Gericht | FG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 04.10.2018 | |
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Aktenzeichen | 9 K 9159/17 | ECLI | ECLI:DE:FGBEBB:2018:1004.9K9159.17.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgende EUR-Beträge zu zahlen
1. 224 412,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5. v. H. über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 76 412,19 EUR seit dem 2. Dezember 2009 und auf einen Betrag in Höhe von 148 000,00 EUR seit dem 9. Dezember 2013
2. 13 500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 v. H. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Januar 2015
3. 19 700,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 v. H. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Januar 2015
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten um die Fragen, ob die Klägerin als Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Herrn B… aufgrund einer Anfechtungserklärung seitens des Finanzamtes (FA) D… gegenüber dem Beklagten nach den Vorschriften des Anfechtungsgesetzes (AnfG) vom Beklagten Zahlung von insgesamt 257 612,19 EUR zuzüglich Zinsen an die Insolvenzmasse beanspruchen kann und ob das Finanzgericht für die Entscheidung über diesen Rechtsstreit zuständig ist.
Der 1959 geborene, verheiratete Beklagte, von Beruf selbständiger Versicherungskaufmann, ist Sohn des 1936 geborenen Kfz-Meisters B…, E…-Str., D…. Letzterer war seit mindestens 1973 Inhaber eines Einzelunternehmens „Kfz-Werkstatt, Verkauf von Kfz und Verpachtung von Räumlichkeiten“ (vgl. Jahresabschluss zum 31. Dezember 2000) mit Sitz in D…, F…-Str. und wurde vom FA D… zusammen mit seiner ebenfalls 1936 geborenen Ehefrau G… zur Einkommensteuer veranlagt. G… verstarb am 19. Juli 2010.
B… hatte mindestens seit dem Jahr 2001 erhebliche Steuerschulden beim FA D… (im Jahr 2003 in sechsstelliger EUR-Höhe), weshalb das FA die Zwangsvollstreckung gegen ihn betrieb.
Mit notariell beurkundetem „Grundstücks-Schenkungsvertrag“ vom 10. Dezember 2002 (UR-Nr. … des Notars H… aus D…, Bl. 671 ff. d. A,) übertrugen B… sowie seine Ehefrau das jeweils hälftige Eigentum an dem bebauten Grundstück E…-Str., D… auf den Beklagten. Gleichzeitig erhielten die Eltern des Beklagten ein lebenslanges, grundbuchrechtlich abgesichertes, uneingeschränktes Nießbrauchsrecht an dem Grundstück. Das Grundstück war zu diesem Zeitpunkt mit einem Hypothekenkredit in Höhe von über 140 000,00 EUR belastet, der vom Beklagten schuldrechtlich nicht übernommen wurde.
Im Jahr 2003 gab B… sein Einzelunternehmen auf. Neben dem Einzelunternehmen existierte die I… GmbH (künftig: GmbH; Alleingesellschafter: B…), bezüglich derer zum 1. April 2003 die Aufgabe der Gewerbetätigkeit beim Bezirksamt D… angezeigt wurde. Ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH wurde vom Amtsgericht D… noch im Jahr 2003 mangels Masse abgewiesen. Die Gesellschaft wurde am 29. April 2003 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht. Zwischen dem Einzelunternehmen und der GmbH bestand eine Betriebsaufspaltung (vgl. Tz. 14 des Berichts des Finanzamtes D… über die Außenprüfung beim Einzelunternehmen betr. die Jahre 2002 bis 2005 vom 28. Juni 2007).
Mangels Einreichung einer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 durch die Eltern des Beklagten schätzte das FA D… die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) und erließ am 26. Oktober 2004 einen Einkommensteuerbescheid 2002 über 938,00 EUR. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO). Am 12. August 2005 ging die ausstehende Einkommensteuererklärung der Eltern des Beklagten für das Jahr 2002 beim FA D… ein. Darin erklärten die Eltern u. a. Einkünfte des Vaters des Beklagten aus Gewerbebetrieb (Autowerkstatt) in Höhe von ./. 21 587,00 EUR. Das FA D… folgte zunächst den Angaben in der Steuererklärung und setzte die Einkommensteuer unter Berufung auf § 164 Abs. 2 AO mit Bescheid vom 25. August 2005 auf 790,00 EUR fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
Mangels Einreichung einer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2003 durch die Eltern des Beklagten schätzte das FA D… die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 1 AO (Einkünfte des Vaters des Beklagten aus Gewerbebetrieb: 20 000,00 EUR) und setzte die Einkommensteuer 2003 mit Bescheid vom 24. März 2005 wiederum unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.
Der Vater des Beklagten bezog im Jahr 2004 Renteneinkünfte in Höhe von insgesamt 6 094 EUR (Rentenbeginn: 14. Februar 2001). Seine Ehefrau bezog im Jahr 2004 Renteneinkünfte in Höhe von insgesamt 10 343 EUR. Sie war zu diesem Zeitpunkt schwerbeschädigt mit einem Grad der Behinderung (GdB) in Höhe von 90 v. H.
Der Vater des Beklagten bezog im Jahr 2004 außerdem für 11 Monate (1.1.-30.11.2004) Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung des bebauten Grundstücks „F…-Str., D…“ in Höhe von 56 706,00 EUR (vgl. Tz. 25 des o. g. BP-Berichts). Diesbezüglich hatte er in der Einkommensteuererklärung 2004 Mieteinnahmen in Höhe von insgesamt
96 977,00 EUR sowie Werbungskosten in Höhe von 34 733,00 EUR erklärt.
Die Immobilie umfasste vier Vermietungseinheiten (Autowerkstatt, Autohandel, Restaurant, Büro) und war mit drei Sicherungshypotheken über insgesamt rund 112 000 EUR zugunsten des Landes wegen Steuerschulden von B… belastet (eingetragen am 8. Februar 2002, 20. August 2003 und am 29. Oktober 2003).
Am 23. Oktober 2004 schlossen B… und der Beklagte folgenden privatschriftlichen „Versorgungsvertrag“ (Bl. 659 ff. d. A.):
„Präambel
Der Übergeber wird durch notarielle Beurkundung bis 30. Oktober 2004 das in seinem Eigentum befindliche Grundvermögen „F…-Str.“ in D…, Grundbuch Amtsgericht D… Blatt 8120“ an den Übernehmer übergeben.
Der Übernehmer übernimmt die auf dem Grundstück lastenden Hypotheken bzw. hat sie schon aus Eigenmitteln übernommen.
Beide Parteien vereinbaren hiermit, dass der Übernehmer nach Vollzug der Übernahme des vorstehenden Grundstücks an den Übergeber monatliche Entgeltzahlungen als Versorgungsleistungen bis zum Lebensende des Übergebers zu leisten hat.
Grundlage für die Ermittlung der Versorgungsleistungen sind die den Parteien bekannten, derzeitigen Erträge aus dem Objekt „F…-Str.“. Diese belaufen sich aufgrund der den Parteien bekannten Mietverhältnisse auf monatlich ca. 9 000,00 EUR (netto/kalt).
Höhe der Versorgungsleistungen
Die Parteien vereinbaren ab Übergang des wirtschaftlichen Eigentums des vorstehenden Objektes auf den Übernehmer eine jährliche Versorgungsleistung von mindestens 54 000,00 EUR (in Worten: vierundfünfzigtausend), welche in monatlichen Raten während des Jahres an den Übergeber zu entrichten sind.
Die sich rechnerisch aus der Jahresleistung ermittelte monatliche Rate von 4 500,00 EUR ist spätestens bis Monatsende für den laufenden Monat zu entrichten und kann während eines Monats in Teilbeträgen erbracht werden (z. B. wöchentliche Teilzahlung der vereinbarten Rate). Vorauszahlungen auf die vereinbarte Jahresleistung durch höhere monatliche Raten sind zulässig und können mit den Leistungen der folgenden Monate verrechnet werden.
Laufzeit der Versorgungsleistungen
Die vereinbarte Versorgungsleistung endet mit dem Tod des Übergebers.
Abänderbarkeit der Versorgungsleistungen
Die Höhe der vorstehenden Versorgungsleistung von jährlich 54 000,00 EUR wurde nach dem Jahresertrag des übertragenen Grundstückes zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bemessen. Sollte eine Veränderung des Jahresertrages nach oben oder nach unten eintreten, so ist auch eine Abänderung der vereinbarten Versorgungsleistung notwendig. Die Vertragsparteien werden eine Anpassung der Versorgungsleistung vornehmen, sobald der Jahresertrag um mehr als 30 % vom heutigen Ertrag abweicht.
Ablösung Versorgungsleistung im Falle der Veräußerung des Grundstückes
Sollte eine Veräußerung des Grundstückes zu Lebzeiten des Übergebers durch den Übernehmer erfolgen, so hat der Übergeber (Versorgungsberechtigte) einen Anspruch auf eine Ablösesumme in Höhe des Bartwerts der Versorgungsleistungen. Die vorgenannte Ablösesumme ermäßigt sich um die bis zur Geltendmachung der Ablösesumme an den Übergeber gezahlten Versorgungsbeträge.
Vertragliche Zusatzvereinbarungen
Die Parteien verzichten zunächst auf die grundbuchliche Eintragung der Zahlungsverpflichtung des Übernehmers (Eintragung einer dauernden Last). Der Übernehmer verpflichtet sich jedoch auf erstes Anfordern des Übergebers eine grundbuchliche Absicherung zu veranlassen. Änderungen des Vertrages bedürfen der Schriftform.“
Nach Aktenlage wurde diese Vereinbarung dem FA D… erst während der Außenprüfung überreicht.
Mit Vertrag vom 27. Oktober 2004 (UR-Nr. … des Notars H… aus D…, Bl. 648 ff. d. A.), der den Versorgungsvertrag nicht erwähnt, veräußerte B… das o. g. Grundstück an den Beklagten. Der vereinbarte Kaufpreis betrug 530 000,00 EUR und sollte vom Beklagten durch Übernahme der im Grundbuch unter den lfd. Nrn. 15 - 18 eingetragenen Hypotheken entrichtet werden. Zugleich sollten die weiteren unter Nrn. 18 (wohl Nr. 19) - 23 eingetragenen Belastungen im Grundbuch gelöscht werden. Nach Aktenlage erfolgte die Löschung am 13. Dezember 2004. Noch im selben Jahr tilgte der Beklagte die hypothekarisch gesicherten Abgabenverbindlichkeiten seines Vaters beim FA D… in Höhe von über 110 000,00 EUR. Außerdem war das Grundstück mit zwei Grundschulden zugunsten der N… Bank über nominal 900 000,00 DM bzw. 600 000,00 DM belastet. Die zugrunde liegenden Hypothekendarlehen valutierten damals noch in Höhe von 351 656,59 EUR (s. Abrechnung der J… AG vom 7. Oktober 2004) und wurden vom Beklagten ebenfalls noch im Laufe des Jahres 2004 vollständig abgelöst. Hierfür musste er einschließlich einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 24 194,41 EUR insgesamt 376 263,40 EUR entrichten. Hinzu kamen noch 3 198,99 EUR als rückständige monatliche Leistungsrate des Vaters. Ferner zahlte der Beklagte in zeitlichem Zusammenhang zum Grundstückserwerb und zur Erfüllung einer von ihm gegenüber dem Antragsgegner abgegebenen Bürgschaftserklärung 10 000,00 EUR auf die Steuerschulden seines Vaters, sodass das FA D… die Bürgschaftserklärung des Beklagten für hinfällig erklärte.
Zur Finanzierung dieser Kaufpreiszahlungen wurden vom Beklagten zwei Hypothekenkredite aufgenommen bzw. übernommen. Zum 25. Oktober 2007 löste er den Kredit bei der J… AG vollständig ab. Der verheiratete Beklagte verfügte z. B. im Jahr 2005 über Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Angestellter der K… GmbH aus D… in Höhe von brutto 63 236,21 EUR sowie über durch Einnahme-/Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelte Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Versicherungsvertretung) in Höhe von 31 424,15 EUR.
Das FA D… ermittelte im Rahmen einer Liquiditätsprüfung für Vollstreckungszwecke einen Kapitalwert der dem Vater des Beklagten versprochenen Versorgungsleistungen nach § 14 Bewertungsgesetz i. V. m. Anl. 9 in Höhe von 438 380,00 EUR und einen Verkehrswert des Grundstücks F…-Str. zum 1. Januar 2004 in Höhe von 760 000,00 EUR. Ein Sachverständiger der IHK D…, Herr L…, ermittelte durch Gutachten vom 15. September 2004 einen Verkehrswert der Immobilie in Höhe von 828 000,00 EUR.
