Gericht | VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 02.12.2010 | |
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Aktenzeichen | VG 5 K 280/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Gerichtsbescheid | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 5 FreizügG/EU, § 113 Abs 4 VwGO, § 42 Abs 1 VwGO |
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2010 verpflichtet, der Klägerin zu 1) eine Aufenthaltskarte für Familienangehörige von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern auszustellen und verurteilt, der Klägerin zu 2) eine Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger auszustellen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Klägerin zu 2) ist französische, ihre Mutter, die Klägerin zu 1), togoische Staatsangehörige.
Die Klägerin zu 2) wurde am 28. Mai 2003 in xxx geboren. Der französische Staatsangehörige Herr xxx hat die Vaterschaft am 21. September 2004 bei der Stadtverwaltung xxx, 20. Arrondissement, anerkannt. Durch Urteil vom 3. Mai 2006 stellte das Amtsgericht xxx fest, dass die Klägerin zu 2) nicht das Kind des deutschen Staatsangehörigen xxx sei.
Mit Schreiben vom 12. April 2007 beantragten die Klägerinnen eine „Aufenthaltserlaubnis EU“ bzw. eine „Aufenthaltserlaubnis Familienangehörige EU“.
Mit Bescheid vom 18. Juli 2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, dass die Klägerin zu 1) nach negativem Ausgang ihres Asylverfahrens vollziehbar ausreisepflichtig sei und die Klägerin zu 2) nicht freizügigkeitsberechtigte Unionsbürgerin sei. Sie sei keine Dienstleistungsempfängerin im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des § 4 FreizügG/EU nicht vor.
Der Widerspruch der Klägerinnen vom 7. August 2008 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2010 zurückgewiesen. Ergänzend wurde darin ausgeführt, dass sich die Klägerin zu 2) allein im Hinblick auf ihre französische Staatsangehörigkeit nicht auf Freizügigkeit gemäß § 2 Abs. 2 FreizügG/EU berufen könne.
Die Klägerinnen haben am 26. März 2010 die vorliegende Klage erhoben.
Sie tragen vor, dass der Wegzug des freizügigkeitsberechtigten Vaters der Klägerin zu 2) aus Deutschland nichts an deren Freizügigkeit gemäß § 3 Abs. 4 FreizügG/EU ändere.
Die Klägerinnen beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Februar 2010 zu verurteilen,
1. der Klägerin zu 1) eine Aufenthaltskarte für Familienangehörige von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern zu erteilen,
2. der Klägerin zu 2) eine Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger auszustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt die angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin zu 2) sei davon auszugehen, dass der deutsche Staatsangehörige xxx aus xxx der Kindesvater sei. Es ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte, die auf die tatsächliche Ausübung der elterlichen Sorge des Herrn xxx gegenüber der Klägerin zu 2) schließen ließen. Hinweise auf ein familiäres Zusammenleben oder eine gemeinsame Wohnsitznahme seien nicht erkennbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Das Gericht konnte nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 84 Abs. 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden.
Der Klageantrag ist gemäß §§ 88, 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO dahingehend auszulegen, dass beantragt wird, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2010 zu verpflichten, der Klägerin zu 1) eine Aufenthaltskarte für Familienangehörige von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern auszustellen und zu verurteilen, der Klägerin zu 2) eine Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger auszustellen.
Die Klage der Klägerin zu 1) ist gemäß § 42 Abs. 1 VwGO als Verpflichtungsklage zulässig, da die begehrte Aufenthaltskarte gemäß § 5 Abs. 2 FreizügG/EU als feststellender Verwaltungsakt zu qualifizieren ist (Epe in : GK-AufenthG IX – 2 § 5 FreizügG/EU Rdnr. 19; BVerwG, NVwZ 2001, 1288). Die Klage der Klägerin zu 2) ist gemäß § 113 Abs. 4 VwGO als Anfechtungsklage in Verbindung mit der allgemeinen Leistungsklage zulässig. Die Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht gemäß § 5 Abs. 1 FreizügG/EU ist kein Verwaltungsakt, sondern dient lediglich dem Nachweis des sich unmittelbar aus dem Unionsrecht ergebenden Aufenthaltsrechts (Epe, a. a. O., Rdnr. 12).
Die Klage ist begründet.
Die Klägerinnen haben Anspruch auf Ausstellung der begehrten Bescheinigungen aus § 5 Abs. 1, Abs. 2 FreizügG/EU. Der entgegenstehende Bescheid des Beklagten vom 18. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen in ihren Rechten.
Zur Begründung wird auf die Ausführungen in dem Beschluss vom 8. Oktober 2010 Bezug genommen. Die Klägerinnen haben nach Ablauf des fünfjährigen ständigen Aufenthalts ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4 a Abs. 1 FreizügG/EU erworben (Nr. 5.5.1.1 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum FreizügG/EU). Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts der Klägerinnen ergibt sich aus der vermuteten Freizügigkeit nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, deren Nichtvorliegen bzw. Verlust nicht innerhalb des fünfjährigen Aufenthalts nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU festgestellt wurde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. mit §§ 708, 711 ZPO.