1. Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), als der Beklagte in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid festgestellt hat, dass ein über den Betrag von € 8 114,71 hinausgehender Anspruch auf Erstattung überzahlter Gewerbesteuer und Zinsen aus dem Bescheid vom 27. Oktober 2004 durch Aufrechnung erloschen sei. Die von dem Beklagten am 02. November 2004 erklärte Aufrechnung hat den Erstattungsanspruch lediglich in Höhe von € 8 114,71 zum Erlöschen gebracht; im Übrigen war die Aufrechnungslage nicht gegeben.
a) Der Anspruch des Klägers auf Erstattung des Gewerbesteuerguthabens in Höhe von € 24 344,813 aus den Vorauszahlungen zum 15. Mai, 15. August und 15. November 2000 ist nicht durch Aufrechnung erloschen. Die Aufrechnung war insoweit gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig.
aa) Gemäß § 226 Abs. 1 AO gelten für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen derartige Ansprüche die Vorschriften des bürgerlichen Rechts sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die Zulässigkeit der Aufrechnung richtet sich folglich nach §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und §§ 94 bis 96 InsO.
Nach § 387 BGB setzt die Aufrechnung voraus, dass die Forderung des Aufrechnenden (die Gegenforderung) fällig und die Forderung des Aufrechnungsgegners (die Hauptforderung) erfüllbar ist. Eine vor Eintritt der Aufrechnungslage erklärte Aufrechnung ist unwirksam und bewirkt nicht das Erlöschen der betroffenen Forderungen.
Nach § 95 Abs. 1 InsO ist die Aufrechnung im Insolvenzverfahren noch möglich, wenn Hauptforderung und Gegenforderung bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden, die Aufrechnungslage aber erst während des Insolvenzverfahrens eintritt, weil die aufzurechnende Hauptforderung im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig oder die Forderungen noch nicht auf gleichartige Leistungen gerichtet waren. Gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist die Aufrechnung demgegenüber ausgeschlossen, wenn die Hauptforderung zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht bestand und mithin der Insolvenzgläubiger nach Insolvenzeröffnung etwas schuldig geworden ist.
Für die Frage, ob § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Aufrechnung durch den Insolvenzgläubiger entgegensteht, kommt es darauf an, ob die Hauptforderung ihrem Kern nach bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Ob ein Steueranspruch bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war, richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat sich anschließt, nicht danach, ob der Anspruch im steuerrechtlichen Sinne entstanden war, sondern danach, ob im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung der Rechtsgrund für den Anspruch im insolvenzrechtlichen Sinne gelegt war (BFH-Urteile vom 05. Oktober 2004 – VII R 69/03, BStBl. II 2005, 195, unter II.2.a) der Gründe; vom 16. November 2004 – VII R 75/03, BStBl. II 2006, 193, unter II.2. der Gründe; BFH-Beschlüsse vom 06. Oktober 2005 – VII B 309/04, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2006, 369, unter II.1. der Gründe; vom 07. Juni 2006 – VII B 329/05, BStBl. II 2006, 641; Sterzinger, Betriebs-Berater – BB – 2008, 1480, 1481). Der Anspruch auf eine Steuer ist im insolvenzrechtlichen Sinne dann vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand, der zur Entstehung der Steuer führt, bereits vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist (BFH in BStBl. II 2005, 195, aaO.; in BStBl. II 2006, 193, aaO.; in BFH/NV 2006, 369, aaO.; BFH-Beschluss vom 20. April 2007 – VII B 252/06, BFH/NV 2007, 1395, m.w.N.). Das gilt auch für Steuererstattungsansprüche (Sterzinger aaO.). Steuererstattungsansprüche aufgrund von Steuervorauszahlungen entstehen im Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Besteuerungszeitraumes die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung (BFH-Urteil vom 29. Januar 1991 – VII R 45/90, BFH/NV 1991, 791, unter 3. der Gründe; in BStBl. II 2006, 641; Beschluss des Bundesgerichtshofes – BGH – vom 12. Januar 2006 – IX ZB 239/04, Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 2006, 1127, unter III.3. der Gründe, für einen Fall des Lohnsteuerabzuges). Maßgeblicher Lebenssachverhalt ist demnach die Entrichtung der Vorauszahlung (Obermair, BB 2004, 2610, 2611). Auf die Festsetzung des Erstattungsanspruches in einem Erstattungsbescheid kommt es nicht an (BFH in BFH/NV 1991, 791, unter 2.b) der Gründe; Rüsken aaO.); die Entstehung des Erstattungsanspruchs im insolvenzrechtlichen Sinne wird auch nicht dadurch gehindert, dass der Festsetzung des Erstattungsbetrages eine materiell-rechtlich rechtswidrige Steuerfestsetzung als Rechtsgrund der zu erstattenden Leistung entgegensteht (Rüsken, aaO.). Dementsprechend hat der BFH entschieden, dass Steuererstattungsansprüche aus überzahlter Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer des Jahres 1999, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Schuldnerin im Mai 2000 noch nicht festgesetzt und daher noch nicht entstanden waren, vor Verfahrenseröffnung dadurch begründet waren, dass im Jahre 1999 die Lebenssachverhalte verwirklicht worden sind, aufgrund deren die Schuldnerin die Erstattungsansprüche erworben hat (BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 – VII R 71/04, juris).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Erstattungsanspruch der Schuldnerin aus überzahlter Gewerbesteuer 2000 nur in Höhe von € 8 114,71 vor und in Höhe von € 24 344,813 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden.
