Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Prozesskostenhilfe; PKH-Beschwerde; nachträgliche Anordnung von Ratenzahlung;...

Prozesskostenhilfe; PKH-Beschwerde; nachträgliche Anordnung von Ratenzahlung; Beschwerdeausschluss; nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln; Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts; keine Anwendung auf anhängige Rechtsmittelverfahren; fehlerhaftes Abhilfeverfahren; keine Berücksichtigung von neuem Vorbringen; kein Abwarten auf angekündigte Belege; Nichtabhilfebeschluss ohne Begründung; Zurückverweisung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 01.07.2014
Aktenzeichen OVG 10 M 65.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 146 Abs 1 VwGO, § 146 Abs 2 VwGO, § 148 VwGO, § 166 VwGO, § 173 VwGO, § 572 Abs 3 ZPO

Leitsatz

1. Der zum 1. Januar 2014 in Kraft getretene Ausschluss der Beschwerde gegen Beschlüsse über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint hat, führt nicht zum Fortfall der Statthaftigkeit einer bereits eingelegten Beschwerde.

2. Werden im Prozesskostenhilfeverfahren mit der Beschwerde neue Tatsachen vorgetragen, ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, diese im Abhilfeverfahren zu berücksichtigen und sich damit auseinanderzusetzen, weshalb auch ein Nichtabhilfebeschluss ausnahmsweise zu begründen ist. Fehlt es daran, kann das Beschwerdegericht den Nichtabhilfebeschluss aufheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverweisen

Tenor

Der Nichtabhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. Dezember 2013 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Abhilfe der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. November 2013 an das Verwaltungsgericht Berlin zurückverwiesen.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 27. November 2013 hat das Verwaltungsgericht den Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klägerin dahingehend abgeändert, dass eine monatliche Ratenzahlung angeordnet worden ist. Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 12. Dezember 2013 Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, es seien nicht alle berücksichtigungsfähigen Zahlungsverpflichtungen der Klägerin berücksichtigt worden. Zur Rückzahlung gewährter Ausbildungsförderung müsse sie (konkret bezifferte) monatliche Raten aufbringen, außerdem hätten sich die Mietkosten erhöht, weil eine Betriebskostennachforderung vorliege. Entsprechende Belege würden nachgereicht. Der Schriftsatz mit den angekündigten Nachweisen ist am 16. Dezember 2013 beim Verwaltungsgericht eingegangen.

Das Verwaltungsgericht hat am 13. Dezember 2013 ohne nähere Begründung beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und die Akten dem Oberverwaltungsgericht vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (1.) und führt zur Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht, damit dieses erneut über die Frage der Abhilfe befinden kann (2.).

1. Die Beschwerde ist nach § 146 Abs. 1, § 147 Abs. 1 VwGO zulässig. Ihrer Statthaftigkeit steht insbesondere nicht § 146 Abs. 2 VwGO in der ab dem 1. Januar 2014 geltenden Fassung entgegen, wonach Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, nicht mit der Beschwerde angefochten werden können. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob dieser Beschwerdeausschluss auch den Fall einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anordnung von Ratenzahlungen erfasst (so Neumann in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 166 Rn. 226; vgl. zur entsprechenden Regelung in § 172 Abs. 3 Nr. 2 a SGG bzw. § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a.F. LSG Bln-Bbg, Beschluss vom 28. November 2012 - L 29 AS 2644/12 B PKH -, juris Rn. 10 m.w.N.; LSG LSA, Beschluss vom 1. August 2013 - L 7 SB 47/13 B -, juris Rn. 5 f. m.w.N.) und ob dies auch dann gilt, wenn eine ratenfreie Bewilligung geändert wird und Ratenzahlungen nachträglich angeordnet werden (vgl. hierzu einerseits LSG Bln-Bbg, Beschluss vom 27. September 2012 - L 25 AS 159/12 B PKH -, juris Rn. 2 und andererseits LSG SH, Beschluss vom 18. Februar 2013 - L 7 R 144/10 B PKH -, juris Rn. 6, jeweils m.w.N.). Denn die Neufassung des § 146 Abs. 2 VwGO ist vorliegend nicht anwendbar. Sie ist zwar durch Art. 12 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013 (BGBl. I S. 3533) in die Verwaltungsgerichtsordnung eingefügt worden und ohne Übergangsregelung mit diesem Gesetz nach dessen Art. 20 am 1. Januar 2014 in Kraft getreten. Der allgemeine Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts, wonach eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst, erfährt aber aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes für anhängige Rechtsmittelverfahren eine einschränkende Konkretisierung. Danach führt die nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln nicht zum Fortfall der Statthaftigkeit eines bereits eingelegten Rechtsmittels, sofern nichts anderes bestimmt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1992 - 2 BvR 1631/90 u.a. -, BVerfGE 87, 48, juris Rn. 43 f. m.w.N.; LSG Bln-Bbg, Beschluss vom 21. Juni 2011 - L 25 AS 211/10 B PKH -, juris Rn. 2; LSG SH, Beschluss vom 26. November 2013 - L 6 AS 277/13 B PKH -, juris Rn. 4). Da vorliegend eine konkrete Bestimmung zur Geltung des neugefassten Beschwerdeausschlusses auf anhängige Rechtsmittelverfahren fehlt, bleibt die am 12. Dezember 2013 beim Verwaltungsgericht eingegangene Beschwerde statthaft.

