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Grundsicherung für Arbeitsuchende, Leistungsausschluss für ausländische Staatsangehörige bei Aufenthalt zur Arbeitsuche, Anwendbarkeit auf Unionsbürger, hier Spanien, Europarechtskonformität, Europäisches Fürsorgeabkommen, Wirksamkeit des Vorbehalts der Bundesregierung zur Anwendung des SGB II


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 29. Senat Entscheidungsdatum 12.06.2012
Aktenzeichen L 29 AS 914/12 B ER ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. März 2012 aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die 19xx geborene Antragstellerin ist spanische Staatsbürgerin. Sie ist im Besitz einer vom Bezirksamt Mitte von Berlin ausgestellten Bescheinigung gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU vom 3. September 2010. Im Februar 2011 stellte die Klägerin erstmalig einen Leistungsantrag bei dem Antragsgegner. Ausweislich eines Vermerkes vom 17. Februar 2011 gab sie an, im Fernstudium das spanische Abitur abzulegen. Nach Erwerb des Abiturs beabsichtige sie, an der TU oder FU Berlin Bauingenieurwesen zu studieren. Den damaligen Antrag lehnte der Antragsgegner ab.

Gegenüber der Techniker Krankenkasse erklärte die Klägerin mit Datum vom 10. Oktober 2011, sie habe keine Einnahmen und bestreite ihren Lebensunterhalt durch „Unterstützung der Mutter: 800 Euro/Monat“.

Am 26. Januar 2012 beantragte sie bei dem Antragsgegner erneut Leistungen nach dem SGB II und gab hierbei mit von ihr mit Datum vom 27. Januar 2012 unterzeichneten Erklärung an „in einen Bedarfsgemeinschaftwohnung“ mit Herrn M. zu leben, der seit 2010 als Kellner arbeite. Außerdem gab sie mit Erklärung vom selben Tage an, ihren Lebensunterhalt finanziere sie mit erspartem Geld von ihrem letzten Job. Außerdem gab sie in dieser Erklärung an, von ihrer Mutter monatlich 300 Euro zu erhalten.

Mit Bescheid vom 27. Februar 2012 lehnte daraufhin der Antragsgegner den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II mangels Hilfebedürftigkeit ab. Unter Anrechnung eines monatlichen Einkommens von 800 Euro (Unterstützung durch die Mutter) bestehe keine Bedürftigkeit.

Am 16. März 2012 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Berlin beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Leistungserbringung nach dem SGB II ohne die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft und ohne die Berücksichtigung eigenen Einkommens zu verpflichten. Sie habe gegenüber dem Antragsgegner bereits erläutert, keine Einkünfte in monatlicher Höhe von 800 Euro zu haben. Das noch im Antrag angegebene Einkommen stelle eine von ihrer Mutter versprochene Unterstützung dar, die diese aufgrund zwischenzeitlich eigener finanziell prekärer Lage nicht leisten könne. Letztmalig seien von der Mutter im Dezember 550 Euro geleistet worden. Die weiteren Zahlungen über 500 Euro seien Zahlungen Ihres Mitbewohners für von der Antragstellerin verauslagte Rechnungen und Mietzahlungen. Als Bedarfsgemeinschaft habe sie sich selbst eingestuft, weil ihr mitgeteilt worden sei, eine Wohngemeinschaft sei eine Bedarfsgemeinschaft.

Der Antragsgegner hat darauf hingewiesen, dass ein Anspruch schon im Hinblick auf den Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht glaubhaft gemacht sei. Aufgrund des Vorbehaltes der Bundesregierung vom 19. Dezember 2011 finde diese Regelung auch für Vertragsstaaten des Europäischen Fürsorgeabkommens Anwendung.

Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, der Vorbehalt sei völkerrechtswidrig, er müsse nach der Wiener Vertragskonvention spätestens bei der verbindlichen Zustimmung zu einem Vertrag erklärt werden.

Das Sozialgericht Berlin hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 28. März 2012 verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 16. März 2012 bis zum 16. September 2012, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Ablehnungsbescheid vom 27. Februar 2012, vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 583,00 € monatlich zu gewähren. Die Antragstellerin habe auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Zwar käme die Anwendung des Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in Betracht. Gegen die Anwendbarkeit dieser Vorschrift bestünden in der Rechtsprechung allerdings europarechtliche Bedenken, die im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht „aufklärbar“ seien. Deswegen sei im Rahmen einer Folgenabwägung zu entscheiden und diese falle zu Gunsten der Antragstellerin aus.

Gegen diesen dem Antragsgegner am 30. März 2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 20. April 2012 Beschwerde eingelegt und auf den Beschluss des 20. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Februar 2012 ( L 20 AS 2347/11 B ER) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behelfsakte des Antragsgegners (BG … Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat in dem angefochtenen Beschluss den Antragsgegner zu Unrecht vorläufig zur Leistung verpflichtet.

Nach § 86b Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellerins vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragstellerin das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO). Auch im Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich (OVG Hamburg, NVwZ 1990, 975).

Für die von der Antragstellerin begehrten Zeiträume vom 16. März 2012 bis zur Entscheidung des erkennenden Senates steht der Antragstellerin ein Anordnungsgrund nicht zur Seite. Derartige Ansprüche für die Vergangenheit können regelmäßig nicht im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens anerkannt werden. Diese sind in einem Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Etwas Anderes kann nur dann in Betracht kommen, wenn die sofortige Verfügbarkeit von für zurückliegende Zeiträume zu zahlenden Hilfen zur Abwendung eines gegenwärtig drohenden Nachteils erforderlich ist. Hierzu sind Tatsachen von der Antragstellerin jedoch weder glaubhaft gemacht worden, noch sonst für das Gericht ersichtlich.

