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Entscheidung 4 TaBV 50/21


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 4. Kammer Entscheidungsdatum 17.02.2021
Aktenzeichen 4 TaBV 50/21 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2021:0217.4TABV50.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 100 ArbGG

Leitsatz

1. Im Verfahren der Einigungsstellenbestellung nach § 100 ArbGG muss stets hinreichend klar sein, über welchen Gegenstand die Einigungsstelle überhaupt verhandeln und ggf. durch Spruch befinden soll.
Dementsprechend muss der Antragsteller im Bestellungsverfahren zwar nicht den Inhalt der von ihm angestrebten Regelung darlegen, wohl aber hinreichend konkret angeben, über welchen Gegenstand in der Einigungsstelle verhandelt werden soll.

2. Die Einlegung einer Anschlussbescherde ist auch im Verfahren § 100 grundsätzlich zulässig (entgege LAG Hessen 15.11.2016 - 4 TaBV 250/16-).

Tenor

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird unter Zurückweisung der Beschwerde der Arbeitgeberin im Übrigen und unter Zurückweisung der Beschwerde des Betriebsrats der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.11.2020 teilweise abgeändert und dessen Tenor zu 1. klarstellend wie folgt gefasst:

Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Thema „alternierende Telearbeit“ zur Regelung der damit zusammenhängenden Fragen zum Arbeitsschutz, zur Arbeitssicherheit, zur Arbeitszeit und zur Arbeitsstätte wird Herr B bestellt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Thema „alternierende Telearbeit“.

Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Betriebsrat) ist der bei der Beteiligten zu 2 (im Folgenden: Arbeitgeberin) für den Betrieb Berlin bezogen auf den Kunden „A“ errichtete Betriebsrat.

Im September 2019 übersandte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat ein Konzept zum Thema „Hybrid Modell Home Office“. Daraufhin erarbeitete der Betriebsrat einen Entwurf für eine „Betriebsvereinbarung Telearbeit“, die er der Arbeitgeberin Anfang März 2020 übersandte.

Per Mail vom 13.03.2020 teilte die Arbeitgeberin den Beschäftigten mit, man werde präventiv nun das Home-Office starten; alle Kollegen würden ihre Laptops mitnehmen und ab Montag von daheim aus arbeiten. Beschäftigte, die zuhause nicht über Internet verfügten, wurden gebeten, zur Arbeit zu erscheinen. Die Einteilung zum Dienst erfolgte weiterhin nach der „Betriebsvereinbarung zur Regelung der Dienstplanung“.

Der Betriebsrat forderte die Arbeitgeberin in der folgenden Zeit mehrfach erfolglos zu Verhandlungen zum Thema Home-Office auf. Nachdem ihm die Arbeitgeberin schließlich am 04.11.2020 mitteilte, sie sei dabei, mit dem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung zum Thema Telearbeit abzuschließen, beschloss der Betriebsrat am 10.11.2020, die Einigungsstelle anzurufen.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Telearbeit unterfalle mehreren Mitbestimmungsrechten nach § 87 BetrVG und habe einen kollektiven Bezug. Die Mitbestimmungsrechte stünden auch nicht offensichtlich einem anderen Gremium zu.

Der Betriebsrat hat beantragt:

1. Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Thema „alternierende Telearbeit“, insbesondere zur Regelung der damit zusammenhängenden Fragen zu den Genehmigungsvoraussetzungen, zur Ausgestaltung, zum Arbeitsschutz, zur Arbeitssicherheit, zur Arbeitszeit, zur sozialen und wirtschaftlichen Absicherung und zur Arbeitsstätte wird Herr B bestellt.

