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Nachentrichtung - Mitwirkung - Untätigkeit - Verwirkung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 31. Senat Entscheidungsdatum 25.02.2010
Aktenzeichen L 31 R 1352/07 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 21 WGSVG

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. August 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Berufungsklägerin als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes MD(Versicherter) zur Nachentrichtung von Beiträgen nach § 21 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) berechtigt ist. Vorrangig wird darüber gestritten, ob dieses Recht verwirkt ist.

Bereits mit einem Bescheid vom 28. Dezember 1981 war dem Versicherten die Nachentrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland bewilligt worden. Von diesem Recht hat er keinen Gebrauch gemacht.

Mit Bescheid vom 28. Februar 1986 lehnte die Beklagte einen Antrag vom 14. August 1984 auf Zulassung zur außerordentlichen Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung nach Art. 12 der Durchführungsvereinbarung (DV) zum deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen (DISVA) ab. Zur Begründung führte sie aus, der Antrag sei verspätet, da der Nachentrichtungsantrag spätestens bis zum 13. Juni 1983 zu stellen gewesen wäre. Dem hiergegen gerichteten Widerspruch blieb mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 1987 der Erfolg versagt.

Mit weiterem Bescheid vom 05. November 1987 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 1988 lehnte die Beklagte die Bewilligung eines Altersruhegeldes ab, da die Wartezeit nicht erfüllt sei.

Mit Schreiben vom 22. August 1988 bemängelte der Versicherte, dass dem Bescheid vom 28. Dezember 1981 eine unrichtige Angabe über die Teilzahlungsfrist beigefügt gewesen sei. Mit Bescheid vom 12. September 1988 ließ die Beklagte den Kläger nach Art. 2 § 49 a Abs. 2 des Angestelltenversicherungsneuregelungsgesetzes (AnVNG) zur Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit von 1956 bis 1973 in Höhe von 16.156,80 DM zu. Die Finanzierung des Nachentrichtungsbetrages erfolgte über die BG Financing Ltd. auf der Isle of Man, die Beklagte genehmigte die Abtretung der Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung zur Sicherung dieses Darlehens (Bescheid vom 24. April 1989).

Mit Rentenbescheid vom 24. Juli 1989 gewährte die Beklagte dem am 21. März 1920 geborenen Versicherten ab 01. Juli 1988 ein Altersruhegeld in Höhe von monatlich 405,50 DM (ab 01. September 1989). Von diesem Betrag wurden 240 DM an den Kreditgeber und 165,50 DM an den Versicherten ausgezahlt.

Mit Schreiben vom 26. November 1990 (Eingang bei der Beklagten) beantragte der Versicherte auf einem Formularantrag die Anerkennung von Fremdbeitragszeiten, die Anerkennung von Ersatzzeiten, die Nachentrichtung bei Beiträgen bzw. die Neugestaltung der bisherigen Nachentrichtung nach §§ 21, 22 WGSVG bei Gewährung einer Teilzahlung von einem Jahr, die freiwillige Weiterversicherung, die Gewährung einer Rente sowie eine Neuberechnung von Fristen.

Mit Schreiben vom 13.September 1991 an die Bevollmächtigten des Versicherten teilte die Beklagte mit, dass Fremdrentenzeiten nach § 17 a Fremdrentengesetz (FRG) für die insoweit zwischen den Beteiligten unstreitigen Zeiten vom 30. August 1946 bis 17. Januar 1957 vorgemerkt werden könnten. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 21. Oktober 1991 mitgeteilt hatte, dass die in Aussicht gestellte Anerkennung von Fremdrentenzeiten auf einem Irrtum beruht habe und eine Anerkennung und Neufeststellung der Rente daher nicht erfolgen könne, beantragte der Versicherte mit Schreiben vom 02. Januar 1992 die Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheides wegen der Fremdrentenzeiten und teilte weiter mit, dass er versicherungspflichtige Beschäftigungszeiten im Ghetto L zurückgelegt habe, die ebenfalls geltend gemacht würden.