Der Beklagte bzw. sein Vater erklärten folgende Kaltmieteinnahmen und Überschüsse der Einnahmen über die Werbungskosten aus der Vermietung der streitgegenständlichen Immobilie (teilweise nach Außenprüfungen geringfügig geändert):
Mieteinnahmen ohne Umlagen:
Überschuss VuV:
2004:
105 906,00 EUR
57 826,24 EUR
(nach Zusammenfassung)
[davon für 11 Monate 56 706 EUR
Beklagter für einen Monat: 1 117,24 EUR
- jeweils nach Außenprüfung]2005:
113 672,00 EUR
56 380,00 EUR
2006:
91 254,00 EUR
32 111,00 EUR
2007:
104 362,00 EUR
40 126,00 EUR
2008:
110 980,00 EUR
27 451,00 EUR
2009:
98 320,00 EUR
45 071,00 EUR
2010:
92 843,00 EUR
40 336,00 EUR
2011:
92 843,00 EUR
41 713,00 EUR
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen ab dem Jahr 2005 machte der Beklagte die an seinen Vater geleisteten Versorgungsleistungen als „dauernde Last“ steuermindernd geltend. Das FA D… erkannte die Zahlungen jeweils als Sonderausgaben im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG an.
Am 2. Januar 2006 vereinbarten der Beklagte und sein Vater einen „1. Nachtrag zum Versorgungsvertrag vom 23. Oktober 2004“ (Bl. 661 d. A.). In der Vereinbarung heißt es:
„Abänderbarkeit der Versorgungsleistungen – Anpassungsvereinbarung für Rentenzahlungen ab 2006
Aufgrund der Reduzierung des Jahresertrages aus der Immobilie F…-Str. wird hiermit eine Anpassung der vereinbarten Jahresversorgungsleistung zwischen den Parteien ab 2006 aus dem Versorgungsvertrag vom 23.10.2004 vereinbart.
Die bisherige Versorgungsleistung von jährlich 54 000,00 EUR reduziert sich auf eine Gesamt-Versorgungsleistung ab 2006 von jährlich 43 195,00 EUR.
Die sich rechnerisch ergebende monatliche Rate beträgt 3 599,58 EUR, gerundet 3 600,00 EUR, gemäß den getroffenen Vereinbarungen zur Zahlung der monatlichen Versorgungsleistungen aus dem Versorgungsvertrag. Die Vorauszahlung aus 2005 in Höhe von 1 815,00 EUR ist in dem Betrag von 43 195,00 EUR enthalten.
Mietminderung durch den Mieter M… (Werkstatt) sowie eine Erhöhung der Kosten für die Immobilie sind die Gründe für die vorgenommene Anpassung.
Alle übrigen Vertragsbestimmungen bleiben hiervon unberührt.“
Am 4. März 2007 unterzeichneten der Beklagte und sein Vater einen „2. Nachtrag zum Versorgungsvertrag vom 23. Oktober 2004“ (Bl. 662 d. A.). Darin heißt es:
„Abänderbarkeit der Versorgungsleistungen – Anpassungsvereinbarung für Ratenzahlungen ab 2007
Die Parteien sind heute zusammengekommen und haben nach ausführlicher Offenlegung der wirtschaftlichen Ertragslage und Besichtigung der Immobilie F…-Str. im gegenseitigen Einvernehmen eine Anpassung der Versorgungsleistungen auf eine angemessene wirtschaftlich vertretbare Höhe vereinbart. Die Parteien erklären als vereinbart, dass die bisherige Versorgungsleistung in Höhe von 43 195,00 EUR p. a. wie folgt angepasst wird:
Für das erste Quartal 2007 (Monat 1-4) monatlich 2 355,00 EUR, ab Monat 05-2007 1 400,00 EUR monatlich. Das entspricht einer Jahresversorgungsleistung für 2007 in Höhe von 20 620,00 EUR und ab 2008 eine Jahresversorgungsleistung in Höhe von 16 800,00 EUR.
Begründung: Die wesentlichen Gründe für diese Anpassung liegen in der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung des Risikomieters Werkstatt. Durch unberechtigte Mietminderung und im Anschluss Total-Ausfall des Mieters Werkstatt ist in 2006 ein Verlust von 29 770,00 EUR eingetreten. Die Forderung ist uneinbringbar, da der Mieter die EV abgegeben hat (s. Anlage 1).
Bei dem Nachfolgemieter ist bis 02-2007 das Mieterkonto mit 9 600,00 EUR Kaution zuzüglich 5 960,00 EUR Mieten = 15 560,00 EUR im Soll. Das entspricht einem Gesamtverlust aus der Mieteinheit Werkstatt bis heute von 45 330,00 EUR.
Des weiteren besteht bei der Immobilie ein erheblicher Instandhaltungsrückstau sowie erhebliche Kosten für die Zukunft. Der Vormieter verursachte u. a. erhebliche Gebäudeschäden. Die Kosten für notwendige Reparaturmaßnahmen sind so erheblich und im Einzelnen so kostenintensiv, dass eine aufwendige Sanierung bevorsteht.
Gebäudemängel sind u. a. Elektroinstallation im Werkstattbereich, feuchte Wände, Dachundichtigkeiten etc. Zusätzlich steht eine Dachreparatur oder Total-Erneuerung am Haupthaus an, sowie eine kostenintensive Instandsetzung des Ölabscheiders auf dem Grundstück, um nur die wesentlichen, noch bevorstehenden Maßnahmen zu benennen. Aus diesen wichtigen und vorher nicht absehbaren Gründen ist diese Anpassung existentiell und wirtschaftlich unabdingbar.
Alle übrigen Vertragsbestimmungen bleiben hiervon unberührt.“
Ab dem darauf folgenden Tag, dem 5. März 2007, führte das FA D… bei B… eine Außenprüfung betr. die Jahre 2002 bis 2005 durch (vgl. Bericht vom 28. Juni 2007, Bl. 226 ff. d. A.). Zu Beginn der Außenprüfung gaben die Eltern des Beklagten die noch ausstehende Einkommensteuererklärung 2003 ab. Darin wurden bezüglich des Einzelunternehmens des Vaters des Beklagten negative laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 29 504,93 EUR sowie ein Betriebsaufgabegewinn in Höhe von 136 311,77 EUR erklärt. Der Außenprüfer ermittelte hingegen einen Betriebsaufgabegewinn in Höhe von 361 882,46 EUR. Die Abweichung beruhte in Höhe eines Teilbetrags von 223 500,00 EUR darauf, dass der als Werkstatt genutzte, betriebliche Teil des insgesamt im Alleineigentum des Vaters des Beklagten stehenden Grundstücks „F…-Str.“ in D… von diesem in der Einkommensteuererklärung 2003 mit 232 500,00 EUR (= 46,63 v. H. bei einem Entnahmewert des Gesamtgrundstücks in Höhe von 500 000,00 EUR) angesetzt worden war, während der Außenprüfer diesen betrieblichen Anteil mit 456 000,00 EUR (= 60 v. H. bei einem Entnahmewert des Gesamtgrundstücks in Höhe von 760 000,00 EUR, vgl. Tz. 24 des o. g. Berichts) bewertete. Außerdem stellte der Außenprüfer fest, dass der Vater des Beklagten einen Kredit bei der N… Bank in der Bilanz des Einzelunternehmens auf den 31. Dezember 2002 zu Unrecht mit 503 887,08 EUR anstatt mit 343 505,60 EUR passiviert hatte. Dazu heißt es in Tz. 17 des o. g. Berichts:
„In der Steuerbilanz wurden die Gesamtdarlehensschulden ausgewiesen, obwohl nur 77 v. H. mit dem betrieblich genutzten Grundstücksteil im Zusammenhang stehen. Zusätzlich wurden noch geschätzte Zinsaufwendungen 2000 i. H. v. 21 985,55 EUR (= 43 000,00 DM) den Schulden hinzugerechnet. Laut BP erfolgten die letzten Zahlungen in 2000, die nur auf die Hauptforderung verbucht wurden. Zinsaufwendungen wurden somit seit 2000 nicht mehr beglichen. Darlehensstand per 31.12.2002 = 446 111,17 EUR x 77 v. H. = 343 505,60 EUR Wert lt. BP; laut BP haben seit 2000 folgende Zinsverbindlichkeiten den Gewinn gemindert: 2000 = 21 985,55 EUR [43 000,00 DM]; 2001 = 20 451,68 EUR [40 000,00 DM], 2002 = 20 451,68 EUR; Gewinnerhöhung 2002 = 62 888,91 EUR“.
Daraufhin erließ das FA D… am 14. September 2007 unter Berufung auf § 164 Abs. 2 AO u. a. geänderte Bescheide betr. Einkommensteuer 2002 und 2003, die Steuernachforderungen in Höhe von insgesamt 189 466,00 EUR auswiesen. Auf Antrag der Eltern des Beklagten ergingen im Anschluss Aufteilungsbescheide i. S. von § 268 AO hinsichtlich der Einkommensteuerverbindlichkeiten.
Der Vater des Beklagten konnte diese aus der Betriebsprüfung resultierenden Steuernachforderungen angesichts der zuvor mit dem Beklagten vereinbarten starken Kürzung seiner Einnahmen aus dem Versorgungsvertrag nicht bedienen (vgl. Liquiditätsprüfungsbericht des FA D… vom 3. Juli 2008).
Am 27. November 2009 erließ das FA D… gegenüber dem Beklagten einen auf § 4 AnfG i. V. m. § 191 AO gestützten Bescheid, mit dem die Behörde im Hinblick auf rückständige und vollstreckbare Abgabenverbindlichkeiten des Vaters in Höhe von 215 270,98 EUR die Anfechtung der Änderungsvereinbarungen vom 2. Januar 2006 und vom 4. März 2007 erklärte und einen Rückgewähranspruch nach § 11 AnfG in Höhe von 76 412,19 EUR geltend machte; dieser Betrag entsprach den Minderausgaben des Beklagten aufgrund der Rentenkürzungen im Zeitraum 1. Januar 2006 bis 27. November 2009. Zur Begründung führte das FA aus, dass das Land Berlin als Gläubiger des Vaters des Beklagten durch die vollzogenen Vertragsänderungen benachteiligt worden sei. Aufgrund des gesetzlichen Auftrags, die rechtzeitige Zahlung der Abgaben sicher zu stellen, halte man es für ermessensgerecht, den Beklagten zur Duldung der Vollstreckung heranzuziehen. Das ihm im Wege der Vertragsanpassungen zugeflossene Vermögen sei das einzige, in das vollstreckt werden könne. Die Vollstreckung in das sonstige Vermögen des Vaters sei erfolglos verlaufen.
Der Betrag in Höhe von 76 412,19 EUR setzt sich wie folgt zusammen:
2006: 12 x 900,00 EUR Kürzungsbetrag Beklagter = | 10 800,00 EUR |
01/- 04/2007: 4 x 2 145,00 EUR Kürzungsbetrag Bekl. = | 8 580,00 EUR |
05/ - 12/2007: 8 x 3 100,00 EUR Kürzungsbetrag Bekl. = | 24 800,00 EUR |
2008: 12 x 3 100,00 EUR Kürzungsbetrag Bekl. = | 37 200,00 EUR |
2009: 11 x 3 100,00 EUR Kürzungsbetrag Bekl. = | 34 100,00 EUR |
./. 47 Monate Kreditratenübernahme i. H. v. monatl. 831,23 EUR = | 39 067,81 EUR |
Der Beklagte erhob gegen den Duldungsbescheid fristgerecht Einspruch. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, § 4 AnfG sei im vorliegenden Fall unanwendbar, da das streitgegenständliche Grundstück nicht unentgeltlich auf ihn übertragen worden sei. Hinsichtlich der Regelungen im Versorgungsvertrag vom 23. Oktober 2004 sei die vierjährige Anfechtungsfrist im Zeitpunkt des Erlasses des Duldungsbescheids bereits abgelaufen gewesen. Die Vereinbarungen vom 2. Januar 2006 und vom 4. März 2007 würden nur eine Konkretisierung der bereits am 23. Oktober 2004 ihm, dem Beklagten, von seinem Vater zugestandenen Rentenminderungsrechte bedeuten: Durch diese Vereinbarungen seien keine zusätzlichen Rechte geschaffen worden, weshalb auch eine Anfechtung wegen Gläubigerbenachteiligung gemäß § 3 AnfG ausscheide, die das FA D… noch mit Schriftsatz vom 19. September 2008 beabsichtigt habe. Außerdem sei der Duldungsbescheid wegen unzureichender Ausübung des sog. Entschließungsermessens seitens des FA D… rechtswidrig.