2. Die Anzahl der Beisitzer wird für jede Seite auf vier Personen festgesetzt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Antrag zu unbestimmt sei, als dass eine Einigungsstelle den Gegenstand beurteilen, eingrenzen und regeln kann. Des weiteren seien in Frage kommende Mitbestimmungsrechte bereits durch bestehende Betriebsvereinbarungen, unter anderem die „BV Dienstplanung“, die „IT-Rahmen- Betriebsvereinbarung“ und die „BV Gefährdungsbeurteilung“, ausgeübt. Zudem sei nicht der örtliche Betriebsrat, sondern der Gesamtbetriebsrat zuständig. Sie unterhalte standortübergreifende Kundenprojekte sodass unter verschiedenen Aspekten auch ein standortübergreifendes Regelungskonstrukt notwendig sei. Ein Grund für vier Beisitzer pro Seite sei nicht ersichtlich.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag zu 1. mit Beschluss vom 27.11.2020 entsprochen und die Anzahl der Beisitzer unter Abweisung des Antrags zu 2. im Übrigen auf zwei festgesetzt. Der Antrag sei ausreichend bestimmt. Die Einigungsstelle sei auch nicht offensichtlich unzuständig. Die von der Arbeitgeberin benannten Betriebsvereinbarungen deckten nur ein Teil der dem Betriebsrat insbesondere aus § 87 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 6 und 7 zustehenden Mitbestimmungsrecht ab. Im Übrigen zeigten auch die Verhandlungen der Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat zum Thema Telearbeit, dass auch die Arbeitgeberin von einem Regelungsbedarf ausgehe. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Gesamtbetriebsrat anstelle des örtlichen Betriebsrats zur Regelung der Materie zuständig sei.

Gegen den ihm am 29.12.2020 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat die Arbeitgeberin mit beim Landesarbeitsgericht am 11.01.2021 eingegangen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese begründet. Mit beim Landesarbeitsgericht am 05.02.2021 eingegangenen Schriftsatz hat der Betriebsrat innerhalb der ihm gesetzten Erwiderungsfrist Anschlussbeschwerde eingelegt.

Die Arbeitgeberin ist weiterhin der Auffassung, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bestünden entweder nicht oder seien durch die bereits abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen bereits ausgeübt. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sei nicht gegeben, da es keine ausfüllungsbedürftigen Rahmenvorschriften gebe. Arbeitsplätze iSd. § 2 Abs. 7 oder Abs. 8 ArbStättV seien nicht eingerichtet worden. Auch sei weiterhin von einer Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats auszugehen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Anträge des Betriebsrats unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.011.2020 – 26 BV 14964/20 – zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen.

Der Betriebsrat ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig sei. Die Regelungen des Arbeitsschutzes gelten auch für die häusliche Arbeitsstätte; unabhängig davon seien die Arbeitsplätze im Home-Office jedenfalls Arbeitsplätze iSd. § 3 ff. ArbSchG. Es bedürfe aufgrund der höheren Komplexität des Themas der Festsetzung von vier Beisitzern, zumal der Betriebsrat mit Beschluss vom 12.11.2020 nur einen externen Beisitzer für die entsprechende Einigungsstelle benannt habe.

Der Betriebsrat beantragt im Wege der Anschlussbeschwerde

unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.011.2020 – 26 BV 14964/20 – die Anzahl der Beisitzer auf 4 festzulegen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.

II.

A. Die Beschwerde der Arbeitgeberin hat teilweise Erfolg.

I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 100 Abs. 2 Satz 1 ArbGG statthaft sowie nach § 100 Abs. 2 Satz 2 ArbGG frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Der Antrag des Betriebsrats hinsichtlich der von der Einigungsstelle zur regelnden Materien ist zum Teil bereits zu unbestimmt.