Mit Bescheid vom 30. Januar 1992 lehnte die Beklagte die Anerkennung von Fremdrentenzeiten ab. Dem hiergegen gerichteten Widerspruch blieb mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 1992 der Erfolg versagt. Auf die hiergegen erhobene Klage (S 20 An 2248/92) hat das Sozialgericht Berlin die Beklagte verurteilt, die im einzelnen unstreitigen Zeiten nach dem Fremdrentengesetz anzuerkennen, da es das Schreiben vom 13. September 1991 als unanfechtbar gewordenen und nicht mehr zurücknehmbaren Verwaltungsakt angesehen hat (Urteil vom 15. September 1994). In Ausführung dieses Urteils erließ die Beklagte Rentenbescheide vom 17. und 28. November 1994. In der Folgezeit machten weder der Versicherte persönlich noch sein Bevollmächtigter weitere Ansprüche gegen die Beklagte geltend.

Erst mit Schreiben vom 06. Mai 2001 teilte Rechtsanwalt P mit, dass der Versicherte am 22. März 2001 verstorben sei und stellte für die Klägerin einen Antrag auf Witwenrente, welche die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 20. Juli 2001 gewährte.

Mit Schreiben vom 19. Juni 2002 erinnerte die jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin, die Ehefrau des damals im Jahre 1994 vor dem Sozialgericht vertretenden Dr. FR, an die Erledigung des Schreibens vom 02. Januar 1992, das heiße die Feststellung der Beitragszeiten im Ghetto L und die Prüfung der Nachentrichtung nach § 21 WGSVG. Die Beklagte teilte zunächst mit, dass eine Vollmacht für die Vertretung in der Witwenrentensache nicht vorläge und wandte sich mit einem Schreiben vom 17. Juli 2002 an Rechtsanwalt P mit einem an die Klägerin gerichteten Schreiben, in dem es wie folgt heißt:

„…. nach Überprüfung der Akten wurde festgestellt, dass ein Antrag auf Nachentrichtung nach § 21 WGSVG und ein Antrag auf Anerkennung von Fremdrentenzeiten im Ghetto L vom 07. Januar 1992 noch offen sind. Wir bitten um Mitteilung, ob an der Weiterverfolgung dieser Anträge noch Interesse besteht. Weiterhin bitten wir um ausdrückliche Bestätigung, welcher Bevollmächtigte in Zukunft ihr Vertreter in der Rentenangelegenheit sein soll.“

Nach Erinnerung mit Schreiben vom 18. November 2002 wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 28. Februar 2003 erneut an Rechtsanwalt P. Unter Hinweis auf die Erinnerungen vom 17. Juli 2002 und 18. November 2002 teilte die Beklagte mit, dass sie für den Fall, dass bis zum 11. April 2003 keine Antwort erfolgen sollte, davon ausgehe, dass die Anträge nicht weiter verfolgt würden.

Nachdem Rechtsanwalt P eine Untervollmacht für die Rechtsanwältin R übersandt hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Mai 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2004 den Antrag auf Zulassung zur Nachentrichtung nach § 21 WGSVG mit der Begründung ab, dass Verwirkung eingetreten sei. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Antrag auf Nachentrichtung vom 26. November 1990 sei erst am 19. Juni 2002, also über 11 Jahre nach der Antragstellung und dem Tod des Antragstellers wieder aufgegriffen worden. Die Verwirkung setze voraus, dass seit der Entstehung des fraglichen Rechts eine längere Zeitspanne verstrichen sei. Im Unterschied zur Verjährung reiche für eine Verwirkung der bloße Zeitablauf jedoch nicht. Es müssten vielmehr besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer sich der andere Beteiligte des Rechtsverhältnisses im Vertrauen darauf, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde, in seinen Maßnahmen und Vorkehrungen so eingerichtet habe, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Als solcher Nachteil sei die Tatsache anzusehen, dass die Beiträge erheblich später nachentrichtet würden, als dies bei rechtzeitiger Nachentrichtung der Fall gewesen wäre. Nachdem die Neufeststellungsbescheide vom 17. und 28. November 1994 bindend geworden seien, ohne dass eine Entscheidung hinsichtlich der beantragten Nachentrichtung getroffen worden und Bestandskraft eingetreten sei, habe nur davon ausgegangen werden können, dass zur damaligen Zeit kein Interesse an einer Nachentrichtung mehr bestanden habe.