Selbst wenn - zumindest für die Zukunft - ein Anordnungsgrund bejaht werden würde, ergibt sich keine andere Beurteilung, und zwar, auch wenn auf einen früheren Zeitpunkt als der gerichtlichen Entscheidung abgestellt würde.

Denn dann scheitert das Begehren, ebenso wie für Zeiträume ab Entscheidung des Senats, zumindest an einem nicht glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,

2. erwerbsfähig sind,

3. hilfebedürftig sind und

4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben

(erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Ausgenommen sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II

1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,

2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,

3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.

§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt (§ 7 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB II).

Nach diesen Regelungen ist der begehrte Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nicht glaubhaft gemacht.

Vorliegend bestehen bereits erhebliche Zweifel an den jetzigen Angaben der Antragstellerin zu ihrer Einkommenssituation und der Nichtexistenz einer Bedarfsgemeinschaft. Entgegen früheren Angaben, in denen sie selbst sowohl das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft als auch monatliche Zahlungen der Mutter in Höhe von 800 Euro angab, gibt sie nunmehr an, weder in einer Bedarfsgemeinschaft zu leben noch Zahlungen der Mutter zu erhalten. An der Glaubhaftigkeit dieser Angaben bestehen schon deshalb Zweifel, weil sie erst erfolgt sind, nachdem die begehrte Leistung genau aus diesen Gründen mangels Bedürftigkeit versagt worden ist. Nachweise jeglicher Art zu Ihren jetzigen Behauptungen ist die Antragstellerin bisher schuldig geblieben.

Letztlich kann aber offen bleiben, ob die Antragstellerin über anrechenbare Einkünfte verfügt. Denn die Antragstellerin ist jedenfalls aufgrund eines Leistungsausschlusses von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.

Ein Leistungsanspruch besteht nach § 7 SGB II insbesondere nur dann, wenn eine Leistung nicht nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. Vorliegend ist bereits das Fehlen des Leistungsausschlusses nicht zumindest überwiegend wahrscheinlich.

Die Antragstellerin kann ihr Aufenthaltsrecht allenfalls aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten, sodass der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II erfüllt ist. Leistungen nach dem SGB II werden nur an erwerbsfähige Hilfebedürftige erbracht; diese sind verpflichtet, in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten und ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts einzusetzen (vergleiche § 2 Abs. 2 SGB II). Eine Arbeitsuche im Falle von Arbeitslosigkeit wird also geradezu für einen Leistungsanspruch vorausgesetzt.

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auch anwendbar.

Der erkennende Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass er von der Europarechtswidrigkeit dieser Regelung nicht überzeugt ist (unter anderen in dem Beschluss vom 5. März 2012, L 29 AS 414/12 B ER, zitiert nach juris). Im Anschluss an die Entscheidung des 20. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 29. Februar 2012, L 20 AS 2347/11 B ER, zitiert nach juris) hat der Senat schon darauf hingewiesen, dass nur eine Überzeugung von der Europarechtswidrigkeit dieser Regelung ausnahmsweise berechtigen könnte, dieses formelle Gesetz nicht anzuwenden.

In diesem Zusammenhang hat der Senat ebenfalls bereits dargelegt, dass eine Folgenabwägung nicht gerechtfertigt ist, wenn allein Rechtsfragen, mögen sie auch streitig sein und eine Positionierung erfordern, aufgeworfen sind. Rechtsfragen sind grundsätzlich einer Entscheidung zugänglich. Allein ein Hinweis auf streitige, höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfragen berechtigt daher im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht, auf eine Folgenabwägung zurückzugreifen.

Den Ausführungen des Sozialgerichts zur europarechtskonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG dahingehend, Ausländer im Sinne der Norm seien nicht EU-Ausländer, sondern nur Drittstaatsangehörige, weil die Norm anderenfalls nicht mit Art. 4 der seit dem 1. Mai 2010 anwendbaren Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO 883/2004) vereinbar wäre, überzeugen den Senat nicht. Auch einen Verstoß gegen anderes Recht der Europäischen Union vermag der Senat nicht festzustellen.

Eine solche Überzeugung von einem Verstoß des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II gegen Recht der Europäischen Union kann der Senat im Einklang mit zumindest dem 5. und den 20. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg nicht gewinnen. Im Gegenteil spricht sogar sehr viel dafür, dass diese Regelung gerade nicht europarechtswidrig, sondern europarechtskonform ist. Dies hat mit Beschluss vom 3. April 2012 (Aktenzeichen: L 5 AS 2157/ 11 B ER, zitiert nach juris) der 5. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg ausführlich dargelegt und insoweit ausdrücklich die Ansicht vertreten, dass der Leistungsausschluss des § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eindeutig nicht gegen das Recht der Europäischen Union verstößt und daher zweifelsfrei geltendes Recht ist.

Hier ist zunächst das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) vom 11. Dezember 1953 (BGBl. II 1956 S. 564) zu nennen.