Die Gewerbesteuer-Vorauszahlungsverbindlichkeiten, die den bedingten Gewerbesteuer-Erstattungsanspruch der Schuldnerin zur Folge hatten, sind am 21. Februar 2001 durch Aufrechnungserklärung des Beklagten zum Erlöschen gebracht worden. Damit ist zwar – anders als der Kläger meint – nicht auf den 21. Februar 2001 als Tag der Zahlung abzustellen, denn die Aufrechnung hat andere Rechtsfolgen als eine Tilgung einer Schuld durch Zahlung. Gleichwohl ist der Lebenssachverhalt, der zum Entstehen des Erstattungsanspruchs geführt hat, im Hinblick auf die am 15. Mai, 15. August und 15. November 2000 fälligen Zahlungen in Höhe von insgesamt € 24 344,813 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden.
Die Aufrechnung des Beklagten hat gemäß § 389 BGB zur Folge, dass die gegenseitigen Forderungen in dem Zeitpunkt als erloschen gelten, zu dem sie sich erstmals aufrechenbar gegenüberstanden. Diese Rechtsfolge gilt nach § 226 Abs. 1 AO in Ermangelung einer abweichenden Regelung auch für die Aufrechnung im Steuerrecht. Das ergibt sich im Umkehrschluss auch aus § 240 Abs. 1 Satz 5 AO, der die Rückwirkung der Aufrechnung – nur – für einen besonderen Fall aufhebt.
Die Aufrechnungslage, auf die die Erklärung der Aufrechnung zurückwirkt, ist gegeben, wenn die Hauptforderung des Aufrechnungsgegners erfüllbar und die Gegenforderung des Aufrechnenden fällig ist (vgl. Rüsken in Klein, AO, 10. Auflage 2009, § 226 Rn. 9). Es kann offen bleiben, ab wann die Hauptforderung erfüllbar war. Die Gegenforderungen, mit denen der Beklagte aufrechnete, waren am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November 2000 fällig. Damit gelten die Gewerbesteuer-Vorauszahlungen der Schuldnerin als zu diesen Zeitpunkten geleistet. Vorauszahlungen eines Kalendervierteljahres sind immer schon dann Verbindlichkeiten der Insolvenzmasse, wenn das Insolvenzverfahren während des Kalendervierteljahres, für das sie geleistet werden, eröffnet wird (Sarrazin in Lenski/Steinberg, GewStG, Kommentar, § 21 Rn. 5). Mithin waren die am 15. Mai, 15. August und 15. November 2000 durch Aufrechnung getilgten Vorauszahlungen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleistet; insoweit durfte der Beklagte folglich nicht mehr aufrechnen.
Anders ist es mit der Vorauszahlung, die am 15. Februar 2000 fällig war und an diesem Tage durch Aufrechnung des Beklagten vom 21. Februar 2001 getilgt wurde. Diese Leistung der späteren Schuldnerin lag vor dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so dass der Erstattungsanspruch insoweit zuvor begründet worden war mit der Folge, dass der Beklagte insoweit mit seiner Forderung auf Umsatzsteuer 1999 und 2000 aufrechnen konnte.
