher, mit denen er zusammen gefangen gewesen sei und die ihn vergewaltigt hätten), wieder erinnern würde. Er reagiere panikartig darauf bei ansonsten ständig anhaltender innerer Unruhe und Anspannung. Der Kläger sei unfähig zu irgendeiner geregelten und kontinuierlichen Handlung. Selbst im geschützten Raum seiner Wohnung könne er kaum seiner Ehefrau behilflich sein. Es bleibe festzuhalten, dass der Kläger trotz vielfacher ambulanter und stationärer Therapien keine Remission habe erreichen können, sondern die ursprüngliche posttraumatische Belastungsstörung in eine Persönlichkeitsstörung eingemündet sei mit Hilfe der Symptomatik. Der Kläger sei aufgrund seiner vielfältigen Symptomatik, die im Zusammenhang stehe mit Traumatisierungen und Retraumatisierungen, nicht in der Lage, eine regelmäßige Arbeitsleistung von wirtschaftlichem Wert zu erbringen. Er könne sich nicht konzentrieren, könne sich nicht auf andere Menschen einstellen. Der Umgang mit anderen Menschen führe immer wieder zu „Flash-backs“ bei ohnehin ständiger psychomotorischer Anspannung. Es müsse von einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer ausgegangen werden. Die BfA bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 3. Juni 2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juni 2005 bis zum 30. April 2006.

Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers holte die Deutsche Rentenversicherung Bund bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C ein Gutachten vom 11. Februar 2006 ein, das dieser nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 11. Februar 2006 erstellte. Dieser führte aus, es bestehe eine anhaltende Persönlichkeitsänderung oder Störung nach mehrfachen Traumatisierungen. Im Gespräch fielen narzisstische Störungen auf, die wahrscheinlich schon vorher bestanden hätten, was aber nicht sicher sei. Auf jeden Fall werde das ganze Krankheitsbild durch diesen Narzissmus deutlich gefärbt. Die Anamneseerhebung sei schwierig gewesen, weil sich der Kläger in sehr kämpferischer, aber auch konfuser Weise dargestellt habe und auch auf einfache Fragen nach dem Befinden und Befunden insgesamt sehr oft deutlich erregt reagiert habe. Er habe sich jetzt mehr unbewusst in eine Opfer- und Krankheitsrolle hineingesteigert. Derzeit seien Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich. Eine Verlängerung der Rente sei erst einmal erforderlich. Mit Bescheid vom 24. März 2006 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund die Rente wegen voller Erwerbsminderung weiter bis Ende Februar 2008.

Auf den erneuten Weitergewährungsantrag des Klägers holte die Deutsche Rentenversicherung Bund abermals ein Gutachten, diesmal bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S vom 12. Dezember 2007 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am gleichen Tag, ein. Dieser führte in der Epikrise unter anderem aus, besondere neurotisierende oder andere belastende Faktoren in Kindheit und Jugend seien nicht bekannt geworden. Die Haftzeit in der DDR sei für den Kläger für die weitere psychische Entwicklung offensichtlich entscheidend gewesen, obwohl er jetzt in Bezug auf die während der Haftzeit erlittenen Belastungen immer nur gewisse Andeutungen mache und darum bitte, ihn diesbezüglich nicht zu befragen. Insgesamt seien Untersuchung und Exploration im vorliegenden Fall unter eingeschränkten Umständen verlaufen. Immer wieder weise der Kläger bei bestimmten Fragen darauf hin, dass doch alles aktenkundig sei und dass jede Begutachtung für ihn eine Demütigung und starke Belastung darstelle. Es bestehe eine extreme Kränkbarkeit mit übergesteigerter Opferrolle, daneben eine nahezu paranoid und hasserfüllt wirkende Beurteilung der gegenwärtigen politischen Situation. Sofern man nicht von einer massiven Belastung während der Haftzeit mit entsprechenden psychischen Folgen ausgehen müsste, wäre diagnostisch von einer schweren Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, schizoiden und emotional instabilen Zügen auszugehen. Bemerkenswert sei, dass der Kläger nach seiner Übersiedlung in den Westen lange Jahre habe beruflich tätig sein können. Zusätzliche Belastungen stellten zwei Überfalle dar. Außerdem sei der Kläger Zeuge gewesen, als es während seines Dienstes zu einem Suizid gekommen sei. Wie weit die Entdeckung von angeblichen Stasi-Mitarbeitern in seinem beruflichen Umfeld tatsächlich zur Dekompensation beigetragen habe, wie von dem Kläger behauptet, müsse offen bleiben. Schon der behutsame ärztliche Umgang mit dem Kläger im Rahmen der Begutachtung habe den Kläger an seine Belastungsgrenze geführt. Daher erscheine es ausgeschlossen, dass ihm irgendwelche beruflichen Tätigkeiten möglich sein könnten. Mit Bescheid vom 11. Januar 2008 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund die Rente wegen voller Erwerbsminderung weiter bis Ende Februar 2011. Mit Bescheid vom 29. April 2009 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund die Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer.

Die Rente wegen voller Erwerbsminderung beträgt seit August 2005 monatlich jedenfalls 1.028,- Euro (Zahlbetrag). Daneben bezieht der Kläger eine Rente von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in Höhe von monatlich jedenfalls 291,48 Euro (Zahlbetrag). Der monatlich gewährte – also ohne Absetzbetrag nach § 30 Abs. 13 BVG ermittelte - Berufsschadensausgleich beläuft sich

- seit dem 1. Juli 2005 auf 1.095,- Euro (Bescheid des Beklagten vom 14. Mai 2007),
- seit dem 1. Juli 2006 auf 1.084,- Euro (Bescheid des Beklagten vom 14. Mai 2007),
- seit dem 1. Juli 2007 auf 1.156,- Euro (Bescheid des Beklagten vom 10. September 2007),
- seit dem 1. Juli 2008 auf 1.196,- Euro (Bescheid des Beklagten vom 11. August 2008),
- seit dem 1. Juli 2009 auf 1.516,- Euro (Bescheid des Beklagten vom 10. August 2009),
- seit dem 1. Juli 2010 auf 1.507,- Euro (Bescheid des Beklagten vom 18. Juni 2010),
- seit dem 1. Juli 2011 auf 1.537,- Euro (Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2011),
- seit dem 1. Juli 2012 auf 1.571,- Euro (Bescheid des Beklagten vom 2. Juli 2012),
- seit dem 1. Juli 2013 auf 1.574,- Euro (Bescheid des Beklagten vom 1. Juli 2013) und
- seit dem 1. Juli 2014 auf 1.606,- Euro (Bescheid des Beklagten vom 14. Juli 2014).

Der Beklagte ging vom folgenden monatlichen Netto-Vergleichseinkommen aus:

- seit Juli 2005 in Höhe von 2.836,- Euro,
- seit Juli 2007 in Höhe von 2.911,- Euro,
- seit Juli 2008 in Höhe von 2.965,- Euro,
- seit Juli 2009 in Höhe von 3.283,- Euro,
- seit Juli 2011 in Höhe von 3.314,- Euro,
- seit Juli 2012 in Höhe von 3.382,- Euro,
- seit Juli 2013 in Höhe von 3.389,- Euro und
- seit Juli 2014 in Höhe von 3.443,- Euro.

Mit Schreiben vom 19. August 2005 (Eingang bei dem Beklagten am 22. August 2005) stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag bei dem Beklagten. Er beantragte die Feststellung eines GdB von 100 sowie einen „Schwerbeschädigtenausweis für öffentlichen Nahverkehr (60,- Euro im Jahr) in der 1. Klasse Freifahrt für die Deutsche Bundesbahn in der 1. Klasse Freifahrt für meine Frau als Begleitperson in der 1. Klasse“ und eine Kurmaßnahme. Der Beklagte legt den Antrag in Bezug auf Merkzeichen als solchen auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen „G“ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), „B“ (Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson) und „1. Klasse“ (Berechtigung zur Nutzung der 1. Wagenklasse) aus.

Mit Schreiben an den Beklagten vom 31. August 2005 (Eingang bei dem Beklagten am 1. September 2005) stellte er klar, dass der Antrag mit Schreiben vom 19. August 2005 auch ein Verschlimmerungsantrag nach dem StrRehaG sei.

Der Beklagte holte ärztliche Befundberichte bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie G vom 1. September 2005 sowie bei dem psychologischen Psychotherapeuten S vom 1. September 2005 ein. Des Weiteren zog er unter anderem bei der Deutschen Rentenversicherung Bund diverse Unterlagen bei und zwar einen Reha-Entlassungsbericht bei der Wklinik vom 25. August 1998 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 12. Mai bis 4. August 1998, ärztliche Atteste des behandelnden Psychotherapeuten G vom 6. März 2001 und vom 27. Februar 2004 sowie einen Bericht desselben für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung vom 13. September 2004 und das neurologisch-psychiatrische Facharztgutachten des Arztes für Psychiatrie und Neurologie B vom 10. April 2005, das dieser für die BfA erstellt hatte.

Nach Einholung einer psychiatrisch-neurologischen Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S vom 16. Februar 2006 holte der Beklagte im Rahmen des versorgungs- wie schwerbehindertenrechtlichen Verfahrens ein nervenärztliches Gutachten bei der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W vom 22. Mai 2006 ein, das diese nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 22. Mai 2006 erstellte und in dem sie zu folgender Einschätzung gelangte, dass sich die von Dr. D im Vorgutachten beschriebenen Symptome unverändert dargestellt hätten. Eine Verschlimmerung schädigungsbedingter und nichtschädigungsbedingter psychischer Symptome habe nicht festgestellt werden können. Die Bewertung durch Dr. D der Schädigungsfolgen wie auch des GdB bestätigte Dr. W.

Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 1. August 2006 den GdB mit 70 fest und lehnte die Feststellungen eines höheren GdB von 100 sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen „G“, „B“ und „1. Kl.“ ab. Den Widerspruch hiergegen wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2007 zurück.