Hinsichtlich der Anwendung des EFA ist festzustellen, dass seit Abschluss dieses Europäischen Abkommens (am 11. Dezember 1953) sich die Situation in Europa grundlegend geändert hat. Während beispielsweise 1953, also nur acht Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, von weitestgehender Reisefreiheit oder gar Freizügigkeit in Europa kaum die Rede sein konnte, hat sich spätestens seit der so genannten Freizügigkeitsrichtlinie vom 29. April 2004 (Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004, Amtsblatt der Europäischen Union, L 158/77) und dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern - Freizügigkeitsgesetz/EU (vom 30. Juli 2004, in Kraft seit dem 1. Januar 2005, BGBl. I 2004 S. 1950, 1986) hieran in der Europäischen Union grundlegendes geändert. Wie schon der 14. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 19. Oktober 2010 (B 14 AS 23/10 R, zitiert nach juris) zutreffend ausgeführt hat, bedarf es beispielsweise eines Aufenthaltstitels nach § 2 Abs. 4 S. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU, Art. 8 Richtlinie 2004/38/EG nicht mehr. Wenn allerdings ein Aufenthaltstitel nicht mehr erteilt wird, dürfte es schon schwierig sein, einen „erlaubten“ Aufenthalt im Sinne von Art. 1 EFA unter Berücksichtigung von Art. 11 Abs. 1 EFA festzustellen. Art. 11 Abs. 1 EFA normiert die Vermutung, dass ein Aufenthalt „so lange als erlaubt im Sinne dieses Abkommens“ gilt „als der Beteiligte im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis oder einer anderen in den Rechtsvorschriften des betreffenden Staates vorgesehenen Erlaubnis ist, aufgrund welcher ihm der Aufenthalt in diesem Gebiet gestattet ist.“ Eine nunmehr nach § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU ausgestellte so genannte Freizügigkeitsbescheinigung stellt nach Ansicht des Senats einen solchen Aufenthaltstitel im Sinne von Art. 11 EFA nicht dar (a.A. 14. Senat BSG, a.a.O, unter Hinweis auf die Praxis der Ausländerbehörden), weil diese Freizügigkeitsbescheinigung gerade keine Erlaubnis darstellt, die ein Aufenthaltsrecht begründet, sondern nur ein (vermeintlich) schon aufgrund der gesetzlichen Regelungen bestehendes Aufenthaltsrecht bescheinigt (vergleiche § 5 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU). Die von dem BSG angesprochene „Praxis der Ausländerbehörden“ kann nach Ansicht des Senats eine rechtliche Bewertung des rechtmäßigen Aufenthalts nach dem EFA grundsätzlich nicht ersetzen. Dies umso mehr, als es nach Kenntnis des Senats auch Praxis der Ausländerbehörden ist, die Bescheinigung nach § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU ohne eigene Prüfung allein aufgrund der Angaben und allenfalls einer Glaubhaftmachung der Beteiligten im Sinne von § 5 Abs. 3 S. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU zu erteilen. Sie wird regelmäßig erteilt, wenn ein Beteiligter erklärt, über ausreichende Existenzmittel und Krankenversicherungsschutz zu verfügen (vgl. § 4 Freizügigkeitsgesetz/EU), auch wenn er anschließend unter Hinweis auf eine Bedürftigkeit Fürsorgeleistungen beantragt. Würde allein auf die Bescheinigung abgestellt, so müsste selbst bei einer aufgrund nachweisbar wahrheitswidriger Angaben sich als objektiv falsch herausstellenden Bescheinigung von einem rechtmäßigen Aufenthalt ausgegangen werden. Eine solche Schlussfolgerung findet der Senat mehr als bedenklich.

Fraglich ist zudem, ob das EFA mittlerweile durch anderes Recht der Europäischen Union verdrängt wird. Flankierend zu den bereits erwähnten Freizügigkeitsregelungen wäre hier beispielsweise an die VO 883/2004 vom 29. April 2004 zu denken. Ob diese Verordnung das EFA verdrängt hat der 14. Senat des Bundessozialgerichts in seinem bereits erwähnten Urteil vom 19. Oktober 2010 (a.a.O.) offen gelassen. In diesem Zusammenhang ist nach Ansicht des Senats auch Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zu nennen. Dort ist in Abs. 2 gerade vorgesehen, dass ein Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet ist, in jedem Fall einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren. Es erscheint nach Ansicht des Senats zudem als widersinnig, gemäß Art. 7 dieser Richtlinie ein Aufenthaltsrecht für mehr als drei Monate grundsätzlich (zu den engen Ausnahmen siehe Art. 7 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie) nur bei dem Vorhandensein einer Arbeit oder ausreichender Existenzmittel einzuräumen und gleichwohl selbst bei Fehlen dieser Voraussetzungen von einem rechtmäßigen Aufenthalt und einem Anspruch auf Fürsorgeleistungen nach Art. 1 EFA auszugehen. Eine solche Sichtweise würde dazu führen, dass wesentliche Regelungen der (aktuellen) Richtlinie ins Leere laufen.

Selbst wenn jedoch weiterhin von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit des EFA ausgegangen würde, sieht der Senat keine Anhaltspunkte, von einem Verstoß des Leistungsausschlusses nach § 7 SGB II gegen das EFA auszugehen, da ein entsprechender Vorbehalt erklärt wurde.

Die Bundesregierung hat am 19. Dezember 2011 gegen die Anwendung des SGB II und des SGB XII im Rahmen des EFA Vorbehalte fixiert. Der Vorbehalt hinsichtlich der Vorschriften des SGB II (es gibt einen weiteren hinsichtlich der Vorschriften des SGB XII) lautet (in deutscher Übersetzung - Bekanntmachung vom 31. Januar 2012 in BGBl. II S. 144, ber. durch Bekanntmachung vom 3. April 2012 in BGBl. II S. 470):

"Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland übernimmt keine Verpflichtung, die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden."

Dieser Vorbehalt ist nach Ansicht des Senats wirksam. Er basiert auf Art 16 b Satz 2 EFA und ist von dieser Norm gedeckt.

Nach Art 16 a EFA haben die Vertragschließenden den Generalsekretär des Europarates über jede Änderung ihrer Gesetzgebung zu unterrichten, die den Inhalt von Anhang I und III berührt. Gemäß Art 16 b EFA hat jeder Vertragschließende dem Generalsekretär des Europarates alle neuen Rechtsvorschriften mitzuteilen, die in Anhang I noch nicht aufgeführt sind (Satz 1); gleichzeitig mit dieser Mitteilung kann der Vertragschließende Vorbehalte hinsichtlich der Anwendung dieser neuen Rechtsvorschriften auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden machen (Satz 2).