a. Im Verfahren nach § 100 ArbGG wird nicht nur die Person des Vorsitzenden und erforderlichenfalls die Zahl der Beisitzer festgelegt, sondern auch der Kompetenzrahmen der Einigungsstelle bestimmt. Es muss stets muss hinreichend klar sein, über welchen Gegenstand die Einigungsstelle überhaupt verhandeln und ggf. durch Spruch befinden soll. Das ist unerlässlich, weil mit dem Regelungsgegenstand der Zuständigkeitsrahmen der Einigungsstelle begrenzt wird, damit diese der gesetzgeberischen Konzeption genügen kann, eine regelungsbedürftige Angelegenheit im Rahmen der gestellten Anträge vollständig zu lösen. Da ein Einigungsstellenspruch auch dann unwirksam ist, wenn die Einigungsstelle ihrem Regelungsauftrag nicht ausreichend nachkommt und keine abschließende Regelung trifft, muss sowohl für das Einigungsstellenverfahren als auch für die gerichtliche Überprüfung der Zuständigkeit der Einigungsstelle oder ihres Spruchs erkennbar sein, für welche konkreten Regelungsfragen sie errichtet worden ist (BAG 19.11.2019 – 1 ABR 22/18 - Rn. 20; BAG 28.03.2017 - 1 ABR 25/15 - Rn. 11). Dementsprechend muss der Antragssteller im Bestellungsverfahren zwar nicht den Inhalt der von ihm angestrebten Regelung darlegen, wohl aber hinreichend konkret angeben, über welchen Gegenstand in der Einigungsstelle verhandelt werden soll (LAG Schleswig-Holstein 02.08.2016 - 1 TaBV 17/16 – Rn. 26; LAG Schleswig-Holstein 01.10.2013 – 1 TaBV 33/13 – Rn 22; LAG Rheinland-Pfalz 11.08.2011 - 10 TaBV 25/11 – Rn. 28). Dabei ist der Regelungsgegenstand nicht etwa allein „alternierende Telearbeit“, sondern vielmehr die konkret damit in Zusammenhang stehenden Regelungsmaterien ausgehend vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Denn nur im Hinblick auf die Ausübung des Mitbestimmungsrechts ist die Einigungsstelle nach § 87 Abs. 2 BetrVG infolge der fehlenden Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zuständig.

b. Unter Anlegung dieser Maßstäbe erweist sich der Antrag als zum Teil zu unbestimmt.

aa. Der Antrag ist bereits insoweit zu unbestimmt, als er lediglich „insbesondere“ zu regelnde Materien aufnimmt.

(1) Durch die Formulierung „insbesondere“ wird nach dem reinen Wortlaut klargestellt, dass die Regelungsmaterien nicht abschließend sein sollen und weitere - nicht näher benannte - Regelungsmaterien Gegenstand der Einigungsstelle sein sollen. Dadurch wird nicht nur ein Globalantrag gestellt, der zur Unbegründetheit des gesamten Antrags führte, sondern bereits nicht hinreichend konkret angeben, über welchen Gegenstand in der Einigungsstelle verhandelt werden soll.

(2) Den Zulässigkeitsbedenken konnte aber durch eine sachgerechte Auslegung des Antrags Rechnung getragen werden. Bei sachgerechter Auslegung ergibt sich, dass der Betriebsrat als Gegenstand der Einigungsstelle die tatsächlich benannten Regelungsmaterien aufgenommen haben wollte. Der sachgerechten Auslegung war im Tenor des Beschlusses dadurch Rechnung zu tragen, dass das Wort „insbesondere“ nicht in den Tenor aufzunehmen war.

bb. Der Antrag ist auch zu unbestimmt, als er die Regelung der „Genehmigungsvoraussetzungen“ und „Ausgestaltung“ zum Inhalt hat. Bei beiden ist nicht klar, welche tatsächlichen Gegenebenheiten ausgehend von einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats geregelt werden sollen. Eine insoweit ausreichende Bestimmtheit ist aber auch deswegen erforderlich, weil im Rahmen des Antrags auf Einsetzung der Einigungsstelle das Gericht überprüfen muss, ob bezogen auf die konkrete Regelungsmaterie ein Mitbestimmungsrecht zumindest als möglich erscheint.