Der Beklagte holte des Weiteren ärztliche Befundberichte bei dem behandelnden Psychotherapeuten G vom 16. Juni 2006 sowie bei dem behandelnden psychologischen Psychotherapeuten S vom 20. Juni 2006 ein. Mit Bescheid nach dem StrRehaG in Verbindung mit dem BVG vom 26. Juli 2006 lehnte der Beklagte den Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 22. August 2005 ab. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch holte der Beklagte eine nervenfachärztliche Stellungnahme bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D vom 18. Oktober 2006 sowie eine versorgungsärztlich-internistische Stellungnahme bei der Fachärztin für Innere Medizin R vom 9. November 2006 ein und wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2007 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 30. Januar 2007 Klage erhoben.

Ebenfalls am 30. Januar 2007 erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 1. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2007. Das schwerbehindertenrechtliche Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin (Az. zunächst S 41 SB 314/07, später S 161 SB 3563/08) verlief wie folgt:

Das Sozialgericht holte insbesondere Befundberichte bei der Allgemeinmedizinerin S vom 22. Mai 2007 und bei dem behandelnden Psychotherapeuten G vom 29. Mai 2007 ein. Im Übrigen zog es die von BfA und Deutscher Rentenversicherung Bund eingeholten Gutachten von Herrn B vom 10. April 2005 und von Dr. C vom 11. Februar 2006 bei. Nach Eingang einer psychiatrisch-neurologischen Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S vom 30. Juli 2007 zog es die Gerichtsakten des parallel laufenden versorgungsrechtlichen Klageverfahrens bei und holte schließlich ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. G vom 30. Oktober 2007 ein, das dieser nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 22. Oktober 2007 erstellte und in dem er zu folgender Einschätzung gelangte:

Auf psychiatrischen Gebiet liege zum einen ein chronisches posttraumatisches Belastungsstörungssyndrom (mit Elementen des Übergangs in eine anhaltende Persönlichkeitsänderung) nach Extrembelastungen und nach mehrfachen Traumatisierungen, nämlich rechtsstaatswidrige Haft mit Gewalterfahrungen in der ehemaligen DDR vom September 1981 bis Juni 1982, zwei Überfällen auf ihn 1993 und 2002 und einem 1998 in seiner Dienstzeit erlebten Suizid eines Fahrgastes vor. Dieses chronische posttraumatische Belastungsstörungssyndrom (gemäß F 43.1 ICD-10) sei psychopathologisch-befundlich als ein deutlich stärker behindernder Störungskomplex mit wesentlicher Einschränkung seiner Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit zu identifizieren. Daraus ergebe sich ein Einzel-GdB von 40. Eine Angst- und depressive Störung – gemischt – einschließlich Somatisierungsphänomenen, auch psychogener Schmerzverstärkung von primär organmedizinisch begründbaren Schmerzen (F 41.2 ICD-10), sei ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten. Eine Neigung zu dissoziativen (Konversions-)Störungsanteilen (bei ansonsten angst- und schmerzbedingter Neigung zu Bewegungsbeeinträchtigung im Rahmen der bereits genannten Störungen) der Bewegung gemäß F 44.4 ICD-10 sei mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Diese Neigung zu dissoziativer (Konversions-)Störung der Bewegung des Klägers sei seit Dezember 2006 manifest. Dr. G schätzte den Gesamt-GdB seit Dezember 2006 mit 80, vorher mit 70 ein. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ lägen seit Dezember 2006 vor, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen „B“ und „1. Kl.“ lägen nicht vor.

Dem Gutachten des Sachverständigen Dr. G folgend erkannte der Beklagte im schwerbehindertenrechtlichen Klageverfahren mit Bescheid vom 3. Dezember 2007 ab Dezember 2006 jeweils einen GdB von 80 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ an. Er berücksichtigte folgende Einzel-GdB:

- Schädigungsfolgen nach dem StrRehaG und dem OEG (40),
- ängstlich-depressives Syndrom mit psychosomatischen Funktionsstörungen (40),
- Neigung zu dissoziativer (Konversions-)Störung der Bewegung (20),
- beginnender Wirbelsäulen- und Gelenkverschleiß (10) und
- Zwerchfellhernie mit Speiseröhrenreizung (10).

Das dem hiesigen Berufungsverfahren zugrunde liegende versorgungsrechtliche Verfahren ist wie folgt verlaufen:

Das Sozialgericht hat Befundberichte bei dem behandelnden Psychotherapeuten G vom 29. Mai 2007 und bei der Allgemeinmedizinerin S vom 6. Juni 2007 eingeholt. Der Kläger hat den in dem parallel laufenden schwerbehindertenrechtlichen Klageverfahren von dem Sozialgericht eingeholten Befundbericht des Psychotherapeuten S vom 18. Mai 2007 zu den Akten des hiesigen Klageverfahrens gereicht. Der Beklagte hat hierzu psychiatrisch-neurologische Stellungnahmen des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. vom 22. und 27. Juni 2007 zu den Akten gereicht. Hierzu hat der Kläger eine Stellungnahme des Psychotherapeuten G vom 10. August 2007 und des Weiteren ein ärztliches Attest des Facharztes für Orthopädie Dr. R vom 29. August 2007 zu den Gerichtsakten gereicht. Nach Eingang einer weiteren psychiatrisch-neurologischen Stellungnahme von Dr. vom 18. September 2007 und Überreichung einer psychologischen Stellungnahme von Herrn S vom 12. November 2007 sowie einer Bescheinigung des Orthopäden Dr. R vom 19. Dezember 2007 durch den Kläger hat das Sozialgericht ein Sachverständigengutachten bei der Diplom-Psychologin Dr. phil. D vom 3. November 2008 eingeholt, das diese nach ambulanten Untersuchungen des Klägers am 18. und 20. August 2008 erstellt hat und in dem sie zu folgender Einschätzung gelangt ist:

Der Kläger leide unter intrusiven Erinnerungen insbesondere von der erlebten sexuellen Gewalt während der Haftzeit, der Haftzeit insgesamt und dem Fahrgastunfall, die im Wachzustand unter anderem durch männlichen Schweißgeruch, sächsischen Dialekt, Ähnlichkeiten in Mimik, Gestik und Physiognomie mit den damaligen Wärtern oder Mithäftlingen, durch die Farbe des Kleidungsstückes des Opfers des Fahrgastunfalls oder den Unfallbahnhof ausgelöst würden. Aktuelle intrusive Erinnerungen an die beiden Überfälle würden vom Kläger nicht explizit erwähnt. Er berichte von Vermeidungsverhalten, das sich auf alle vier erlebten traumatischen Ereignisse beziehe. Eine andauernde Übererregung führe bei ihm zu Schlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, erhöhter Vigilanz und vermehrter Schreckhaftigkeit. Er leide unter Schmerzen im Körper und Lähmungserscheinungen in den Beinen ohne organischen Befund, Einschränkungen im sexuellen Erleben, Dissoziationen, die er als „Black-Outs“ bezeichne, übermäßiger emotionaler Belastung durch den gesellschaftlichen Umgang mit dem DDR-Unrecht, mangelnder Distanzierungsfähigkeit bei diesen Themen, unkontrollierten Ärgerreaktionen, Isolationsgefühlen und Misstrauen gegenüber anderen Menschen. Darüber hinaus leide er unter Angstzuständen in größeren Menschenmengen (öffentliche Verkehrsmittel, Kinos oder volle Kaufhäuser). Diese Angstreaktionen und das daraus resultierende Meidungsverhalten stünden in deutlichem Zusammenhang mit Hinweisreizen (insbesondere Schweißgeruch von Männern), die in diesen Situationen intrusive Erinnerungen (vor allem von der sexuellen Gewalterfahrung) auslösten. Des Weiteren gehörten Hilflosigkeitsgefühle gegenüber dem erlebten Unrecht, ein Verunreinigungsgefühl aufgrund der sexuellen Gewalt, Freudlosigkeit, gedrückte Stimmung, Interessenverlust, ein vermindertes Selbstwertgefühl, Gefühle von Wertlosigkeit, pessimistische Zukunftsperspektiven und Gedanken an Suizidhandlungen zu den Beschwerden des Klägers. Das Leiden sei ursächlich auf die vier erlebten traumatischen Erfahrungen zurückzuführen. Das psychische Leiden sei nach dem Klassifikationssystem ICD-10 als andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung (F62.0) zu diagnostizieren. Der Kläger leide unter einer schweren Störung mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Es liege eine Erwerbsunfähigkeit vor. Die Ehe sei erheblich störanfällig und funktioniere lediglich durch die große Anpassung der Ehefrau an den Kläger. Es lägen zudem starke Beeinträchtigungen im sexuellen Erleben vor. Durch den sozialen Rückzug und das beeinträchtigte Beziehungserleben verfüge der Kläger über keinen Freundes- oder Bekanntenkreis. Es werde lediglich von einem langjährigen Freund berichtet. Kontakte zu den Eltern und der Schwester könnten aufrecht erhalten werden. Der Kläger habe vier traumatisierende Erlebnisse gehabt, deren psychische Folgen in komplexer Wechselwirkung zueinander stünden. Eine Abgrenzung zwischen den einzelnen Schädigungsfolgen sei wegen der hohen Wechselwirkung und Abhängigkeit der psychischen Auswirkungen der Belastungsereignisse nicht möglich. Vielmehr wirkten sie alle zusammen tief in das Persönlichkeitsgefüge des Klägers ein und führten zu einer andauernden Persönlichkeitsänderung. Der Inhaftierung und der in der Haft erlebten sexuellen Gewalt komme eine besondere Bedeutung zu. Eine Differenzierung des medizinischen Sachverhaltes analog der rechtlichen Unterscheidung könne somit nicht vorgenommen werden. Die beim Kläger diagnostizierte andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung mit den beschriebenen Anpassungsstörungen sei mit dem Grad einer MdE von 80 v. H. zu bewerten. Erste krankheitswertige Beschwerden hätten sich bereits während der Haft entwickelt und seien danach durchgehend vorhanden gewesen. Durch die nachfolgenden Belastungserfahrungen habe sich die Symptomatik verschlechtert. Das Leiden in seinem jetzigen Ausmaß bestehe seit 1. Januar 2005. Es sei zu einer Verschlimmerung durch die Belastungen infolge der Konfrontation mit einem ehemaligen Mitarbeiter der Staatssicherheit am Arbeitsplatz gekommen. Diese hätten zu einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers geführt. Gleichzeitig seien mit der Arbeitsunfähigkeit und dem Erwachsenwerden des Sohnes zwei wichtige Kompensationsfaktoren weggefallen.