Dieser Verpflichtung gemäß Art 16 b Satz 1 EFA ist die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Erklärung vom 19. Dezember 2011 nachgekommen. Als neue Rechtsvorschriften wurden sowohl das SGB II als auch das SGB XII mitgeteilt. Gleichzeitig hat die Bundesrepublik Deutschland von dem ihr gemäß Art 16 b Satz 2 EFA eingeräumten Recht, Vorbehalte hinsichtlich der Anwendung dieser neuen Rechtsvorschriften auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden zu machen, Gebrauch gemacht (siehe hierzu Antrag unter anderem der Fraktion Bündnis 90/Die GRÜNEN vom 21. März 2012, Bundestagsdrucksache 17/9036 S. 2). Das Recht, einen nachträglichen Vorbehalt zu dem EFA zu machen, beruht damit unmittelbar auf einer speziellen Regelung des Abkommens selbst; auf Art. 19 des Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK) kommt es schon aus diesem Grunde nicht an. Entgegen einer vom 19. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg geäußerten Ansicht (Beschluss vom 9. Mai 2012, Az.: L 19 AS 794/12 B ER, zitiert nach uris) ist der Vorbehalt damit rechtzeitig erklärt, da er „gleichzeitig“ im Sinne von Art. 16 b EFA mit der Mitteilung erfolgt ist.

Soweit der 19. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung die Auffassung vertritt, das SGB II und das SGB XII sei bei seiner Mitteilung und der Erklärung des Vorbehaltes im Dezember 2011 kein „neues Gesetz“ im Sinne des Art. 16 b EFA gewesen, vermag sich der erkennende Senat dieser Ansicht nicht anzuschließen. Dem 19. Senat des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist zwar zuzugeben, dass diese Gesetze im Dezember 2011 bereits einige Jahre (seit dem 1. Januar 2005) in Kraft waren und daher rein kalendarisch gegebenenfalls kaum noch als „neu“ betrachtet werden könnten. Welche Gesetze als „neue Rechtsvorschriften“ im Sinne von Art. 16 b EFA anzusehen sind, ergibt sich jedoch schon aus dem Wortlaut der Regelung. Dort ist im Art. 16 b Satz 1 EFA nämlich ausdrücklich erwähnt, dass dem Generalsekretär „alle neuen Rechtsvorschriften mitzuteilen (sind), die in Anhang I noch nicht aufgeführt sind.“ Im Anhang I war das SGB II und SGB XII jedoch bis Dezember 2011 nicht aufgeführt und diese Regelungen sind daher nach der Definition des Art. 16 b Satz 1 EFA entsprechend als „neue Rechtsvorschriften“ aufzufassen, die mitzuteilen waren. Dass die Mitteilung dieser neuen Rechtsvorschriften und des Vorbehalts erst Jahre nach Inkrafttreten dieser Gesetze erfolgte, ist insoweit unerheblich. Fristen für die Mitteilung und für die Erklärung von Vorbehalten enthält Art. 16 EFA gerade nicht.

Ob sich aus der nicht zeitnahen Mitteilung der Gesetze und der Erklärung der Vorbehalte gegebenenfalls andere rechtliche Konsequenzen für die Bundesrepublik Deutschland ergeben, kann offen bleiben. Zu einer Unwirksamkeit des Vorbehalts kann dieses Verhalten - wie ausgeführt - jedenfalls nicht führen.

Im Übrigen spricht für die Wirksamkeit des Vorbehalts auch dessen Veröffentlichung auf der aktuellen Seite des Europarates – Vertragsbüro (Gesamtverzeichnis unter http://conventions.coe.int). Es ist wenig wahrscheinlich, dass der Europarat einen Vorbehalt veröffentlicht, wenn dort Zweifel an der Wirksamkeit dieses Vorbehaltes bestehen.

Schließlich ist es nach Ansicht des Senats auch sehr zweifelhaft, ob bei einem unwirksamen Vorbehalt tatsächlich über Art. 1 EFA ein Leistungsanspruch nach dem SGB II bestehen würde. Nach Wortlaut und Systematik des EFA könnte vielmehr die Annahme gerechtfertigt sein, dass das SGB II nur dann über das EFA einen Anspruch begründen kann, wenn es dort im Anhang I erwähnt ist (so schon der 34. Senat des Landessozialgerichts Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 23. Dezember 2009, L 34 AS 1350/09 B ER, zitiert nach juris). Gemäß Art. 1 EFA wird eine Gleichbehandlung nämlich nur im Bereich der „Fürsorgegesetzgebung“ gewährleistet und dieser Bereich wird über Art. 2 b und 19 EFA im Anhang I jeweils für die einzelnen Vertragsschließenden festgestellt. Bei der Veröffentlichung des EFA vom 11. Dezember 1953 im Bundesgesetzblatt vom 18. Mai 1956 (BGBl. II, Seite 563) war im Anhang I für die Bundesrepublik Deutschland aufgeführt:

- Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. Februar 1924

- Reichsgrundsätze über Voraussetzungen, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge vom 4. Dezember 1924

- Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 23. Juli 1953

- Verordnung über Tuberkulose Hilfe vom 8. September 1942

- preußisches Gesetz über die Beschulung blinder und taub stummer Kinder vom 7. August 1911

Für diese gesetzlichen Regelungen galt mithin das EFA schon bei seiner Bekanntmachung. Jede spätere Änderung war nach Art. 16 a EFA mitzuteilen und über die Aufnahme in den Anhang I in den Geltungsbereich des EFA einzubeziehen, um auch dort die Gleichbehandlung aufgrund des Art. 1 EFA erreichen zu können. Käme danach einer Aufnahme in den Anhang I zum EFA eine konstitutive Wirkung zu, so würde die Nichtmitteilung (der neuen Rechtsvorschriften) gerade nicht zu einer (gar vorbehaltslosen) Einbeziehung führen.

Eine Europarechtswidrigkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vermag der Senat danach im Hinblick auf das EFA nicht zu erkennen.

