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Versicherungspflicht - Familienversicherung - Versicherungsschutz - einstweiliger Rechtsschutz


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 06.02.2014
Aktenzeichen L 9 KR 28/14 ER ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 5 SGB 5, § 86b SGG, § 193 VVG

Leitsatz

1. Sind zwischen den Prozessbeteiligten mehrere in einem Vorrang-/ Nachrangverhältnis stehende Versicherungs(pflicht)tatbestände streitig, kann hierüber nur in einem einheitlichen sozialgerichtlichen Verfahren entschieden werden.

2. Wird in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um Versicherungsschutz dem Grunde nach gestritten, ist im Rahmen des Anordnungsanspruchs wegen der allgemeinen Krankenversicherungspflicht nicht mehr das Ob der Versicherung(spflicht), sondern nur die Zuständigkeit des (gesetzlichen oder privaten) Krankenversicherungsträgers zu prüfen.

Tenor

Zum Rechtsstreit wird die Barmenia Krankenversicherung a.G., Barmenia-Allee 1, 42119 Wuppertal, beigeladen und als Beigeladene zu 5) geführt.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits L 9 KR 94/13 Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren.

Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragsstellers. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe

A. Die Beteiligten streiten in zwei Hauptsacheverfahren um die Versicherungspflicht des Antragstellers aufgrund abhängiger Beschäftigung (beim Senat anhängiger Rechtsstreit L 9 KR 94/13) oder im Rahmen der sogenannten Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V – (bisher beim Sozialgericht Neuruppin geführter Rechtsstreit S 20 KR 294/13). Sollte letztere nicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (hier – bei der Antragsgegnerin –) bestehen, wäre nach § 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz grundsätzlich die private Krankenversicherung, bei der der Antragsteller zuletzt versichert war, verpflichtet, ihm Krankenversicherungsschutz zu gewähren (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Mai 2010 – L 9 KR 33/10 B ER –, juris). Aus diesem Grund war die Barmenia Krankenversicherung a.G. als letzte private Krankenversicherung des Antragstellers notwendig zum Verfahren beizuladen.

B. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes begehrte der Antragsteller sinngemäß, ihm vorläufig Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren.

I. Der im April 1955 geborene Antragsteller war bis zum 31. Dezember 2009 als Unternehmer selbständig tätig und bei der Beigeladenen zu 5) privat krankenversichert. Am 30. November 2009 beantragte seine Ehefrau für ihn bei der Antragsgegnerin die Familienversicherung. Hierbei gab sie an, dass der Antragsteller ab dem 01. Januar 2010 voraussichtlich über monatliches Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung i.H.v. 400,00 Euro und aus Vermietung i.H.v. 500,00 Euro verfügen werde. Mit Bescheid vom 08. Dezember 2009 lehnte die Antragsgegnerin diesen Antrag ab, da die für die Familienversicherung geltende Einkommensgrenze überschritten werde. Im Rahmen eines erneuten Antrags auf Familienversicherung des Antragstellers gab die Ehefrau am 15. Dezember 2009 Einkünfte des Antragstellers aus geringfügiger Beschäftigung nur noch i.H.v. 400,00 Euro monatlich ab 01. Januar 2010 an. Einkünfte aus Vermietung werde er nicht haben, weil sich sein ursprüngliches Vorhaben, den durch seine Geschäftsaufgabe frei gewordenen Gewerberaum zu vermieten, zerschlagen habe. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2009 bescheinigte die Antragsgegnerin dem Antragsteller, dass er ab dem 01. Januar 2010 bei ihr familienversichert sei.

Vom 30. Mai bis 12. Juli 2010 befand sich der Antragsteller in stationärer Behandlung. Am darauffolgenden Tag erhielt die Antragsgegnerin nach eigenen Angaben eine den Antragsteller betreffende, zum 01. Januar 2010 zurückwirkende „Anmeldung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei“ seinem Sohn, dem Beigeladenen zu 1); der Beitragsnachweis habe ein monatliches Bruttoeinkommen von 401,00 Euro ausgewiesen.

