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Entscheidung 6 Sa 2102/12


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 6. Kammer Entscheidungsdatum 15.03.2013
Aktenzeichen 6 Sa 2102/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 14 Abs 1 S 1 Nr 6 TzBfG

Leitsatz

1. Die auf Initiative des Personalrats veranlasste Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter an einem Universitätsklinikum um einen Monat für Abschlussarbeiten an seiner Dissertation stellt einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Sachgrund i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG dar.

2. Bei einer Gesamtdauer von zwei Jahren und sieben Monaten auf der Grundlage von sieben Befristungsabreden liegt bei einem solchen Mitarbeiter noch kein Gestaltungsmissbrauch vor.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18.10.2012 – 58 Ca 8020/12 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der am ….1960 geborene Kläger wurde in der Zeit vom 01.11.2009 bis 30.04.2012 aufgrund von sechs Befristungsabreden als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Beklagten beschäftigt. Daran schloss sich eine weitere Beschäftigung bis 31.05.2012 aufgrund eines am 30.04.2012 geschlossenen Arbeitsvertrags (Abl. Bl. 27 – 28 GA) an.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die auf Entfristung und vorläufige Weiterbeschäftigung gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die zuletzt vereinbarte Befristung sei aus sozialen Gründen gerechtfertigt, weil diese auf Intervention des Personalrats erfolgt sei, während die Beklagte selbst eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nicht beabsichtigt gehabt habe. Die Beklagte sei nicht gehindert, sich auf diesen Sachgrund zu berufen, obwohl sie im Arbeitsvertrag darauf hingewiesen habe, dass die Befristung nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG erfolge. Es genüge, dass der Rechtfertigungsgrund für eine Befristung bei Vertragsschluss objektiv vorgelegen habe. Die befristete Beschäftigung des Klägers mit Rücksicht auf seine sozialen Belange rechtfertige auch nicht die Annahme, dass die Beklagte sich rechtsmissbräuchlich verhalten habe.

Gegen dieses ihm am 31.10.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 09.11.2012 eingelegte und nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist am 31.01.2013 begründete Berufung des Klägers. Er behauptet, er sei fortlaufend für mehrere parallele Projekte tätig gewesen, wie sich auch aus seinem ersten und vierten Arbeitsvertrag ergebe. Im Antrag zum Projekt „Fehlregulierte Signalwege“ für einen Zeitraum von zwei Jahren ab 01.06.2012 sei er ebenfalls als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit einer halben Stelle ausgewiesen gewesen. Die dort auf Seite 37 bis 40 wiedergegebenen Tabellen habe er im September/Oktober 2011 erarbeitet. Er habe die Angabe in seinem letzten Arbeitsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis gemäß § 2 Abs. 2 WissZeitVG befristet sei, nur so verstehen können, dass die Befristung ausschließlich darauf habe gestützt werden sollen, zumal diese Angabe auch in allen zuvor geschlossenen Verträgen gemacht worden sei. Ein konkludenter Ausschluss, sich auf andere als den im Arbeitsvertrag genannten Grund zu berufen, ergäbe sich auch aus dem Zitiergebot des § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG. Tatsächlich habe ein Befristungsgrund nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG für die letzte Befristung unstreitig nicht vorgelegen.

Da die Beklagte ihm schon zuvor lediglich einen Arbeitsvertrag mit einer Laufzeit von einem Monat angeboten habe, liege hinsichtlich des letzten Arbeitsvertrags ein Wiederholungsfall vor, der einen sozialen Grund für die Befristung von vornherein ausschließe. Bei der Prüfung, ob tatsächlich soziale Gründe vorgelegen hätten, sei zur Vermeidung von Missbrauch ein strenger Maßstab anzulegen. Dass sich der Personalrat in der E-Mail vom 25.04.2012 (Abl. Bl. 71 GA) für eine schnelle Umsetzung einer befristeten Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses für einen Monat zum Zwecke der Durchführung unbenannter Abschlussarbeiten eingesetzt habe, lasse nicht auf soziale Erwägungen der Beklagten als deren überwiegendes Motiv schließen. Er habe zudem bestritten, dass es sich dabei um den vollständigen Schriftverkehr zwischen der Beklagten und dem Personalrat handele. Allein das zeitliche Hinausschieben einer drohenden Arbeitslosigkeit könne nie einen Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses darstellen.