Gleiches gilt schließlich im Hinblick auf die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (30.4.2004, DE, Amtsblatt der Europäischen Union L 166, 1, im Folgenden: VO 883/2004).

Nach Art. 4 VO 883/2004 haben, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Angehörigen dieses Staates. Voraussetzung für einen Gleichbehandlungsanspruch aus Art. 4 VO 883/2004 ist mithin insbesondere die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereiches (Art. 2 VO 883/2004) und des sachlichen Geltungsbereiches (Art. 3 VO 883/2004) der VO 883/2004. Einen Verstoß von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gegen diese Regelungen kann der Senat nicht feststellen, weil er nicht einmal den persönlichen und den sachlichen Geltungsbereich für eröffnet ansieht.

Der persönliche Geltungsbereich der VO 883/2004 ist nach deren Art. 2 eröffnet für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, mithin für den Antragstellerin als Staatsangehörige Spaniens, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen (Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004). Nach der Legaldefinition des Art. 1 Buchst. l) VO 883/2004 sind "Rechtsvorschriften" für jeden Mitgliedsstaat die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 genannten Zweige der sozialen Sicherheit. Nach Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 gilt die Verordnung für alle Rechtsvorschriften, die bestimmte Zweige der sozialen Sicherheit betreffen, so u. a. die unter Buchstabe h) beschriebenen „Leistungen bei Arbeitslosigkeit“ (z.B. Arbeitslosengeld nach § 136 ff. des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - SGB III - in der Fassung von Art. 1, 2 und 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011, in Kraft seit 1. April 2012, BGBl. I S. 2854 - vormals § 117 ff. SGB III).

Derartige Leistungen im Sinne von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Buchst. l) und Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004, bezieht und begehrt der Antragstellerin aber gerade nicht. Danach spricht bereits einiges dafür, dass die Antragstellerin, die allenfalls eine beitragsunabhängige, nicht an die Arbeitslosigkeit geknüpfte Leistung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 70 VO 883/2004 begehrt, dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung gar nicht unterfällt, weil Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 l) ausdrücklich nur auf Art. 3 Abs. 1 und nicht auf Art. 3 Abs. 3 der VO 883/2004 verweist.

Zu demselben Ergebnis führt eine Prüfung des sachlichen Geltungsbereiches.

Den sachlichen Geltungsbereich regelt Art. 3 VO 883/2004. Gemäß Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 gilt die Verordnung für alle Rechtsvorschriften in bestimmten, abschließend aufgezählten Zweigen der sozialen Sicherheit. Außerdem gilt diese Verordnung nach Art. 3 Absatz 3 in Verbindung mit Art. 70 Abs. 1 VO 883/2004 auch für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, die nach Rechtsvorschriften gewährt werden, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen. Selbst wenn hiernach der persönliche Geltungsbereich für den Antragstellerin eröffnet wäre, kann daraus nicht ein Ergebnis dahingehend hergeleitet werden, dass in die Gleichbehandlung insoweit auch die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II einbezogen sind.

„Besondere beitragsunabhängige Geldleistungen“ sind hierbei nach der Legaldefinition des Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004 Leistungen,

a) die dazu bestimmt sind:

i) einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz gegen die Risiken zu gewähren, die von den in Art. 3 Abs. 1 genannten Zweigen der sozialen Sicherheit gedeckt sind, und den betreffenden Personen ein Mindesteinkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts garantieren, dass in Beziehung zu dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld in dem betreffenden Mitgliedstaat steht,

oder

ii) allein dem besonderen Schutz des Behinderten zu dienen, der Enkel mit dem sozialen Umfeld dieser Person in dem betreffenden Mitgliedstaat verknüpft ist,

und

b) deren Finanzierung ausschließlich durch obligatorische Steuern zur Deckung der allgemeinen öffentlichen Ausgaben erfolgt und deren Gewährung und Berechnung nicht von Beiträgen hinsichtlich der Leistungsempfänger abhängen. Jedoch sind Leistungen, die zusätzlich zu einer beitragsabhängigen Leistung gewährt werden, nicht allein aus diesem Grund als beitragsabhängige Leistungen zu betrachten;

und

c) die in Anhang X aufgeführt sind.

Im Anhang X zu Art. 70 VO 883/2004 ist für Deutschland seit 2009 (30.10.2009, DE, Amtsblatt der Europäischen Union, L 284/59) aufgeführt:

a) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des zwölften Buches Sozialgesetzbuch.

b) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitssuchende, soweit für diese Leistungen nicht dem Grunde nach Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch) erfüllt sind.

Allein unter Berücksichtigung des Wortlautes der Aufzählung für Deutschland unter b) im Anhang X zu Art. 70 VO 883/2004 könnte zwar der Eindruck entstehen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende seien über Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Art. 70 Abs. 2 c) VO 883/2004 vom Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 VO 883/2004 erfasst, so dass diese Leistungen in Deutschland jedem EU-Bürger zustünden.

Damit würde jedoch der maßgebliche Wortlaut der Regelung in der VO 883/2004 nur zum Teil zur Kenntnis genommen. Allein die Aufzählung der Leistungen nach dem SGB II im Anhang X der VO 883/2004 genügt zur Eröffnung des sachlichen Geltungsbereiches nach Art. 3 VO 883/2004 nämlich nicht; diese „besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen“ müssen zudem auch die in Art. 70 Abs. 2 a) i) VO 883/2004 genannten Voraussetzungen erfüllen; durch das Wort „und“ wird klargestellt, dass die Voraussetzungen von Art. 70 Abs. 2 a) und b) und c) VO 883/2004 für die Eröffnung des sachlichen Geltungsbereiches kumulativ erfüllt sein müssen.

„Besondere beitragsunabhängige Geldleistungen“ im Sinne von Art. 70 Abs. 1 VO 883/2004 des Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004 liegen mithin nur vor, wenn sie insbesondere einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz gegen die Risiken gewähren, die von den in Art. 3 Abs. 1 genannten Zweigen der sozialen Sicherheit gedeckt sind.