Ausweislich eines in der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin enthaltenen Vermerks erklärte der Beigeladene zu 1) am 6. August 2010 telefonisch, der Antrag auf Familienversicherung werde „hiermit mdl. zurückgezogen“.

Im Zuge der von der Antragsgegnerin eingeleiteten Ermittlungen legte der Antragssteller einen undatierten Arbeitsvertrag zwischen ihm und seinem Sohn vor, wonach er mit Wirkung vom 01. Januar 2010 als „Mitarbeiter“ in dessen Betrieb eingestellt werde und bei einer täglichen Arbeitszeit von 2 Stunden eine monatliche Vergütung von 401,00 Euro erhalte.

Mit Bescheid vom 20. September 2010 teilte die Antragsgegnerin dem Antragssteller mit, dass von einem Scheinarbeitsverhältnis auszugehen und er daher nicht ab dem 01. Januar 2010 als Arbeitnehmer pflichtversichert sei. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04. Mai 2011, Urteil vom 08. März 2013). Über die Berufung des Antragsstellers (Az.: L 9 KR 94/13) hat der Senat noch nicht entschieden.

Den erneuten Antrag des Antragsstellers vom 24. September 2010 auf Durchführung der Familienversicherung lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 04. Oktober 2010 ab, weil der Antragsteller über höhere Einnahmen als 365,00 Euro monatlich verfüge. Am 14. März 2012 wurde die Ehe des Antragstellers geschieden.

Auch den Antrag des Antragstellers auf Feststellung der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V lehnte die Antragsgegnerin ab (Bescheid vom 2. Juli 2013, Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2013). Über die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Neuruppin (Rechtsstreit S 20 KR 294/13) noch nicht entschieden.

Im Rahmen dieses Klageverfahrens hat der Antragssteller auch um Eilrechtsschutz nachgesucht und dies mit seinem schlechten Gesundheitszustand (schwer herzkrank, Zustand nach Schlaganfall, Depressionen) sowie den deshalb erforderlichen ärztlichen Behandlungen, die er zuletzt nur aus Wohltätigkeit seiner Ärzte erhalten habe, begründet.

Der Antragssteller beantragt sinngemäß,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm bis zum rechtskräftigen Abschluss des vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg geführten Rechtsstreits L 9 KR 94/13 und des vor dem Sozialgericht Neuruppin geführten Rechtsstreits S 20 KR 294/13 Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2013.

II. Der Antrag ist zulässig und begründet. Dem mit Wirkung zum 01. Januar 2009 verwirklichten gesetzgeberischen Ziel, einen Versicherungsschutz für alle in Deutschland lebenden Menschen – ausgenommen die nicht nach § 5 Abs. 11 SGB V einbezogenen Ausländer – zu bezahlbaren Konditionen herzustellen (BT-Drs. 16/5862, S. 97), kommt der Senat im vorliegenden Fall durch die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin, dem Antragssteller Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren, nach.

1. Den schriftsätzlich vorgebrachten Antrag des Antragsstellers, die Antragsgegnerin „bis zur Entscheidung in der Hauptsache im Wege der einstweiligen Anordnung [zu verpflichten, ihn] zu versichern“ hat der Senat in Anwendung von § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Sinne des o.g. Antrages ausgelegt.