Die hiergegen zum Sozialgericht Berlin erhobene Klage hat dieses mit Urteil vom 10. August 2007 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2004 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es bestehe kein Anspruch auf Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach dem verstorbenen Ehemann der Klägerin gemäß §§ 21, 22 WGSVG. Der Antrag auf Nachentrichtung sei zwar rechtzeitig vor Ablauf der Nachentrichtungsfrist des § 21 Abs. 4 WGSVG zum 31. Dezember 1990 fristgerecht am 26. November 1990 gestellt worden. Der rechtzeitig gestellte Nachentrichtungsantrag sei jedoch verwirkt. Die jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin sei auf den Antrag erst am 19. Juni 2002 zurückgekommen und damit mehr als 11 Jahre nach der Antragstellung. Es lägen auch besondere Umstände im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor. Die gesetzliche Regelung mit der Antragsfrist bis Ende 1990 und der Teilzahlungsfrist von höchstens einem Jahr nach Zustellung des Nachentrichtungsbescheides gemäß § 21 Abs. 4 WGSVG lasse erkennen, dass die Nachentrichtungsverfahren nach Vorstellung des Gesetzgebers bis etwa Mitte 1992 abgeschlossen sein sollten. Zwar sei davon auszugehen, dass dieser zeitliche Rahmen bei einzelnen Versicherten nicht immer eingehalten werden könne, so dass sich das Nachentrichtungsverfahren auch über das Jahr 1992 hinaus habe erstrecken dürfen. Allerdings sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Statuierung von Ausschlussfristen bezweckt habe, dass die Entstehung und Ausübung des Nachentrichtungsrechtes nicht beliebig offen gehalten und in die Länge gezogen werden könne. Demzufolge habe sich ein Antragsteller zur Vermeidung von Rechtsnachteilen, sofern er bis dahin keine Nachricht vom Versicherungsträger erhalten habe, spätestens zwei Jahre nach der Antragstellung nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen. Erkundige er sich innerhalb dieser zwei Jahre nicht, so müsse er sich trotzdem so behandeln lassen, als habe er sich zu diesem Zeitpunkt erkundigt und das Verfahren ordnungsgemäß betrieben. Der verstorbene Versicherte habe sich also bis Ende 1992 erneut an die Beklagte wenden müssen. Er wäre dann nach Übersendung entsprechender Formulare jedenfalls bis Mitte 1993 zur Stellung eines vollständigen Antrags in der Lage gewesen. Selbst unter Berücksichtigung weiteren Ermittlungsbedarfs und einer etwaigen Teilzahlungsregelung hätte das Nachentrichtungsverfahren spätestens 1995 abgeschlossen sein können. Der verstorbene Versicherte habe sich jedoch zu seinen Lebzeiten gar nicht mehr an die Beklagte gewandt und die jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe sich erst im Jahre 2002 wieder bei der Beklagten gemeldet.

Wenn aber ein Versicherter sich erst zu einem Zeitpunkt wieder melde, in dem nach der Praxis der Versicherungsträger das Nachentrichtungsverfahren bei ordnungsgemäßer Mitwirkung des Versicherten bereits abgeschlossen gewesen wäre, sei von der Verwirkung des ursprünglichen Antrages auch dann auszugehen, wenn der Versicherungsträger den ursprünglichen fristgerechten Antrag nicht ordnungsgemäß behandelt habe. Ob in der Nichtbearbeitung des Antrages durch die Beklagte eine nicht ordnungsgemäße Behandlung liege, brauche daher nicht entschieden zu werden.

