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Berufungszulassungsverfahren; ernstliche Zweifel; besondere rechtliche Schwierigkeiten; Eliteschule des Sports; Tennisunterricht; zivilrechtlicher Vertrag; Zahlung des Schülers an Tennislehrer; rechtswidrige Praxis; Geschäftsführung ohne Auftrag; Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch; Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB analog; Aktivlegitimation; Rückabwicklung im Leistungsverhältnis; Vorrang des Primärrechtschutzes


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 26.07.2017
Aktenzeichen OVG 3 N 102.16 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 677 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 50 Abs 1 SchulG BB

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Juni 2016 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens tragen die Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 4.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung, den die Kläger auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO stützten, hat keinen Erfolg. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Da das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts mehrere Begründungen enthält, kann ein Rechtsmittel nur dann zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede selbständig tragende Begründung ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und gegeben ist (VGH München, Beschluss vom 23. Mai 2016 – 13a ZB 16.30025 – juris Rn. 4; BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2010 – 9 B 60.10 – juris Rn. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), mit dem das Verwaltungsgericht die auf Zahlung von 4.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Dezember 2014 gerichtete Klage abgewiesen hat, bestehen nicht. Das Zulassungsvorbringen stellt tragende Erwägungen der erstinstanzlichen Entscheidung nicht schlüssig in Frage.

Das Verwaltungsgericht hat als in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen für den von den Klägern geltend gemachten Anspruch die analoge Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB), den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch und einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB analog erwogen. Es hat jeweils die Anspruchsvoraussetzungen erläutert und ausgeführt, aus welchen Gründen diese nicht erfüllt seien.

a. Die Ausführungen zur Begründung des Zulassungsantrags, das Gericht habe die vorliegend von der durchgeführte Praxis einer faktischen Überbürdung der Kosten für schulischen Sportunterricht rechtlich nicht hinterfragt, sondern insbesondere die Zulässigkeit dieser konkreten Gestaltung und Verfahrensweise im Rahmen des bestehenden Schulversuches ohne nähere Prüfung als rechtmäßig erachtet und sich dabei der Erwägung verschlossen, dass ein solches Modell offensichtlichmit § 50 Abs. 1 SchuIG Berlin unvereinbar sei, beziehen sich nach den angegebenen Seitenzahlen des Urteilsabdrucks auf die Begründung des Verwaltungsgerichts, aus welchen Gründen ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag scheitere. Zu den danach maßgeblichen Überlegungen, der Sohn der Kläger habe durch die Zahlungen an die kein fremdes Geschäft (des Beklagten) geführt, abgesehen davon scheide die Annahme einer Fremdgeschäftsführung schon grundsätzlich ab dem Zeitpunkt aus, ab dem der Sohn der Kläger die verlassen habe und jedenfalls scheitere der geltend gemachte Anspruch daran, dass die Kläger selbst nicht aktivlegitimiert seien, verhält sich der Zulassungsantrag bezogen auf diese Anspruchsgrundlage nicht. Vielmehr verdeutlicht er, dass die Kläger selbst ihren Anspruch nicht aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag herleiteten.