Denn im Streit über die Versicherungspflicht eines Antragstellers mit einer gesetzlichen Krankenkasse gewährt der Senat in ständiger Rechtsprechung vorläufigen Rechtsschutz dadurch, dass er die Krankenkasse zur vorläufigen Erbringung krankenversicherungsrechtlicher Leistungen nach dem SGB V verpflichtet, auf die der Antragsteller zur Erhaltung von Leben, Gesundheit und körperlicher Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz [GG]) dringend vor der Entscheidung im Hauptsacheverfahren angewiesen ist und die er sich nicht einmal vorübergehend aus eigenen bereiten Mitteln oder denen unterhaltsverpflichteter Ehegatten oder Angehöriger beschaffen kann. Eine Entscheidung über die zwischen den Beteiligten streitige Frage des Bestehens von Versicherungspflicht trifft der Senat in diesen Fragen dagegen nicht, weil damit die Hauptsache vorweggenommen würde, ohne dass dies zur Wahrung der Rechte des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG unumgänglich erforderlich wäre. Denn anders als hinsichtlich der Versagung einzelner Leistungen, auf die ein Antragsteller dringend angewiesen ist, besteht seine Beeinträchtigung bei der Ablehnung der Versicherungspflicht / Mitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenkasse regelmäßig nur darin, dass ihm die nach dem SGB V generell zustehenden Leistungen zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung stehen, ohne dass sie dadurch für ihn grundsätzlich an Wert verlieren, weil dem durch Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG geforderten Rechtsschutz durch eine spätere Leistungsgewährung Rechnung getragen werden kann. Hinsichtlich der vorläufigen Feststellung der Versicherungspflicht ist deshalb vorläufiger Rechtsschutz regelmäßig zu versagen. Nur durch eine an diesen Grundsätzen orientierte Vorgehensweise wird dem vom Gesetzgeber in allen Prozessordnungen vorgesehenen Vorrang des nachgehenden Rechtsschutzes vor dem vorläufigen Rechtsschutz sowie dem sich aus Artikel 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Grundsatz Rechnung getragen, dass die Leistungsgewährung vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Ausnahme und nicht die Regel sein soll (Senat, Beschluss vom 26. Mai 2010 - L 9 KR 144/10 B ER -, juris, m.w.N.).

2. Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen auf einem eiligen Regelungsbedürfnis fußenden Anordnungsgrund mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen in der Hauptsache glaubhaft machen kann (§ 86b Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).

a. Die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Eilbedürftigkeit ist gegeben, weil der Kläger schwer krank ist und nicht über ausreichende finanzielle Mittel für seine medizinische Behandlung verfügt.

aa. Nach dem von der Antragsgegnerin nicht in Frage gestellten Vorbringen des Antragsstellers ist er schwer herzkrank, hatte einen Schlaganfall und leidet an bereits stationär behandelten Depressionen. Diese Angaben werden bestätigt durch die in den Akten enthaltenen medizinischen Stellungnahmen. So wurde der Antragssteller am 3. Mai 2013 „auf Grund einer schweren, stationär behandlungsbedürftigen psychiatrischen Erkrankung“ in die O Kliniken aufgenommen (vgl. deren Bericht vom 13. Mai 2013). Dies korrespondiert mit dem vom selben Krankenhaus am 16. Juni 2010 erstellten ärztlichen Gutachten zum „Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung“, wonach eine schwere depressive Episode mit Suizidversuch Grund für die damalige stationäre Aufnahme war. Ferner bestätigte die Fachärztin für Innere Medizin Dr. Z unter dem 14. August 2013, dass bei dem Antragssteller eine Diagnose gesichert sei, die seine Aufnahme in das DMP „Koronare Herzkrankheit“ erlaube. Der Antragssteller ist demzufolge akut behandlungsbedürftig.

Es besteht infolgedessen die nachvollziehbare Gefahr, dass künftig Erbringer medizinischer Leistungen eine Behandlung des Antragstellers mangels Bezahlung ablehnen. Den sich daraus ergebenden – von der Antragsgegnerin nicht Frage gestellten – gravierenden gesundheitlichen Risiken für den Antragsteller, insbesondere eine weitere erhebliche Verschlechterung seines allgemeinen Gesundheitszustands, hat der Senat entgegenzuwirken.

bb. Der Antragsteller ist nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auch nicht in der Lage, sich die dringend erforderlichen medizinischen Leistungen zunächst auf eigene Kosten zu beschaffen. Dies ergibt sich insbesondere aus den Ermittlungen des Senats im Zusammenhang mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) im Rechtsstreit L 9 KR 94/13. Auch wenn die dortigen Ermittlungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers noch nicht vollständig abgeschlossen sind, lässt sich schon jetzt feststellen, dass der Antragsteller Einnahmen nur durch seine Tätigkeit im Betrieb seines Sohnes sowie in Form von Wohngeld erzielt. Ob – und ggf. in welcher Höhe – ihm Unterhaltsansprüche gegenüber seinem Sohn oder anderen Verwandten zustehen, ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu klären. Über nennenswertes Barvermögen verfügt der Antragsteller nicht. Ferner ist er zwar Eigentümer des Grundstücks mit den von ihm bewohnten und dem Betrieb seines Sohnes genutzten Gebäuden. Es ist im Rahmen des vorliegenden eilbedürftigen Verfahrens indes nicht aufklärbar, ob und inwieweit der Antragsteller durch Verwertung dieses Grundstücks die nötigen baren Mittel erlangen kann, um Rechnungen von Ärzten oder Krankenhäusern zu begleichen.