Es sei für die Beklagte auch keineswegs offensichtlich gewesen, dass der verstorbene Versicherte und/oder die Klägerin eine Weiterverfolgung dieses Antrags wünschten.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Berlin, das mit Urteil vom 15. September 1994 zum Aktenzeichen S 20 An 2248/92 geendet habe. So sei es in diesem Verfahren um einen anderen Streitgegenstand, nämlich um die Anerkennung von Fremdrentenzeiten gegangen, so dass nicht ersichtlich sei, weshalb damit zu rechnen gewesen sein sollte, dass die Beklagte erst nach dem Abschluss dieses Verfahrens mit einer Bearbeitung der übrigen Anträge und damit auch des vorliegenden beginnen würde. Selbst wenn man dies anders sehen sollte, hätte der verstorbene Versicherte entsprechend dem bereits Ausgeführten spätestens im Dezember 1996 bei der Beklagten bezüglich der Bearbeitung seines Antrages nachfragen müssen. Das Verfahren hätte in diesem Fall bis spätestens Ende 1999 und damit ebenfalls deutlich vor Juni 2002 abgeschlossen sein können.

Ferner sei es der Beklagten auch nicht aufgrund eigenen Verhaltens verwehrt, sich auf die Verwirkung des Antrages zu berufen. Anders als die Klägerin meine, könne den Schreiben vom 17. Juli 2002, 18. November 2002 und 28. Februar 2000 kein Verzicht der Beklagten auf die Geltendmachung der Verwirkung entnommen werden. Vielmehr ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut dieser Schreiben als auch in Zusammenschau mit dem an die Klägervertreterin gerichteten Schreiben vom 16. Juli 2002, dass die Beklagte lediglich bei der Klägerin habe nachfragen wollen, ob sie an der Weiterverfolgung der Anträge noch interessiert sei, die sie weder selbst noch ein von ihr Bevollmächtigter gestellt habe.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Beklagte sich im Hinblick auf die Berücksichtigung von Ghettobeitragszeiten nicht auf Verwirkung berufen habe, sondern Ende 2005 bzw. Anfang 2006 unter Berücksichtigung dieser Zeiten das dem Versicherten gewährte Altersruhegeld bzw. die Regelaltersrente sowie die große Witwenrente der Klägerin neu festgestellt habe (Rentenbescheide vom 12. September 2005, 02. November 2005, 09. Dezember 2005, 27. Dezember 2005, 24. Januar 2006). Es sei nämlich nicht ersichtlich, aus welchem Grunde dieser Antrag verwirkt sein sollte. Anders als für die Nachentrichtung habe der Gesetzgeber für diese Verfahren weder Ausschlussfristen noch eine Zeitspanne bis zum Abschluss vorgegeben.