Im Jahr 2010 führte das FA D… beim Beklagten eine Betriebsprüfung betr. die Jahre 2006 bis 2008 durch, im Rahmen derer er auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks F…-Str. überprüfte (vgl. Berichte vom 21. Dezember 2010 und vom 5. Juli 2011; Bl. 426 ff. d. A.). Dabei ergab die Prüfung folgende Feststellungen:
Einnahmen: | 2006 | 2007 | 2008 |
Wert vor Prüfung: | 91 254 EUR | 104 362 EUR | 99 950 EUR |
Wert nach Prüfung: | 91 254 EUR | 104 362 EUR | 110 980 EUR |
Überschuss: | |||
Wert vor Prüfung: | 32 111 EUR | 40 126 EUR | 27 451 EUR |
Wert nach Prüfung: | 31 061 EUR | 35 272 EUR | 37 654 EUR |
Mit Einspruchsentscheidung vom 9. November 2011 wies das FA D… den Einspruch des Beklagten gegen den Duldungsbescheid als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, die Herabsetzungen der Versorgungsleistungen gemäß den beiden Nachtragsvereinbarungen seien als unentgeltliche Leistungen (Teilverzichte) im Sinne von § 4 AnfG zu qualifizieren. Das Motiv für die Zuwendung sei im Rahmen des § 4 AnfG unerheblich. Entscheidend für die Unentgeltlichkeit sei allein die objektive Wertrelation zwischen der Leistung des Schuldners und der Gegenleistung des Empfängers.
Im vorliegenden Fall seien die ursprünglichen vereinbarten monatlichen Versorgungsleistungen in Höhe von 4 500,00 EUR pro Monat ohne hinreichenden Grund um insgesamt 69 v. H. auf nur noch 1 400,00 EUR pro Monat im Jahr 2008 herabgesetzt worden.
Der Beklagte könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, dass die Anpassungsverträge keine eigenständigen Regelungen enthalten würden. Wie die Feststellungen im Rahmen der Betriebsprüfung ergeben hätten, seien die streitgegenständlichen Vertragsanpassungen durch den Vertrag vom 23. Oktober 2004 nicht legitimiert gewesen. In jenem Vertrag sei vereinbart worden, dass nur eine Abweichung der Grundstückserträge in Höhe von 30 v. H. von den damaligen Jahreskaltmieteinnahmen in Höhe von 108 000,00 EUR – also ein Absinken der Jahreseinnahmen auf 75 600,00 EUR – Anlass zu einer Neufestlegung der Höhe der Versorgungsleistungen gewesen wäre.
Für das Jahr 2005 seien vom Beklagten Mieteinnahmen in Höhe von 113 672,00 EUR, für das Jahr 2006 in Höhe von 91 254,00 EUR erklärt und von der Betriebsprüfung (Einkommensteuer 2006) als zutreffend angesehen worden. Demnach habe keine rechtliche Notwendigkeit für die Durchführung der vorgenommenen Versorgungsanpassungen bestanden.
Soweit der Beklagte hiergegen einwende, dass die Formulierungen im Versorgungsvertrag missverständlich seien, führe dies zu keiner anderen rechtlichen Einschätzung des Falles. Das FA D… gehe davon aus, dass der Beklagte ebenso wie sein Vater als Kaufleute rechtskundig seien und sich in Vertragsangelegenheiten von derartiger Wichtigkeit möglicherweise auch anwaltlich beraten lassen würden. Ferner sei die vom Beklagten behauptete ungenaue Formulierung eine kalkulatorische, also kaufmännische, aber nicht juristische. Die Vereinbarungen im Versorgungsvertrag seien dahin gehend auszulegen, dass der Unterhalt des Vaters gesichert werde. Berechnungsgrundlage hierfür seien die den Vertragspartner bekannten Erträge aus dem Grundstück von monatlich 9 000,00 EUR. Erst eine Abweichung hiervon in Höhe von 30 v. H. habe zu einer Anpassung des Vertrages berechtigen sollen. Instandhaltungskosten seien Sache des (wirtschaftlichen) Eigentümers. Der durch den Versorgungsvertrag angestrebte Versorgungszweck werde verfehlt, wenn der Vater des Beklagten als Vollstreckungsschuldner am 7. September 2007 an Amtsstelle erkläre, dass die damaligen (angepassten) Versorgungsleistungen seinen eigenen Lebensbedarf und den seiner Ehefrau nicht mehr decken würden.
Der Ertragsberechnung des Beklagten sei entgegenzuhalten, dass Mietausfälle ihren Niederschlag in den vereinnahmten und erklärten Mieten gefunden haben dürften und der Beklagte keine erheblichen Instandhaltungsaufwendungen vorgenommen habe (2005: 14 890,00 EUR; 2006: 4 379,00 EUR).
Der Beklagte erhob am 9. Dezember 2011 Klage gegen den streitgegenständlichen Duldungsbescheid (Az.: 9 K 9309/11). Mit Bescheid vom 10. Januar 2012 lehnte das FA D… den bei ihm gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Duldungsbescheids für die Dauer des Hauptsacheverfahrens 9 K 9309/11 ab. Daraufhin beantragte der Beklagte beim FG Berlin-Brandenburg die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids (Az.: 9 V 9143/12).
Während des laufenden Klageverfahrens erließ das FA D… am 5. Dezember 2013 gegenüber dem Beklagten einen zweiten, ebenfalls auf § 4 AnfG i. V. m. § 191 AO gestützten Bescheid, mittels dessen die Behörde im Hinblick auf rückständige und vollstreckbare Abgabenverbindlichkeiten des Vaters in Höhe von 240 690,48 EUR (Stand: 4. März 2007) erneut die Anfechtung der o. g. Änderungsvereinbarung vom 4. März 2007 im Hinblick auf den Anschluss-Rentenbezugszeitraum Dezember 2009 bis November 2013 erklärte und einen Rückgewähranspruch nach § 11 AnfG in Höhe von 148 000,00 EUR geltend machte. Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
Dezember 2009 bis einschließlich November 2013 = 48 Monate x 3 100,00 EUR Kürzungsbetrag Versorgungsrente = 148 800,00 EUR
In Ermangelung gleich effizienter Mittel sei es ermessensgerecht, den Beklagten zur Duldung der Zwangsvollstreckung heranzuziehen. Das dem Beklagten zugeflossene Vermögen sei der einzige Vermögensgegenstand, in den vollstreckt werden könne. Die Vollstreckung in das sonstige Vermögen des Vaters sei erfolglos verlaufen.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2013 übersandte das FA D… dem Gericht ein Doppel des zweiten Duldungsbescheids zur Kenntnisnahme (Bl. 405 d. A.).
Der Beklagte legte auch gegen den zweiten Duldungsbescheid fristgerecht Einspruch ein.
Am 19. Dezember 2013 beantragte B… beim Amtsgericht D… die Eröffnung eines sog. Regelinsolvenzverfahrens über sein Vermögen (Az.: 36e IN 5237/13). Mit Beschluss vom 7. Januar 2014 beauftragte das Amtsgericht die Klägerin mit der Erstellung eines Gutachtens über dessen Vermögensverhältnisse.
Mit Beschluss vom 23. Januar 2014 (veröffentlicht in: Entscheidungsdienst des Deutschen Steuerrechts – DStRE - 2015, 107) wies der Senat den Antrag des Beklagten auf Aussetzung der Vollziehung des ersten Duldungsbescheids als unbegründet zurück. Gegen diesen Beschluss legte der Beklagte fristgerecht die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Beschwerde ein.
Am 24. Januar 2014 fand eine Besprechung zwischen der Klägerin und B… sowie dem Beklagten im Hinblick auf den anhängigen Insolvenzantrag in der Kanzlei ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten statt. Der Inhalt dieses Gesprächs ist – soweit es die Inanspruchnahme des Beklagten wegen Steuerschulden seines Vaters betrifft – zwischen den Prozessbeteiligten streitig.
Im Rahmen ihres Insolvenzgutachtens vom 17. Februar 2014 ermittelte die Klägerin noch vorhandene Aktiva im Wert von insgesamt 1 656,00 EUR, denen Verbindlichkeiten im Sinne von § 38 Insolvenzordnung -InsO- in Höhe von insgesamt 478 634,45 EUR gegenüberstanden (davon Steuerverbindlichkeiten in Höhe von 356 600,98 EUR).
Auf Seite 9 des o. g. Gutachtens führte die Klägerin Folgendes aus:
„Grundstückskaufvertrag über das Grundstück F…-Str., D…
Anhaltspunkte für eine Anfechtbarkeit des am 27. Oktober 2004 abgeschlossenen Kaufvertrages und der daraufhin erfolgten Übereignung an den Sohn des Schuldners vermag ich nicht zu erkennen. Zwar wurde der Kaufvertrag zeitlich gesehen noch innerhalb der zehnjährigen Frist des § 133 InsO abgeschlossen, jedoch ist eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung nicht erkennbar. Auch hinsichtlich der weiteren Vertragsanpassung vom 1. Januar 2006 und vom 4. März 2007 ist eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung nicht erkennbar.
Schenkungsvertrag über das Grundstück E…-Str., D…
Eine Anfechtbarkeit des am 10. Dezember 2002 abgeschlossenen Schenkungsvertrages und der daraufhin erfolgten Übereignung an den Sohn des Schuldners scheitert bereits an der Frist des § 133 InsO. Ungeachtet dessen ist eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung ebenfalls nicht erkennbar.“
Das Amtsgericht D… eröffnete am 28. Februar 2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen von B….
Durch Beschluss vom 10. März 2014 setzte der erkennende Senat das Klageverfahren 9 K 9309/11 bis zur Entscheidung des BFH über die Beschwerde des Beklagten im AdV-Verfahren aus. Der BFH verwarf die Beschwerde mit Beschluss vom 27. August 2014 (Az.: VII B 37/14, veröffentlicht in: Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV - 2015, 3) als unzulässig, weil das Rechtsschutzbedürfnis des Beklagten für das gerichtliche AdV-Verfahren aufgrund der inzwischen erfolgten Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Vaters weggefallen sei. Das FA D… könne nämlich aus dem Duldungsbescheid nicht mehr gegen den Beklagten vorgehen; das anhängige Klageverfahren (Az.: 9 K 9309/11) sei gemäß § 16 Abs. 1 InsO unterbrochen. Rechtsansprüche aufgrund von Anfechtungen nach den Vorschriften des AnfG könne während des laufenden Insolvenzverfahrens nicht mehr das FA D…, sondern nur noch die Klägerin als zuständige Insolvenzverwalterin geltend machen.
Mit Schriftsatz vom 18. September 2014 zeigten die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin dem FG ihre Vertretungsbefugnis an und teilten mit, dass derzeit geprüft werde, ob aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens tatsächlich eine Unterbrechung des Klageverfahrens 9 K 9309/11 eingetreten sei. Die Klägerin habe erst am 11. September 2014 vom FA D… Kenntnis von der Existenz des vorliegenden Rechtsstreits erhalten.
Mit weiterem Schriftsatz vom 4. Dezember 2014 stellte die Klägerin vor der Aufnahme des Prozesses durch sie einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ihre beabsichtigte Leistungsklage gegen den Beklagten (Az.: 9 K 9012/15 PKH). In der PKH-Antragsschrift wurden u. a. Zahlungsansprüche für die Vergangenheit in Höhe von insgesamt 257 612,00 EUR zuzüglich Zinsen betr. den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 31. Oktober 2014 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht. Die Antragsschrift wurde den jetzigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom FG am 16. Januar 2015 per Telefaxschreiben zur Stellungnahme übermittelt. Diese nahmen mit Schriftsatz vom 26. Januar 2015 sowie mit weiteren Schriftsätzen zu dem PKH-Antrag Stellung.
Der erkennende Senat wies den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH durch Beschluss vom 30. August 2017 als unbegründet zurück: Ein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bestehe nicht, weil das FA D… als Hauptgläubiger von B… gegenüber der Klägerin verpflichtet sei, einen Prozesskostenvorschuss im Hinblick auf die von ihr beabsichtigte Klage beim FG zu leisten.
