Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 31.08.2018 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | OVG 1 S 54.18 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2018:0831.1S54.18.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 4 Abs 1 S 3 StVG, § 4 Abs 5 S 1 Nr 3 StVG, § 4 Abs 5 S 6 Nr 2 StVG, § 4 Abs 5 S 7 StVG, § 29 Abs 6 S 2 StVG, § 28 Abs 3 Nr 3 StVG, § 28 Abs 6 S 3 Nr 2 StVG, § 28 Abs 7 S 1 StVG |
Bei der Berechnung des Punktestandes gemäß § 4 Abs 5 Satz 1 StVG sind nur solche Eintragungen im Fahreignungsregister zu berücksichtigen, deren Tilgungsfrist nach § 29 StVG noch nicht abgelaufen ist. Die für diese Eintragungen noch laufende Überliegefrist des § 29 Abs 6 Satz 2 StVG ändert daran nichts
(a.A. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 24. April 2018 - 7 L 8/18 - juris Rn. 14; [wohl auch] OVG Bautzen, Beschluss vom 29. November 2017 - 3 B 274/17 - juris Rn. 15 ff.).
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. Juni 2018 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis im Bescheid des Antragsgegners vom 25. April 2018 (Ziff. 1) wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Verfahrenskosten in beiden Rechtszügen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Die zulässige Beschwerde, mit der sich der Antragsteller im Wege vorläufigen Rechtsschutzes gegen die gemäß § 4 Abs. 9 Straßenverkehrsgesetz (StVG) sofort vollziehbare Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen des Erreichens von acht Punkten nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem (§ 4 Abs. 5Satz 1Nr. 3 Straßenverkehrsgesetz - StVG -) wendet, ist begründet. Das Beschwerdevorbringen zeigt hinreichende Gründe auf, aus denen die angegriffene Entscheidung zu ändern ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO).
1. Die Beschwerde macht geltend, der Antragsgegner und das Verwaltungsgericht hätten die Geschwindigkeitsüberschreitung des Antragstellers vom 25. Februar 2014 nicht berücksichtigen dürfen, denn die Eintragung dieser Verkehrsordnungswidrigkeit im Fahreignungsregister sei bereits am 5. Mai 2017 und damit noch vor Begehung der erneuten Geschwindigkeitsüberschreitung vom 24. August 2017, die sonst zum Erreichen von acht Punkten nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem geführt hätte, tilgungsreif gewesen. Die zu diesem Zeitpunkt für die Geschwindigkeitsüberschreitung vom 25. Februar 2014 noch nicht abgelaufene Überliegefrist des § 29 Abs. 6 Satz 2 StVG i.V.m. § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG führe nicht dazu, dass die vorgenannte Zuwiderhandlung berücksichtigt werden dürfe.
Dieser Einwand ist beachtlich. Streitig ist allein die Auswirkung der zum maßgeblichen Begehungszeitpunkt (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG) der Verkehrsordnungswidrigkeit vom 24. August 2017 nicht abgelaufenen Überliegefrist der bereits tilgungsreif gewesenen Geschwindigkeitsüberschreitung vom 25. Februar 2014.
Das Verwaltungsgericht meint, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung vom 25. Februar 2014 während der noch laufenden Überliegefrist des § 29 Abs. 6 Satz 2 StVG zu berücksichtigen sei, wie sich aus § 29 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG ergäbe. Danach darf der Inhalt einer an sich tilgungsreifen Eintragung während der Überliegefrist u.a. „an die nach Landesrecht zuständige Behörde zur Ergreifung von Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem nach § 4 Absatz 5“ übermittelt werden.
Diese Begründung (vgl. ebenso VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 24. April 2018 - 7 L 8/18 - juris Rn. 14) vermag die Annahme nicht zu stützen, dass der Antragsteller insgesamt acht Punkte im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG erreicht habe. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch sonst nicht als richtig dar (siehe dazu 2.).
a. Dass der Inhalt einer an sich tilgungsreifen Eintragung während der Überliegefrist u.a. gemäß § 29 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG zur Ergreifung von Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem des § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG übermittelt werden darf, bedeutet nicht zwangsläufig, dass diese Maßnahmen auch ergriffen werden dürfen. Mit Ausnahme des absoluten Verwertungsverbots nach § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG im Falle der Löschung einer Eintragung im Fahreignungsregister ist die Frage der Verwertbarkeit von Eintragungen nicht anhand der Tilgungsregelungen in § 29 StVG zu beantworten, sondern den Vorschriften über das Fahreignungs-Bewertungssystem in § 4 StVG zu entnehmen. Insoweit bestimmt § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 2 StVG unmissverständlich, dass Zuwiderhandlungen bei der Berechnung des Punktestandes „nur dann berücksichtigt (werden dürfen), wenn deren Tilgungsfrist zu dem in Satz 5 genannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war“. Dies war bei der Geschwindigkeitsüberschreitung des Antragstellers vom 25. Februar 2014 zum maßgeblichen Zeitpunkt (24. August 2017) jedoch der Fall.