Gegen dieses ihrer Bevollmächtigten am 13. September 2007 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung vom 02. Oktober 2007. Zur Begründung führt sie aus, dass das Sozialgericht Berlin außer Acht gelassen habe, dass für das Nachentrichtungsrecht gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG die Feststellung der geltend gemachten Beitragszeiten durch die Beklagte erforderlich sei. Diese Feststellungen seien erst mit Schreiben vom 17. Juni 2003 getroffen worden. Vor diesem Zeitpunkt habe eine Konkretisierung des Nachentrichtungsrechts nach Maßgabe des § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG nicht erfolgen können. Im Unterschied zu der vom Sozialgericht zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe im vorliegenden Fall ein aufwändiges Kontenklärungsverfahren betrieben werden müssen, bei dem die Beklagte erst im Jahre 2003 die erforderlichen Feststellungen (Ghettozeiten) getroffen habe. Beachtlich sei auch, dass alle zur Feststellung der geltend gemachten Beitragszeiten notwendigen Informationen der Beklagten bereits im Jahre 1992 vorgelegen hätten. Darüber hinaus sei der vom Gericht skizzierte Zeitrahmen zur Nachentrichtung unrealistisch. Die gesetzliche Regelung mit der Antragsfrist bis Ende 1990 und der Teilzahlungsfrist von höchstens einem Jahr nach Zustellung des Nachentrichtungsbescheides habe keineswegs erkennen lassen, dass die Nachentrichtungsverfahren bis etwa Mitte 1992 abgeschlossen sein sollten. Hier sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte es gerade einmal geschafft habe, im September 2005, also ca. 13 Jahre nach dem vollständigen Vorliegen der Unterlagen einen Versicherungsverlauf zu erstellen. Wie bei dieser atemberaubenden Bearbeitungsgeschwindigkeit das Sozialgericht von einer 18monatigen Verfahrensdauer für das Nachentrichtungsverfahren ausgehen könne, entziehe sich dem Verständnis jedes wohl mit der Materie vertrauten Betrachters. Eine solche Zeitspanne wäre allenfalls bei einem geklärten Versicherungsverlauf realistisch gewesen. Außerdem sei der Zeitraum, in dem eine Mitwirkung von Seiten des verstorbenen Ehegatten der Klägerin nicht vorgelegen haben soll vom Sozialgericht maßlos übertrieben dargestellt worden. Der Kläger habe zu Lebzeiten noch äußerst rege am Verfahren teilgenommen und das bis zum Jahre 1994. Das damalige Klageverfahren hinsichtlich der FRG-Beitragszeiten habe zweifellos Einfluss auf das hier anhängige Nachentrichtungsverfahren gehabt. Die Beitragszeiten seien von Einfluss auf die Höhe der Konkretisierung im hier anhängigen Nachentrichtungsverfahren. Zwischen der Aufforderung der Unterzeichnerin vom November 1994 und dem Juni 2002 lägen aber nicht 11 Jahre, sondern nur etwas mehr als 7. Da die Beklagte erst bei einem Zeitraum von 10 Jahren von Verwirkung ausgehe, handele sie im vorliegenden Fall gegen ihr eigenes Vorbringen. Aufgrund des Schriftwechsels der Beklagten sei auch klar, dass sie selber im Jahre 2002 noch von der Fortsetzung des Nachentrichtungsverfahrens ausgegangen sei, da sie angefragt habe, ob die Verfahren weiter betrieben werden sollen. Die Beklagte könne sich deshalb nicht auf Verwirkung berufen, da sie die Antragsbearbeitung selbst wieder aufgenommen habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. August 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Maßgabe des § 21 WGSVG nach ihrem verstorbenen Ehemann zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf das nach ihrer Auffassung nach zutreffende Urteil des Sozialgerichts und den Inhalt ihrer Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Rechtsausführungen und der Sachdarstellung wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2004 zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat das von ihrem verstorbenen Ehemann abgeleitete Nachentrichtungsrecht verwirkt.

Unter welchen Voraussetzungen nach dem Ablauf einer nicht unerheblichen Zeitspanne aus einem zunächst fristgemäß gestellten Nachentrichtungsantrag noch Rechte hergeleitet werden können, ist in der Rechtsprechung des BSG, auf die das Sozialgericht zu Recht Bezug genommen hat, geklärt (vgl. BSG, Urteil vom 28. April 1987, Az.: 12 RK 14/85; vom 26. Oktober 1989,Az.: 12 RK 33/89; vom 07. Dezember 1989, Az.: 12 RK 6/88; vom 04. Juni 1991, Az.: 12 RK 35/90 jeweils mit m. w. N.; zitiert nach juris).