Durch Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27. Oktober 2017 erklärte die Klägerin daraufhin die Aufnahme des Klageverfahrens. Zur Begründung ihrer Leistungsklage macht sie im Wesentlichen geltend, dass
- das FG Berlin-Brandenburg und nicht etwa das Landgericht D… (LG) für die Entscheidung über alle Anfechtungsrechte nach dem AnfG gegenüber dem Beklagten zuständig sei;
- die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Anfechtung der Änderungsvereinbarungen vom 2. Januar 2006 und vom 4. März 2007 zum Versorgungsvertrag vom 23. Oktober 2004 nach dem AnfG erfüllt seien;
- zwischenzeitlich keine Verjährung oder Verwirkung der Rechte des FA D… bzw. ihrer Rechte nach dem AnfG eingetreten sei.
Ausgangspunkt für die Aufnahme des bereits beim FG anhängigen Rechtsstreits 9 K 9306/11 durch sie, die Klägerin, sei § 16 AnfG. Dort sei in Abs. 1 ausgeführt, dass – wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei – der Insolvenzverwalter berechtigt sei, die von den Insolvenzgläubigern erhobenen Anfechtungsansprüche zu verfolgen. Unstreitig würden hierunter auch durch einen finanzbehördlichen Duldungsbescheid eingeleitete Anfechtungsverfahren fallen (Hinweis auf Münchener Kommentar zum AnfG, § 16 Rz. 8 und 10). „Rechtshängig“ im Sinne von § 17 Abs. 1 AnfG sei ein solches Verwaltungsverfahren schon ab der Bekanntgabe des Duldungsbescheids, weil dieser einen Zugriff auf die Insolvenzmasse ermöglichen könnte (Hinweis auf BFH-Urteil vom 29. März 1994 VII R 120/92, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1995, 225).
Die zunächst als Anfechtungsklage des jetzigen Beklagten gegen den ersten Duldungsbescheid erhobene, dem Finanzrechtsweg zugewiesene Klage sei auch nach Übernahme des Anfechtungsrechts des FA D… durch sie als Insolvenzverwalterin vom FG zu entscheiden. Eine Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige LG komme nicht in Betracht (Hinweis auf BFH-Urteil vom 18. September 2012 VII R 14/11, BStBl II 2013, 128). Dies betreffe sämtliche von ihr geltend gemachten Ansprüche nach dem AnfG gegenüber dem Beklagten. Der zweite Duldungsbescheid betreffe denselben Lebenssachverhalt und basiere auf demselben Rechtsgrund. Letztlich handele es sich bei dem Anspruch aus dem zweiten Duldungsbescheid nur um eine vom FA D… eingeleitete Maßnahme zur Unterbrechung der Verjährung.
Das FG habe nunmehr die dem Anfechtungsrecht der InsO zugrunde zu legenden Regeln der Zivilprozessordnung (ZPO) anzuwenden. Nach den Regeln des Zivilprozesses könne eine Anfechtungsklage mehrere Ansprüche beinhalten. Für den Zeitraum nach Aufnahme des Rechtsstreites durch sie, die Klägerin, bestehe die Möglichkeit der Feststellung der Zahlungspflicht des Beklagten für die Zukunft.
Auch für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ansprüche aus dem zweiten Duldungsbescheid sei der 9. Senat des FG Berlin-Brandenburg zuständig. Wäre sie, die Klägerin, hier gezwungen, eine isolierte Klage zu erheben, wäre nicht gewährleistet, dass der dann eventuell zuständige Senat des FG zu derselben Bewertung des Sachverhaltes gelangen würde wie der bereits mit der Sache befasste 9. Senat.
Der Rechtsstreit sei nach den prozessualen Vorschriften der Finanzgerichtsordnung (FGO) durchzuführen. Es verbleibe daher bei dem grundsätzlich geltenden Amtsermittlungsgrundsatz.
Sie, die Klägerin, nehme den Prozess im Stadium der Unterbrechung auf. Sämtlicher bisheriger Vortrag des FA D… müsse daher von ihr nicht wiederholt werden. Eine Bezugnahme auf Anlagen sei aufgrund des geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes möglich.
Auch aus den Regelungen des AnfG ergebe sich nicht die Notwendigkeit der Anwendung der ZPO im vorliegenden Klageverfahren. Richtig sei, dass das AnfG dem Insolvenzverwalter eine Wahlmöglichkeit einräume. Er könne den anhängigen Rechtsstreit aufnehmen oder tatsächlich eine neue Anfechtungsklage erheben. Durch diese Wahlmöglichkeit solle verhindert werden, dass der Insolvenzverwalter etwa gezwungen sein könne, einen aus seiner Sicht in einem ungünstigen Verfahrensstadium befindlichen Rechtsstreit aufzunehmen (Hinweis auf Huber, AnfG, 11. Aufl. [2016], § 17 Rz. 6). Dies wäre z. B. der Fall, wenn der Insolvenzverwalter in dem bereits anhängigen Rechtsstreit keine Angriffs- oder Verteidigungsmittel mehr vorbringen könnte. Für den Beklagten stelle diese Wahlmöglichkeit auch keinen Nachteil dar, da dieser bei Nichtvorliegen eines eröffneten Insolvenzverfahrens ja auch den anhängigen Rechtsstreit zu Ende hätte führen müssen.
Dem Beklagten werde vorliegend auch nicht der gesetzliche Richter entzogen. Unstreitig sei das FG Berlin-Brandenburg für den anhängigen Rechtsstreit ursprünglich zuständig gewesen. Wäre der Rechtsstreit vorliegend im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht beim FG anhängig gewesen, hätte sie (die Klägerin) ihre Ansprüche zwar tatsächlich lediglich vor dem LG D… verfolgen können. Dieser Gesichtspunkt führe aber nicht dazu, dass ein bereits anhängiger Rechtsstreit nicht mehr vor dem angerufenen Gericht weitergeführt werden könne.
Zu Unrecht berufe sich der Beklagte darauf, dass die streitgegenständlichen Ansprüche aus der erfolgten Anfechtung verjährt seien. Ein Anspruch, der bereits rechtshängig sei, könne nicht verjähren, unabhängig davon, wie lange eine Unterbrechung nach § 240 ZPO dauere. Die lange Verfahrensdauer habe darüber hinaus nicht sie, die Klägerin, zu vertreten, sondern sei dem erhöhten Arbeitsaufwand beim FG Berlin-Brandenburg geschuldet.
Auch eine Verwirkung der Ansprüche sei nicht eingetreten. Sie (die Klägerin) habe unmittelbar nach Kenntniserlangung von dem Klageverfahren 9 K 9309/11 und dessen Inhalt dieses Klageverfahren weiterverfolgt. Auch aus dem Verlauf des Ermittlungsgesprächs am 24. Januar 2014 ergebe sich kein Verzicht auf die Geltendmachung der Anfechtungsrechte. Ein solcher Verzicht wäre nur dann gegeben, wenn sie, die Klägerin, dem Beklagten zugesagt hätte, dass sie keine Anfechtungsansprüche gegen ihn geltend machen werde. Dies setzte jedoch voraus, dass sie einen entsprechenden Willen gehabt hätte. Allein der Umstand, dass sie sich zum damaligen Zeitpunkt für einen Prozess nicht interessiert habe, stelle einen solchen Verzicht nicht dar. Außerdem sei sie zum damaligen Zeitpunkt als bloße Gutachterin in einem noch nicht eröffneten Insolvenzverfahren rechtlich auch gar nicht in der Lage gewesen, eine rechtsverbindliche Verzichtserklärung gegenüber dem Beklagten abzugeben.
Hinzu komme, dass sie, die Klägerin, in dem Gespräch am 24. Januar 2014 vom Kläger und von dessen Vater überhaupt nicht über Gegenstand und Hintergründe des Rechtsstreits informiert worden sei. Wenn bei dem Gespräch Worte wie „Anfechtung“ oder „Angriff der Versorgungsverträge“ gefallen wären, wäre sie, die Klägerin, hellhörig geworden, denn die Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen sei eine Kernaufgabe des Insolvenzverwalters. Der Beklagte habe bei dem Gespräch am 24. Januar 2014 nur beim Verlassen des Besprechungsraums erwähnt, dass er einen Finanzrechtsstreit führe, jedoch zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, dass es sich hierbei um einen Anfechtungsrechtsstreit im Zusammenhang mit den nunmehr streitgegenständlichen Vereinbarungen handele. Er habe dann noch angefügt, dass er anwaltlich vertreten sei und er dagegen Einspruch einlegen werde. Sie, die Klägerin, sei davon ausgegangen, dass es sich bei dem Rechtsstreit lediglich um die Frage der Berechtigung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Beklagten als Drittschuldner gegangen sei. Der Beklagte habe in dem Ermittlungsgespräch am 24. Januar 2014, welches auf Antrag des Vaters des Beklagten auf diesen Termin nach hinten verschoben worden sei, auch mit keiner Silbe erwähnt, dass das FG Berlin-Brandenburg einen Tag zuvor (am 23. Januar 2014) aufgrund mündlicher Verhandlung vor dem Vollsenat seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des ersten Duldungsbescheids abgewiesen habe.
Schließlich könne der Beklagte auch aus den Ausführungen im Insolvenzgutachten keine Rechte für sich ableiten. Sie, die Klägerin, habe ihr Gutachten nach Maßgabe der ihr damals vorliegenden Unterlagen erstattet. Die Hintergründe, auf die das FA D… den Anfechtungsanspruch gestützt habe, seien ihr nicht bekannt gewesen. Nach den ihr vorliegenden Unterlagen habe zum damaligen Zeitpunkt kein solcher Anfechtungsanspruch bestanden. Das Gutachten entfalte keine Wirkung zugunsten Dritter. In den meisten Insolvenzverfahren stellte sich im Laufe der Durchführung heraus, dass ursprünglich angenommene Sachverhalte sich nicht bestätigen ließen, oder es würden neue Sachverhalte bekannt, die auch zu neuen Ansprüchen führten.
In materiell-rechtlicher Hinsicht verweist die Klägerin im Wesentlichen auf die Ausführungen des FA D… in dessen Einspruchsentscheidung zum ersten Duldungsbescheid sowie auf den Inhalt des zweiten Duldungsbescheids. Ergänzend führt sie aus, dass sich der Beklagte nicht auf § 11 Abs. 2 Satz 1 AnfG berufen könne. So habe er schon in der Vergangenheit Steuerschulden für seinen Vater übernommen und habe gewusst, dass sein Vater seinen Betrieb zum 30. April 2003 aufgegeben und die Steuererklärungen 2002 und insbesondere 2003 nicht fristgemäß eingereicht habe. Er sei deshalb im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 2 AnfG als bösgläubig anzusehen.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verpflichten, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 224 412,19 EUR (nebst Zinsen in Höhe von 5 v. H. über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 76 412,19 EUR seit Zustellung des Duldungsbescheids vom 27. November 2009 und auf einen Betrag in Höhe von 148 000,00 EUR seit Zustellung des Duldungsbescheids vom 5. Dezember 2013) zu zahlen
2. den Beklagten zu verpflichten, für den Zeitraum Januar bis März 2014 einen weiteren Betrag in Höhe von 13 500,00 EUR (nebst Zinsen in Höhe von 5 v. H. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit) zu zahlen
3. den Beklagten zu verpflichten, für den Zeitraum April bis einschließlich Oktober 2014 einen Betrag in Höhe von 19 700,00 EUR (nebst Zinsen in Höhe von 5 v. H. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit) zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Ansicht komme die Aufnahme des Rechtsstreits durch die Insolvenzverwalterin als neue Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht. Unstreitig handele es sich bei den durch die Klägerin geltend gemachten Ansprüchen um eine zivilrechtliche Angelegenheit. § 13 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) regele insoweit eindeutig, dass für bürgerliche (zivile) Rechtsstreitigkeiten die ordentlichen Gerichte zuständig seien. Der Finanzrechtsweg sei demgegenüber gemäß § 33 FGO lediglich bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten gegeben. Zusätzlich regele § 16 GVG ausdrücklich, dass Ausnahmegerichte unstatthaft seien und dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden dürfe. Bereits allein vor diesem Hintergrund bleibe unerfindlich, mit welcher Begründung im vorliegenden Fall ein Zivilrechtsstreit vom FG entschieden werden solle.
Auch § 17 GVG führe zu keinem anderen Ergebnis. Nach dem Wortlaut von § 17 Abs. 1 GVG sollten lediglich nach Rechtshängigkeit „eintretende Veränderungen“ die Zulässigkeit des bereits beschrittenen Rechtswegs nicht verändern. Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch keinesfalls um bloße einfache Veränderungen, sondern es stünden ein Parteiwechsel, ein Wechsel der Beklagten- und Klägerposition wie auch die Geltendmachung völlig neuer Ansprüche, zudem auch noch aus einem anderen Rechtsgebiet, im Raum.