b. Ob ein Anordnungsanspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu bejahen ist, kann in Fällen der vorliegenden Art offen bleiben. Denn aufgrund der seit dem 1. Januar 2009 bestehenden o.g. Rechtslage ist in Fälle der vorliegenden Art nicht (mehr) streitig, ob ein Antragsteller überhaupt einer Versicherungspflicht unterliegt – diese ergibt sich zwingend aus § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V oder § 193 Abs. 3 VVG –, sondern nur, welcher (gesetzliche oder private) Versicherungsträger zur einstweiligen Durchführung der Krankenversicherung zuständig ist. Aber auch diese Zuständigkeit ist im hiesigen Rechtsstreit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu klären.

Zum jetzigen Zeitpunkt kann der Senat nicht abschließend klären, ob der Antragsteller versicherungspflichtig nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder 13 SGB V oder (noch) familienversichert (§ 10 SGB V) ist oder – falls all dies zu verneinen ist – der Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 VVG unterliegt.

Für eine Versicherungspflicht des Antragstellers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V aufgrund einer entgeltlichen Beschäftigung bei seinem Sohn mag derzeit wenig sprechen. Aber auch bei einer Verneinung einer hierauf beruhenden Versicherungspflicht ist das dem Senat aufgegebene Prüfungsprogramm im hiesigen Hauptsacheverfahren L 9 KR 94/13 nicht beendet, weil die Beteiligten (derzeit noch im Rechtsstreit S 20 KR 294/13 vor dem Sozialgericht Neuruppin) gleichzeitig auch über eine Versicherungspflicht des Antragstellers nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V streiten. Die Versicherungspflichttatbestände nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 13 SGB V stehen in einem auf Nachrang (§ 5 Abs. 8a Satz 1 SGB V) beruhenden Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander. Es verbietet sich daher, hierüber in unterschiedlichen sozialgerichtlichen Verfahren zu entscheiden, weil andernfalls die Gefahr widersprechender Entscheidungen bestünde. Dies hat im vorliegenden Fall zur Konsequenz, dass die Bescheide vom 2. Juli 2013 und 9. Oktober 2013 gemäß § 96, § 153 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens L 9 KR 94/13 geworden sind und eine gegen diese Bescheide gerichtete Klage unzulässig ist.

Der Senat wird infolge dessen auch zu prüfen haben, ob der Antragsteller noch familienversichert ist. Dass eine solche Versicherung, die nach § 5 Abs. 8a Abs. 1 SGB V der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V vorgeht, besteht, ist nicht ausgeschlossen. Denn im Schreiben der Antragsgegnerin vom 22. Dezember 2009 liegt möglicherweise ein die Familienversicherung feststellender Verwaltungsakt, den die Antragsgegnerin – soweit ersichtlich – bislang nicht aufgehoben hat.

c. Wegen der dem Antragsteller ohne Leistungspflicht eines Versicherungsträgers drohenden gesundheitlichen Nachteile hat der Senat eine Folgenabwägung vorzunehmen.