Danach ist zunächst festzustellen, dass die bloße Untätigkeit (Schweigen) eines Berechtigten allein noch keine Verwirkung seines Rechts zur Folge hat. Dies gilt auch für eine längere selbst mehrjährige Untätigkeit. Hinzu kommen muss vielmehr bei dem anderen Beteiligten des Rechtsverhältnisses, dass er sich im Vertrauen darauf, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht (ausgeübt) wird, in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen könnte (BSG, Urteil vom 28. April 1987, 12 RK 14/85 mit Hinweis auf BSGE 47, 194). Für die Beklagte und damit für die von ihr vertretene Versichertengemeinschaft kann ein solcher Nachteil nur darin liegen, dass die Beiträge der Klägerin später nachentrichtet werden, als dies bei rechtzeitiger Ausübung des Nachentrichtungsrechts der Fall gewesen wäre. Der Nachteil der verspäteten Entrichtung ist dann nicht unzumutbar, wenn der Antragsteller zu dem Zeitpunkt, zu dem er sich beim Rentenversicherungsträger meldet, nach dessen Verwaltungspraxis die Nachversicherung noch hätte durchführen können (BSG, Urteil vom 26. Oktober 1989, Rdnr. 17).

Um diesen Zeitraum zu ermitteln, ist zunächst davon auszugehen, dass das Nachentrichtungsverfahren in mehreren Schritten abgewickelt wird. Zunächst bedarf es nach Antragstellung der Konkretisierung des Antrages, dann der Zulassung zur Nachentrichtung und der anschließenden Einzahlung der Beiträge. In den Fällen, in denen eine Frist zur Stellung des Antrages gesetzt ist und ein bestimmter Zeitraum der Nachentrichtung dem Gesetz zu entnehmen ist, gilt, dass der Antragsteller sich an der zügigen Durchführung des Nachentrichtungsverfahrens zu beteiligen hat (vgl. BSGE 50, 152, 154). Dies wird dem allgemeinen Grundsatz entnommen, dass derjenige, der aus einer Rechtsbeziehung Ansprüche oder sonstige Rechte herleitet, seinerseits an der Gestaltung des Rechtsverhältnisses mitzuwirken hat, soweit das für die Begründung, die Änderung oder Konkretisierung des Rechts erforderlich ist. Das Bundessozialgericht hat deshalb auch in den Fällen, in denen der Versicherungsträger zwar tätig geworden war, aber nicht nachweisen konnte, dass seine Schreiben den Antragsteller erreicht hatten, von diesem eine eigene Initiative verlangt. Nach der zitierten Rechtsprechung kann es mittlerweile als ständige Rechtsprechung angesehen werden, dass ein Antragsteller sich spätestens nach zwei Jahren, in denen er nichts von der Bearbeitung des Antrags gehört hat, an den Rentenversicherungsträger wenden muss.

Davon unabhängig gilt, dass der vom Gesetzgeber in den gesetzlichen Regelungen zum Antragsausschluss und der Teilzahlungsfrist zum Ausdruck kommende Wille, die Nachentrichtungsverfahren zu einem bestimmten Zeitpunkt abzuschließen, nicht in jedem Fall eingehalten werden kann. Die Rechtsprechung und die Praxis der Versicherungsträger haben daher das Nachentrichtungsverfahren bei solchen Antragstellern in einer Weise ausgestaltet, die ihren berechtigten Belangen Rechnung trägt, auch wenn sich das Verfahren dadurch bis zur Zahlung der Beiträge über den ursprünglich vorgesehenen Zeitraum hinaus erstreckt. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass das Nachentrichtungsverfahren beliebig offen gehalten und in die Länge gezogen werden kann. Vielmehr verlangt das Gesetz, wenn es für die Nachentrichtung einen bestimmten zeitlichen Rahmen vorgibt, dass das Verfahren zügig zu Ende geführt wird. Verzögerungen können nur hingenommen werden, soweit sie wegen erforderlicher Ermittlungen und Beratungen sowie angemessener Überlegungszeiten bei den Antragstellern unvermeidlich sind (vgl. BSG, Urteil vom 07. Dezember 1989, 12 RK 6/88 Rdnr. 12 zitiert nach juris).