Hierbei meint „zusätzlicher“ oder „ergänzender“ Schutz gegen die Risiken im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Leistungen, die zusammen mit einer Regelleistung nach Art. 3 Abs. 1 gewährt werden und dasselbe Risiko wie dieser abdecken (Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 5. Auflage 2010, Titel III Art. 70 Rn. 11 m.w.N.). Dies ist zumindest bei den vorliegend im Streit befindlichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 19 ff. SGB II nicht der Fall, weil sie nicht ergänzend zu einer in Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 genannten Leistung der sozialen Sicherheit gewährt werden. Hier kämen einzig Leistungen zur Arbeitslosigkeit (Art. 3 Abs. 1 h) VO 883/2004) in Betracht, nämlich in erster Linie Arbeitslosengeld nach § 136 ff. SGB III (in der Fassung von Art. 1, 2 und 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011, in Kraft ab 1. April 2012, BGBl. I S. 2854 - vormals § 117 ff. SGB III), für die ein Anspruch aber unstreitig nicht erfüllt sein dürften. Auch ein „ersatzweiser“ Schutz im Sinne von Art. 70 Abs. 2 a) i) VO 883/2004 kann nicht angenommen werden. Denn solche Leistungen sind Leistungen, die anstelle der Regelleistungen in Versicherungsfällen nach Art. 3 Abs. 1 gewährt werden; deshalb muss bei diesen Leistungen der exakt identische Versicherungsfall vorliegen (Fuchs, a.a.O., Titel III Art. 70 Rn. 11, 14). Dies ist bei Leistungen nach § 19 ff. SGB II im Vergleich zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 136 ff. SGB III regelmäßig kaum gegeben, weil sie unabhängig von dem Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses aufgrund von Bedürftigkeitsgesichtspunkten erbracht werden.

Damit ist unter Berücksichtigung von Art. 70 Abs. 2 a) i) VO 883/2004 schon nach dem Wortlaut der Verordnung auch der sachliche Geltungsbereich im Sinne von Art. 2 VO 883/2004 nicht eröffnet.

Einem generellen Anspruch aller EU-Bürger auf Gleichbehandlung bei dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II steht mithin bereits nach dem Wortlaut der Regelungen unter Berücksichtigung der Legaldefinitionen der VO 883/2004 die Nichteröffnung des persönlichen Geltungsbereichs und des sachlichen Geltungsbereichs nach Art. 2 und 3 VO 883/2004 entgegen.

Im Übrigen kann allein ein anderes Verständnis des Wortlauts nicht insgesamt zu einem Verständnis von Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 70 in Verbindung mit dem Anhang X VO 883/2004 dahingehend führen, dass mit der VO 883/2004 allen EU-Bürgern in der Bundesrepublik Deutschland ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem SGB II gesichert werden soll.

Zwar ist der Wortlaut stets der Ausgangspunkt für ein Verständnis der Regelung. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind aber „bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden“ (vgl. Potacs, „Effet utile als Auslegungsgrundsatz“, EuR 2009, 465, 471, m.w.N.). Nach Auffassung des EuGH ist die Bedeutung von Gemeinschaftsrecht „unter Rückgriff auf die allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätze“ zu ermitteln; entscheidend ist der „Wille“ der Urheber der zu interpretierenden Rechtsvorschriften (Potacs, a.a.O., mit weiteren Nachweisen).

Danach bestehen bei einem Verständnis des Wortlauts von Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 70 in Verbindung mit dem Anhang X VO 883/2004 dahingehend, dass das Gleichbehandlungsgebotes des Art. 4 VO 883/2004 auch für Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach SGB II gilt, hinsichtlich eines entsprechenden Regelungscharakters schon deshalb Zweifel, weil dieser Wortlaut im Widerspruch zu der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (30.4.2004, DE, Amtsblatt der Europäischen Union, L 158/77, im Folgenden: Richtlinie 2004/38/EG) stehen würde.

Nach Art. 24 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG genießt vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und dem abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats auffällt, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Abweichend von Abs. 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat nach Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 b Richtlinie 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zu Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren.

Auch wenn eine Verordnung (hier: VO 883/2004) anders als eine Richtlinie (hier: Richtlinie 2004/38/EG) unmittelbar geltendes Recht darstellt, so entbindet dies nicht von der Notwendigkeit, den Regelungsgehalt dieser Verordnung unter Berücksichtigung insbesondere der weiteren europarechtlichen Regelungen zu erfassen. Bei einem Widerspruch, wie er sich vorliegend bei einem entsprechenden Verständnis des Wortlauts der VO 883/2004 offenbaren würde, kann mithin nicht einfach unreflektiert auf den vermeintlichen Wortlaut der „höherwertigen“ Regelung zurückgegriffen werden. Es ist vielmehr entsprechend der Rechtsprechung des EuGH im Wege der Auslegung der Wille der Urheber zu ermitteln. Dies gilt umso mehr, wenn, wie vorliegend der Fall, dieselben Urheber (nämlich das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union) an demselben Tag (nämlich dem 29. April 2004) zwei sich vermeintlich widersprechende Regelungen (einerseits: Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 70 in Verbindung mit dem Anhang X VO 883/2004, andererseits: Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG) geschaffen haben. Dass der Inhalt des Anhangs X erst Jahre danach (2009) vom Europäischen Parlament und dem Rat festgelegt wurde ändert an der Gegensätzlichkeit dieser Regelungen und an der Notwendigkeit eines richtigen Verständnisses dieser Regelungen für den heutigen Zeitpunkt nichts.

Folglich ist entsprechend der Rechtsprechung des EuGH unter Anwendung der allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätze der Wille des Verordnungsgebers der VO 883/2004 zu ermitteln.