Der Beklagte hat zu dem Gutachten von Dr. D eine psychiatrische Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie H vom 16. Dezember 2008 zu den Gerichtsakten gereicht. Diese hat im Wesentlichen kritisiert, dass das Gutachten eine differenzierte Aufschlüsselung der zu beurteilenden schädigungsbedingten gesundheitlichen Störungen im Bereich des sozialen Entschädigungsrechts und der Störungen, die kausal nicht auf die ersten beiden Traumata zurückzuführen seien, vermissen lasse, obwohl genau dies die Aufgabe des Kausalitätsgutachtens sei. Auch nach Dr. D habe der Fahrgastunfall zu eigenständigen belastenden Erinnerungsbildern geführt. Daher sei dieser als Nachschaden zu bewerten. Ein Nachschaden sei eine Gesundheitsstörung, die zeitlich nach der Schädigung eingetreten sei und nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Schädigung stehe. Dem Gutachten von Dr. D könne in Bewertung der Schädigungsfolgen nach dem sozialen Entschädigungsrecht nicht gefolgt werden, da sie eine differenzierte Kausalitätszuordnung vermissen lasse und den Störungskomplex kausal der Traumatisierung durch die DDR-Haft und der Retraumatisierung durch den tätlichen Überfall auf der Straße zuordne. Die Folgen des Fahrgastunfalls und des Überfalls in K berücksichtige sie nicht mehr, sondern führe auch die psychische Destabilisierung nach diesen Ereignissen pauschal auf die ersten beiden Traumatisierungen zurück. Es sei jedoch davon auszugehen, dass es dem Kläger ohne diese beiden letzten Traumatisierungen, die im sozialen Entschädigungsrecht nicht zu bewerten seien, wesentlich besser ginge. 1998 habe sich der Kläger offensichtlich stabilisiert und der Fahrgastunfall habe zu einer Destabilisierung geführt und zur Konsequenz gehabt, dass er seine bisherige Tätigkeit nicht mehr habe ausführen können.

Zu der Stellungnahme von Frau H hat das Sozialgericht eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen Dr. D vom 29. Januar 2009 eingeholt. In dieser hat die Sachverständige im Wesentlichen ausgeführt, die diagnostizierte andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung sei vorrangig auf die Hafterfahrungen und die damit verbundene sexuelle Gewalt zurückzuführen. Aus den nachfolgenden traumatischen Erfahrungen ergäben sich zwar auch eigenständige Symptome im Sinne eines Nachschadens, aber gleichzeitig stellten sie eine Retraumatisierung dar und hätten den Gesundheitsschaden verfestigt, der auf die Haft zurückzuführen sei. Bereits nach dem zweiten traumatischen Ereignis (Überfall auf der Straße) habe die Versorgungsärztin Dr. D in ihrem Gutachten wegen der medizinisch nicht differenzierbaren Kausalität für eine Zugunstenregelung plädiert. Dieser Empfehlung habe sich die Sachverständige angeschlossen.

Der Beklagte hat eine weitere psychiatrische Stellungnahme von Frau H vom 9. März 2009 zu den Gerichtsakten gereicht. Der Kläger hat über seine damalige Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 14. August 2009 eingehend Stellung genommen und diesem Schriftsatz zwei psychologische Stellungnahmen des Psychologen S vom 6. Juni 2009 und vom 13. August 2009 beigefügt. Nach Eingang einer weiteren psychiatrischen Stellungnahme von Frau H vom 23. September 2009 hat das Sozialgericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme auf den 20. April 2010 bestimmt.

In der Zwischenzeit wies das Sozialgericht in dem schwerbehindertenrechtlichen Klageverfahren nach Kenntnisnahme von dem Gutachten von Dr. D vom 3. November 2008 die auf Feststellungen eines GdB von 100 sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen „B“ und „1. Kl.“ gerichtete Klage durch Urteil vom 8. April 2009 ab, wobei es zur Begründung im Wesentlichen dem Gutachten des Sachverständigen Dr. G folgte. In dem gegen dieses Urteil gerichteten Berufungsverfahren L 11 SB 195/09 hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. G vom 6. April 2010 eingeholt. In dieser hat sich Dr. G auch zu dem Gutachten von Dr. D geäußert. Er stimme darin mit ihr überein, dass beim Kläger psychischerseits eine schwere Störung mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem Behinderungsgrad von 80 vorliege. Auch er stelle – ähnlich wie Dr. D – Phänomene einer anhaltenden Persönlichkeitsänderung beim Kläger fest. Er vermöge aber nicht zu bestätigen, dass diese vorrangig auf die Hafterfahrungen und die damit verbundene sexuelle Gewalt zurückzuführen seien. Mit den entsprechenden Feststellungen durch Frau H stimme er überein. Der Senat hat im Übrigen im Berufungsverfahren L 11 SB 195/09 im Wesentlichen die Akten der Deutschen Rentenversicherung Bund beigezogen und insbesondere das für diese erstellte Gutachten von Dr. S zu den Gerichtsakten genommen. Der Beklagte hat im schwerbehindertenrechtlichen Verfahren eine psychiatrisch-gutachtliche Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie W vom 24. März 2011 und eine nervenfachärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W vom 6. Juli 2011 zu den Gerichtsakten gereicht. Der Kläger hat einen ärztlichen Bericht der P--Klinik vom 6. Mai 2014 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme übermittelt. Nach einem Hinweis des Berichterstatters in dem versorgungsrechtlichen Berufungsverfahren in dem Erörterungstermin vom 29. September 2014, wonach im schwerbehindertenrechtlichen Berufungsverfahren eine erneute Begutachtung des Klägers beabsichtigt sei, hat der Kläger seine Berufung in dem Verfahren L 11 SB 195/09 mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2014 zurückgenommen, da er sich außerstande sehe, eine erneute Begutachtung durchzustehen.

Im versorgungsrechtlichen Klageverfahren hat das Sozialgericht im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20. April 2010 sowohl die Sachverständige Dr. D als auch die Versorgungsärztin Dr. W als sachverständige Zeuginnen vernommen. Im selben Termin hat das Sozialgericht den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2007 dazu verurteilt, den Versorgungsanspruch des Klägers unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 19. Juni 2001 ab August 2005 nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 80 neu festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und den Beklagten dazu verurteilt, dem Kläger 2/3 von dessen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Wesentlichen hat das Sozialgericht zur Begründung Bezug auf das Gutachten von Dr. D genommen. Zwar sei nach den Ausführungen der Sachverständigen das Leiden des Klägers auf alle vier traumatischen Erfahrungen zurückzuführen, die in komplexer Wechselwirkung zueinander stünden. Aus den vom Kläger geschilderten Beschwerden gehe allerdings hervor, dass diese ganz überwiegend durch die Erlebnisse während der politischen Haft bedingt seien. So berichte der Kläger hinsichtlich der Überfälle von 1993 und 2002 nicht mehr über intrusive Erinnerungen. Das Vermeidungsverhalten und die Ängste des Klägers bezögen sich ebenfalls hauptsächlich auf die Hafterfahrungen, da intrusive Erinnerungen im Wesentlichen durch aus der Haftzeit herrührende Hinweisreize (männlicher Schweißgeruch, sächsischer Dialekt, bestimmte Gestiken oder Physiognomien) hervorgerufen würden. Auch die depressiven Symptome seien vor allem mit den ständig wiedererlebten Hilf- und Rechtlosigkeitsgefühlen, die ihre Hauptursache in den Erfahrungen des Klägers als Opfer politischer und krimineller Gewalt während der DDR-Haft hätten, zu erklären. Demgegenüber fielen die durch die nachfolgenden traumatisierenden Erlebnisse bedingten, neu entstandenen psychischen Belastungen nicht so wesentlich ins Gewicht, dass von einem eigenständigen Nachschaden gesprochen werden könne. Insbesondere sei der Beklagte eine plausible Erklärung schuldig geblieben, weshalb er weiterhin von einem nicht wesentlich durch die Haftzeit verursachten psychosomatischen und depressiven Leiden ausgehe, obwohl die hierfür im 1999 erstellten Versorgungsgutachten genannten Ursachen nicht mehr vorlägen. Mittlerweile führe der Beklagte hauptsächlich den 1998 erlebten Fahrgastsuizid als mögliche Ursache der depressiven Symptomatik an. In diesem Zusammenhang falle jedoch auf, dass im Gutachten von 1999 eine psychische Beeinträchtigung durch den Fahrgastsuizid nicht festgestellt worden sei. Auch in den nachfolgenden Versorgungsgutachten habe nicht schlüssig herausgearbeitet werden können, aus welchen Gründen der Fahrgastsuizid eine wesentliche (Mit-)Ursache für den Leidenszustand des Klägers darstellen soll. Die Schädigungsfolge sei als eine schwere psychische Störung mit ausgeprägtem sozialen Meidungsverhalten, gravierenden Somatisierungen und schweren depressiven Symptomen, die bereits zur Berentung wegen voller Erwerbsminderung und damit zu schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten geführt habe, mit einem GdS von 80 zu bewerten. Einen höheren GdS halte das Gericht nicht für angemessen, da zumindest das Familienleben des Klägers noch ausreichend intakt sei.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 27. Mai 2010 zugestellte Urteil am 23. Juni 2010 Berufung eingelegt. Er rügt im Wesentlichen das Gutachten der Sachverständigen Dr. D, die das derzeitige psychische Befinden pauschal, monokausal auf die Haft zurückführe. Bei einem GdS von 80 sei eine Berufstätigkeit undenkbar. Nach der Haft sowie nach der OEG-entschädigungspflichtigen Gewalttat von 1993 habe der Kläger aber weiterhin erfolgreich berufliche Tätigkeiten ausüben können. Die Feststellung der Erhöhung des GdS von 50 auf 80 basierend auf einer wesentlichen Verschlimmerung der psychischen Symptomatik durch die späteren Gewalterfahrungen im Sinne einer Retraumatisierung sei aus versorgungsärztlicher Sicht nicht nachvollziehbar.