Das Verwaltungsgericht differenziert nicht zwischen der nach § 29 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG zu bejahenden, aber nicht weiter interessierenden (Vor-)Frage, ob ein Registereintrag während dessen Überliegefrist mitgeteilt werden darf, und der hier allein streitentscheidenden und gemäß § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 2 StVG - wie schon nach bisherigem Recht (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 6 a.F.) - zu verneinenden Frage, ob eine Verkehrsordnungswidrigkeit oder -straftat, deren Tilgungsfrist zu dem in § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG genannten Zeitpunkt bereits abgelaufen war, bei der Berechnung des Punktestandes nach § 4 Abs. 5 (Satz 1 Nr. 3) StVG noch berücksichtigt werden darf (ebenfalls ablehnend: OLG Brandenburg, Beschluss vom 1. April 2016 - (1 B) 53 Ss-OWi 16/16 (29/16) - juris Rn. 10; OLG Hamm, Beschluss vom 2. November 2010 - III-4 RBs 374/10, 4 RBs 374/10 - juris Rn. 8 jew. mit zust. Anm. von Kreuzberger; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, StVZO § 4 Rn. 82 sowie § 29 Rn. 32; Buchardt, in Münchener Kommentar zum StVR, 1. Aufl. 2016, § 4 Rn. 28 und 32; Koehl, NJW 2018, 1281 <1283>; Stieber, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, StVG § 4 Rn. 62).
Die Unterrichtung über den Inhalt des Fahreignungsregisters durch das Kraftfahrt-Bundesamt ersetzt nicht die Berechnung des Punktestandes. Die Fahrerlaubnisbehörde muss eigenständig prüfen, ob die Punkteberechnung richtig ist und welche Maßnahmen ggf. zu ergreifen sind. „Mit der Erfassung und Sammlung der einzutragenden Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Gerichte wird lediglich eine Tatsachengrundlage zur Vorbereitung von Entscheidungen … (der Fahrerlaubnisbehörden) geschaffen. Rechtsfolgen können sich erst aus den Entscheidungen ergeben, die diese Stellen, wenn auch möglicherweise gestützt auf das Ergebnis der eingeholten Auskünfte, in eigener Verantwortung treffen“ (BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2006 - 3 B 49.06 - juris Rn. 5 m.w.N. zur mitgeteilten Punktezahl nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG a.F.).
b. Die Überliegefrist für die Eintragung der Tat vom 25. Februar 2014 wirkt sich nicht negativ aus. Der Zweck dieser Frist beschränkt sich darauf, nach Ablauf der Tilgungsfrist einer früheren Verkehrsordnungswidrigkeit oder -straftat, die erst nach Eintritt ihrer Rechtskraft in das Register einzutragen ist (§ 4 Abs. 2 Satz 3, § 28 Abs. 3 Ziff. 1 bis 3 StVG), noch feststellen zu können, ob der Fahrerlaubnisinhaber vor Ablauf der Tilgungsfrist der früheren Tat eine weitere Tat mit Auswirkung auf den Punktestand begangen hatte. Die Überliegefrist wirkt sich auf Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem nur in der (hier nicht vorliegenden) Fallkonstellation aus, in der die spätere Tat während der noch nicht abgelaufenen Tilgungsfrist einer früheren Tat begangen wurde und die Eintragung der rechtskräftigen Ahndung der späteren Tat in das Register erst nach Ablauf der Tilgungsfrist der früheren Tat, aber noch vor Ablauf deren Überliegefrist erfolgt.