Insofern hat der 20. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 10. Mai 2012 (Az.: L 20 AS 802/12 B ER, zur Veröffentlichung vorgesehen) folgendes ausgeführt:

„Nach Art. 4 der VO 883/2004 haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staats, soweit mit der VO nichts anderes bestimmt ist. Der persönliche Geltungsbereich der Verordnung erstreckt sich gemäß Art. 2 Abs. 1 u. a. auf Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, der sachliche Geltungsbereich gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. h) auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Während Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 die Anwendbarkeit der VO auf die Systeme der sozialen Sicherheit regelt und damit diese einer Exportpflicht unterwirft, regelt Art. 3 Abs. 5 Lit. a) VO 883/2004 den Ausschluss der Fürsorgeleistungen vom Anwendungsbereich der VO und damit von der Exportpflicht. In Reaktion auf Ausgestaltungen von Sozialleistungssystemen in den Mitgliedsstaaten, die die Kategorisierung von Leistungen in solche der sozialen Sicherung einerseits und Leistungen der Fürsorge andererseits erschwerten und aufgrund der Rechtsprechung des EuGH wurde bereits mit Art. 10a Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 eine Regelung geschaffen, die für etwaige „Mischleistungen“, nämlich für besondere beitragsunabhängige Leistungen, eine Ausnahme von der generellen Exportpflicht (Art. 10 Abs. 1 VO 1408/71) vorsah. Für diese Leistungen, sofern sie denn als beitragsunabhängige Sonderleistungen von den Koordinierungsregelungen der VO erfasst waren, sollte der Leistungstransfer in das europäische Ausland ausgeschlossen werden. Eine Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises war damit nicht verbunden; bereits Art 10a Abs. 1 Satz 2 VO 1408/71 bestimmte, dass die Leistungen ausschließlich im Wohnmitgliedsstaat und ausschließlich nach dessen Rechtsvorschriften erbracht werden.

Auch nach Art. 3 Abs. 3 VO 883/2004 gilt nunmehr die (Nachfolge-)Verordnung ausdrücklich auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Art. 70. Als solche Leistungen sind gemäß Art. 70 Abs. 2 lit. c) i. V. m. Anhang X für Deutschland auch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende, soweit für diese Leistungen nicht dem Grunde nach die Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Abs. 1 SGB II) erfüllt sind, aufgeführt. Dies führt jedoch nicht zu der Annahme eines grundsätzlichen Anspruchs aller Unionsbürger auf scheinbar alle Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Art. 4 VO 883/2004 bestimmt den Gleichbehandlungsgrundsatz sofern in der VO selbst nichts anderes bestimmt ist. Art. 70 Abs. 4 VO 883/2004 regelt, dass die besonderen beitragsunabhängigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnortlandes geleistet werden. Hier können Zugangsregelungen geschaffen werden. Eine Ausweitung der grundsätzlichen Leistungsberechtigungen der beitragsunabhängigen Leistungen nach nationalem Recht für alle Unionsbürger war auch mit der Regelung des Art. 70 VO 883/2004 nicht bezweckt. Dieses Verständnis entspricht der historisch-systematischen sowie teleologischen Auslegung. Die Unionsbürgerrichtlinie, die in Art. 24 Abs. 2 die Möglichkeit eines Leistungsausschlusses eröffnet, und die VO 883/2004, wonach der vorgenannte Leistungsausschluss gerade nicht möglich sein soll, datieren auf denselben Tag, nämlich den 29. April 2004. Es ist nicht davon auszugehen, dass das Europäische Parlament und der Rat sich widersprechende Regelungswerke in Kraft setzen wollten (vgl. zu den „Widersprüchlichkeiten“ SG Dresden, a. a. O., das allerdings deshalb zu dem Schluss der Unvereinbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit der VO 883/2004 kommt). Dies gilt umso mehr, als mit der VO 883/2004 die Koordinierung der Sozialsysteme, aber gerade nicht die Vereinheitlichung der materiellen Standards bezweckt war (vgl. Schreiber in VO (EG) Nr. 883/2004, Kommentar, 2012, Einleitung Rn. 5), eine Aushöhlung der Möglichkeit des mitgliederstaatlichen Leistungsausschlusses auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie durch die Regelungen in VO 883/2004 also nicht beabsichtigt gewesen sein dürfte. Nach dem bisherigen materiellen Standard, der in der Verordnung (EG) Nr. 1408/71, die durch Art. 90 der VO 883/2004 überwiegend aufgehoben wurde, abgebildet ist, waren nicht auch Arbeitssuchende vom persönlichen Anwendungsbereich erfasst (Art. 2 VO 1408/71;vgl. hierzu Schreiber, a. a. O. Art. 70 Rn. 5).

Mit der Aufnahme der Leistungen zur Sicherung der Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende in den zuvor leeren Anhang X der VO 883/2004 mit der Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 ist damit keine Abkehr vom bisherigen materiellen Standard erfolgt, sondern auf die Einführung dieser Leistungen und der Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - SGB XII - reagiert und sichergestellt worden, dass diese Leistungen – soweit sie die weiteren Voraussetzungen des Art. 70 Abs. 2 VO 883/04 erfüllen, also „Mischleistungen“ sind - nicht dem generellen Exportgebot unterfallen, sondern nur in Deutschland erbracht werden. Soweit es sich bei den Leistungen nach dem SGB II nicht um „besondere beitragsunabhängige“ i.S. des Art. 70 Abs. 2 VO 883/04 handelt, sie reine Fürsorgeleistungen sind, sind sie weiterhin bereits nach Art 3 Abs. 5 VO 883/04 nicht von den Koordinierungsvorschriften erfasst.