2. Der Antrag ist, soweit er zulässig ist, überwiegend begründet.

a. Das Gericht darf die Anträge auf Bestellung des Vorsitzenden und auf Bestimmung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur zurückweisen, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist (§ 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG). Der Begriff ist sehr eng zu verstehen. Ein Antrag nach § 100 kann nur abgewiesen werden, wenn unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt die Zuständigkeit der Einigungsstelle als möglich erscheint (LAG Rheinland-Pfalz 20.09.2018 - 5 TaBV 13/18 – Rn. 56; LAG Hamm 31.03.2015 – 7 TaBV 15/15 – Rn. 37; LAG Berlin-Brandenburg 09.04.2014 – 4 TaBV 638/14 – Rn. 113 NZA-RR 2014, 544 LAG Berlin-Brandenburg 22.01.2015 – 10 TaBV 1812/14 u.a. – Rn. 24; GK-ArbGG/Schleusener § 100 Rn. 23). Der Offensichtlichkeitsmaßstab gilt für alle im Bestellungsverfahren zu entscheidenden Fragen, auch für die Frage der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats, Konzernbetriebsrats oder des örtlichen Betriebsrats (LAG Berlin-Brandenburg 16.11.2018 - 6 TaBV 1496/18 –; LAG Rheinland-Pfalz 22.02.2018 - 2 TaBV 38/17 - Rn. 56; LAG Hessen 17.11.2015 - 4 TaBV 185/15 - Rn. 14 GK-ArbGG/Schleusener § 100 Rn. 23 mwN).

b. Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist die Einigungsstelle überwiegend nicht offensichtlich unzuständig.

aa. Die Einigungsstelle ist nicht deswegen offensichtlich unzuständig, weil der Gesamtbetriebsrat und nicht der antragstellende Betriebsrat nach § 50 BetrVG zuständig ist.

(1) Dies hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt. Das Beschwerdegericht schließt sich den überzeugenden Ausführungen in dem arbeitsgerichtlichen Beschluss (S. 4 – 5 des Beschlusses = Bl. 194 – 195 d. A.) an und sieht von einer reiner wiederholenden Stellungnahme entsprechend § 69 Abs. 2 ArbGG ab.

(2) Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere rechtliche Bewertung. Die Arbeitgeberin trägt selbst vor, dass es momentan gar keine standortübergreifenden Projekte bezogen auf den Kundenauftrag „A“ gibt. Dass dies in Zukunft nicht ausgeschlossen ist, kann nicht bereits gegenwärtig eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründen.

c. Die Einigungsstelle ist insoweit nicht offensichtlich unzuständig als im Zusammenhang mit der alternierenden Telearbeit Regelungen zum Arbeitsschutz, zur Arbeitssicherheit, zur Arbeitszeit, und zur Arbeitsstätte getroffen werden sollen. Hinsichtlich dieser Materien erscheint ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 6 und Nr. 7 möglich.

aa. Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, u. a. mitzubestimmen bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG), bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) und bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG).

bb. Hinsichtlich der Bereiche Arbeitsschutz, zur Arbeitssicherheit Arbeitsstätte erscheint ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zumindest als möglich. Zwar gilt das Mitbestimmungsrecht nur, soweit Rahmenvorschriften des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzes bestehen, die die zu treffenden Maßnahmen nicht selbst detailliert beschreiben, sondern dem Arbeitgeber lediglich ein zu erreichendes Schutzziel vorgeben und ihm einen Ermessensspielraum einräumen, innerhalb dessen der geeignete Weg zum Erreichen des Ziels nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten ausgewählt werden kann (BAG 15.01.2002 - 1 ABR 13/01 - NZA 2002, 995 (997); ErfK/Kania BetrVG § 87 Rn. 63). Da im Home-Office die allgemeinen Bestimmungen des ArbSchG Anwendung finden (Hidalgo NZA 2019, 1449 (1450) mwN; Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG § 1 ArbSchG Rn. 52, 66) erscheint ein Mitbestimmungsrecht zur Ausgestaltung der Regelungen insbesondere der ArbStättVO zumindest als möglich. Ob dieses im Einzelfall gegeben ist, insbesondere ob ein Telearbeitsplatz iSd. § 2 Abs. 7 ArbStättVO vorliegt, kann angesichts des gesetzlich vorgegebenen Offensichtlichkeitsmaßstabs nicht im Einsetzungsverfahren nach § 100 ArbGG geprüft werden; vielmehr hat insoweit die Einigungsstelle ihre Zuständigkeit zu prüfen.