Der Beklagte hat eine ausführliche nervenfachärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W vom 10. August 2010 zu den Gerichtsakten gereicht. In dieser hat Dr. W ausgeführt, die Gesamtheit der Symptomatik des Klägers könne nicht pauschal auf das erste erlittene Trauma zurückgeführt werden, dies insbesondere, da vom Kläger und auch von seinem behandelnden Psychotherapeuten wiederholt der Fahrgastunfall 1998 als schweres Trauma bezeichnet worden sei. Das derzeitige psychische Befinden des Klägers könne nicht monokausal auf die 28 Jahre zurückliegende Haft zurückgeführt werden. Zu diskutieren sei vielmehr ein Nachschaden. Zu berücksichtigen sei, dass ausgehend von dem vom Kläger geforderten GdS von 100 schwerste soziale Anpassungsschwierigkeiten analog einer Schizophrenie zu fordern wären. Es sei ihm jedoch möglich gewesen, sowohl nach der politischen Haft als auch nach dem Überfall von 1993 berufstätig zu sein. Eine Dekompensation mit Berentung durch die gesetzliche Rentenversicherung sei erst nach dem Fahrgastunfall sowie nach dem Überfall in Kerfolgt. Auch danach seien dem Kläger trotzdem Reisen, die Versorgung des Sohnes, die Einhaltung einer kontinuierlichen Therapie sowie das Eingehen einer zweiten Ehe möglich gewesen. Dr. D habe erklärt, dass es keinen Hinweis auf ein Trauma in K im Hinblick auf entsprechende intrusive Bilder gebe. Demgegenüber habe nach Aktenlage ein erhebliches Trauma vorgelegen, wobei in diesem Zusammenhang auf die vom Kläger vorgelegte eigene zusammengestellte Akte hinzuweisen sei. Entsprechend traumatisierend sei auch der Fahrgastunfall von 1998 zu bewerten. Der Psychotherapeut habe am 7. Oktober 1998 geschrieben, dass die posttraumatische Belastungsstörung bis auf gewisse Gedächtnisstörungen weitgehend abgeklungen sei. Weiter habe der Psychotherapeut erklärt, der Kläger müsse oft unwillkürlich an den miterlebten Unfall vom 21. August 1998 denken, leide unter Angst bis hin zur Panik mit überwältigenden Gefühlen von Hilflosigkeit und sei und sei oft deprimierter Stimmung. Der behandelnde Psychotherapeut habe ausdrücklich erklärt, dass der Fahrgastsuizid ein Trauma sei, dass geeignet sei, eine posttraumatische Belastungsstörung hervorzurufen. In einem Schreiben vom 22. Oktober 2010 habe der behandelnde Psychotherapeut erklärt, der Kläger habe nach dem Überfall in K akut mit einer extrem schweren posttraumatischen Symptomatik reagiert. Bezogen auf intrusive Erinnerungen hat Dr. W angemerkt, der Kläger habe gegenüber Dr. D erklärt, manchmal in die Sauna zu gehen. Dies sei insoweit kritisch zu würdigen, als sich der Kläger durch unverfänglichere Situationen an die Misshandlungen und Vergewaltigungen während der Haft erinnert fühle. Es bestünden nunmehr auch ernsthafte Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Erklärungen des Klägers zu seinen psychischen Symptomen. Insoweit hat Dr. W auf die aus ihrer Sicht bestehende Diskrepanz zwischen den schriftlichen Angaben des Klägers und den fehlenden Angaben bei den Begutachtungen hingewiesen. Der Zustand des Klägers habe sich bis zum Überfall in K 2002 stabilisiert, was sich aus Stellungnahmen des behandelnden Psychotherapeuten, aber etwa auch aus dem Bericht über die vom 5. Dezember 2000 bis 30. Januar 2001 in der E-Klinik in Bad D durchgeführte Badekur ergebe. Erst nach dem Überfall sei der Kläger dauernd arbeitsunfähig erkrankt. Dr. W hat schließlich dringend angeraten, eine psychologische Zusatzuntersuchung bei Dr. M im Hinblick auf Antwortverzerrungen und Aggravation und Simulation durchführen zu lassen.

Einen Antrag des Beklagten auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil des Sozialgerichts hat der Senat mit Beschluss vom 12. November 2010 abgelehnt.

Am 18. März 2011 hat der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Anschlussberufung eingelegt mit dem Begehren, die Versorgungsrente des Klägers ab dem 1. August 2005 nach einem Grad der MdE/GdS von 100, hilfsweise 90, neu festzustellen. Er meint insbesondere, dass bei ihm eine besondere berufliche Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 BVG zu berücksichtigen sei, was das Sozialgericht offenbar übersehen habe. Er hält das Gutachten von Dr. D für überzeugend. Der Kläger hat eine Erklärung seiner Frau vom 21. März 2011 sowie eine Stellungnahme seines behandelnden Psychotherapeuten S vom 18. November 2010 zu den Gerichtsakten gereicht.

Der Beklagte hat weitere nervenfachärztliche Stellungnahmen von Dr. W vom 26. April 2011 und vom 3. Januar 2012 sowie eine psychiatrisch-gutachtliche Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie W vom 19. Juni 2012 zu den Gerichtsakten gereicht.

Der Senat hat eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme von Dr. D vom 29. April 2013 eingeholt. In dieser hat Dr. D erklärt, es sei unzutreffend, dass sie in ihrem Gutachten den Störungskomplex des Klägers kausal der Traumatisierung durch die DDR-Haft und der Retraumatisierung durch den tätlichen Überfall auf der Straße zugeordnet habe. Ebenso sei unzutreffend, dass sie die Folgen des Fahrgastunfalls und des Überfalls in K nicht berücksichtigt und die psychische Destabilisierung pauschal auf die beiden ersten Traumatisierungen zurückgeführt habe. Eine Differenzierung zwischen gleichen Auswirkungen des schädigenden Ereignisses und eines möglichen Nachschadens sei indes nicht möglich. Es bestehe Übereinstimmung mit dem Beklagten in der Klassifikation des bestehenden Gesundheitsschadens als „Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung“. Nach der Klassifikation psychischer Störungen der WHO entwickele sich diese Störung nach „Erlebnissen in einem Konzentrationslager, Folter, Katastrophen [und] andauernden lebensbedrohlichen Situationen“. Eine Kausalität zwischen dieser Gesundheitsstörung und monotraumatischen Erfahrungen wie dem Fahrgastunfall und den beiden gewaltvollen Überfällen sei deshalb bereits aufgrund der Definition des vorliegenden Störungsbildes unwahrscheinlich. Eine erneute Haftexploration sei nicht erforderlich. Beim Kläger bestehe eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, die auf die Mehrfachtraumatisierungen (alle vier traumatischen Ereignisse) und deren mannigfache Wechselwirkungen zurückzuführen sei. Dabei komme der politischen Inhaftierung mit den erlebten sexuellen Traumatisierungen nicht nur eine annährend gleiche, sondern eine überragende Bedeutung zu. Dies schlage sich, wie bereits erläutert, in der diagnostischen Einordnung des Gesundheitsschadens nieder.

Zu der ergänzenden Stellungnahme von Dr. D hat der Beklagte abermals eine Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie W vom 5. Juli 2013 zu den Gerichtsakten gereicht.

Mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2013 hat der Kläger zahlreiche, vor allem medizinische Unterlagen zu den Gerichtsakten gereicht. Insbesondere hat er einen undatierten Bericht zum Antrag auf Kostenübernahme für Psychotherapie des Diplom-Psychologen S, einen Konsiliarbericht des Psychotherapeuten G vom 18. Januar 2013 sowie jeweils von Herrn S einen Antragsbericht: 1. Fortführung der Psychotherapie vom 23. April 2013 und einen Antragsbericht: Psychotherapie vom 26. Juni 2013 zu den Gerichtsakten gereicht, zu dem der Beklagte eine fachpsychiatrische Stellungnahme der Psychotherapeutin W vom 4. November 2013 übermittelt hat.

Der Kläger hat schließlich – wie auch im schwerbehindertenrechtlichen Berufungsverfahren - einen ärztlichen Bericht der P-Klinik vom 6. Mai 2014 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme übermittelt.

In einem Erörterungstermin am 29. September 2014 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt, dass dieser nicht mehr bereit sei, sich einer erneuten Begutachtung zu unterziehen, da er durch jede Begutachtung retraumatisiert werde. Namentlich lehne er die von dem Beklagten angeratene testpsychologische Begutachtung ab.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. April 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen und

die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und

im Wege der Anschlussberufung, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. April 2010 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 26. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2007 dazu zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. August 2005 eine Versorgungsrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit/Grad der Schädigungsfolgen von 100 (v. H.), hilfsweise von 90 (v. H.), zu gewähren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, die Gerichtsakte des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg L 11 SB 195/09, die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten (5 Bände nach dem StrRehaG, 1 Band nach dem OEG, 1 HuK-Akte, 1 vom Kläger selbst zusammengestellte Mappe, 1 Schwerbehindertenakte) und die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Deutschen Rentenversicherung Bund (3 Bände) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig und teilweise begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend, soweit es dem Kläger der Sache nach eine Versorgungsrente ab dem 1. August 2005 nach einem „medizinischen“ Grad der MdE/GdS von 80 (v. H.) zugesprochen hat. Es ist aber unzutreffend, soweit das Sozialgericht bei dem Kläger keine besondere berufliche Betroffenheit berücksichtigt hat. Dem Kläger steht eine Rente nach einem Grad der MdE/GdS von 90 (v. H.) zu, wobei sich der Rentenanspruch rechtlich in Bezug auf einen Grad der MdE/GdS von 80 (v. H.) auf § 30 Abs. 1 BVG und in Bezug auf einen Grad der MdE/GdS von 10 (v. H.) auf § 30 Abs. 2 BVG stützt.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 20. April 2010 kann nur als Anschlussberufung im Sinne des § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 524 der Zivilprozessordnung (ZPO) zulässig sein. Eine eigenständige Berufung wäre wegen Versäumung der Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG unzulässig. Das Urteil des Sozialgerichts ist dem Kläger am 28. Mai 2010 zugestellt worden; die Monatsfrist des § 151 Abs. 1 SGG ist durch die Einlegung der Anschlussberufung am 18. März 2011 ersichtlich nicht gewahrt worden.