Nach alledem könne dem Urteil des BFH vom 18. September 2012 (VII R 4/11, BStBl II 2013, 128) nicht gefolgt werden. Die dort aufgestellten Rechtsgrundsätze seien auf den hiesigen Sachverhalt nicht übertragbar. Im Übrigen sei die Rechtsauffassung des BFH unzutreffend. Insoweit sei auf die Ausführungen im Urteil des Niedersächsischen FG vom 20. September 1994 (XV 377/91, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG - 1994, 1066) sowie die Anmerkung von Olbing (ZinsO 2013, 347 ff.) verwiesen. Danach spreche gegen die Aufnahme des unterbrochenen finanzgerichtlichen Verfahrens durch den Insolvenzverwalter insbesondere, dass sich der Anfechtungsgegner gegen einen durch ein Finanzamt selbst geschaffenen Titel (Duldungsbescheid) wende, während beim zivilgerichtlichen Anfechtungsprozess gemäß § 9 AnfG vom Anfechtungsberechtigten erst ein Titel erstritten werden müsse. Zudem hätte die Aufnahme des finanzgerichtlichen Verfahrens durch den Insolvenzverwalter zur Folge, dass dieser in die Rechtsposition des Gläubigers Finanzamt mit allen Rechten und Pflichten eintrete. Dies sei jedoch nicht möglich. Die besonderen Vollstreckungsmöglichkeiten des Finanzamtes, Anfechtungsrechte durch Duldungsbescheid gemäß § 191 AO geltend zu machen, stehe dem privatrechtlichen Insolvenzverwalter nicht zu. Mithin könne sich der Insolvenzverwalter auch nicht auf den vom FA erlassenen Duldungsbescheid berufen und aus diesem die Berechtigung zur Auskehrung des Empfangenen in die Konkursmasse ableiten. Der Insolvenzverwalter müsse, wie jeder andere private Gläubiger auch, seine Ansprüche gemäß § 9 AnfG durch Klage vor den ordentlichen Gerichten gemäß § 13 GVG geltend machen. Das finanzgerichtliche Verfahren sei gemäß den Vorschriften des AnfG solange unterbrochen wie das Insolvenzverfahren andauere.
Einer Aufnahme des finanzgerichtlichen Verfahrens durch den Insolvenzverwalter stehe ferner entgegen, dass der Insolvenzverwalter dadurch Zugriff auf Informationen erlange, die üblicherweise auf der Grundlage des Steuergeheimnisses von den Finanzämtern zurückgehalten würden. Problematisch sei zudem, dass das Finanzamt als originärer Beteiligter des Verfahrens vollständig aus dem Verfahren ausscheide und dadurch kein öffentlicher Rechtsträger mehr an dem Prozess beteiligt wäre. Im Übrigen seien die Verfahrensgrundsätze im finanz- und im zivilgerichtlichen Verfahren grundlegend verschieden. Es frage sich zudem auch, auf welche Normen die Vollstreckung einer Insolvenzanfechtung gestützt werden solle.
Anstatt der Aufnahme des finanzgerichtlichen Verfahrens könne die Klägerin wegen desselben Sachverhalts auch gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 AnfG Anfechtungsansprüche nach §§ 129 ff. InsO auf dem Zivilrechtsweg geltend machen (Hinweis auf Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO-FGO, § 191 AO Rz. 197). Schon allein der Umstand, dass die Klägerin wählen könne, bei welchem Gericht sie Klage gegen ihn, den Beklagten, erhebe, zeige, dass er seinem gesetzlichen Richter entzogen werde.
Darüber hinaus werde nunmehr ausdrücklich sowohl Verjährung als auch Verwirkung der gegenüber ihm geltend gemachten Ansprüche geltend gemacht.
Die Verwirkung des Anfechtungsrechts ergebe sich aus folgenden Gesichtspunkten: Bereits anlässlich des ersten Gesprächs mit der Klägerin am 24. Januar 2014 in den Räumen ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten sei diese von ihm, dem Beklagten, sowie von seinem Vater B… umfassend darüber informiert worden, dass das FA D… gegenwärtig versuche, den Beklagten in Haftung zu nehmen. Die Klägerin habe ihm in dem Gespräch versichert, dass von ihrer Seite nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine „Haftungsverfolgungen“ zu befürchten seien. Auch in ihrem Gutachten für das Amtsgericht D… vom 17. Februar 2014 habe die Klägerin in Kenntnis sämtlicher Umstände des Falles festgestellt, dass für die streitgegenständlichen Anfechtungsansprüche keine Anhaltspunkte bestehen würden.
Er, der Beklagte, habe sich im Hinblick auf den zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablauf darauf eingestellt und sich darauf verlassen, dass die Klägerin zu ihren Aussagen stehe und keinerlei Ansprüche gegen ihn geltend machen werde.
Mit der Aufnahme des Rechtsstreits setze sich die Klägerin nun plötzlich in Widerspruch zu ihrer eigenen Rechtsauffassung.
Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Rechtsauffassung zu der Schlussfolgerung gelangen würde, dass die Voraussetzungen für eine Verwirkung der Anfechtungsansprüche nicht vorlägen, sei das Verhalten der Klägerin jedenfalls treuwidrig. Es könne nicht hingenommen werden, dass die Klägerin trotz umfassender Kenntnis des relevanten Sachverhaltes mehr als drei Jahre mit der Aufnahme des Rechtsstreites zugewartet habe. Es seien inzwischen mehr als zehn Jahre seit der erstmaligen Ankündigung seiner (des Beklagten) Inanspruchnahme durch das FA D… vergangen, in denen er, der Beklagte, aufgrund der für ihn unerträglichen psychischer Belastung unter Schlafstörungen leide, weil über ihm das „Damoklesschwert“ der Existenzvernichtung hänge.
Selbst unterstellt, die Klage wäre zulässig, würde sie in den ausschließlichen sachlichen Zuständigkeitsbereiche der Zivilgerichte fallen und wäre nach alledem vom FG an das LG D… zu verweisen.
Die Klage sei ferner unzulässig, weil die Klägerin bislang ihre Klage nicht substantiiert begründet habe. Bloße Bezugnahmen auf Äußerungen anderer Rechtssubjekte durch sie seien nicht zulässig.
Zur materiell-rechtlichen Rechtslage führt der Beklagte im Wesentlichen aus, die Tatbestandsvoraussetzungen einer anfechtbaren Rechtshandlung lägen in Bezug auf die streitgegenständlichen Vereinbarungen zwischen seinem Vater und ihm nicht vor. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versorgungsvertrages im Jahr 2004 sei weder seinem Vater noch ihm (dem Beklagten) bewusst gewesen, dass beim Vater zukünftig noch einmal Steuerrückstände entstehen würden. Die betreffende Betriebsprüfung habe ja auch erst drei Jahre später stattgefunden.
Geschäftsgrundlage des Versorgungsvertrages sei gewesen, dass er, der Beklagte, die damals vorhandenen Mieteinnahmen in Höhe von 108 000,00 EUR pro Jahr zur einen Hälfte für die Versorgungsleistungen an den Vater und zur anderen Hälfte zur Bedienung der monatlichen Raten bezüglich der beiden zur Finanzierung des Grundstückserwerbs aufgenommenen Hypothekenkredite bei der N… Bank und der J… AG würde verwenden können. Ohne die Finanzierung des Objekts aus den Mieterträgen wäre ihm, dem Beklagten, der Erwerb der Immobilie auch gar nicht möglich gewesen, da er nur über ein monatliches berufliches Einkommen von ca. 4 000,00 EUR bis 5 000,00 EUR verfüge (vgl. auch Angaben des Beklagten über das Vermögen und die Bankverbindlichkeiten der Eheleute im Schreiben vom 18. Februar 2010 an das FA D… im Rahmen des Einspruchsverfahrens betr. den Duldungsbescheid).
Der tatsächliche Ertrag der Immobilie sei deutlich niedriger als erwartet gewesen. Der Grund hierfür sei, dass einige der Gewerberaummieter ihre Miete nicht bezahlt hätten und zudem erhebliche unerwartete Reparaturarbeiten notwendig geworden seien. Es seien z. B. im Jahr 2005 nur Mieteinnahmen in Höhe von 77 756,00 EUR erzielt worden. Davon seien die Instandhaltungskosten in Höhe von 15 751,00 EUR, die Minderbeiträge der Mieter bei den Betriebskosten in Höhe von 7 727,00 EUR und Sonderkosten (in erster Linie Anwaltskosten im Zusammenhang mit Streitigkeiten mit den Mietern) in Höhe von 5 224,00 EUR zu tragen gewesen (Hinweis auf „Ertragskalkulation 2004 - Verlauf 2004 - 2006“ als Anlage zur Antragsschrift vom 4. Mai 2012). Es sei also im Jahr 2005 bereits vor Berücksichtigung der vertraglich vereinbarten Zahlungen an den Vater ein Verlust entstanden.
Gerade für diesen Fall sei die Anpassungsklausel im Versorgungsvertrag vereinbart worden. Aus diesem Grunde sei zeitnah betreffend das Jahr 2006 am 2. Januar 2006 der erste Nachtrag zum Versorgungsvertrag vereinbart worden.
Auch im Jahr 2006 sei der kalkulierte Gewinn in Höhe von 108 000,00 EUR nicht erzielt worden. Der Mieter der Werkstatt habe nur unregelmäßig Miete gezahlt und sei dann in die Insolvenz gegangen, so dass letztlich ein Schaden in Höhe von 45 330,00 EUR entstanden sei. Zudem habe es einen Instandhaltungsrückstau gegeben. Aus diesen Gründen sei der Abschluss der zweiten Nachtragsvereinbarung vom 4. März 2007 notwendig gewesen.
Bei diesen Vereinbarungen handele es sich nicht um die Schaffung neuer rechtlicher Grundlagen für das Vertragsverhältnis zwischen Vater und Sohn, sondern lediglich um die praktische Umsetzung der bereits 2004 vereinbarten Anpassungsbefugnis des Sohnes für den Fall eines erheblichen Ertragsausfalls bei der Vermietung der Immobilie. Hätte sich der Vater nicht auf die Anpassungen eingelassen, hätte er, der Beklagte, seinen Vater diesbezüglich vor dem Zivilgericht unter Berufung auf § 323 Zivilprozessordnung (ZPO) erfolgreich auf Zustimmung verklagen können.
Im Übrigen fehle es auch an einer Bereicherung bei ihm, dem Beklagten, im Sinne von § 11 AnfG; denn er habe seien Vater durch die Übernahme der Immobilie von ganz erheblichen Kosten der Instandhaltung der Immobilie befreit. Diese Kosten hätten sich in den Jahren ab 2005 zu seinen (des Beklagten) finanziellen Lasten konkretisiert. Eine Benachteiligung des FA D… sei auch nicht erkennbar gewesen. Ihm (dem Beklagten) könne daher keine Bösgläubigkeit unterstellt werden.
Eine etwaige anfängliche Nichtigkeit des privatschriftlich abgeschlossenen Versorgungsvertrages wegen Formmangels nach § 311 b Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sei jedenfalls durch den Vollzug des Grundstücksveräußerungsvertrages gemäß § 311 b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt (Hinweis auf BGH, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 1978, 1577; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 72. Aufl., § 311 b Rz. 46; Kanzleiter, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 311 b Rz. 85).
Dem Senat haben bei seiner Entscheidung die Gerichtsakten zu den Verfahren 9 V 9143/12 sowie 9 K 9012/15 PKH, ein Band Insolvenzakten des Amtsgerichts D… (Az.: 36 e IN 5237/13) sowie acht Bände Steuer- und Hinweisakten betr. die Eltern des Beklagten (StNrn.: … und … des FA D…) vorgelegen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.
A. Die Klage ist zulässig.
1. Das Rubrum war dahingehend zu berichtigen, dass Frau Rechtsanwältin A… als Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Herrn B… nunmehr Klägerin und der bisherige Kläger nunmehr der Beklagte ist. Der bisherige Beklagte, das FA D…, ist aus dem Verfahren ausgeschieden.
Die vom ursprünglichen Beklagten mit erstem Duldungsbescheid vom 27. November 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. November 2011 sowie mit zweitem Duldungsbescheid vom 3. Dezember 2013 geltend gemachte Ansprüche nach dem AnfG sind nach der Aufnahme des Prozesses auf die Klägerin als Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Herrn B… übergegangen.
