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Entscheidung 17 Sa 2212/12


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 17. Kammer Entscheidungsdatum 22.02.2012
Aktenzeichen 17 Sa 2212/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 37 Abs 2 BetrVG

Leitsatz

Führt die Verrichtung der Betriebsratstätigkeit zum Wegfall der tariflichen Voraussetzungen für den Bezug einer Pauschalvergütung, so ist diese Vergütung gleichwohl auf der Grundlage des Lohnausfallprinzips geschuldet.

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 28.09.2011 - 8 Ca 835/11 - teilweise geändert und die Klage in Höhe eines Betrages von 1.893,13 EUR nebst anteiliger Zinsen abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

III. Der Kläger hat 87 v. H. und die Beklagte 13 v. H. der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, an den Kläger in den Monaten Januar bis März 2011 eine Pauschalvergütung nach dem Tarifvertrag für die Kraftfahrer und Kraftfahrerinnen des Bundes (TV-Kraftfahrer) zu zahlen.

Die Beklagte beschäftigt den Kläger seit dem 1. Januar 1991 als Kraftfahrer im B. Potsdam. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden u.a. der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD-Bund) sowie der TF-Kraftfahrer Anwendung.

Der Kläger ist seit Mai 2010 Mitglied des Betriebsrats. Er wurde zur Hälfte seiner Arbeitszeit von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt und leistete deshalb im zweiten Kalenderhalbjahr 2010 lediglich in fünf Wochen Überstunden. Die Beklagte zahlte dem Kläger ab Januar 2011 keine Pauschalvergütung nach dem TV-Kraftfahrer, sondern für die Monate Januar bis März 2011 Überstundenzuschläge in Höhe von insgesamt 1.893,13 EUR.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Differenz zwischen der Pauschalvergütung nach dem TV-Kraftfahrer und der gezahlten Vergütung (ohne Überstundenzuschläge) geltend gemacht. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Von der weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch ein am 28. September 2011 verkündetes Urteil stattgegeben. Der Kläger erfülle die tariflichen Voraussetzungen für den Bezug einer Pauschalvergütung. Für die infolge der Freistellung als Betriebsratsmitglied ausgefallene Arbeitszeit seien nach den tariflichen Bestimmungen pauschale Arbeitszeiten anzusetzen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 4. Oktober 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 3. November 2011 eingelegte Berufung der Beklagten, die sie innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet hat.

Die Beklagte hält die Klage weiterhin für unbegründet. Die vom Kläger im zweiten Kalenderhalbjahr 2010 geleisteten Überstunden rechtfertigten es nicht, den TV-Kraftfahrer anzuwenden. Wegen seiner Freistellung nicht angefallene Überstunden könnten nicht berücksichtigt werden, weil dies zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung eines Betriebsratsmitglieds führen würde. Im Übrigen müsse sich der Kläger die gezahlten Überstundenzuschläge auf den geltend gemachten Vergütungsanspruch anrechnen lassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Potsdam vom 28. September 2011 – 8 Ca 835/11 – abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist teilweise begründet.

Dem Kläger steht auch für die Monate Januar bis März 2011 eine Pauschalvergütung nach Maßgabe des TV-Kraftfahrer zu; er muss sich jedoch die für diesen Zeitraum gezahlten Überstundenzuschläge auf seinen Vergütungsanspruch anrechnen lassen. Die Klage war daher in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang unter teilweiser Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

1. Der Kläger kann seinen Anspruch allerdings nicht unmittelbar auf den TV-Kraftfahrer stützen, weil er nicht unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt. Nach § 1 Nr. 2 TV-Kraftfahrer finden die tariflichen Vorschriften nur Anwendung, wenn nicht nur gelegentlich eine Beschäftigung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus erfolgt. Hat das Arbeitsverhältnis des Kraftfahrers – wie im Falle des Klägers – bereits am 30. September 2005 bestanden, setzt dies gemäß § 8 Abs. 2 TV-Kraftfahrer voraus, dass in dem vorangegangenen Kalenderhalbjahr in mehr als sechs Wochen Überstunden geleistet wurden. Ohne eine derartige über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung endet die Anwendbarkeit des TV-Kraftfahrer im folgenden Kalenderhalbjahr. Dies gilt auch für den Kläger, der im zweiten Kalenderhalbjahr 2010 lediglich in fünf Wochen Überstunden geleistet hat.

2. Der Kläger kann für die Monate Januar und März 2011 eine Pauschalvergütung jedoch gleichwohl gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG fordern. Nach dieser Vorschrift sind die Mitglieder des Betriebsrats für eine erforderliche Betriebsratstätigkeit von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien. Das Betriebsratsmitglied hat die Vergütung zu beanspruchen, die es ohne die Betriebsratstätigkeit erhalten hätte. Für nach § 38 BetrVG (teil-)freigestellte Betriebsratsmitglieder gilt dieses Lohnausfallprinzip in gleicher Weise. Hierdurch soll eine – nach § 78 BetrVG verbotene – Benachteiligung der Betriebsratsmitglieder in Bezug auf ihre Vergütungsansprüche verhindert werden.

Es ist im vorliegenden Fall nicht streitig, dass der Kläger im zweiten Kalenderhalbjahr 2010 die erforderliche Anzahl von Überstunden nur deshalb nicht geleistet hat, weil er als Betriebsratsmitglied mit Teilfreistellung nicht wie sonst eingesetzt werden konnte. Die hieraus folgende fehlende Anwendbarkeit des TV-Kraftfahrer ist deshalb allein auf die Betriebsratstätigkeit des Klägers zurückzuführen. Dem Kläger steht damit die Vergütung zu, die er ohne die Betriebsratstätigkeit erhalten hätte; dies führt zu einem Anspruch auf die Pauschalvergütung nach Maßgabe des TV-Kraftfahrer. Soweit die Beklagte hiergegen geltend macht, dass eine Pauschalvergütung dann auch ohne Leistung von Überstunden geschuldet sein kann, trifft dies zwar zu, rechtfertigt jedoch kein anderes Ergebnis. Denn es ist immer erforderlich, dass die Überstunden wegen einer erforderlichen Betriebsratstätigkeit nicht erbracht werden konnten. Hätte das Betriebsratsmitglied mit anderen Worten auch ohne die Betriebsratsarbeit die erforderliche Anzahl von Überstunden nicht geleistet, verbleibt es bei der fehlenden Anwendbarkeit des TV-Kraftfahrer; eine Pauschalvergütung ist nicht geschuldet. Die Auffassung der Beklagten führte im Falle des Klägers hingegen zu einer Benachteiligung eines Betriebsratsmitglieds im Sinne des § 78 BetrVG, weil die Ausübung des Betriebsratsamtes zu einer Verringerung des Entgelts führen würde; ihr kann deshalb nicht gefolgt werden.

3. Die Beklagte hat auf die Pauschalvergütung für die Monate Januar bis März 2011 jedoch bereits 1.893,13 EUR gezahlt, weshalb sich die Klage insoweit als unbegründet erweist. Mit der Pauschalvergütung sind u.a. die Zeitzuschläge für Überstunden abgegolten (§ 4 Abs. 1 TV-Kraftfahrer). Die von der Beklagten gezahlten Überstundenzuschläge für den genannten Zeitraum sind deshalb Bestandteil der Pauschalvergütung; sie können von dem Kläger nicht zusätzlich zu der Pauschalvergütung gefordert werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.