Die Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG gilt nicht für die Anschlussberufung, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch in der Sozialgerichtsbarkeit statthaft ist (vgl. nur BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 6 KA 6/09 R - juris). Zulässigkeitsbedenken bestehen auch im Übrigen nicht. So ist im sozialgerichtlichen Verfahren die Anschlussberufung nur zulässig, soweit sie sich auf denselben Streitgegenstand wie die Hauptberufung bezieht. Das ist hier aber der Fall. Denn die Hauptberufung wie auch die Anschlussberufung betreffen die identische Frage, nach welchem Grad der MdE/GdS dem Kläger eine Versorgungsrente ab dem 1. August 2005 zusteht – vertreten wird insoweit 50 (v. H.) (so der Beklagte), 80 (v. H.) (so das Sozialgericht) oder 100 (v. H.) (so der Kläger).

Die der unselbständigen Anschlussberufung des Klägers zugrunde liegende Klage ist zulässig. Die gilt zum einen, soweit es um die Höherbewertung des Grades der MdE/des GdS nach § 30 Abs. 1 BVG geht. Insoweit hat der Beklagte mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 26. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2007 ohne weiteres eine Verwaltungs- und Widerspruchsentscheidung getroffen. Dass er sich inhaltlich nur mit einem (höheren) Anspruch nach Maßgabe des StrRehaG auseinandergesetzt hat, ist hier unmaßgeblich. Denn auch wenn dem Kläger insbesondere mit Bescheid vom 19. Juni 2001 Leistungen sowohl nach Maßgabe des StrRehaG als auch nach dem OEG zuerkannt worden sind, so vermag der Kläger doch eine wesentliche Verschlechterung seines psychischen Gesundheitszustandes allein auf die Auswirkungen der in der DDR erlittenen Haft und also allein auf das StrRehaG zurückzuführen. Über Ansprüche nach dem StrRehaG hat der Beklagte mit dem hier angefochtenen Bescheid in jedem Fall entschieden.

Aber auch, soweit der Kläger seine Anschlussberufung in erster Linie darauf stützt, dass das Sozialgericht zu Unrecht von einer Erhöhung des Grades der MdE/des GdS nach § 30 Abs. 2 BVG wegen besonderer beruflicher Betroffenheit abgesehen habe, bestehen keine Zweifel an der Zulässigkeit der Klage. Denn zwar hat der Beklagte mit dem hier angefochtenen Bescheid erkennbar nur einen (höheren) Anspruch nach Maßgabe des § 30 Abs. 1 BVG geprüft, was sich insbesondere aus dem hier streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2007 ergibt. Indes ist der Anspruch auf Berücksichtigung des besonderen beruflichen Betroffenseins nicht als selbständiger Anspruch ausgestaltet worden. Vielmehr behandelt das Gesetz das berufliche Betroffensein lediglich als einen Umstand, der wie Bemessungsfaktoren für den Grad der MdE/des GdS in Betracht kommen soll (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 1979 - 9 RV 56/78 – juris). Danach sind § 30 Abs. 1 und 2 BVG rechtlich nicht voneinander zu trennen, so dass die insoweit unzureichende Begründung in dem angefochtenen Bescheid einer sachlichen Prüfung auch des § 30 Abs. 2 BVG nicht entgegen steht (vgl. hierzu im Übrigen auch das Urteil des Senats vom 5. Dezember 2013 - L 11 VE 57/09 – juris).

Die demnach zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 26. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Ihm steht ab dem 1. August 2005 eine Versorgungsrente nach einem Grad der MdE/GdS von 90 (v. H.) zu.

Dabei ist zu beachten, dass dem Kläger mit Bescheid vom 19. Juni 2001 ab dem 1. September 1997 eine Versorgung sowohl nach dem StrRehaG als auch nach dem OEG zuerkannt worden ist. Einschließlich einer mit dem Grad einer MdE/GdS von 10 (v. H.) bewerteten besonderen beruflichen Betroffenheit gewährte der Beklagte dem Kläger eine Versorgungsrente nach dem Grad einer MdE/GdS von 50 (v. H.) ab dem 1. August 2000. Der Gesundheitszustand des Klägers hat sich schädigungsbedingt in einem Maße verschlechtert, dass ihm eine Rente nach einem Grad der MdE/GdS von 90 (v. H.) statt 50 (v. H.) nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 BVG ab dem Antragsmonat August 2005 zusteht.

Ausgangspunkt für die Prüfung, ob eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen vorliegt, ist hier – wie eingangs bereits erläutert – allein das StrRehaG. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG erhält ein Betroffener, der infolge einer Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG. Nach § 21 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Die Wahrscheinlichkeit ist dann gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht, wobei lediglich die Möglichkeit eines Zusammenhangs oder ein zeitlicher Zusammenhang nicht genügen. Nach der im Versorgungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung ist ferner zu beachten, dass nicht jeder Umstand, der irgendwie zum Erfolg beigetragen hat, rechtlich beachtlich ist, sondern beachtlich im vorgenannten Sinne sind nur die Bedingungen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg diesen wesentlich herbeigeführt haben.

Der Kläger hat unstreitig eine Freiheitsentziehung vom 23. September 1981 bis zum 24. Juni 1982 im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG erlitten. Im Grundsatz unstreitig ist auch, dass er infolge der Freiheitsentziehungen eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Streitig ist das Ausmaß der Schädigungsfolgen.

Gemäß § 30 Abs. 1 BVG in der bis zum 21. Dezember 2007 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 (BGBl. I Seite 21) war die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren (Satz 1). Für die Beurteilung war maßgebend, um wie viel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt waren (Satz 2). Nach der Neufassung des § 30 Abs. 1 BVG ist der Grad der Schädigungsfolgen nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen, seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen (Satz 1). Der Grad der MdE/der GdS ist nach Zehnergraden – in Bezug auf den Grad der MdE als v. H. - von 10 bis 100 zu bemessen.

Bei der Beurteilung des Grades der MdE/GdS sind vorliegend für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ in ihrer jeweils geltenden Fassung (hier maßgeblich die Ausgaben 2005 und 2008 – AHP) zu beachten, die für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 - auf der Grundlage des § 30 Abs. 17 BVG hinsichtlich der ärztlichen Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht - durch die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV) in ihrer jeweils geltenden Fassung abgelöst worden sind. Die auf den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft fußenden AHP haben normähnlichen Charakter und sind nach ständiger Rechtsprechung wie untergesetzliche Normen heranzuziehen, um eine möglichst gleichmäßige Handhabung der in ihnen niedergelegten Maßstäbe im gesamten Bundesgebiet zu gewährleisten (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2003 - B 9 VG 1/02 R -; für das Schwerbehindertenrecht bestätigt durch Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 SB 4/10 R -; für das gesamte soziale Entschädigungsrecht Beschluss vom 24. April 2008 - B 9 VJ 7/07 B -; alle bei juris), weshalb sich der Senat für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 auf die genannten AHP stützt. Für die Zeit ab 1. Januar 2009 ist für die Verwaltung und die Gerichte die Anlage zu § 2 VersMedV maßgeblich.

Wie sich aus § 30 Abs. 1 BVG ergibt, sind bei der Beurteilung des Grades der MdE/GdS die von dem Versorgungsträger als Schädigungsfolgen bestandskräftig anerkannten Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen; an diese rechtlich selbständigen Feststellungen (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 – B 9 VS 2/98 R – juris) ist der Beklagte ebenso gebunden wie der Senat; auf deren Rechtmäßigkeit kommt es insoweit nicht an (vgl. dazu u. a. BSG, Urteil vom 29. August 1990 – 9a/9 RV 32/88 – und Urteil vom 15. Dezember 1999 – B 9 V 26/98 R –; jeweils juris). Hier ist durch den Beklagten bestandskräftig als Schädigungsfolge festgestellt eine chronische posttraumatische Belastungsstörung mit Angstzuständen, erhöhtem Erregungsniveau, Schlafstörungen, Alpträumen, Wiedererinnerungen und psychosomatisch begründeten Körperbeschwerden im Sinne der Entstehung nach Haft und Verschlimmerung durch Überfall 1993.

Die Schädigungsfolgen sind ungeachtet ihrer genauen Bezeichnung bei dem Kläger nach § 30 Abs. 1 BVG seit dem 1. August 2005 mit einem Grad der MdE/GdS von 80 (v. H.) zu bewerten. Dabei steht hier allein die Bewertung psychischer Gesundheitsstörungen in Rede.

Für die Bewertung der psychischen Leiden ist auf Teil B Nr. 3.7 der Anlage zu § 2 VersMedV und Teil A Nr. 26.3 AHP, Seite 48, zurückzugreifen. Danach sind

-leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit dem Grad einer MdE von 0 bis 20 v. H. (einem GdS von 0 bis 20),
-stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit dem Grad einer MdE von 30 bis 40 v. H. (einem GdS von 30 bis 40),
-schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit dem Grad einer MdE von 50 bis 70 v. H. (einem GdS von 50 bis 70) und
-schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit dem Grad einer MdE von 80 bis 100 v. H. (einem GdS von 80 bis 100)

zu bewerten.

Zur Auslegung der Begriffe „mittelgradige“ und „schwere“ soziale Anpassungsschwierigkeiten können die vom ärztlichen Sachverständigenbeirat beim BMA am Beispiel des „schizophrenen Residualzustandes“ entwickelten Abgrenzungskriterien herangezogen werden (so BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R – juris unter Bezugnahme auf die Beschlüsse des ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 18./19. März 1998 und vom 8./9. November 2000). Danach werden

-leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten angenommen, wenn z. B. Berufstätigkeit trotz Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch ohne wesentliche Beeinträchtigung möglich ist (wesentliche Beeinträchtigung nur in besonderen Berufen, z. B. Lehrer, Manager) und keine wesentliche Beeinträchtigung der familiären Situation oder bei Freundschaften, d. h. keine krankheitsbedingten wesentlichen Eheprobleme bestehen,
-mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten angenommen bei einer in den meisten Berufen sich auswirkenden psychischen Veränderung, die zwar eine weitere Tätigkeit grundsätzlich noch erlaubt, jedoch eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingt, die auch eine berufliche Gefährdung einschließt; als weiteres Kriterium werden erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung genannt, aber noch keine Isolierung, noch kein sozialer Rückzug in einem Umfang, der z. B. eine vorher intakte Ehe stark gefährden könnte,
-schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten angenommen, wenn die weitere berufliche Tätigkeit sehr stark gefährdet oder ausgeschlossen ist; als weiteres Kriterium werden schwerwiegende Probleme in der Familie oder im Freundes- oder Bekanntenkreis bis zur Trennung von der Familie, vom Partner oder Bekanntenkreis benannt.