Schließlich habe die Beklagte bei den beiden zuletzt geschlossen Arbeitsverträgen rechtsmissbräuchlich gehandelt, was entgegen dem Arbeitsgericht durch das Vorliegen eines Sachgrundes gerade nicht ausgeschlossen sei. Da er bis zum 30.06.2011 noch mit 30 Wochenstunden beschäftigt gewesen sei, wirke sich die weitere Beschäftigung mit nur 19,5 bzw. 20 Wochenstunden sogar mindernd auf den Leistungsbezug aus.

Der Kläger beantragt

1.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristungsabrede vom 30.04.2012 zum 31.05.2012 beendet worden sei,
2.die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss der Befristungskontrollklage zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 30.04.2012 im Institut für Physiologie der Beklagten im Campus B. F. in der Arbeitsgruppe strukturelle Bioinformatik als wissenschaftlichen Mitarbeiter weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt den Angriffen der Berufung entgegen und verweist darauf, dass sich der Kläger selbst kurz vor Ablauf des Arbeitsverhältnisses an den Personalrat gewandt und um eine befristete Verlängerung gebeten habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung ist unbegründet.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat aufgrund der Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 30.04.2012 am 31.05.2012 geendet. Damit entfiel auch ein Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

1.1 Gegenstand der innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG eingereichten Entfristungsklage ist ausschließlich die letzte Befristungsabrede vom 30.04.2012.

1.2 Diese Abrede ist wirksam.

1.2.1 Die befristete Verlängerung des Arbeitsverhältnisses war durch Gründe in der Person des Klägers sachlich gerechtfertigt (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG).

1.2.1.1 Ein solcher Grund liegt vor, wenn es sonst überhaupt nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrags gekommen wäre. Dann liegt es im objektiven Interesse des Arbeitnehmers, wenigstens für eine begrenzte Zeit bei diesem Arbeitgeber einen Arbeitsplatz zu erhalten. Diese Erwägungen müssen das überwiegende Motiv des Arbeitgebers gewesen sein (vgl. BAG, Urteil vom 24.08.2011 – 7 AZR 368/10 – AP TzBfG § 14 Nr. 85 R 27).

1.2.1.2 So verhielt es sich im vorliegenden Fall.

1.2.1.2.1 Wie der E-Mail des Personalrats vom 25.04.2012 (Abl. Bl. 71 GA) zu entnehmen, hat dieser sich an den Projektleiter wegen eines Antrags auf Verlängerung des Arbeitsverhältnisses um einen Monat gewandt, nachdem er eine Freigabe der dafür nötigen Mittel erreicht hatte. Zugleich hat der Personalrat darauf hingewiesen, dass sich der Kläger bewusst sei, dass dies die letzte Verlängerung für Abschlussarbeiten sei, womit erkennbar die damals noch nicht abgeschlossene Dissertation des Klägers gemeint war. Dass es entgegen der Angabe im Arbeitsvertrag gerade nicht mehr um Arbeiten im Rahmen von Drittmitteln für das Forschungsprojekt „MedSys“ oder eines anderen Forschungsprojekts ging, war allen Beteiligten klar. Dementsprechend hat der Kläger selbst darauf hingewiesen, dass die Beklagte für die Beschäftigung ihrer Mitarbeiter im Rahmen ihrer Projekte nicht in Monatsschritten Prognosen stelle.