aa. In Fällen wie dem vorliegenden dürfen sich die Sozialgerichte bei der Prüfung des Anordnungsanspruchs in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in denen Leistungsansprüche eines Antragsstellers gegen eine gesetzliche Krankenkasse streitig sind, nicht schlechthin auf die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfes im Hauptsacheverfahren beschränken. Drohen dem Antragssteller – wie hier – ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, verlangt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG von den Sozialgerichten bei der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache grundsätzlich eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage, die sich von der im Hauptsacheverfahren nicht unterscheidet (vgl. BVerfGE 79, 69 <74>; 94, 166 <216>; NJW 2003, 1236f.). Sind die Sozialgerichte durch eine Vielzahl von anhängigen entscheidungsreifen Rechtsstreitigkeiten belastet oder besteht die Gefahr, dass die dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu Grunde liegende Beeinträchtigung des Lebens, der Gesundheit oder der körperlichen Unversehrtheit des Versicherten sich jederzeit verwirklichen kann, verbieten sich zeitraubende Ermittlungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren; in diesem Fall hat sich die Entscheidung an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zu orientieren (BVerfG NJW 2003, 1236f.). Dabei ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz eine Folgenabwägung vorzunehmen, bei der die Erwägung, wie die Entscheidung in der Hauptsache ausfallen wird, regelmäßig außer Betracht zu bleiben hat. Abzuwägen sind stattdessen die Folgen, die eintreten würden, wenn die Anordnung nicht erginge, obwohl dem Versicherten die streitbefangene Leistung zusteht, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte Anordnung erlassen würde, obwohl er hierauf keinen Anspruch hat (vgl. hierzu Umbach/Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Mitarbeiterkommentar und Handbuch, § 32 Rdnr. 177 mit umfassendem Nachweis zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Beschluss vom 22. März 2013 – L 9 KR 62/13 B ER –, juris). Hierbei ist insbesondere die in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG durch den Verfassungsgeber getroffene objektive Wertentscheidung zu berücksichtigen. Danach haben alle staatlichen Organe die Pflicht, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Lebens, der Gesundheit und der körperlichen Unversehrtheit zu stellen (vgl. BVerfGE 56, 54 <73>). Für das vorläufige Rechtsschutzverfahren vor den Sozialgerichten bedeutet dies, dass diese die Grundrechte des Antragsstellers auf Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit zur Geltung zu bringen haben, ohne dabei die verfassungsrechtlich besonders geschützte finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BVerfGE 68, 193 < 218>) aus den Augen zu verlieren. Besteht die Gefahr, dass der Antragssteller ohne die Gewährung der umstrittenen Leistung vor Beendigung des Hauptsacheverfahrens stirbt oder er schwere oder irreversible gesundheitliche Beeinträchtigungen erleidet, ist ihm die begehrte Leistung regelmäßig zu gewähren. Besteht die Beeinträchtigung des Versicherten dagegen im Wesentlichen nur darin, dass er die begehrte Leistung zu einem späteren Zeitpunkt erhält, ohne dass sie dadurch für ihn grundsätzlich an Wert verliert, weil die Beeinträchtigung der in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG genannten Rechtsgüter durch eine spätere Leistungsgewährung beseitigt werden kann, dürfen die Sozialgerichte die begehrte Leistung im Rahmen der Folgenabwägung versagen. Nur durch eine an diesen Grundsätzen orientierte Vorgehensweise bei der Folgeabwägung wird dem vom Gesetzgeber in allen Prozessordnungen vorgesehenen Vorrang des nachgehenden Rechtschutzes vor dem vorläufigen Rechtsschutz, sowie dem sich aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Grundsatz Rechnung getragen, dass die Leistungsgewährung vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Ausnahme und nicht die Regel sein soll (Senat, a.a.O.).

bb. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller die jeweils erforderlichen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren, weil die gebotene Folgenabwägung zu Gunsten des Antragstellers ausfällt. Insoweit ist – wie bereits dargelegt und durch das Vorbringen der Antragsgegnerin im Übrigen auch nicht angezweifelt – zu befürchten, dass ihm ohne Verpflichtung eines Krankenversicherungsträgers künftig medizinisch dringend erforderliche Leistungen im Hinblick auf die fehlende Kostentragung verwehrt werden. Dem stehen bei einer Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin für diese erheblich geringere Beeinträchtigungen gegenüber. Sie hat, sollte sie im Hauptsacheverfahren obsiegen und der Senat einen anderen Versicherungsträger als für den Versicherungsschutz des Antragstellers zuständig erachten, diesem Versicherungsträger gegenüber einen Erstattungsanspruch, muss also die ihr aufgrund dieser einstweiligen Anordnung entstehenden Kosten nur vorübergehend tragen.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).