Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat | Entscheidungsdatum | 07.10.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 10 A 8.10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 133 Abs 5 S 1 VwGO, § 137 Abs 1 Nr 1 VwGO, Art 80 S 3 Verf BE, LEPlBE/BBV BB 2009, § 3 Abs 2 PlG BB |
Der Beschwerde des Antragsgegners gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Juni 2014 wird nicht abgeholfen.
Der am 28. Juli 2014 und damit innerhalb der Frist des § 133 Abs. 2 VwGO eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Juni 2014 (LKV 2014, 377 = Mitt. StGB Bbg, 08/2014, S. 348, juris) wird nicht abgeholfen (vgl. § 133 Abs. 5 Satz 1 VwGO), weil auch auf Grundlage des Beschwerdevorbringens Gründe für die Zulassung der Revision (132 Abs. 2 VwGO) nicht ersichtlich sind.
1. Die Revision ist nicht unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Dies würde voraussetzen, dass in dem angestrebten Revisionsverfahren voraussichtlich eine Vorschrift des Bundesrechts (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zur Anwendung käme, die eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, die über den konkreten Einzelfall hinausreicht (BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2006 - BVerwG 9 B 11.06 -, juris Rn. 2). Die Rechtsfrage, der der Antragsgegner grundsätzliche Bedeutung beimisst, muss darüber hinaus entscheidungserheblich sein. Dies wäre nur dann der Fall, wenn für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist (u. a. BVerwG, Beschluss vom 8. August 2012 - BVerwG 7 B 1.12 -, juris Rn. 7; Pietzner/Buchheister in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Mai 2010, § 132 Rn. 52).
Diese Voraussetzungen sind hier nach Ansicht des Senats nicht gegeben. Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
„ob gesetzliche Vorschriften, die regeln, dass andere gesetzliche Vorschriften nur so lange gelten, bis sie durch eine entsprechende oder widersprechende Rechtsverordnung ersetzt werden, nach dem verfassungsrechtlichen Zitiergebot (Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG bzw. Art. 80 Satz 3 LV Bbg) als Rechtsgrundlage in der Eingangsformel der Verordnung angegeben werden müssen.“
Zum einen fehlt die für einen Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erforderliche Revisibilität der Fragestellung (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Für die Entscheidung des Senats war die Rechtsfrage von Bedeutung, ob das Zitiergebot des Art. 80 Satz 3 der Verfassung des Landes Brandenburg fordert, dass eine Rechtsverordnung der Regierung des Landes Brandenburg, welche die Rechtssetzungsbefugnis in Anspruch nimmt, den Inhalt eines (höherrangigen) Gesetzes zu ändern, zu ergänzen oder eine vom Gesetz abweichende Neuregelung zu erlassen, die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die das Parlamentsgesetz ändernde Rechtssetzungsmacht in der Eingangsformel der Verordnung anzugeben hat. Dies hat der Senat in dem angefochtenen Urteil vom 16. Juni 2014 bejaht und die Rechtsverordnung der Regierung des Landes Brandenburg über den Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg vom 31. März 2009 (LEP B-B) wegen eines Verstoßes gegen Art. 80 Satz 3 der Verfassung des Landes Brandenburg als höherrangiges Recht für unwirksam erklärt (a.a.O., juris Ls. 1, 3 und Rn. 111 ff., 114). Anders als der Antragsgegner in seiner Frage unterstellt, hat der Senat eine Verletzung der für Rechtsverordnungen des Bundes geltenden Regel des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG nicht angenommen. Das verletzte Zitiergebot des Art. 80 Satz 3 der Verfassung des Landes Brandenburg gehört dem nichtrevisiblen Landesrecht an. Weder eine Übereinstimmung mit Vorschriften des Bundes noch die Wortgleichheit der Norm mit Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG begründet eine Revisibilität (vgl. u.a. BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 1995 - BVerwG 4 B 216.95 -, BVerwGE 99, 351, juris Rn. 7; Beschluss vom 16. Februar 1976 - BVerwG VII B 18.76 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 143, juris Rn. 1; Eichberger/Buchheister in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand April 2013, § 137 Rn. 46 m.w.N.).