1.2.1.2.2 Dafür, dass es ohne die Initiative des Personalrats zu keiner weiteren Verlängerung des Arbeitsverhältnisses gekommen wäre, sprach auch, dass sich der Personalrat an den verantwortlichen Projektleiter wegen des erforderlichen Antrags während dessen Urlaubsabwesenheit gewandt hat, dieser mithin von sich aus überhaupt nichts mehr veranlasst hätte. Auf diese Weise erhielt der Kläger Gelegenheit, im eigenen Interesse Abschlussarbeiten an seiner Dissertation in der Stellung eines Mitarbeiters der Beklagten auszuführen. Zugleich verschob sich auch der Beginn seiner Arbeitslosigkeit. Dabei hatte er entgegen seiner Ansicht nicht einmal eine Leistungsminderung zu erwarten. Da er in der Zeit vom 01.07.2011 bis 31.03.2012 lediglich 19,5 Wochenstunden beschäftigt worden war, ergab sich für ihn mit zuletzt 20 Wochenstunden bzw. 50 % der wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten sogar eine geringfügige Verbesserung.

1.2.1.3 Ein sachlicher Grund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG schied entgegen der Ansicht des Klägers nicht von vornherein deshalb aus, weil die Beklagte ihn auch im April 2012 bereits einen Monat lang beschäftigt hatte und für die Zeit davor eine Kettenbefristung vorgelegen hatte. Darauf, ob und ggf. welche Sachgründe für die vorangegangenen Befristungsabreden vorgelegen hatten, kam es für die Beurteilung, ob jedenfalls die letzte Abrede sachlich gerechtfertigt war, nicht an.

1.2.2 Indem im Arbeitsvertrag vom 30.04.2012 vorgesehen war, den Kläger im Rahmen von Drittmitteln weiterzubeschäftigen, und die Befristung dort auf § 2 Abs. 2 WissZeitVG gestützt wurde, haben die Parteien nicht konkludent abbedungen, dass sich die Beklagte auf einen tatsächlich vorliegenden Befristungsgrund stützen kann. Angesichts dessen, dass ihnen das Nichtvorliegen des im Vertrag genannten Sachgrundes bekannt war, hätte dies der erkennbaren Interessenlage der Beklagten widersprochen, da dies auf eine Entfristung des Arbeitsverhältnisses hinausgelaufen wäre (§ 157 BGB).

1.2.3 Das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG gilt nicht für den sachlichen Grund (BAG, Urteil vom 23.06.2004 – 7 AZR 636/03 – AP TzBfG § 14 Nr. 12 zu II 2 a der Gründe).

1.2.4 Der Kläger vermochte auch nichts aus dem Zitiergebot des § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG für sich herzuleiten. Dieses schließt nach Satz 2 allein eine Berufung auf die Vorschriften dieses Gesetzes aus, entfaltet jedoch keine Wirkung in umgekehrter Richtung.

1.2.5 Es lag auf Seiten der Beklagten auch kein die Berufung auf den Sachgrund der Befristung gemäß § 242 BGB ausschließender Gestaltungsmissbrauch vor. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat insgesamt lediglich zwei Jahre und sieben Monate bestanden. Dies lag nur unerheblich über dem Zeitraum von zwei Jahren für eine sachgrundlose Befristung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Ts. 1 TzBfG. Dabei erlaubt § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG für nicht promoviertes wissenschaftliches Personal sogar Befristungsabreden bis zu einer Gesamtdauer von sechs Jahren, was gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 WissZeitVG auch gilt, wenn die Beschäftigung aus Mitteln Dritter finanziert wird und überwiegend der Zweckbestimmung dieser Mittel entspricht. Dass mit insgesamt sieben Befristungsabreden der Rahmen von vier solcher Abreden gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Ts. 2 TzBfG deutlich überschritten war, genügte allein noch nicht, weil zum einen das WissZeitVG keine derartige Beschränkung enthält und zum anderen die Beklagte den Kläger zuletzt gerade in dessen eigenem Interesse noch kurzfristig weiterbeschäftigt hat. Erst wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für eine sachgrundlose Befristung gezogenen Grenzen um ein Mehrfaches überstiegen sind, ist eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten (BAG, Urteil vom 18.07.2012 – 7 AZR 783/10 – NZA 2012, 1359 R 43).

2. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG waren nicht erfüllt. Die aufgeworfenen Rechtsfragen haben angesichts der herangezogenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Fragen eines Sachgrundes in der Person des Arbeitnehmers und eines Gestaltungsmissbrauchs keine grundsätzliche Bedeutung.