Nach diesen dargestellten Grundsätzen ist es unter keinem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt denkbar, dass zum Zeitpunkt, als die Klägerin sich nach dem Nachentrichtungsantrag wieder bei der Beklagten meldete, also mit Schreiben vom 19. Juni 2002, nach der Praxis des Rentenversicherungsträgers eine Nachentrichtung von Beiträgen noch möglich gewesen wäre.

Dabei geht der Senat zunächst davon aus, dass das Nachentrichtungsverfahren um die Zeiträume zu strecken war, in denen der Antragsteller auf Kontenklärung bestehen durfte. Hier ist zum einen zugunsten des Versicherten zu berücksichtigen, dass er auf der Klärung seiner Fremdrentenzeiten bestehen durfte. Diese war erst mit dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. September 1994 abgeschlossen. Selbst wenn der Senat berücksichtigt, dass der Kläger auch noch die höchstrichterliche Klärung der Ghettozeiten abwarten durfte, so ist festzustellen, dass diese, soweit hier von Interesse, mit den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 18. Juni 1997 (Az.: 5 RJ 66/95 und 5 RJ 68/95) abgeschlossen war. Berücksichtigt man sogar weiter die Zeit, die die Beklagte gebraucht hat, um diese Entscheidungen umzusetzen (hier die interne Anweisung vom November 1997, Weisung von Ref. 3003 vom 18. November 1997), so durfte sich das Nachentrichtungsverfahren bis zu diesem Zeitpunkt verlängern.

Selbst wenn der Senat davon ausgeht, dass spätestens im November 1997 die Zweijahresfrist zu laufen begonnen hat, nach der der Versicherte sich wegen der Nichtbearbeitung seines Antrages bei dem Rentenversicherungsträger erkundigen muss, so ist er nach den zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts spätestens ab Dezember 1999 so zu behandeln, als hätte er sich erkundigt und als wäre das Nachentrichtungsverfahren ab diesem Zeitraum korrekt und zügig abgelaufen.

Hier ist darauf hinzuweisen, dass der Bevollmächtigte des Klägers im Verfahren S An 2248/92 im Laufe der Jahre in Berlin eine Vielzahl Nachentrichtungsverfahren vertreten hat, so dass ohne Weiteres davon auszugehen ist, dass ihm die Relevanz und Bedeutung der Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom Juni 1997 bekannt waren. In diesem Zusammenhang sei der Vollständigkeit halber nur erwähnt, dass vorliegend alles dafür spricht, dass der vorliegende Fall vom Bevollmächtigten schlicht vergessen worden ist. Dafür spricht, dass die Kostenrechnung des Bevollmächtigten wegen des Urteils vom 15. September 1994 in Höhe von 848,74 Euro erst am 20. August 2003 bei der Beklagten eingereicht wurde.