Mit Beschluss des Amtsgerichts D… vom 28. Februar 2014 wurde das (Regel-) Insolvenzverfahren über das Vermögen von B… eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG ist die Insolvenzverwalterin berechtigt, die von den Insolvenzgläubigern erhobenen Anfechtungsansprüche zu verfolgen, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Dies gilt auch für Gläubiger, die – wie das FA D… – die Anfechtung durch Duldungsbescheid geltend gemacht haben. Der Anfechtungsanspruch wird zu einem Bestandteil der Insolvenzmasse und hat eine neue Rechtsträgerin in Gestalt der Insolvenzverwalterin (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 1. Februar 2011 3 K 57/10, EFG 2011, 1230; Huber, Anfechtungsgesetz, 11. Aufl. 2016, § 16 Rz. 7 ff., jeweils m. w. N.).
Aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von B… war das vorher von dem Beklagten anhängig gemachte Klageverfahren entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG unterbrochen (vgl. BFH-Urteile vom 29. März 1994 VII R 120/92, BStBl II 1995, 225 und vom 18. September 2012 VII R 14/11, BStBl II 2013, 128; Huber, aa0, § 17 AnfG Rz. 3 ff., Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO-FGO, 10. Aufl., § 191 Rz. 196, jeweils m. w. N.). Durch die Unterbrechung erledigen sich die beiden Duldungsbescheide nicht. Während des Insolvenzverfahrens kann das FA D… indes nicht aus den Duldungsbescheiden vorgehen. Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens kann die Behörde die durch die Duldungsbescheide festgesetzten Ansprüche weiter verfolgen, soweit sie nicht durch Rückgewähr in die Masse getilgt sind (§ 18 Abs. 1 AnfG).
2. Der Rechtsweg zum Finanzgericht bleibt gemäß § 17 Abs. 1 GVG auch nach der Aufnahme des Rechtsstreits durch die neue Klägerin erhalten.
a) Gemäß § 17 Abs. 1 GVG wird die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Durch diesen Grundsatz der sog. perpetuatio fori bzw. Kontinuitätsgrundsatz soll verhindert werden, dass bei jeder Veränderung eines die Zuständigkeit begründenden Umstands ein neues Gericht mit dem Rechtsstreit befasst wird. Das soll die Kapazitäten der Justiz schonen und vor allem den Rechtssuchenden vor Verzögerungen und Verteuerungen des Prozesses bewahren. Das bisherige Gericht soll nicht wertlos gearbeitet haben. Ist demnach bei einem – nach der prozessrechtlichen Ordnung zuständigen – Gericht Klage erhoben, ist in aller Regel jeder weitere Zuständigkeitsstreit ausgeschlossen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2004 VI S 7/03, BStBl II 2005, 573; FG Bremen, rkr. Beschluss vom 19. Juni 2014 2 K 82/13 (1), EFG 2014, 1657; Mayer, in: Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. [2015], § 17 Rz. 10, jeweils m. w. N. ; a.A.: Niedersächsisches FG, rkr. Beschluss vom 20. September 1994 XV 377/91, EFG 1994, 1066).
Die im Dezember 2011 vom Beklagten als Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) gegen den auf § 191 Abs. 1 AO gestützten ersten Duldungsbescheid des FA D… vom 27. November 2009 erhobene Klage war dem Finanzrechtsweg zugewiesen (§ 33 Abs. 1 und 2 FGO). Die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintretende Wandlung dieser Anfechtungsklage – einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit – in eine Leistungsklage der Insolvenzverwalterin gegen den Beklagten – also eine zivilrechtliche Streitigkeit – ist erst im Jahr 2014 und damit nach Rechtshängigkeit eingetreten. Deshalb hat das Finanzgericht als Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit nach § 17 Abs. 2 GVG unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 2012 VII R 14/11, BStBl II 2013, 128 m. w. N.).
Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick darauf geboten, dass der erkennende Senat wegen des zwischenzeitlichen Ruhens des Verfahrens noch keine wesentliche Arbeit in dasselbe investiert hatte und dass der Finanzrechtsweg mit seiner gegenüber den Vorschriften der ZPO ganz anderen Verfahrensordnung (z. B. Amtsermittlungsgrundsatz) auf die Besonderheit der Beteiligung von – im vorliegenden Verfahren nicht mehr beteiligten – Hoheitsträgern ausgerichtet ist (vgl. dazu Kirchhof, in: MünchKomm zum AnfG, § 17 Rz. 10; Olbing/Hennig, ZinsO 2013, 119, 126). Denn § 17 GVG lässt nach seinem eindeutigen Wortlaut für die Berücksichtigung derartiger Umstände keinen Raum (vgl. FG Bremen, aaO, Rz. 41).
b) Da zum Zeitpunkt der Einführung des zweiten Duldungsbescheids des FA D… vom 5. Dezember 2013 in das Anfechtungsklageverfahren (Schreiben des FA D… an das FG vom 6. Dezember 2013, Bl. 405 d. A.) das streitgegenständliche Insolvenzverfahren betr. das Vermögen des Vaters des Beklagten noch nicht eröffnet war, ist der zweite Duldungsbescheid, der denselben Anfechtungsanspruch des FA D… gegenüber dem Beklagten nach § 4 Abs. 1 AnfG aufgrund desselben Lebenssachverhalts betrifft (Kürzung der zunächst vertraglich zugesagten Versorgungsleistungen gegenüber dem Vater durch den Sohn), gemäß § 68 FGO „automatisch“ Gegenstand des anhängigen Anfechtungsklageverfahrens des heutigen Beklagten und damaligen Klägers geworden (vgl. BFH-Urteile vom 8. Februar 2001 VII R 59/99, BStBl II 2001, 506, vom 27. April 2004 X R 28/02, BFH/NV 2004, 1287 und vom 23. Februar 2010 VII R 1/09, BFH/NV 2010, 1566, jeweils m. w. N., wonach § 68 FGO weit auszulegen ist und auch bei Ermessens-Verwaltungsakten – wie vorliegend gegeben – gilt); denn bei dem zweiten Duldungsbescheid handelt es sich lediglich technisch um einen separaten Bescheid, während materiell eine bloße Erweiterung des aus der Anfechtung folgenden Duldungsanspruchs um die in der Zwischenzeit zusätzlich erlangten Vorteile des Beklagten vorliegt. Für diesen Teil der Anfechtungsklage war daher ebenfalls von Anfang an der Finanzrechtsweg eröffnet (§ 33 Abs. 1 und 2 FGO). Die Regelung in § 17 GVG führt dazu, dass sich hieran aufgrund der Tatsache des späteren Übergangs von einer öffentlich-rechtlichen Anfechtungsklage zu einer zivilrechtlichen Leistungsklage gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG im weiteren Verlauf des Klageverfahrens nichts geändert hat.
c) Schließlich ist nach Auffassung des erkennenden Senats der Finanzrechtsweg im Sinne von § 33 Abs. 1 und 2 FGO auch hinsichtlich der Klageanträge zu 2. und zu 3. eröffnet. Zwar handelt es sich insoweit um die erstmalige gerichtliche Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche durch die nunmehrige Klägerin; denn diese Ansprüche waren zuvor noch nicht Gegenstand eines vom FA D… erlassenen öffentlich-rechtlichen Duldungsbescheids im Sinne von § 191 Abs. 1 AO. Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche auf Herausgabe des vom Beklagten im Zeitraum Januar bis Oktober 2014 möglicherweise zu Unrecht Erlangten beruhen aber auf derselben Anspruchsgrundlage und demselben Lebenssachverhalt wie die Ansprüche, die Gegenstand des Klageantrags zu 1. und der beiden vorangegangenen Duldungsbescheide des FA D… gewesen sind. Es erscheint daher unter den oben dargestellten Gesichtspunkten, die den Gesetzgeber zur Schaffung des § 17 Abs. 1 GVG veranlasst haben (Effizienz des gerichtlichen Rechtsschutzes sowie Vermeidung zusätzlicher Verfahrenskosten), sachgerecht, auch insoweit eine Zuständigkeit des Finanzgerichts auch für diesen Teil der Leistungsklage „kraft Sachzusammenhangs“ zu bejahen.
B. Die Klage ist auch begründet.
I. Klageantrag zu 1.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 224 412,19 EUR an die Insolvenzmasse. Dieser Anspruch ergibt sich aus §§ 4 Abs. 1; 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2; 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG in Verbindung mit § 818 Abs. 1 und 2 BGB.
1. Das FA D… hat die Änderungsvereinbarungen zwischen dem Beklagten und seinem Vater vom 2. Januar 2006 sowie vom 4. März 2007, wonach der Vater nur noch erhebliche reduzierte monatliche Rentenbeträge von dem Beklagten beanspruchen konnte, mittels zweier Duldungsbescheide vom 27. November 2009 und vom 3. Dezember 2013 gemäß § 191 Abs. 1 Satz 2 AO wirksam angefochten.
a) Nach § 1 Abs. 1 AnfG können Rechtshandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen, nach Maßgabe der Bestimmungen des AnfG angefochten werden. Zu einer solchen Anfechtung ist nach § 2 AnfG jeder Gläubiger berechtigt, der einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat.
Rechtshandlung im Sinne von § 1 Abs. 1 AnfG ist jedes – rechtliche oder tatsächliche – Handeln oder Unterlassen des Schuldners, das „rechtliche“ Folgen hat. Dabei kommt es auf die Wirksamkeit der Rechtshandlung nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob der Schuldner durch sein Handeln (jedenfalls) dazu beigetragen hat, dass ein Vermögensgegenstand einem Dritten zugewandt worden ist (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 13. September 2001 – 8 U 108/00, ZinsO 2001, 1102; Huber, AnfG, aaO, § 1 Rz. 5 ff.). Im vorliegenden Fall hat der Schuldner B… aufgrund der schriftlichen Vereinbarungen mit dem Beklagten vom 2. Januar 2006 und vom 4. März 2007 von einer Geltendmachung ihm vertraglich im Oktober 2004 zugesagter monatlicher Rentenzahlungen in nicht unerheblicher Höhe Abstand genommen. Diese Rechtshandlungen des Vaters des Beklagten haben seine Gläubiger benachteiligt, da sie dazu geführt haben, dass dem Vater ab 1. Januar 2006 deutlich geringere monatliche Geldbeträge als bisher seitens des Beklagten als Leistungsverpflichtetem zugeflossen sind.
Die Voraussetzung in der Person des Anfechtenden gemäß § 2 AnfG ist erfüllt. Das FA D… hat die Steuerbeträge, die dem Duldungsbescheid zu Grunde liegen, durch entsprechende Bescheide gegenüber dem Vater des Beklagten bestandskräftig festgesetzt und fällig gestellt. Dadurch hat es jeweils einen vollstreckbaren Schuldtitel im Sinne des § 2 AnfG gegen den Vater als Schuldner erlangt. Die Zwangsvollstreckung aus den Schuldtiteln war erfolglos.
b) Das FA hat seine Anfechtung zu Recht auf § 4 AnfG gestützt (inhaltsgleich mit § 134 InsO). Danach ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden (§ 4 Abs. 1 AnfG).
aa) Der Vater des Beklagten hat im Rahmen der beiden Nachträge zum Versorgungsvertrag vom 2. Januar 2006 bzw. 4. März 2007 eine unentgeltliche Leistung im Sinne von § 4 Abs. 1 AnfG zugunsten des Beklagten erbracht, indem er auf ihm vertraglich zustehende künftige Zahlungen aus der vereinbarten Versorgungsrente verzichtet hat, ohne hierzu verpflichtet zu sein und ohne hierfür eine Gegenleistung zu erlangen.
§ 4 Abs. 1 AnfG setzt – abweichend vom Begriff der Schenkung im Sinne des § 516 BGB – keine vertragliche Einigung über die Unentgeltlichkeit voraus. Insofern sind die subjektiven Vorstellungen und Absichten der Beteiligten (des Schuldners einerseits und des Leistungsempfängers andererseits) nicht entscheidend. Vielmehr kommt es auf die objektive Wertrelation zwischen der Leistung des Schuldners und der Gegenleistung des Empfängers an (vgl. Hess. FG, Urteil vom 9. November 2011 3 K 1122/07, Entscheidungsdienst des Deutschen Steuerrechts -DStRE- 2013, 249; Huber, a.a.O., § 4 Rz. 18 m.w.N.).