cc. Hinsichtlich der Arbeitszeit ist ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG möglich.

dd. Eine offensichtliche Unzuständigkeit liegt im Hinblick auf diese Regelungsmaterien auch nicht deswegen vor, weil das Mitbestimmungsrecht bereits ausgeübt worden ist. Zwar liegt eine offensichtliche Unzuständigkeit liegt vor, wenn ein im Antrag nach § 100 genanntes Mitbestimmungsrecht bereits durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung ausgeübt ist und diese weder gekündigt noch für unwirksam erklärt worden ist (LAG Köln 05.03.2009 – 13 TaBV 97/08 – Rn. 27; LAG Niedersachsen 29.07.2008 – 1 TaBV 47/08 – Rn. 15; GK-ArbGG/Schleusener § 100 Rn. 26). Die von der Arbeitgeberin benannten Betriebsvereinbarung treffen aber nicht explizit Regelungen zu Arbeitsschutz, Arbeitssicherheit, Arbeitszeit, und Arbeitsstätte bezogen auf die alternierende Telearbeit. Da insoweit ein Regelungsbedarf im Hinblick auf die speziellen Besonderheiten der alternierenden Telearbeit bestehen kann, ist es zumindest möglich, dass das Mitbestimmungsrecht noch nicht abschließend ausgeübt worden ist.

c. Hinsichtlich der Regelungsfrage „soziale und wirtschaftlichen Absicherung“ bei alternierende Telearbeit ist ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats offensichtlich nicht gegeben. Eine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG ist ersichtlich nicht gegeben. Weder § 87 Abs. 1 BetrVG noch sonstige Vorschriften geben dem Betriebsrat insoweit ein Mitbestimmungsrecht.

B. Die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats hat keinen Erfolg.

I. Die Anschlussbeschwerde ist zulässig.

1. Die Einlegung einer Anschlussbeschwerde im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist grundsätzlich zulässig. Dies ergibt sich aus der Verweisungskette der §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 524 ZPO (vgl. BAG 17.02.2015 1 ABR 45/13 – Rn. 11 ff; BAG 25.09.2012 - 1 ABR 49/11 – Rn. 17; BAG 14.09.2010 - 1 ABR 29/09 – Rn. 13).

2. Allerdings wird in der landesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung vertreten, dass im Verfahren nach § 100 ArbGG Anschlussbeschwerden nicht statthaft seien (LAG Hessen 15.11.2016 - 4 TaBV 250/16 – Rn. 16, mit abl. Anm. Berzbach). Da das Verfahren auf eine besondere Beschleunigung angelegt sei, verbiete es sich, einer Seite verfahrensrechtliche Möglichkeiten einzuräumen, die geeignet sind, das Verfahren zu Lasten des antragstellenden Beteiligten zu verzögern.