Die Bundesregierung hat dazu im Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze (BT-Drs. 17/12636, S. 19 f. und 41 f.) folgende Begründung gegeben: „Für die Berechnung des Punktestandes ist somit der Zeitraum maßgeblich, der mit der Begehung der Tat beginnt und mit dem Eintritt der Tilgungsreife (Ablauf der Tilgungsfrist) endet. Begeht der Inhaber der Fahrerlaubnis während dieser Zeit eine weitere Zuwiderhandlung, zu der später eine Entscheidung rechtskräftig und im Fahreignungsregister eingetragen wird, löst die Begehung dieser weiteren Zuwiderhandlung einen neuen Punktestand aus. Der tatsächliche Punktestand ist nach dieser Systematik somit immer retrospektiv zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Eintragung führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit festzustellen. Das macht es auch unerlässlich, weiterhin eine einjährige Überliegefrist vorzusehen, die sich an die Tilgungsreife anschließt und nach der erst die endgültige Löschung der Eintragung erfolgt. Sie hat den Zweck, nach Ablauf der Tilgungsfrist feststellen zu können, ob der Fahrerlaubnisinhaber vor Ablauf der Tilgungsfrist eine oder mehrere andere Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen hatte, die sich auf den Punktestand ausgewirkt haben, zu denen aber erst nach Ablauf der Tilgungsfrist die Entscheidung rechtskräftig und im Fahreignungsregister eingetragen wird. Solche Erhöhungen des Punktstandes könnten nicht mehr berücksichtigt werden, wenn eine Eintragung unmittelbar mit Eintritt der Tilgungsreife gelöscht werden würde. … Die Behörde hat also bei Hinzutreten einer neuen Tat zu prüfen, ob diese in Kumulation mit anderen, am Tattag der neuen Tat noch nicht getilgten Verstößen zum erstmaligen Erreichen einer Stufe führt. Satz 5 (nunmehr Satz 6 Nr. 2) legt fest, wie lange die Punkte ab ihrer Entstehung für die Berechnung des Punktestandes und damit zur Ergreifung von Maßnahmen verwendet werden dürfen. Die Regelung stellt hierzu den Bezug zu den in § 29 geregelten Tilgungsfristen der zugrunde liegenden Zuwiderhandlungen her. Solange die Tilgungsfrist für eine Tat noch nicht abgelaufen war, ist sie für die Berechnung des Punktestandes und damit der Maßnahmenstufe heranzuziehen. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit.“
Aus dieser Begründung geht eindeutig hervor, dass Taten, deren Tilgungsfrist bereits abgelaufen ist, bei der Berechnung des Punktestandes ausscheiden. Mit dem am 1. Mai 2014 in Kraft getretenen neuen Fahreignungs-Bewertungssystem (Gesetz vom 28. Mai 2013, BGBl I 2013, 2013) wurde zudem auf die bisherigen „unübersichtlichen Hemmungsregelungen“ verzichtet; stattdessen wurden in § 29 Abs. 1 StVG feste Tilgungsfristen eingeführt (vgl. BT-Drs. 17/12636, S. 19 f., 46). Auch dieser Systemwechsel spricht dafür, dass Eintragungen im Fahreignungsregister ab dem Eintritt ihrer Tilgungsreife nicht mehr verwertet werden dürfen.
c. § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG, wonach spätere Verringerungen des Punktestandes auf Grund von Tilgungen im Register unberücksichtigt bleiben, steht dazu nicht in Widerspruch, sondern fügt sich in das Tattagprinzip des § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG ein. Die Vorschrift regelt den hier ebenfalls nicht gegebenen Fall, dass der Fahrerlaubnisinhaber aufgrund von nicht tilgungsreifen Eintragungen bereits einen Punktestand erreicht hatte, der die Fahrerlaubnisbehörde zum Ergreifen von Maßnahmen § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG berechtigte, weshalb eine nach dem Überschreiten dieser Schwelle eintretende Punktetilgung nicht mehr zu berücksichtigen ist. Wie schon nach bisherigen Recht ist zwischen „noch nicht getilgten Verstößen” (vgl. BR-Dr 821/96, S. 53) und „zwischenzeitlichen Punktetilgungen „bis zum Erreichen von 18 Punkten“ und nach dem „Erreichen von 18 oder mehr Punkten“ eintretenden (nachträglichen) Punktetilgungen zu unterscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 21.07 - juris Rn. 9 ff., BVerwGE 132, 57 zum Tattagprinzip nach dem Mehrfachtäter-Punktsystem; VGH Mannheim, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - 10 S 2053/10 - juris). Diese Rechtsfolge wird nun in § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG klargestellt (vgl. BT-Drs. 17/12636, S. 41 f.).
d. Soweit sich das Verwaltungsgericht auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Bautzen vom 29. November 2017 - 3 B 274/17 - (juris) beruft, so rechtfertigt auch dieses Zitat keine andere Beurteilung. Nach dem vom Oberverwaltungsgericht mitgeteilten Sachverhalt (a.a.O., Rn. 13) war im dortigen Beschwerdeverfahren „unstreitig, dass sich für den Antragsteller im FER am Tattag … mit der von ihm begangenen und rechtskräftig geahndeten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit … ein Punktestand von acht Punkten ergab.“ Streitig war im Beschwerdeverfahren ausschließlich, „ob § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG der Verwertung von Punkten aus Eintragungen entgegensteht, die - so der Antragsteller - nachträglich, … und damit vor Erlass der Entziehungsverfügung gelöscht worden sein sollen.“ Um die Reichweite des in § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG enthaltenen Verwertungsverbots nach Löschung einer Eintragung im Fahreignungsregister und dem Verhältnis zu dem in § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG enthaltenen Tattagprinzip geht es im vorliegenden Verfahren jedoch nicht (s.o. unter 1. a.). Schon von daher sind die diesbezüglichen Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts Bautzen hier nicht von Belang, denn im vorliegenden Verfahren ist allein umstritten, ob der hiesige Antragsteller zum Begehungszeitpunkt seines Verkehrsverstoßes vom 24. August 2017 wegen der hinsichtlich seiner früheren Geschwindigkeitsübertretung (25. Februar 2014) bereits eingetretenen Tilgungsreife nach § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 2 StVG acht Punkte erreicht hatte.