Im Streitfall hatte der Vater des Beklagten zunächst durch den am 23. Oktober 2004 schriftlich fixierten Versorgungsvertrag mit dem Beklagten einen schuldrechtlichen Anspruch auf Zahlung einer lebenslänglichen monatlichen Rente in Höhe von 4 500,00 EUR erlangt. Zwar war dieser Vertrag – ebenso wie der am 27. Oktober 2004 notariell beurkundete Vertrag über die Veräußerung des Grundstücks „F…-Str.“ an den Beklagten – mangels notarieller Beurkundung gemäß § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB anfänglich nichtig (vgl. dazu allgemein: BGH-Urteile vom 20. Dezember 1974 V ZR 132/73, Sammlung der Entscheidungen des BGH in Zivilsachen – BGHZ – 63,361, vom 6. Dezember 1979 VII ZR 313/78, BGHZ 76, 43, und vom 6. November 1980 VII ZR 12/80, BGHZ 78, 346; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. [2019], § 311 b Rz. 25). Ausweislich der Präambel des Versorgungsvertrags sowie angesichts der zeitlichen Abfolge der Ereignisse (Abschluss des notariell beurkundeten Vertrages vier Tage nach Abschluss des Versorgungsvertrages) und des Wertes des notariell beurkundeten Kaufpreises der Immobilie im Verhältnis zu deren Verkehrswert war nämlich der Abschluss des Versorgungsvertrages „conditio sine qua non“ für die Grundstücksveräußerungsentscheidung des Vaters zugunsten des Beklagten. Der Mangel der unterlassenen notariellen Beurkundung des Versorgungsvertrages ist aber inzwischen durch die Auflassung des Grundstücks an den Beklagten und den Übergang des Eigentums auf ihn gemäß § 311 b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt (vgl. dazu allgemein BGH-Urteil vom 17. März 1978 V ZR 217/75, NJW 1978, 1577; Grüneberg, a.a.O. § 311 b Rz. 46 ff., jeweils m. w. N.).
Der Beklagte hatte weder am 2. Januar 2006 noch am 4. März 2007 einen vertraglichen Anspruch auf Herabsetzung der ursprünglich vereinbarten Versorgungsleistungen. Zwar hatten die Vertragsparteien im Versorgungsvertrag eine Abänderbarkeit der Versorgungsleistungen „nach oben oder nach unten“ vorgesehen. Allerdings hatten sie zugleich festgelegt, dass eine solche Vertragspassung (nur dann) erfolgen solle, „sobald der Jahresertrag um mehr als 30 % vom heutigen Ertrag abweicht“. Diese Voraussetzung war nicht gegeben.
Der Begriff des „Jahresertrags“ ist im Wege der systematischen Vertragsauslegung im Lichte der Präambel des Versorgungsvertrages zu verstehen. In jener Präambel hatten die Vertragsparteien als „Grundlage für die Ermittlung der Versorgungsleistungen“ die „derzeitigen Erträge“ aus der übergehenden Immobilie F…-Str. gewählt, welche sich „auf monatlich ca. 9 000,00 EUR (netto/kalt)“ beliefen.
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien dieselben Parameter, die für die erstmalige Bemessung der Versorgungsleistungen herangezogen wurden, auch für die Abänderbarkeit der Höhe dieser Versorgungsleistungen heranzuziehen sein sollten. Dem gemäß kann unter dem „Jahresertrag des übertragenen Grundstücks“ im Sinne der „Änderungsklausel“ nichts anderes verstanden werden als die „derzeitigen Erträge“ gemäß der Präambel, mithin die dort explizit bezifferte Jahresnettokaltmiete in Höhe von damals 12 x 9 000,00 EUR = 108 000,00 EUR.
Für dieses Vertragsverständnis spricht auch, dass die vereinbarte Versorgungsleistung mit 54 000,00 EUR exakt die Hälfte des zugrunde gelegten „Jahresertrags“ von 108 000,00 EUR ausmacht. Der Beklagte hat selbst vorgetragen, dass die damals vorhandenen Mieteinnahmen von 108 000,00 EUR je zur Hälfte für die Versorgungsleistungen an seinen Vater und für die Bedienung der Hypothekenkredite gedacht gewesen seien.
Ein anderes Verständnis des Begriffs „Jahresertrag“ (z. B. als Überschuss der Jahreskaltmieteinnahmen über die Jahresbetriebskosten der Immobilie) wäre auch nicht interessengerecht und widerspräche so dem grundlegenden Prinzip der Vertragsauslegung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB). Verstünde man den „Jahresertrag“ im Sinne eines „Überschusses“ der Einnahmen über die Betriebskosten, so könnte diese Bezugsgröße vom Beklagten als dem zur Versorgungsleistung verpflichteten Vertragspartner leicht einseitig manipuliert werden, indem dieser z. B. umfangreiche Modernisierungsaufwendungen vorziehen und in einem einzigen Jahr bündeln könnte mit der Folge, dass der „Überschuss“ unter Umständen vorübergehend sogar ins Minus abrutschen würde, ohne dass sich die langfristig erzielbare Rendite der Immobilie nach objektiven betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten deutlich verschlechtert hätte. Ein solches Verständnis des Begriffs „Jahresertrag“ läge daher keinesfalls im Interesse des Vaters des Beklagten als Verkäufer der Immobilie und Versorgungsrentenzahlungsempfänger. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, unter denen B… als langjähriger erfahrener Geschäftsmann sich gegenüber seinem Sohn, von dem man nicht annehmen darf, dass er seinen Vater im Ursprungs-Versorgungsvertrag benachteiligen wollte, auf ein solches Begriffsverständnis hätte einlassen sollen.
Ein Anspruch des Beklagten auf Anpassung (Minderung) der geschuldeten Versorgungsrente hätte demnach einen Rückgang der Jahreskaltmieteinnahmen um „mehr als 30 v.H.“, mithin auf einen Betrag von weniger als 75 600,00 EUR vorausgesetzt. Ein solcher Rückgang ist weder im Jahr 2005 noch in den Folgejahren eingetreten. Nach den eigenen Angaben des Beklagten in der Anlage V zu seiner Einkommensteuererklärung für 2005 belief sich die Jahresnettokaltmiete in jenem Jahr auf 113 672,00 EUR und lag damit sogar noch über dem vertraglichen Referenzwert. In den Jahren 2006 und 2007 lag die Jahresnettokaltmiete mit 91 254 EUR bzw. 104 362 EUR knapp unterhalb des Referenzwertes, aber deutlich oberhalb des für eine Anpassung der Versorgungsleistungen maßgeblichen Schwellenwertes. Im Jahr 2008 lag die Jahresnettokaltmiete nach den Angaben des Beklagten bei 99 950 EUR, nach den Ermittlungsergebnissen des Außenprüfers des FA D… (vgl. dessen Änderungs-Bericht vom 5. Juli 2011, Seite 12 = Bl. 453 d. A.) bei 110 980,00 EUR.
Insbesondere die den vertraglichen Referenzbetrag noch übersteigenden Beträge der Jahre 2005 und 2008 sind in die entsprechenden Einkommensteuerfestsetzungen des FA D… eingegangen und vom Beklagten weder im Besteuerungsverfahren noch im Rahmen des hiesigen Klageverfahrens substantiiert in Frage gestellt worden. Soweit der Kläger nunmehr vorträgt, die Mieteinnahmen hätten sich im Jahr 2005 lediglich auf 77 756 EUR und im Jahr 2006 gar nur auf 67 048 EUR belaufen, hat er mit keinem Wort erläutert, weshalb er in seinen Steuererklärungen erheblich höhere Beträge angegeben hat und weshalb diese höheren Beträge sich – wenn sie doch falsch sein sollen – in der nachfolgenden Außenprüfung im Wesentlichen bestätigt haben. Im Übrigen ergibt sich aus der vom Beklagten hierzu vorgelegten Übersicht „Ertragskalkulation 2004 – Verlauf 2004-2006“, dass der Beklagte insoweit wiederum Einnahmen und Überschüsse miteinander vermengt. Gemäß dieser Aufstellung sollen sich die Einnahmen aus den tatsächlichen Einnahmen abzüglich von Aufwendungen für (nicht näher substantiierte oder belegte) „Schadensbeseitigung“ ergeben. Letztere sind aber – falls überhaupt – als Werbungskosten anzusetzen (was der Beklagte in den Einkommensteuererklärungen offenbar aus guten Gründen nicht getan hat). Die Einnahmen belaufen sich dem gegenüber auch nach der „Ertragskalkulation“ auf rund 98 000 EUR (2005) bzw. rund 88 000 EUR (2006). Damit lägen auch die nun geltend gemachten, wesentlich niedrigeren „Jahreserträge“ immer noch deutlich oberhalb des Schwellenwertes von 75 600,00 EUR.
Ein Anspruch auf Anpassung (Minderung) der Versorgungsbezüge stand dem Beklagten auch nicht aus anderen Gründen – insbesondere wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder nach den Grundsätzen von Treu und Glauben – zu. Der Senat kann hierbei dahingestellt bleiben lassen, ob der Beklagte, wie vorgetragen, an der Immobilie „erhebliche unerwartete Reparaturarbeiten“ durchzuführen hatte. Denn neben einem solchen nicht einkalkulierten zusätzlichen Aufwand wäre für die Frage eines Anpassungsanspruchs nach Treu und Glauben in jedem Fall auch der Umstand zu beachten, dass aufgrund des seit mehr als zehn Jahren stattfindenden Immobilienbooms in D…. auch der Verkehrswert der streitgegenständlichen Immobilie gegenüber dem Anschaffungsjahr 2004 in der Folgezeit deutlich gestiegen sein dürfte. Im Allgemeinen beträgt der Verkehrswert einer vermieteten Immobilie in einer Stadt wie D… nach den Erfahrungen des Senats aus anderen Verfahren mindestens den 15-fachen Betrag der Jahreskaltmieteinnahmen. Von einer einseitig zulasten des Beklagten veränderten Vertragssituation kann deshalb nicht ohne weiteres ausgegangen werden.
Hinzu kommt, dass beiden Vertragsparteien des Versorgungsvertrages bewusst war, dass die vertragsgegenständlichen Versorgungsleistungen des Beklagten an seinen Vater als Rentner mangels Vorhandenseins anderer nennenswerter Einkünfte oder veräußerbarer Vermögensgegenstände für diesen und dessen Ehefrau existentiell notwendig waren, während andererseits der Beklagte noch über seine beruflichen Einkünfte als selbständiger Versicherungsvertreter sowie über das (veräußerbare) Eigentum an einem weiteren bebauten Grundstück (E…-Str., D…) verfügte. Auch deshalb konnte bei einer Auslegung des Vertrages nach Treu und Glauben nur eine ganz erhebliche finanzielle Schieflage beim Beklagten bei diesem zu einem Anspruch auf Herabsetzung der monatlichen Zahlungen an seinen Vater führen, und in jedem Fall war bei einer Herabsetzung das Versorgungsinteresse des Vaters maßgeblich zu beachten. Tatsächlich haben die vereinbarten Minderungen der Versorgungsleistungen mit dazu geführt, dass der Vater seine Verbindlichkeiten gegenüber dem FA D… nicht mehr bedienen konnte und schließlich einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen musste. Dass umgekehrt der Beklagte durch eine Fortzahlung der Versorgungsbezüge in der vertraglich geschuldeten Höhe in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten wäre, hat er weder substantiiert dargelegt noch durch Nachweise belegt.
Der Beklagte hatte nach allem keinen Anspruch auf Vertragsanpassung. Die Zustimmung des Vaters in die Herabsetzung der Versorgungsbezüge stellt sich als eine freigiebige Leistung ohne Anspruch auf Gegenleistung und mithin als unentgeltlich dar.