3. Dem folgt die Kammer zumindest in dieser Allgemeinheit nicht.

a. § 100 Abs. 2 Satz 2 ArbGG verweist ohne Einschränkung auf § 87 Abs. 2 ArbGG und damit auch auf 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 524 ZPO. Eine gesetzliche Anordnung dahingehend, dass eine Anschlussbeschwerde im Verfahren nach § 100 ArbGG nicht zulässig ist, lässt sich entsprechend aus dem Wortlaut der Norm nicht entnehmen.

b. Eine generelle Unzulässigkeit der Anschlussbeschwerde im Verfahren nach § 100 ArbGG lässt sich auch nicht daraus entnehmen, dass das Verfahren auf eine besondere Beschleunigung angelegt ist. Dem Beschleunigungsgrundsatz kann durch sachgerechte Anwendung der Verspätungsvorschriften nach § 87 Abs. 3 ArbGG, den § 100 Abs. 2 Satz 2 ausdrücklich in Bezug nimmt, Rechnung getragen werden (Berzbach jurisPR-ArbR 47/2017 Anm. 5). Zum einen hat das Beschwerdegericht es in der Hand, Verzögerungen des Verfahrens auch durch sachgerechte Fristsetzungen nach §§ 100 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 90 Abs. 2 iVm. § 83 Abs. 1a ArbGG zu vermeiden. Vor allem ist zu berücksichtigen, dass das Beschwerdegericht durch Setzung einer Erwiderungsfrist auf die Beschwerdebegründung auch der Möglichkeit der Anschlussbeschwerde einen zeitlichen Rahmen setzen kann. Nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 87 Abs. 2 Satz 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ist eine Anschlussbeschwerde nur bis zum Ablauf der einem Beteiligten gesetzten Frist zur Beschwerdeerwiderung zulässig (BAG 17.02.2015 1 ABR 45/13 – Rn. 17). Damit kann das Beschwerdegericht eine Verzögerung des Verfahrens durch späte Einlegung einer Anschlussbeschwerde durch sachgerechte Fristsetzungen schon vor dem Termin zur Anhörung der Beteiligten vermeiden.

4. Die Anschlussbeschwerde ist fristgemäß innerhalb der gerichtlich gesetzten Frist zur Beschwerdeerwiderung nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 87 Abs. 2 Satz 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG eingegangen. Sie ist damit insgesamt zulässig.

II. Die Anschlussbeschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend die Anzahl der Beisitzer auf jeweils zwei festgesetzt.

1. Ohne Vorliegen besonderer Umstände ist regelmäßig von jeweils zwei Beisitzern der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite auszugehen (LAG Hamm 09.10.2006 – 10 TaBV 84/06 – Rn. 44; LAG Hamm 17.08.2006 – 13 TaBV 59/06 – Rn. 11; LAG Niedersachsen 15.08.2006 – 1 TaBV 43/06 – Rn. 12; GK-ArbGG/Schleusener § 100 Rn. 43; GMP/Schlewing § 100 Rn. 30; ErfK/Koch § 100 ArbGG Rn. 6). Beantragt eine Seite die Bestellung von mehr als zwei Beisitzern pro Seite, so ist die Erforderlichkeit weiterer Einigungsstellenmitglieder anhand konkreter Tatsachen zu begründen (LAG Niedersachsen 07.08.2007 – 1 TaBV 63/07 – Rn. 20; GK-ArbGG/Schleusener § 100 Rn. 43).

2. Soweit der Betriebsrat vorträgt, durch die von beiden Seiten vorgelegten Dokumente zeige sich eine „höhere Komplexität“, ist aus diesem Vortrag nicht ersichtlich, aus welchen konkreten Tatsachen sich eine Erforderlichkeit von vier Beisitzern pro Seite ergeben soll. Soweit der Betriebsrat darauf verweist, dass die Thematik „hochaktuell“ sei und auch „gesamtgesellschaftliche diskutiert“ werde, hat dies für die Beurteilung der Erforderlichkeit weiterer Einigungsstellenmitglieder für die sachgerechte Tätigkeit der Einigungsstelle keine rechtliche Bedeutung.

C. Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht, da in Beschlussverfahren nach § 2a Abs. 1 ArbGG iVm. § 2 Abs. 2 GKG Kosten nicht erhoben werden.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 100 Abs. 2 Satz 4 ArbGG).