Zum anderen ist die vom Antragsgegner bezeichnete Rechtsfrage, der er grundsätzliche Bedeutung beimisst, in dieser Allgemeinheit und in ihrer Formulierung für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich gewesen. Der Senat hat nicht - wie der Antragsgegner meint (Beschwerdebegründung S. 28) - darüber entschieden, ob gesetzliche Vorschriften, die regeln, dass andere gesetzliche Vorschriften nur so lange gelten, bis sie durch eine entsprechende oder widersprechende Rechtsverordnung ersetzt werden, nach dem verfassungsrechtlichen Zitiergebot als Rechtsgrundlage in der Eingangsformel der Verordnung angegeben werden müssen. Der Senat hatte vielmehr darüber zu entscheiden, ob die landesgesetzliche Öffnungsklausel des § 3 Abs. 2 Satz 1 BbgLPlG 2002, wonach die in § 3 Abs. 1 BbgLPlG 2002 enthaltenen Ziele nur so lange fortgelten, bis sie durch Wirksamwerden entsprechender oder widersprechender Ziele in den gemeinsamen Landesentwicklungsplänen nach Art. 8 des Landesplanungsvertrages „ersetzt“ werden, eine zu zitierende Rechtsgrundlage im Sinne von Art. 80 Satz 3 der Verfassung des Landes Brandenburg ist. Dies hat der Senat bejaht, da durch diese landesrechtliche Norm die den Landesentwicklungsplan mit Geltung für das eigene Hoheitsgebiet erlassende Regierung des Landes Brandenburg ermächtigt wird, unter anderem das in § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgLPlG 2002 festgelegte Ziel der Raumordnung, wonach die Siedlungsstruktur nach dem Prinzip der zentralörtlichen Gliederung zu entwickeln und von einer Stufung in Oberzentren, Mittelzentren und Grundzentren auszugehen ist, durch widersprechende Ziele in den gemeinsamen Landesentwicklungsplänen zu ersetzen und damit durch Rechtsverordnung der Sache nach den Inhalt des höherrangigen formellen Gesetzes zu ändern, also eine von dem Ziel des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgLPlG 2002 abweichende Neuregelung durch Rechtsverordnung zu erlassen. § 3 Abs. 2 Satz 1 BbgLPlG 2002 erschöpft sich nicht in der Normierung der zeitlichen Reihenfolge der Geltung von Regelungen zu Zielen der Raumordnung, sondern enthält auch die Rechtssetzungsbefugnis, dass der als Rechtsverordnung der Landesregierung zu erlassende Landesentwicklungsplan den höherrangigen gesetzlichen Rechtssatz des Landesparlaments zu einer dreistufigen zentralörtlichen Gliederung des Landes mit Oberzentren, Mittelzentren und Grundzentren „ersetzen“, also der Sache nach ändern oder jedenfalls vom ihm abweichen kann (vgl. näher Urteil vom 16. Juni 2014, a.a.O., Rn. 116).
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen, soweit der Antragsgegner die Beschwerde „vorsorglich“ auf eine Divergenz stützt.
Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn das Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (vgl. u.a. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2012 - BVerwG 4 BN 35.12 -, ZfBR 2013, 172, juris Rn. 7). Soweit der Antragsgegner meint (vgl. S. 40 der Beschwerdebegründung), der zum Zitiergebot des Art. 80 Satz 3 der Verfassung des Landes Brandenburg aufgestellte Rechtssatz des angefochtenen Urteils weiche vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2006 (BVerwG 4 A 1075/04, BVerwGE 125, 116) zum Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld zum internationalen Verkehrsflughafen im Hinblick auf die dortigen Ausführungen in Randnummern 57 ff. ab, ist dies nicht der Fall. Soweit der Senat in Anwendung der landesrechtlichen Rechtsvorschrift des Art. 80 Satz 3 der Verfassung des Landes Brandenburg im Hinblick auf die Ersetzung von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 BbgLPlG 2002 (und nicht im Hinblick auf die Regelungen des § 3 Abs. 1 Nr. 11 Sätze 7 und 8 BbgLPlG 2002, zu denen sich das Bundesverwaltungsgericht verhalten hat) durch Rechtsverordnung den Rechtssatz aufgestellt hat, das Zitiergebot fordere, dass eine landesrechtliche Rechtsverordnung, welche die Rechtssetzungsbefugnis in Anspruch nehme, durch Rechtsverordnung den Inhalt des Gesetzes zu ändern, zu ergänzen oder eine vom Gesetz abweichende Neuregelung zu erlassen, die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die das Parlamentsgesetz ändernde Rechtssetzungsmacht in der Eingangsformel der Rechtsverordnung anzugeben habe (Urteil vom 16. Juni 2014, a.a.O., juris Rn. 114), widerspricht dies keinem in der angeführten Entscheidung aufgestellten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung weder ausdrücklich noch konkludent einen Rechtssatz dazu aufgestellt, ob landesrechtliche Rechtsverordnungen der Landesregierung, die die Rechtssetzungsbefugnis der Öffnungsklausel des § 3 Abs. 2 Satz 1 BbgLPlG 2002 in Anspruch nehmen, eine vom Landesplanungsgesetz abweichende Regelung zu erlassen, die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage hierfür in der Eingangsformel der Rechtsverordnung nach Art. 80 Satz 3 Verfassung des Landes Brandenburg anzugeben hat. Es hat diese Rechtsfrage weder ausdrücklich noch konkludent entschieden, sondern lediglich zu den landesplanungsrechtlichen Rechtsgrundlagen des Erlasses des dort angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses ausgeführt:
„§ 3 Abs. 1 Nr. 11 Sätze 7 und 8 des Brandenburgischen Landesplanungsgesetzes (BbgLPlG) in der Neufassung vom 12. Dezember 2002 (GVBl I 2003, 10) enthält unter der Überschrift „Ziele der Raumordnung“ die Aussagen: „Der wachsenden Bedeutung des Luftverkehrs ist Rechnung zu tragen. In der Region südlich von Berlin ist ein neuer Verkehrsflughafen vorzusehen“. Nach der Öffnungsklausel in § 3 Abs. 2 Satz 1 BbgLPlG 2002 gelten die in Abs. 1 enthaltenen Ziele nur solange fort, bis sie durch Wirksamwerden entsprechender oder widersprechender Ziele in den gemeinsamen Landesentwicklungsplänen ersetzt werden. Die Entscheidung des Beklagten, den künftigen Luftverkehrsbedarf der Länder Berlin und Brandenburg durch Konzentration auf einen einzigen Flughafenstandort zu decken und zu diesem Zweck den Flughafen Berlin-Schönefeld als „Single“-Flughafen auszubauen, findet ihre raumordnungsrechtliche Grundlage in § 19 Abs. 11 des Landesentwicklungsprogramms i.d.F. vom 1. November 2003 (LEPro 2003) und in den Aussagen Z 1 und 2 des Landesentwicklungsplans Flughafenstandortentwicklung (LEP FS) vom 28. Oktober 2003. …“.
Entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners lässt sich dieser Entscheidung - die der Senat gesehen und in seinem Urteil zitiert hat (a.a.O., juris Rn. 118) - kein tragender Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts dahingehend entnehmen, dass das Zitiergebot des Art. 80 Satz 3 der Verfassung des Landes Brandenburg für den Erlass von vom Gesetz abweichenden Rechtsverordnungen auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Satz 1 BbgLPlG 2002 nicht gilt. Zu dieser Frage verhält sich nach Auffassung des Senats die angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht, weshalb es an einem widersprechender Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts fehlt.
Hinsichtlich der vom Antragsgegner erhobenen weiteren Divergenzrüge (vgl. Beschwerdebegründung S. 55 ff.) zur Vereinbarkeit des § 3 Abs. 2 Satz 1 BbgLPlG 2002 mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Satz 2 der Verfassung des Landes Brandenburg sieht der Senat von näheren Ausführungen ab, da die Rechtssätze zu dieser Frage für das angefochtene Urteil nicht entscheidungserheblich waren, weil der Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg schon wegen des selbständig tragenden Verstoßes gegen Art. 80 Satz 3 der Verfassung des Landes Brandenburg keinen Bestand haben kann (vgl. dazu bereits Urteil vom 16. Juni 2014, a.a.O., Rn. 122, 130).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).