Im Fall des Klägers liegen schädigungsbedingt schwere Störungen mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten vor, die in dem dafür vorgegebenen Rahmen mit dem Grad einer MdE/GdS von 80 (v. H.) angemessen bewertet sind.

Dass die psychischen Störungen bei dem Kläger als schwer mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten zu bewerten sind, ist zwischen den Beteiligten im Grunde nicht streitig. Denn auch der Beklagte geht – wenn auch erst seit Dezember 2006 - von psychischen Beschwerden aus, die mit einem Gesamt-GdB von 80 zu bewerten sind. Anders als die Sachverständige Dr. D, die schädigungsbedingt von einem Grad der MdE/GdS von 80 (v. H.) ausgeht, nimmt der Beklagte aber nur einen Grad der MdE/GdS von 40 (v. H.) an, der zusammen mit einem aus seiner Sicht schädigungsunabhängigen ängstlich-depressiven Syndrom mit psychosomatischen Funktionsstörungen (Einzel-GdB: 40) und einer ebenfalls schädigungsunabhängigen Neigung zu dissoziativer (Konversions-)Störung der Bewegung (Einzel-GdB: 20) mit einem Gesamt-GdB von 80 zu bewerten sei. Der Senat folgt indes – wie auch das Sozialgericht - der Bewertung der Sachverständigen Dr. D.

In der Gesamtschau der zahlreichen vorliegenden medizinischen Unterlagen und Gutachten ergibt sich, dass es sich bei dem Kläger um einen schwer gestörten Mann handelt. Dies wird etwa belegt durch die drei vorliegenden Rentengutachten, die dem Kläger jeweils ein aufgehobenes Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei einer möglichen Arbeitszeit von unter drei Stunden täglich bescheinigen. Schon der Gutachter B war in seinem Gutachten vom 10. April 2005 davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund seiner vielfältigen Symptomatik, die im Zusammenhang stehe mit Traumatisierungen und Retraumatisierungen, nicht in der Lage sei, eine regelmäßige Arbeitsleistung von wirtschaftlichem Wert zu erbringen. Dr. C hat in seinem Rentengutachten vom 11. Februar 2006 eine anhaltende Persönlichkeitsänderung oder Störung nach mehrfachen Traumatisierungen diagnostiziert und das aufgehobene Leistungsvermögen des Klägers bestätigt. Dr. S hat es in dem letzten Rentengutachten vom 12. Dezember 2007 bei Annahme einer schweren Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, schizoiden und emotional instabilen Zügen ausgeschlossen, dass dem Kläger irgendwelche beruflichen Tätigkeiten möglich sein könnten.

Das Bild, das die Rentengutachter jeweils von dem Kläger gezeichnet hatten, wird durch das Gutachten der Sachverständigen Dr. D bestätigt. Diese hat den Kläger als bei der Exploration unkonzentriert beschrieben; der Kläger erzähle weitschweifig, verliere phasenweise den Faden, was er selbst bemerke und problematisiere. Der Kläger wirke deutlich belastet. Als er über seinen Freikauf berichte, versage ihm die Stimme und er beginne zu weinen, wofür er sich entschuldige und was ihm sehr unangenehm zu sein scheine. Dr. D hat wie auch schon die Rentengutachter Konzentrationsstörungen des Klägers beschrieben, dessen Denken inhaltlich auf das erlittene Unrecht und die Gewalterfahrungen eingeengt sei. Sie hat eingehend die bei dem Kläger vorliegenden Intrusionen, Vermeidungsverhalten, Symptome einer Übererregung, Schlafstörungen, Depressionen sowie ausgeprägte Schmerzen und Lähmungserscheinungen ohne organische Korrelate beschrieben. Ausgehend von diesen Befunden hat sie – bestätigt durch testdiagnostische Befunde – die von dem Beklagten auch anerkannte posttraumatische Belastungsstörung bestätigt, die aktuell in einem hohen Ausprägungsgrad bestehe. Die Sachverständige hat des Weiteren Angst- und Depressionssymptome festgestellt. Der Kläger habe über Angstzustände in größeren Menschenmengen wie in öffentlichen Verkehrsmitteln, Kinos oder vollen Kaufhäusern berichtet. Er leide zudem unter den für eine Depression typischen Symptomen der Freudlosigkeit, der gedrückten Stimmung, des Interessenverlusts, des verminderten Selbstwertgefühls, der Gefühle von Wertlosigkeit, der pessimistischen Zukunftsperspektiven und der Gedanken an Suizidhandlungen. Dr. D hat schließlich herausgearbeitet, dass die Partnerschaft des Klägers – er ist seit 2004 verheiratet - störanfällig erscheine, wenn auch die Partner ein gegenseitig tragfähiges Arrangement gefunden hätten, das den Kläger stabilisiere. Der Kläger gebe insoweit an, dass ihm die Partnerin Geborgenheit gebe. Jedoch sei die Partnerschaft durch Probleme im sexuellen Erleben und das beeinträchtigte zwischenmenschliche Beziehungsverhalten (Misstrauen etc.) des Klägers belastet. Letzteres ergibt sich auch aus den Angaben des Klägers, nach denen er sich von anderen Menschen isoliere. Er wolle mit fremden Menschen nichts zu tun haben, sei äußerst misstrauisch. Er versuche durch seinen übermäßigen Haar- und Bartwuchs andere von sich fernzuhalten, andere abzustoßen. Er habe einen langjährigen engen Freund. Für einen Freundes- und Bekanntenkreis fehle ihm die Kraft, weil der Kontakt mit unvertrauten Menschen unangenehm und belastend für ihn sei. Schon alleine die räumliche Nähe zu unvertrauten Personen stelle eine große Belastung für ihn dar. Der Kläger habe zwar im Wesentlichen noch Kontakt zu seiner Familie (Eltern, Schwester, Sohn). Auch insoweit bestünden indes Einschränkungen, weil seine Familie in den neuen Bundesländern lebe und er, da er diesen aus seiner Sicht „negativen, dunklen Raum“ (Seite 9 des Gutachtens Dr. D) vermeide, seine Familie nur selten besuche. Aus den genannten Symptomen und Befunden ergibt sich demnach, dass bei dem Kläger eine schwere psychische Störung mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten vorliegt. So ist im Fall des Klägers jegliche berufliche Tätigkeit ausgeschlossen. Schwerwiegende Probleme bestehen in Bezug auf den letztlich nicht vorhandenen Freundes- und Bekanntenkreis, den aufzubauen der Kläger nicht in der Lage ist. Innerhalb des vorgegebenen Rahmens eines Grades der MdE/GdS von 80 bis 100 (v. H.) ist bei einigermaßen intakten Familienverhältnissen und bei – trotz Störanfälligkeit – intakter Ehe der Grad der MdE/GdS von 80 (v. H.) angemessen, was auch das Sozialgericht ebenso knapp wie zutreffend ausgeführt hat.

Das mit dem Grad der MdE/GdS von 80 (v. H.) zu bewertende psychische Leiden des Klägers ist kausal auf die Haft in der DDR zurückzuführen. Dabei nimmt der Senat insoweit vorab gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem Urteil des Sozialgerichts.

Ergänzend merkt der Senat Folgendes an: Der Beklagte geht zu Unrecht davon aus, dass bei dem Kläger auch ein schädigungsunabhängiges psychisches Leiden – aktuell von dem Beklagten bezeichnet als ängstlich-depressives Syndrom mit psychosomatischen Funktionsstörungen und Neigung zu dissoziativer (Konversions-)Störung der Bewegung – besteht. Dabei weist der Beklagte darauf hin, dass der Kläger neben der Haft in der DDR und dem im Jahr 1993 erlittenen Überfall, die jeweils zu entschädigende Tatbestände darstellen, zwei weitere Traumatisierungen erlitten habe, die bei der Bewertung des Grades der MdE/GdS außer Betracht zu bleiben hätten. In diesem Zusammenhang problematisiert der Beklagte das Vorliegen eines nicht zu entschädigenden so genannten „Nachschadens“.