cc) Der Beklagte kann sich hinsichtlich der nach dem unter bb) Gesagten nicht aufrechenbaren Beträge nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er nicht mit dem Gewerbesteuer-Erstattungsanspruch der Schuldnerin, sondern mit deren Körperschaftsteuer-Guthaben aus dem Jahre 1997 aufrechne. Dieser Anspruch der Schuldnerin ist durch die Aufrechnung vom 21. Februar 2001 erloschen und steht zur Aufrechnung demnach nicht mehr zur Verfügung. Anders als der Beklagte meint, wurde die Aufrechnung vom 21. Februar 2001 nicht wegen Wegfalls seines Gewerbesteuer-Vorauszahlungsanspruchs nach Ergehen des Gewerbesteuerjahresbescheides 2000 unwirksam. Es ist zwar zutreffend, dass zivilrechtlich mit auflösend bedingten Gegenforderungen aufgerechnet werden kann und in diesem Fall die Wirkung der Aufrechnung mit Eintritt der Bedingung entfällt (Schlüter in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2007, § 387 Rn. 36; dort wird die Gegenforderung als „Aktivforderung“ bezeichnet). Vorauszahlungsansprüche sind jedoch nicht in diesem Sinne auflösend bedingt. § 158 BGB bestimmt, dass im Falle der Vornahme eines Rechtsgeschäfts unter einer auflösenden Bedingung die Wirkung dieses Rechtsgeschäfts mit dem Eintritt der Bedingung endigt; zu diesem Zeitpunkt tritt der frühere Rechtszustand wieder ein. Diese Vorschrift ist auf die Festsetzung von Steuern und Steuervorauszahlungen nicht übertragbar. Steuerforderungen sind von Formalien wie Festsetzung, Änderung und Aufhebung der Festsetzung abhängig. Eine auflösende Bedingung i.S.d. § 158 BGB wohnt ihnen nicht inne, schon deshalb, weil es sich nicht um ein Rechtsgeschäft handelt. Zudem wird unter einer Bedingung i.S.d. § 158 BGB ein zukünftiges ungewisses Ereignis verstanden. Das ist bei dem Erlass des Jahressteuerbescheides nicht der Fall; vielmehr ist den Beteiligten bewusst, dass ein solcher ergehen wird und auch ergehen soll. Auch die Rechtsfolge des § 158 BGB (Rückkehr zum Rechtszustand vor Eingehung des Rechtsgeschäfts) trifft hier nicht zu, denn mit Erlass des Jahressteuerbescheides entfällt nicht jegliche Steuerzahlungspflicht des Steuerpflichtigen (so aber der Rechtszustand vor Festsetzung von Vorauszahlungen), sondern die endgültige Steuerschuld wird konkretisiert. Wäre der Argumentation des Beklagten zu folgen, so hätte der Erlass des Jahressteuerbescheides stets zur Folge, dass die Finanzbehörde alle geleisteten Vorauszahlungen erstatten müsste. Das ist indes nicht der Fall; insbesondere im Gewerbesteuergesetz ist in § 20 Abs. 2 bestimmt, dass die Behörde die Vorauszahlungen, soweit sie von dem Steueranspruch gedeckt sind, behalten darf. Soweit der BFH davon spricht, dass Vorauszahlungen durch den Erlass des Jahressteuerbescheides auflösend bedingt seien (BFH-Urteil vom 13. März 1979 – III R 79/77, BStBl. II 1979, 461, unter 2.b) der Gründe, noch zur Rechtslage nach der Reichsabgabenordnung – RAO –), ist dies demnach nicht im Sinne von § 158 BGB zu verstehen. Dementsprechend hat der BFH auch entschieden, dass die Tilgungswirkung der Aufrechnung entfällt, wenn der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, mit dem aufgerechnet worden ist, später im Wege der Änderung der Steuerfestsetzung aufgehoben oder herabgesetzt wird (BFH-Urteil vom 30. März 2006 – V R 60/04, BFH/NV 2006, 1434, unter II.b) der Gründe). Die Vorauszahlungsbescheide, die die Schuldnerin zur Leistung von Gewerbesteuervorauszahlungen verpflichteten, sind indes weder geändert noch aufgehoben worden. Der Umstand, dass sie durch den Erlass des Gewerbesteuerjahresbescheides ihre Wirkung verloren haben, ist keine auflösende Bedingung, die die Rechtsfolgen der Aufrechnung rückwirkend entfallen ließe.
b) Der Anspruch des Klägers auf die Auszahlung der Erstattungszinsen in Höhe von € 5 030,00 ist ebenfalls nicht durch Aufrechnung erloschen. Der Anspruch auf die Zinsen war nicht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, so dass es an den Voraussetzungen des § 95 Abs. 1 InsO fehlt.
Erstattungszinsen nach § 233a AO sind nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des BFH nicht schon im Zeitpunkt der Leistung von Vorauszahlungen unter der aufschiebenden Bedingung, dass einmal die Voraussetzungen des § 233a AO eintreten sollten, insolvenzrechtlich begründet. Sie entstehen vielmehr zeitabschnittsweise, so dass der Anspruch auf Erstattungszinsen, die auf Zeiträume nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfallen, von der Finanzbehörde nicht mit vorinsolvenzlichen Steuerforderungen verrechnet werden kann. Selbst wenn der Grund für die Zinsverpflichtung bereits in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt worden sein sollte, entstehen die Zinsen gemäß § 233a Abs. 2 Satz 1 AO doch erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (sog. Karenzzeit). Aus diesem Grund können die Zinsen nicht als bedingte bzw. betagte Forderungen angesehen werden, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 – VII R 71/04, juris; BFH in BFH/NV 2007, 1395; Rüsken aaO., 2060).
2. Die Revision zum Bundesfinanzhof war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Fragen, wann Steuererstattungsansprüche, die ihren Grund in der Erfüllung von Steuerverbindlichkeiten durch Aufrechnung durch die Behörde haben, im konkurs- bzw. insolvenzrechtlichen Sinne entstanden sind, und ob die Aufrechnung mit Steuervorauszahlungsforderungen zum Zeitpunkt des Erlasses des Jahressteuerbescheides rückwirkend unwirksam wird, von grundsätzlicher Bedeutung sind.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).