Geht der Senat damit davon aus, dass die Berechnung der Frist für das zügig geführte Nachentrichtungsverfahren, zu dem der Versicherte verpflichtet war, erst im Dezember 1999 nach Ablauf der Zweijahresfrist begonnen hat, so ergibt sich, dass selbst bei dieser zugunsten des Versicherten großzügigen Betrachtungsweise die Nachentrichtung am 19. Juni 2002 abgeschlossen gewesen wäre, so dass es für die Beklagte einen unzumutbaren Nachteil im Sinne der Rechtsprechung zur Verwirkung darstellt, wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch nachentrichtete Beiträge entgegennehmen müsste. Ab Dezember 1999 ist zunächst die im WGSVG festgeschriebene Teilzahlungsfrist von einem Jahr zu berücksichtigen, so dass sich das Nachentrichtungsverfahren bis Dezember 2000 wegen dieser gesetzlichen Regelung verlängern durfte. Damit ist hinsichtlich eines zügig geführten Nachentrichtungsverfahrens lediglich noch die Frist für die Bearbeitung des Antrages zu berücksichtigen. Da der Senat insoweit jedes Beratungs- und Überlegungsbedürfnis im Hinblick auf die FRG-Zeiten und die Klärung der Ghettozeiten bis November 1997 berücksichtigt hat, können nun nicht noch einmal Überlegungszeiten berücksichtigt werden. Für ein zügig geführtes Konkretisierungsverfahren geht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 07. Dezember 1989, Az.: 12 RK 6/88) von einer halbjährigen Frist aus, so dass für ein durchzuführendes Verwaltungsverfahren noch einmal eine Frist bis etwa Sommer 2001 zu berücksichtigen war. Selbst wenn der Senat diese Frist verdoppelte, ergebe sich der späteste Abschluss des Nachentrichtungsverfahrens im Dezember 2001. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Klägerin bzw. ihre Bevollmächtigte noch nicht bei der Beklagten gemeldet. Dies geschah wiederum etwa ein halbes Jahr später und damit noch deutlich nach dem hier bereits großzügigst angenommenen verlängerten Nachentrichtungsverfahren.

Damit steht fest, dass das Nachentrichtungsrecht bei der Meldung am 19. Juni 2002 verwirkt war.

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine Verwirkung schon deshalb ausgeschlossen sei, weil die Beklagte das Nachentrichtungsverfahren wieder aufgenommen habe. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es ist selbstverständlich, dass einer Behörde ohne drohenden Rechtsverlust erlaubt sein muss, nachzufragen, wenn ihr ein Schreiben einer Bevollmächtigten vorliegt, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal eine ordnungsgemäße Vollmacht nachweisen kann. Nichts anderes hat die Beklagte getan. Es kann ihr hier mit dem Nachteil des Rechtsverlustes nicht vorgeworfen werden, dass sie den vollmachtlosen Antrag vom 19. Juni 2002 ohne weiteres hätte mit Verweis auf die fehlende Vollmacht unbearbeitet lassen dürfen und nicht erst bei Bevollmächtigten in anderen längst abgeschlossenen Verfahren hätte nachfragen müssen. Zu Recht hat das Sozialgericht auch ausgeführt, dass in den im Tatbestand zitierten Schreiben an keiner Stelle der Eindruck erweckt wurde, es werde etwas zur Erfolgsaussicht oder zur inhaltlichen Berechtigung der Anträge gesagt.

Soweit die Klägerin sich darauf berufen will, dass die Beklagte es erst im Jahre 2005 geschafft habe, einen Versicherungsverlauf zu erstellen, so ist ohne Weiteres darauf hinzuweisen, dass sie zur schnelleren Bearbeitung auch gar nicht veranlasst war. Denn hier war es der Versicherte, der seiner Pflicht nicht nachgekommen ist, sich spätestens zwei Jahre nach Nichtbearbeitung seines Antrages bei der Beklagten zu melden.

Damit steht fest, dass die Klägerin keine Rechte aus dem Antrag vom 26. November 1990 mehr herleiten kann.

Dagegen spricht alles dafür - gerade auch im Zusammenhang mit der erst 2003 eingereichten Kostennote für das Verfahren S 20 An 2248/92 - dass der damalige Bevollmächtigte des Versicherten es schlichtweg nach Zustellung des Sozialgerichtsurteils im Jahre 1994 und der Urteile des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 1997 verabsäumt hat, rechtzeitig auf das Nachentrichtungsverfahren zurückzukommen. Insoweit spricht einiges dafür, dass vorliegend ein Fall für die Haftpflichtversicherung des Bevollmächtigten gegeben ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht gegeben sind.