Der Senat folgt indes - wie das Sozialgericht - auch hinsichtlich der Bewertung der Kausalität der Sachverständigen Dr. D. Soweit der Beklagte annimmt, diese habe die traumatisierenden Wirkungen des Fahrgastunfalls 1998 und des Überfalls in K 2002 - letztere Tat ist wegen § 10 Satz 6 OEG nicht nach dem OEG zu entschädigen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - B 9 V 66/12 B – juris) - außer Betracht gelassen, geht er fehl. Allerdings hebt Dr. D nachvollziehbar die besondere Bedeutung der Gesundheitsschädigung durch die Haft und insbesondere der dort erlebten sexuellen Gewalt hervor. Der Kläger habe sich selbst danach als persönlichkeitsverändert erlebt und habe beschrieben, dass er nach der Haftentlassung nicht mehr derselbe Mensch wie vorher gewesen sei. Die damit verbundenen intrusiven Beschwerden und das Vermeidungsverhalten hätten durch zeitweiligen Alkoholkonsum und medizinische Behandlung temporär verbessert werden können. Die nachfolgenden traumatischen Ereignisse hätten sich hinsichtlich der Hafterfahrungen stets retraumatisierend und symptomverschlechternd ausgewirkt. Neben dieser Wechselwirkung ließen sich, so die Sachverständige, am Inhalt der Intrusionen und des Vermeidungsverhaltens immer auch eigenständige Folgeschädigungen der nachfolgenden Traumatisierungen beobachten. So sei der Kläger beispielsweise nach dem ersten Überfall in eine andere Wohngegend gezogen und nach dem zweiten Überfall nicht mehr nach K gereist. Die Sachverständige hebt die Bedeutung des miterlebten Fahrgastsuizids im Jahr 1998 durchaus hervor, der sich besonders nachhaltig ausgewirkt zu haben scheine und dessen Folgen auch der Kläger selbst neben den Hafterfahrungen als am beeinträchtigendsten erlebt habe. Eigenständige Intrusionen würden von dem Kläger explizit nur von der Haft und dem Fahrgastsuizid genannt. Der 2005 vom Kläger gestellte Verschlimmerungsantrag stehe indes in inhaltlichem Zusammenhang zu den Traumatisierungen durch die Hafterfahrungen. Denn durch die Konfrontation mit einem ehemaligen Mitarbeiter der Staatssicherheit an seinem Arbeitsplatz sei seine gesamte Aufmerksamkeit durch Gedanken über seine Erfahrungen und das weitere Unrecht, das ihm durch den gesellschaftlichen Umgang mit SED-Unrecht angetan werde, absorbiert worden, so dass er sich nicht mehr auf seine Arbeit habe konzentrieren können. Diese Konfrontation, die deutlich mit dem ersten schädigenden Erlebnis der Haft in Zusammenhang stehe, habe zu einer weiteren Dekompensation und zu gravierenden beruflichen Funktionsbeeinträchtigungen geführt. Dadurch sei ein bisher wichtiger Kompensationsfaktor, der Leistungsbereich, für den Kläger weggefallen. Diese Belastung sei in eine Zeit gefallen, in der ein weiterer stabilisierender Faktor, nämlich die Versorgung des nun erwachsenen Sohnes, weggefallen sei. Aus empirischen Untersuchungen sei bekannt, dass zusätzliche Belastungsfaktoren oder der Wegfall wichtiger Kompensationsmöglichkeiten bestehende posttraumatische Beschwerden verschlimmerten oder sogar erst zum Ausbruch bringen könnten. Diese für den Senat schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen münden in der ebenfalls nachvollziehbaren Diagnose einer Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, die durch die von dem Kläger erlebten Mehrfachtraumatisierungen verursacht worden sei. Eine besondere Bedeutung komme hier der ersten länger andauernden Traumatisierung durch die politische Haft in der DDR und der dabei erlebten sexuellen Gewalt zu. Die Kompensationsfähigkeit des Klägers sei in Hinsicht auf die nachfolgenden traumatischen Ereignisse durch die erste Traumatisierung eingeschränkt gewesen. Die nachfolgenden Belastungserfahrungen hätten sich retraumatisierend ausgewirkt und hätten die Schädigungen durch die Haft und die sexuelle Gewalt verschlimmert. Gleichzeitig zeigten die Symptome, die einen inhaltlichen Bezug zu den Ereignissen erlaubten, auch immer einen eigenständigen Störungsanteil, der mit den einzelnen Ereignissen verbunden sei. Die vier Belastungsereignisse stünden in komplexer Wechselwirkung zueinander und bedingten die beschriebene Persönlichkeitsänderung.

Der Senat folgt den nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Dr. D, die also durchaus die traumatischen Ereignisse berücksichtigt hat, die zeitlich nach den zu entschädigenden Sachverhalten geschehen sind. Die Sachverständige hat schlüssig die besondere Bedeutung der ersten Traumatisierung dargelegt, die der Kläger durch die Haft in der DDR erlitten hat. Sie hat ebenso nachvollziehbar die komplexen Wechselwirkungen, die sich aus den verschiedenen Traumatisierungen ergeben, beschrieben. Ihre Ausführungen erhellen aber auch, dass hier kein so genannter Nachschaden vorliegt. Ein Nachschaden ist eine Gesundheitsstörung, die zeitlich nach der Schädigung eingetreten ist und nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Schädigung steht. Eine solche Gesundheitsstörung kann bei der Feststellung des Grades der MdE/GdS nach § 30 Abs. 1 BVG nicht berücksichtigt werden, auch dann nicht, wenn sie zusammen mit Schädigungsfolgen zu besonderen Auswirkungen führt, bei denen die Schädigungsfolgen eine gleichwertige oder überwiegende Bedeutung haben (vgl. hierzu und zum Folgenden nur BSG, Urteil vom 1. April 1981 - 9 RV 33/80 – juris; vgl. auch Teil C Nr. 12b der Anlage zur § 2 VersMedV und Nr. 47 Abs. 2 AHP, Seite 160). Zu diesen so genannten Nachschäden gehören aber Gesundheitsstörungen nicht schon dann, wenn sie zeitlich nach der Schädigung eingetreten sind, sie müssen vielmehr auch unabhängig von der Schädigung oder den Schädigungsfolgen entstanden sein und sich entwickeln. Nur bei derartigen nebeneinander stehenden Gesundheitsstörungen wird der Grad der MdE/GdS im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG durch Auswirkungen der schädigungsunabhängigen Krankheit selbst dann nicht erhöht, wenn erst durch ihr Zusammenwirken ungünstigere Auswirkungen der Schädigungsfolgen auftreten. Den so genannten Nachschadensfällen ist gemeinsam, dass Schädigungsfolgen und schädigungsunabhängige Gesundheitsstörungen sich in ihrem gesundheitlichen Erscheinungsbild gegenseitig nicht beeinträchtigen, vielmehr eine gemeinsame Verbindung nur über ihre Beeinflussung des für das Schwerbehindertenrecht bedeutsamen Grades der Behinderung haben. Die so genannte Nachschadensregelung ist also nicht anzuwenden, wenn die Schädigungsfolgen neue oder zusätzliche gesundheitliche Schäden schaffen, weil sich in diesem Fall der schädigende Vorgang fortsetzt und die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung selbst erweitert werden. Um das Nebeneinander zweier statischer Gesundheitszustände geht es hier - wie dargelegt - nicht. Vielmehr liegt bei dem Kläger ein psychisches Leiden vor, das seine Ursache in der ersten Traumatisierung – hier in Form der Haft in der DDR – hat. Das erlittene Trauma hat zur Folge gehabt, dass der Kläger alle nach der Haft eingetretenen Traumatisierungen nicht adäquat hat verarbeiten können, was die Sachverständige mit der Beschreibung einer eingeschränkten Kompensationsfähigkeit des Klägers zum Ausdruck gebracht hat. Durch die eingeschränkte Kompensationsfähigkeit haben sich wiederum die Traumatisierungen nach der DDR-Haft besonders schwerwiegend auf den psychischen Gesundheitszustand ausgewirkt und damit die Schädigungsfolgen verstärkt.

Damit geht die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W fehl, wenn sie in ihrer nervenfachärztlichen Stellungnahme vom 10. August 2010 ausführt, Dr. D habe das derzeitige psychische Befinden des Klägers zu Unrecht monokausal auf die 28 Jahre zurückliegende Haft zurückgeführt – das Gegenteil ist der Fall. Dr. D hat insbesondere die hohe Bedeutung des miterlebten Fahrgastsuizids betont. Dass der Überfall in K traumatisierend gewirkt hat, hat Dr. D nicht bestritten – sie hat lediglich erklärt, dass es aktuell keinen Hinweis auf ein Trauma in K im Hinblick auf entsprechende intrusive Bilder gebe. Auch die weiteren Einwände von Dr. W greifen nicht durch. Soweit sie einwendet, dem Kläger sei es möglich gewesen, sowohl nach der politischen Haft als auch nach dem Überfall von 1993 berufstätig zu sein und eine Dekompensation sei erst nach dem Fahrgastunfall sowie nach dem Überfall in K erfolgt, ist auf die auch insoweit überzeugenden Ausführungen von Dr. D hinzuweisen, die erklärt hat, dass gerade durch den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und den Auszug des nun erwachsenen Sohnes wichtige Kompensationsmöglichkeiten weggefallen seien. In diesem Zusammenhang hat Dr. W auch nicht die Konfrontation des Klägers mit einem ehemaligen Mitarbeiter der Staatssicherheit an seinem Arbeitsplatz berücksichtigt. Der Hinweis von Dr. W, dem Kläger seien auch nach dem letzten traumatisierenden Ereignis (Überfall in K 2002) Reisen, die Versorgung des Sohnes, die Einhaltung einer kontinuierlichen Therapie sowie das Eingehen einer zweiten Ehe möglich gewesen, berührt weniger die Frage der Kausalität als vielmehr die, in welchem Ausmaß bei dem Kläger psychische Leiden vorliegen – diese Frage dürfte sich aber kaum stellen, weil auch der Beklagte jedenfalls seit Dezember 2006 von einer schweren Störung des Klägers mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten und einem „psychischen“ GdB von 80 ausgeht. Schließlich geht Dr. W auch fehl, wenn sie ausführt, es wäre zu erwarten gewesen, dass sich an die Haft keine Berufstätigkeit abgeschlossen hätte, wäre sie die wesentliche Ursache der psychischen Gesundheitsstörungen. Dieser Einwand läuft nämlich darauf hinaus, dass eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen nicht denkbar wäre, weil nur solche Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigt würden, die bereits im unmittelbaren Anschluss an das schädigende Ereignis – hier die Haft in der DDR – bestanden haben. Dass dieser Einwand nicht überzeugend sein kann, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Beklagte selbst in seinen Bescheiden vom 30. Juli 1999 und vom 19. Juni 2001 Schädigungsfolgen hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 21 StrRehaG und verschlimmert durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 OEG anerkannt hat, er mithin von der Möglichkeit, dass sich Schädigungsfolgen auch verschlimmern können, ausgegangen ist.

Auch die Hinweise von Dr. W auf Äußerungen des den Kläger behandelnden Psychologen S im Zusammenhang mit dem vom Kläger miterlebten Fahrgastsuizid im September 1998 greifen nicht durch, weil etwaige Äußerungen von Herrn S, der Kläger habe die posttraumatische Belastungsstörung infolge der Haft in der DDR sowie des Überfalls 1993 weitgehend überwunden, auch durch die Gutachten des Beklagten von Dr. D und Dr. D widerlegt worden sind. In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, dass eine posttraumatische Belastungsstörung durch den Beklagten als Schädigungsfolge bestandskräftig anerkannt worden ist.