2. Der angegriffene Beschluss erweist sich im Ergebnis auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Namentlich muss der vom Antragsgegner erwähnte Umstand unberücksichtigt bleiben, dass der Antragsteller „ein unbelehrbarer Wiederholungssünder“ sei, „dessen Nichteignung auch abweichend vom Fahreignungs-Bewertungssystem feststeht“, weil er „seit der letzten Neuerteilung der Fahrerlaubnis (die zuvor erfolgte Entziehung beruhte bezeichnenderweise auf dem Erreichen von 18 Punkten im damaligen Verkehrszentralregister) … regelmäßig gegen Verkehrsvorschriften (verstoße), zumeist nicht unerheblich gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen.“ Der Vorwurf trifft nach Aktenlage zwar zu, führt jedoch zu keiner anderen Bewertung der Fahreignung, weil die Verkehrsverstöße, die der Antragsteller nach Wiedererteilung seiner Fahrerlaubnis im Jahr 2011 und einem vorangegangenem positiven Fahreignungsgutachten begangen hatte, dem Regime des Fahreignungs-Bewertungssystems unterfallen und danach für eine Fahrerlaubnisentziehung (noch) nicht ausreichen.
Zwar ist das Fahreignungs-Bewertungssystem nach § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG „nicht anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Absatz 1 oder einer auf Grund § 6 Absatz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung ergibt“, doch liegt solch ein - eng auszulegender - Ausnahmefall hier nicht vor.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat zu einem solchen Fall im Urteil vom 4. August 2017 - VG 4 K 499.6 - (juris Rn. 18 ff. m.w.N.) ausgeführt: „Das Fahreignungs-Bewertungssystem bezweckt eine Vereinheitlichung der Behandlung von Mehrfachtätern und soll den Betroffenen Gelegenheit geben, Verhaltensmängel durch Aufbauseminare und verkehrspsychologische Beratung möglichst frühzeitig zu beseitigen. Der Gesetzgeber hat durch die Schaffung dieses Punktesystems deutlich gemacht, dass mit Punkten bewertete Verkehrsverstöße grundsätzlich noch keine Eignungsüberprüfung auslösen sollen, sondern in der Regel das Instrumentarium des § 4 StVG anzuwenden ist. Er hat insoweit bewusst in Kauf genommen, dass auch Kraftfahrer mit einem nicht unerheblichen „Sündenregister“ weiter am Straßenverkehr teilnehmen und die Entziehung der Fahrerlaubnis von der zuvor eingeräumten Möglichkeit, die angebotenen Hilfestellung wahrzunehmen, abhängig gemacht (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Mai 2014, a.a.O., Rn. 7 m.w.N.). Die Entziehung abweichend von den Maßnahmen des Fahreignungs-Bewertungssystem ist deshalb nur in besonderen Ausnahmekonstellationen zulässig, etwa wenn ein Fahrerlaubnisinhaber durch die beharrliche und häufige Begehung von Verkehrszuwiderhandlungen oder durch einen erheblichen Verkehrsverstoß verkehrsauffällig geworden ist und sich aus einem derartigen Verhalten Fahreignungsmängel oder zumindest Eignungsbedenken in charakterlicher Hinsicht ableiten lassen. Die Fahrerlaubnisbehörde muss im Einzelfall unter Auswertung aller konkreten Umstände näher begründen, warum sie aus besonderen Gründen im konkreten Fall, der sich erheblich vom Normalfall sonstiger Verkehrsteilnehmer mit Punktestand abheben muss, aufgrund einer Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers oder wegen der Art, der Häufigkeit oder des konkreten Hergangs der Verkehrsverstöße Eignungsbedenken hegt, welche die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis gebieten, ohne dem Betroffenen die Chance zu belassen, zuvor die abgestuften Hilfsangebote des § 4 StVG wahrzunehmen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Mai 2014, a.a.O., Rn. 7).“
Diese grundsätzlichen Erwägungen gelten auch im vorliegenden Fall. Die danach jedenfalls erforderliche nähere Begründung, warum die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis - abweichend vom Fahreignungs-Bewertungssystem und ohne eine vorherige Begutachtung der Fahreignung des Antragstellers - unabweisbar geboten sein soll, hat der Antragsgegner nicht geliefert.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).