Ein Vorsatz des Beklagten bezüglich der Gläubigerbenachteiligung ist im Falle der Anfechtung einer unentgeltlichen Zuwendung im Sinne des § 4 AnfG nicht erforderlich (vgl. FG Bremen, aaO, Rz. 139; Huber, aaO, § 4 Rz. 11).
bb) Die Anfechtung der beiden „Nachträge zum Versorgungsvertrag“ ist auch jeweils innerhalb der in § 4 Abs. 1 AnfG festgelegten Frist von vier Jahren erfolgt. Gemäß § 7 Abs. 1 AnfG sind die in den §§ 3 und 4 bestimmten Fristen von dem Zeitpunkt zurückzurechnen, in dem die Anfechtbarkeit gerichtlich geltend gemacht wird. Wird – wie im Streitfall – die Anfechtung abweichend von § 13 AnfG nicht im Wege der (zivilgerichtlichen) Klage, sondern durch Duldungsbescheid geltend gemacht, bestimmt sich die in § 4 AnfG festgelegte Frist (abweichend von § 7 Abs. 1 AnfG) gemäß § 191 Abs. 1 Satz 2 AO nach dem Zeitabstand zwischen dem Wirksamwerden der Rechtshandlung (§ 8 AnfG) und der Bekanntgabe des Duldungsbescheids (vgl. BFH-Beschluss vom 1. März 2004 VII B 255/03 Rz. 5, juris; BFH-Urteil vom 18. September 2012 VII R 14/11, BStBl II 2013,128 Rz. 13; Huber, aaO, § 7 Rz. 24, jeweils m. w. N.). Im Zeitpunkt der Bekanntgabe des ersten Duldungsbescheids vom 27. November 2009 gegenüber dem Beklagten Anfang Dezember 2009 waren noch keine vier Jahre seit dem Abschluss des „1. Nachtrags zum Versorgungsvertrag vom 23. Oktober 2004“ am 2. Januar 2006 vergangen.
2. Der aus der Anfechtung folgende Anspruch gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG, der darauf gerichtet ist, dass dasjenige, was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert worden ist, dem Gläubiger zur Verfügung gestellt wird, ist nicht durch Verzicht untergegangen. Insbesondere lässt sich ein solcher Verzicht entgegen der Ansicht des Beklagten nicht auf Äußerungen der Klägerin im Verlauf des Gesprächs am 24. Januar 2014 stützen.
Dabei kann der Senat den im Einzelnen zwischen den Beteiligten streitigen Wortlaut der Besprechung dahingestellt bleiben lassen; denn schon aus dem unstreitigen Teil des Gesprächs folgt, dass ein wirksamer Verzicht nicht ausgesprochen worden sein kann. Ein solcher würde nämlich jedenfalls voraussetzen, dass die verzichtende Partei über den Gegenstand des Verzichts zumindest in seinen Grundzügen informiert war. Dies aber war im Streitfall schon nach der (von der Klägerin insoweit bestätigten) Schilderung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung – wie sie in der Sitzungsniederschrift festgehalten worden ist – nicht gegeben. Der Beklagte hatte dem zufolge der Klägerin auf deren Nachfrage, was das Finanzamt denn von ihm wolle, mitgeteilt, das Finanzamt „wolle jetzt die Steuerschulden (s)eines Vaters über die Versorgungsrente, die (der Beklagte) monatlich an (s)einen Vater zahle, von (dem Beklagten) eintreiben“. Diese Mitteilung konnte von der Klägerin nach dem objektiven Empfängerhorizont nur so verstanden werden, dass das Finanzamt vom Beklagten verlange, die fortlaufenden monatlichen Zahlungen der Versorgungsrente nicht mehr an seinen Vater, sondern an die Behörde zu entrichten. Diese Mitteilung war objektiv falsch. Sie stellt in gewisser Weise das genaue Gegenteil des tatsächlichen Rechtsstreits dar. Tatsächlich geht es hier gerade nicht um die Zahlungen, die der Beklagte monatlich (noch) an seinen Vater leistete, sondern darum, dass der Beklagte aufgrund der Nachtragsvereinbarungen zum Versorgungsvertrag den Hauptteil der Versorgungsrente nicht mehr zahlte und sein Vater hierdurch außer Stande gesetzt worden war, seine Steuerschulden zu bedienen. Es geht um die Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung des Vaters (also des Schuldners im anstehenden Insolvenzverfahren), durch die der Beklagte (nach Auffassung der anfechtenden Behörde) entsprechend bereichert worden war. Es liegt auf der Hand, dass diese Information über den Kern des Rechtsstreits für die Klägerin als Insolvenzgutachterin essentiell gewesen wäre. Die entsprechenden Stichworte „Anfechtung“ und „Duldungsbescheid“ sind aber, wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, in dem Gespräch am 24. Januar 2014 von ihm überhaupt nicht erwähnt worden.
Ein Anspruch, über den bei einem Gespräch nicht einmal in Grundzügen gesprochen wird, kann aber denklogisch nicht Gegenstand eines bei diesem Gespräch – nach Auffassung des Beklagten – geäußerten „Verzichts“ sein.
Hinzu kommt, dass die Klägerin am 24. Januar 2014 nicht zu einer Verfügung über den Anspruch aus § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG berechtigt gewesen wäre. Sie war zu diesem Zeitpunkt lediglich vom zuständigen Insolvenzgericht mit der Erstellung eines Insolvenzgutachtens beauftragt. Zutreffend weist die Klägerin insofern darauf hin, dass eine nachfolgende Bestellung des Insolvenzgutachters zum Insolvenzverwalter keineswegs zwingend ist.
3. Die Geltendmachung des aus der Anfechtung nach § 4 Abs. 1 AnfG folgenden Anspruchs durch die Klägerin ist auch nicht nach § 242 BGB treuwidrig.
Treuwidrig kann das Verhalten des Anfechtungsgläubigers nur sein, wenn es gegen einen Vertrauenstatbestand verstößt, der gerade für den Anfechtungsgegner geschaffen worden ist, oder wenn andere besondere Umstände vorliegen, z. B. wenn der Schuldner und der Anfechtungsgläubiger kollusiv zusammenwirken, um dem Anfechtungsgegner den erworbenen Gegenstand wieder abzunehmen, oder wenn der Anfechtungsgläubiger wegen seiner Forderungen zweifelsfrei voll gesichert ist oder aus sonstigen Gründen unschwer volle Befriedigung erlangen könnte (vgl. FG Bremen, rkr. Urteil vom 25. Januar 2018 2 K 89/17 (1), juris; Kirchhof, in: MünchKomm zum AnfG, § 2 Rz. 52 f.).
Die Klägerin hat nach Auffassung des Senats – entgegen der Annahme des Beklagten – weder durch ihre Ausführungen zu dem Versorgungsvertrag nebst Nachträgen im Insolvenzgutachten noch durch die nachfolgende zeitliche Verzögerung bis zur Aufnahme des vor dem Senat anhängigen Rechtsstreits einen zur Treuwidrigkeit der Inanspruchnahme führenden Vertrauenstatbestand zugunsten des Beklagten geschaffen. Soweit es die Ausführungen im Insolvenzgutachten betrifft, hat die Klägerin dort zwar in Kenntnis der getroffenen Vereinbarungen (die ihr im Nachgang zu der Besprechung vom 24. Januar 2014 übersandt worden waren) keine Anfechtungsansprüche in Ansatz gebracht. Gleichwohl konnte der Beklagte hieraus für sich keinen Vertrauenstatbestand herleiten. Er hatte der Klägerin nämlich die – für ihn erkennbar wesentliche – Information vorenthalten, dass das FA D… die Anfechtung bereits erklärt habe. Ebenso hatte er der Klägerin verschwiegen, dass der erkennende Senat bereits in seiner Sitzung vom 23. Januar 2014 den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Duldungsbescheids abgewiesen – und somit die Rechtmäßigkeit der Anfechtung der Sache nach als nicht ernstlich zweifelhaft angesehen – hatte. Diese Informationen hätte die Klägerin für ihre – naturgemäß zunächst vorläufige – rechtliche Beurteilung des Sachverhalts im Insolvenzgutachten erwarten können. Indem sich der Beklagte nun auf diese in Unkenntnis wesentlicher Umstände vorläufig abgegebene Einschätzung der Kläger beruft, verhält er sich selbst treuwidrig.
Der Umstand, dass die Klägerin die Erklärung zur Aufnahme des Rechtsstreits erst mehrere Jahre nach ihrer erstmaligen Meldung bei Gericht und nach Stellen eines Antrags auf Prozesskostenhilfe abgegeben hat, vermag einen solchen Vertrauenstatbestand zugunsten des Beklagten schon deshalb nicht zu begründen, weil – wie ihm bekannt war – in der Zwischenzeit über den Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entschieden worden war und die Klägerin diese Verzögerung nicht zu vertreten hatte.
Für das Vorliegen sonstiger Umstände für eine Treuwidrigkeit – wie etwa kollusives Zusammenwirken mit dem Schuldner, Übersicherung, o.ä. – ergeben sich weder aus dem Vortrag des Beklagten noch aus den dem erkennenden Senat vorliegenden Akten Anhaltspunkte.
4. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG muss dasjenige, das durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert worden ist, dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist, wobei sich die Haftung nach §§ 818 Abs. 4, 819 BGB (Rechtsfolgenverweisung) richtet (vgl. Brandenburgisches OLG, aaO, Rz. 56).
„Empfangen“ hat der Beklagte im Zeitraum 1. Januar 2006 bis 27. November 2009 Minderausgaben in Höhe von insgesamt 76 412,19 EUR (zur Aufschlüsselung dieses Betrags siehe oben Seite 12). Im anschließenden Zeitraum 1. Dezember 2009 bis 30. November 2013 hat der Beklagte Minderausgaben in Höhe von insgesamt 148 000,00 EUR „empfangen“ (zur Aufschlüsselung dieses Betrags siehe oben Seite 14).
Auf einen etwaigen Wegfall der Bereicherung, § 818 Abs. 3 BGB, kann sich der Beklagte nicht berufen. Er hat hierzu schon nichts Substantiiertes vorgetragen. Jedenfalls aber musste der Beklagte aufgrund der Umstände wissen, dass die Anpassungen des Versorgungsvertrages den Fiskus benachteiligen würden (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 AnfG). Insoweit genügt das Vorliegen „leichter Fahrlässigkeit“ (vgl. Huber, AnfG, aaO, § 11 Rz. 51 m. w. N.). Der Beklagte wusste aufgrund der beiden Grundstückskaufverträge betr. die Grundstücke „E…-Str., D…“ sowie „F…-Str., D…“, dass sein Vater seit dem Jahr 2001 ganz erhebliche Steuerschulden beim FA D… hatte, die zur Eintragung mehrerer Sicherungshypotheken bezüglich des Grundstücks „F…-Str.“ zugunsten des ….[Fiskus]… geführt hatten. Er wusste außerdem, dass sein Vater das vorhandene Einzelunternehmen im Jahr 2003 aufgegeben und in diesem Zusammenhang den betrieblich genutzten Teil des Grundstücks „F…-Str.“ (= Räume für Autowerkstatt, Autohandel und Büro), der 60 v. H. der Liegenschaft ausmachte (vgl. Tz. 24 des BP-Berichts des FA D… vom 28. Juni 2007), in sein Privatvermögen überführt hatte. Als Versicherungskaufmann musste ihm klar sein, dass in diesem Zusammenhang wegen des relativ hohen Verkehrswertes des Grundstücks hohe Steuernachzahlungen anfallen würden, die seine Eltern als Rentner mangels anderer Einkünfte nicht ohne die ungekürzten privaten Versorgungsrentenbezüge von B… würde entrichten können. Die Einkommensteuererklärung 2003 der Eheleute B… wurde vom Vater des Beklagten erst zu Beginn der diesbezüglichen Außenprüfung am 2. April 2007 beim FA D… eingereicht.
Die Zinsansprüche der Klägerin ergeben sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Der Zinslauf hat mit der Übersendung des PKH-Antrags der Klägerin durch das FG an die Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 16. Januar 2015 begonnen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 25. Mai 1016, 1 W 6/16, Monatsschrift des Deutschen Rechts –MDR – 2016, 1266 m. w. N.).
II. Klageantrag zu 2.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 13 500,00 EUR an die Insolvenzmasse. Dieser Anspruch ergibt sich aus §§ 11 Abs. 1 Satz 2, 4 Abs. 1, 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG i. V. m. § 818 Abs. 1 und 2 BGB. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen zum Klageantrag zu 1. Bezug genommen. Der Anspruch auf die begehrten Zinsen beruht auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
III. Klageantrag zu 3.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 19 700,00 EUR an die Insolvenzmasse. Dieser Anspruch ergibt sich aus §§ 11 Abs. 1 Satz 2, 4 Abs. 1, 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG i. V. m. § 818 Abs. 1 und 2 BGB. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen zum Klageantrag zu 1. Bezug genommen. Der Anspruch auf die begehrten Zinsen beruht auf §§ 286 Abs.1, 288 Abs. 1 BGB. Wegen des Beginns des Zinslaufs wird auf die Ausführungen zum Klageantrag zu 2. Bezug genommen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis auf §§ 151 Abs. 3 und 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung – ZPO -.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).