2. Die Beschwerde führt zur Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses und zur Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO, weil das Abhilfeverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist.

Das in § 148 VwGO geregelte Abhilfeverfahren begründet die Pflicht des Verwaltungsgerichts, im Falle der Anfechtung seiner Entscheidung zunächst zu prüfen, ob die Beschwerde begründet ist, und ihr in diesem Fall abzuhelfen. Das Abhilfeverfahren dient dabei der Selbstkontrolle des Gerichts und soll auch im Interesse der Verkürzung der Verfahren eine Kosten verursachende Befassung des Beschwerdegerichts mit der Sache vermeiden und dieses entlasten (vgl. Guckelberger in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 148 Rn. 1; VGH BW, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 11 S 2916/07 -, VBlBW 2008, 278, juris Rn. 4; OVG LSA, Beschluss vom 20. Oktober 2008 - 2 O 196/08 -, NVwZ-RR 2009, 21, juris Rn. 4; zu § 572 ZPO auch OLG Bbg, Beschluss vom 30. Januar 2008 - 13 W 66/07 -, juris Rn. 5). Werden mit der Beschwerde neue Tatsachen vorgetragen, ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, diese zu berücksichtigen und sich damit auseinanderzusetzen, weshalb auch ein Nichtabhilfebeschluss in diesem Fall ausnahmsweise begründet werden muss (vgl. Guckelberger a.a.O., Rn. 13 m.w.N.; SaarOVG, Beschluss vom 28. September 2007 - 1 D 399/07 -, NVwZ-RR 2008, 215, juris Rn. 7 f. m.w.N.; OLG Bbg, a.a.O., Rn. 5). Die Klägerin hat hier mit der Beschwerde geltend gemacht, dass ihre wirtschaftlichen Belastungen nicht hinreichend berücksichtigt worden seien, wobei insbesondere die konkret bezifferte Verpflichtung zur Rückzahlung gewährter Ausbildungsförderung geeignet sein könnte, die Anordnung der Ratenzahlung zumindest der Höhe nach in Frage zu stellen. Der nicht begründete Nichtabhilfebeschluss lässt nicht erkennen, ob das Verwaltungsgericht die Begründung der Beschwerde überhaupt zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Sollte es entsprechende Nachweise für erforderlich gehalten haben, hätte es nicht sofort entscheiden dürfen, sondern die angekündigte Einreichung der Belege, die im Übrigen zeitnah erfolgt ist, abwarten müssen (vgl. zur Pflicht, eine angekündigte Beschwerdebegründung abzuwarten, etwa LG Dessau-Roßlau, Beschluss vom 7. September 2009 - 5 T 252/12 -, juris Rn. 6 m.w.N.).

Der Senat macht im Hinblick auf das fehlerhafte Abhilfeverfahren von dem ihm nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO eingeräumten Ermessen Gebrauch, dem Verwaltungsgericht die erneute Entscheidung über die Abhilfe der Beschwerde gegen die nachträgliche Anordnung von Ratenzahlungen zu übertragen (vgl. zu dieser Möglichkeit etwa OVG LSA, Beschluss vom 20. Oktober 2008, a.a.O.; HessVGH, Beschluss vom 4. Februar 2014 - 5 D 226/14 -, NJW 2014, 1322, juris Rn. 4 f.).

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).