Auch der Hinweis von Dr. W, der Kläger habe gegenüber Dr. D – richtig Dr. D - erklärt, manchmal in die Sauna zu gehen, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Denn unabhängig davon, dass eine derartige singuläre Angabe kaum geeignet sein dürfte, Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers zu begründen (und im Gegenteil eher den Schluss nahe legen könnte, dass die Angaben des Klägers der Wahrheit entsprechen), geht der Kläger aktuell – und im gesamten streitigen Zeitraum durchgehend - jedenfalls nicht mehr in die Sauna, wie er dem Rentengutachter B am 4. April 2005 erklärt hat.

Die von Dr. W erkannte Diskrepanz von schriftlichen Eigenangaben des Klägers und vermeintlich fehlenden Angaben des Klägers bei den Begutachtungen vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Zum einen ergibt sich aus der Gesamtschau der Akten ein umfassendes Bild von den bei dem Kläger vorliegenden Beschwerden. Zum anderen wurden die Angaben des Klägers gegenüber den versorgungsärztlichen Gutachtern von dem Beklagten jedenfalls als ausreichend erachtet, um – wie dargelegt – bestandskräftig als Schädigungsfolge eine chronische posttraumatische Belastungsstörung mit Angstzuständen, erhöhtem Erregungsniveau, Schlafstörungen, Alpträumen, Wiedererinnerungen und psychosomatisch begründeten Körperbeschwerden anzuerkennen. Bei dieser Sachlage erkennt der Senat keine Anhaltspunkte für die von dem Beklagten nunmehr in den Raum gestellte Aggravation/Simulation, zumal kein einziger der zahlreichen mit dem Fall des Klägers befassten Gutachter und Sachverständigen einen derartigen Verdacht geäußert hat. In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass die Versorgungsärztin Dr. W selbst den Kläger anlässlich seines Verschlimmerungsantrages am 22. Mai 2006 abzüglich Pausen mehr als zwei Stunden ambulant untersucht hat. „Fehlende“ Angaben lassen sich ihrem Gutachten nur insoweit entnehmen, als der Kläger den Inhalt seiner Alpträume nicht habe wiedergeben wollen (Seite 10 des Gutachtens), was die Gutachterin aber nicht daran gehindert hat, an anderer Stelle „traumaspezifische Alpträume von Haft und Folter“ (Seite 15 des Gutachtens) mitzuteilen. Im Ergebnis sind aber jedenfalls auch dem Gutachten von Dr. W keine Anhaltspunkte für Aggravation oder Simulation zu entnehmen.

Schließlich steht dem Kläger die Beschädigtenversorgung nach einem höheren Grad einer MdE/einem höheren GdS nach § 30 Abs. 2 BVG wegen besonderer beruflicher Betroffenheit zu.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist nach § 30 Abs. 2 Satz 1 BVG in seiner bis zum 20. Dezember 2007 geltenden Fassung höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Das ist nach § 30 Abs. 2 Satz 2 BVG besonders der Fall, wenn er

a) infolge der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder den nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann,

b) zwar seinen vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf weiter ausübt oder den nachweisbar angestrebten Beruf erreicht hat, in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen aber in einem wesentlich höheren Grad als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert ist, oder

c) infolge der Schädigung nachweisbar am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist.

Durch das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Gesetze des sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) ist § 30 Abs. 2 BVG mit Wirkung zum 21. Dezember 2007 - ohne dass sich daraus inhaltliche Änderungen ergeben haben - neu gefasst worden und lautet:

Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1. auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,

2. zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder

3. die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, sind die Tatbestände des § 30 Abs. 2 Satz 2 BVG nur beispielhaft aufgeführt und stellen Erläuterungen für den in § 30 Abs. 2 Satz 1 BVG allgemein zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers dar, eine Höherbewertung des Grades der MdE/des GdS vorzunehmen, wenn der Beschädigte in seinem Beruf besonders betroffen ist. In sämtlichen in Satz 2 genannten Fällen steht dem Beschädigten eine Erhöhung des Grades der MdE und des GdS daher nur zu, wenn die in diesen Tatbeständen beschriebenen beruflichen Nachteile ihn subjektiv „besonders“ treffen, weil sie in sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht das Maß der Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben erheblich übersteigen (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 1969 - 10 RV 561/66 - juris). Ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil als Ausdruck einer besonderen Berufsbetroffenheit liegt im Regelfall nur dann vor, wenn der (schädigungsbedingte) Minderverdienst etwa 20 Prozent erreicht oder wenn wegen der geringen Höhe des Einkommens dennoch der Minderverdienst von erheblicher Bedeutung für den Betroffenen ist (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 15. Dezember 1977 - 10 RV 19/77 - juris). Insgesamt kommt ein Zuschlag um mehr als 10 (v. H.) nur in Betracht, wenn die berufliche Schädigung „außergewöhnlich groß“ ist. Dabei verbietet sich aber eine rein prozentuale, am Verdienstausfall orientierte Betrachtung, weil ein besonderes berufliches Betroffensein auch dann vorliegen kann, wenn der Beschädigte zwar seinen früheren Beruf trotz der Schädigung weiterhin ausübt und dabei keinen Minderverdienst gegenüber gesunden Angehörigen dieses Berufes hat, seine Arbeit jedoch nur unter außergewöhnlicher Energie und/oder Gefährdung seiner Gesundheit weiterverrichten kann.

Im Rahmen des § 30 Abs. 2 BVG und insbesondere bei der Erhöhung des Grades der MdE/des GdS um mehr als 10 (v. H.) ist daher eine rein schematische Erhöhung nicht zulässig. Vielmehr ist die Frage, ob die berufliche Schädigung außergewöhnlich groß ist und der Beschädigte besonders hart betroffen wird, unter Würdigung aller Umstände zu beurteilen, wobei der Gesetzgeber durch die Regelung des § 30 Abs. 2 BVG die Voraussetzungen für eine höchst individuelle Behandlung des einzelnen Beschädigten geschaffen hat. Bei dieser Gesamtschau sind die wirtschaftlichen und sonstigen Nachteile des Beschädigten, das Ausmaß der Schädigungsfolgen, der Zwang zum Berufswechsel oder zur Aufgabe jeder Erwerbstätigkeit, der berufliche Werdegang und eine etwaige Verhinderung eines weiteren Aufstiegs im Beruf, der vor der Schädigung ausgeübte und der derzeitige Beruf, die schädigungsbedingte Verdiensteinbuße in ihrem betragsmäßigen und prozentualen Wert, aber auch die Höhe des Grades der (rein medizinischen) MdE/des GdS nach § 30 Abs. 1 BVG zu berücksichtigen. Auch sind neben dem Alter und den persönlichen und beruflichen Verhältnissen des Betroffenen insbesondere seine Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 1975 - 10 RV 189/74 - juris). Beträgt etwa der Minderverdienst des Betroffenen bei einem Vergleich zwischen seinem mutmaßlichen Arbeitsverdienst und seinem Gesamteinkommen (einschließlich Erwerbsminderungsrente und Berufsschadensausgleich) nicht mehr als 20 Prozent, liegt eine einen Zuschlag von 20 v. H. rechtfertigende außergewöhnliche berufliche Schädigung regelmäßig nicht vor (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 1975 - 10 RV 189/74 - juris).

Nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen unter Berücksichtigung der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die berufliche Schädigung hier zwar so groß, dass der zwischen den Beteiligten unstreitige Zuschlag um 10 (v. H.) angemessen ist. Sie ist aber nicht als außergewöhnlich groß anzusehen, so dass der Grad der MdE/der GdS hier nicht um 20 (v. H.) zu erhöhen ist.

Der Anspruch auf den Zuschlag um 10 (v. H.) ergibt sich aus § 30 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a BVG a. F. und § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BVG. Denn es liegt hier ein Fall vor, in dem auf Grund der Schädigung weder der nachweisbar angestrebte Beruf als Ingenieur für Hüttenwesen noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, wovon auch der Beklagte ausweislich seiner Gewährung von Berufsschadensausgleich ausgeht. Der Beklagte ist schon vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung des Klägers davon ausgegangen, dass der Kläger seinen angestrebten Beruf schädigungsbedingt nicht ausüben könne. Diese Einschätzung teilt der Senat.

Nunmehr ist zwar darüber hinaus zu berücksichtigen, dass der Kläger seit dem 1. Juni 2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bei einem schädigungsbedingt auf unter drei Stunden täglich abgesunkenen Leistungsvermögen bezieht. Dieser Umstand - die Unfähigkeit zur Ausübung jeder beruflichen Tätigkeit - in Gesamtschau mit allen übrigen Umständen – insbesondere die Höhe des Grades der (rein medizinischen) MdE/des GdS nach § 30 Abs. 1 BVG - rechtfertigt zwar weiterhin den Zuschlag nach § 30 Abs. 2 BVG um 10 v. H., nicht aber die Annahme einer außergewöhnlich großen beruflichen Schädigung. Dem steht nämlich entgegen, dass die wirtschaftlichen Nachteile hier nicht besonders schwer wiegen, weil der Minderverdienst die Schwelle von 20 Prozent nicht überschreitet (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 1975 - 10 RV 189/74 – juris). Denn dem erzielbaren Einkommen, das bei dem von dem Kläger angestrebten Beruf nach den Berechnungen des Beklagten monatlich netto zwischen 2.836,- Euro und aktuell 3.443,- Euro beträgt, sind die bezogenen Renten wegen voller Erwerbsminderung der Deutschen Rentenversicherung Bund einerseits und der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder andererseits sowie der von dem Beklagten gewährte Berufsschadensausgleich - die Versorgungsrente ist nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 1975 - 10 RV 189/74 – juris) – gegenüberzustellen. Hieraus ergibt sich, dass das derzeitige Nettoeinkommen des Klägers stets bei rund 85 Prozent des erzielbaren Nettoeinkommens liegt. Bei dieser Sachlage ist die Zuerkennung eines Zuschlages von 20 (v. H.) statt 10 (v. H.), der sich wegen § 30 Abs. 13 Satz 1 BVG ohnehin wirtschaftlich nicht auswirken würde, hier ausgeschlossen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Von einer Quotelung hat der Senat abgesehen, weil der Kläger ganz überwiegend obsiegt hat und sein Unterliegen auch wirtschaftlich kaum ins Gewicht fällt.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil Gründe hierfür gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.