Ob die hier in Rede stehenden Leistungen der §§ 19 ff. SGB II insgesamt tatsächlich besondere beitragsunabhängige Sonderleistungen oder nicht doch insgesamt Leistungen der sozialen Fürsorge sind, wäre ggf. vom EuGH zu überprüfen (vgl. hierzu Schreiber a. a. O., Art. 70 Rn. 22). § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II regelt jedenfalls allein einen Ausschluss von reinen Fürsorgeleistungen i.S. des Art. 3 VO 883/2004. Die so verstandene Regelung der Art. 3 Abs. 3, Art. 70 VO 883/2004 führt auch nicht zu der Annahme, dass die Aufnahme der Leistungen der Grundsicherung nach §§ 19 ff. SGB etwa ins Leere läuft. Da Unionsbürger nicht generell vom Leistungsbezug nach §§ 19 ff. SGB II ausgeschlossen sind, bestand ein Regelungsbedarf dahin, diese betragsunabhängige Leistung, soweit sie eine besondere Leistung i.S. des Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004 ist, nicht den generellen Exportverpflichtungen der VO zu unterwerfen (Art. 7 VO 883/2004) und nur spezielle Koordinierungsregelungen für anwendbar zu erklären (so das Wohnortprinzip, Art. 70 Abs. 4 VO 883/2004).“

Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung an.

Ergänzend weist der Senat außerdem auf die Zielsetzungen der sich vermeintlich widersprechenden Regelungen hin. Auch diese sprechen nach Ansicht des Senats für ein Verständnis der VO 883/2004 in dem Sinne, dass nicht grundsätzlich allen EU-Bürgern ein Zugang zu allen Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende eröffnet werden soll.

Die VO 883/2004 enthält schon vorab in ihren Gründen, die erwogen worden sind, den Hinweis, dass die Eigenheiten der nationalen Rechtsvorschriften über Soziale Sicherheit zu berücksichtigen und nur eine Koordinierungsregel vorzusehen ist (siehe 4). Außerdem liegt der Systematik des Art. 3 der Verordnung der Gegensatz von sozialer Sicherheit und in deutscher Terminologie „Sozialhilfe“ zu Grunde und nur der erstere Bereich sollte nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers dem sachlichen Anwendungsbereich und damit der Koordinierung unterfallen (Fuchs, a.a.O., Titel I Art. 3 Rn. 33). Entsprechend werden Leistungen der „sozialen und medizinischen Fürsorge“ ausdrücklich in Art. 3 Abs. 5 VO 883/2004 von deren sachlichem Geltungsbereich ausgenommen. Ziel ist damit letztlich im Wesentlichen die Förderung der Freizügigkeit der Wanderarbeitnehmer, indem es ihnen erleichtert wird, durch Beitragszahlung erworbene Ansprüche im Bereich der sozialen Sicherheit zu exportieren.

Demgegenüber soll mit der Richtlinie 2004/38/EG im Wesentlichen das allgemeine Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union gesichert werden. Dieses soll aber ausweislich der Regeln der Richtlinie nicht generell und uneingeschränkt bestehen. So stellt beispielsweise Art. 7 der Richtlinie klar, dass ein Unionsbürger ein Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten letztlich nur hat, wenn er über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass er während seines Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen muss und er und seine Familienangehörige einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz haben (vergl. Art. 7 Abs. 1 b) Richtlinie 2004/38/EG). Entsprechend wurde in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie die Möglichkeit eines entsprechenden Leistungsausschlusses für den Aufnahmemitgliedstaat vorgesehen.

Aus diesen unterschiedlichen Zielsetzungen sind nach Ansicht des Senats auch Rückschlüsse auf das Verständnis der beabsichtigten Regelungen zulässig und geboten. Die Verordnung 883/2004 soll vorrangig der Sicherung erworbener Anwartschaften im Falle eines Wohnortwechsels in einen anderen Mitgliedstaat dienen. Sie bezweckt jedoch nicht die Förderung einer allgemeinen Freizügigkeit innerhalb der EU zur Inanspruchnahme beitragsunabhängiger Sozialleistungen eines anderen Mitgliedstaates. Anderenfalls würde nicht nur Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG sondern wesentliche Grundsätze der Richtlinie insgesamt (vergleiche Art. 7 der Richtlinie) ins Leere laufen.

Letztlich würde eine andere Sichtweise in Fällen der vorliegenden Art, wo eine beabsichtigte Erwerbstätigkeit nicht einmal behauptet wird, zu der Förderung eines so genannten „Sozialtourismus“ in der Europäischen Union führen, der mit den Zielen der Europäischen Union insgesamt kaum im Einklang stehen dürfte. Solange in der Europäischen Union nicht alle Staaten ein Sozialsystem auf gleichem Niveau und einheitliche Lebensstandards aufweisen, bestünde die Gefahr der Abwanderung von Menschen aus Ländern mit niedrigem Lebensstandard und geringen sozialen Sicherungssystemen in Länder mit hohem Lebensstandard und einem umfassenden sozialen Sicherungssystem. Dies wiederum könnte einerseits zu einer Gefährdung der sozialen Sicherungssysteme und des sozialen Friedens in den Ländern mit einem umfassenden sozialen Sicherungssystem und hohem Lebensstandard führen und andererseits in den Ländern mit geringen sozialen Sicherungssystemen und einem niedrigen Standard zu einer massiven Entvölkerung und dem damit verbundenen Verlust volkswirtschaftlichen Vermögens. Die Europäische Union würde damit nicht zur Stärkung dieser betroffenen Mitgliedstaaten führen sondern zu ihrer Schwächung. Auch dies ist nach Ansicht des Senats nicht Ziel der VO 883/2004.

Abschließend weist der Senat noch darauf hin, dass vorliegend nicht nur das Eingreifen eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches entgegensteht. Auch ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II kommt vorliegend in Betracht, da sich die Antragstellerin in einem Fernstudium befindet und mithin in einer Ausbildung, die im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig sein könnte. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin als spanische Staatsbürgerin für ein Fernstudium in Spanien tatsächlich voraussichtlich keine Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).