b. Die Begründung des Zulassungsantrags überzeugt allerdings auch nicht, soweit sie sich auf den von den Klägern „(tatsächlich) geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch“ bezieht. Die Überlegung, es gebe durchaus (auch) im zivilen Kondiktionsrecht Dreieckskonstellationen, was in der analogen Anwendung zum Tragen komme, der Beklagte habe eigene Aufwendungen dadurch erspart, dass die Eltern/Schüler zum Abschluss der Verträge mit dem Tennistrainer bestimmt worden seien, und diese Verfahrensweise habe sich unmittelbar zu Lasten des Vermögens der Eltern und zugunsten des Vermögens des Landes ausgewirkt, berücksichtigt nicht hinreichend, dass das Verwaltungsgericht davon ausging, dass die Rückabwicklung fehlgeschlagener Leistungsbeziehungen grundsätzlich nur zwischen den ursprünglich zur Leistung Verpflichteten und dem Leistungsempfänger erfolge. Dabei nahm das Verwaltungsgericht an, dass eine Vermögensverschiebung auf vertraglicher Grundlage mit Rechtsgrund zwischen dem Sohn der Kläger und dem Inhaber der erfolgt sei. Nur ergänzend („Darüber hinaus…“) stellte das Verwaltungsgericht darauf ab, dass der Beklagte vor allem auch nichts auf Kosten der Kläger erlangt habe, und jedenfalls stellte es auch für diese Anspruchsgrundlage darauf ab, dass die Kläger nicht aktiv legitimiert seien. Der nach Anhörung des Sportkoordinators der Schule gewonnen Überzeugung des Verwaltungsgerichts, dass ein leistungssportartgerechter Tennisunterricht an der unter anderen Voraussetzungen nicht stattgefunden hätte, tritt der Zulassungsantrag nicht hinreichend entgegen. Es muss daher nicht weiter vertieft werden, dass auch die Ausführungen in der Begründung des Zulassungsantrags zur Aktivlegitimation der Kläger nicht überzeugen. Insbesondere können sie aus den Urteilen des VG Dresden vom 29. Oktober 2015 – 5 K 2394/14 – und OVG Bautzen vom 2. Dezember 2014 – 2 A 281/13 – nichts für ihre Rechtsauffassung herleiten, denn in beiden Verfahren hatte jeweils der dortige Kläger selbst die fraglichen Lernmittel für seinen Sohn bzw. seine Tochter erworben (VG Dresden, Urteil vom 29. Oktober 2015 – 5 K 2394/14 – juris Rn. 3; OVG Bautzen, Urteil vom 2. Dezember 2014 – 2 A 281/13 – juris Rn. 3). Die Überlegung, die Kläger hätten die Unterrichtsstunden von ihrem Konto bezahlt und es sei evident, dass die Vermögensverschiebung nicht zu Lasten des Sohnes erfolgt sei, ändert nichts daran, dass rechtlich eine Leistungsbeziehung zwischen dem Sohn der Kläger und dessen Vertragspartner bestand und die Kläger daher bei der Zahlung als unterhaltspflichtige gesetzliche Vertreter ihres Sohnes handelten (vgl. §§ 1601 ff., § 1626 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB).

c. Die Überlegung, es bestehe jedenfalls ein öffentlich-rechtlicher Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt einer Pflichtverletzung des Beklagten gegenüber den Klägern, den Schülern an einer öffentlichen Schule des Landes Berlin unentgeltlich Schulunterricht zu erteilen und dabei nicht die Vermögensinteressen der Eltern zu verletzen, zeigt ebenfalls keine durchgreifenden Gründe auf, an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zu zweifeln. Zwar legt die Begründung des Zulassungsantrags überzeugend dar, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts, es läge eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 50 Abs. 1 Satz 1 SchulG vor, nicht frei von Zweifeln ist. Die vom Verwaltungsgericht angeführten Regelungen in § 18 Abs. 1 Satz 2 SchulG, wonach im Rahmen von Schulversuchen Abweichungen von den Bestimmungen des Schulgesetzes erprobt werden können, und in § 2 Abs. 2 Satz Aufnahme VO-SbP über im Vergleich zu herkömmlichen Schulen zusätzliche Belastungen, dürften nicht darauf angelegt sein, von dem Grundsatz abzuweichen, dass der Schulunterricht an öffentlichen Schulen unentgeltlich zu erfolgen hat, und insoweit gibt auch das Schreiben der zuständigen Senatsverwaltung vom 27. Oktober 2009, mit dem die Durchführung des Schulversuchs in modifizierter Form genehmigt wurde, nichts für eine Ausnahme her. Auch wenn der Sohn der Kläger nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts die ohne den Abschluss des Vertrages über den Tennisunterricht in der von ihm gewünschten Form nicht hätte besuchen können, weil diese Sportart keine der zugeordnete Profil- oder Projektsportart war, für die die Schule entweder durch eigene Lehrertrainer oder gegebenenfalls durch vom Fachverband berufene Lehrkräfte den (unentgeltlichen) Schulunterricht im Wahlpflichtfach Sport der jeweiligen Fachrichtung sicherzustellen hatte, wurde er gleichwohl in die Schule aufgenommen, mit der Folge, dass auf dieses Schulverhältnis § 50 Abs. 1 Satz 1 SchulG Anwendung findet.

Das Verwaltungsgericht ist jedoch selbständig tragend davon ausgegangen, dass nach dem Rechtsgedanken des § 280 Abs. 3 in Verbindung mit § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung nur verlangt werden könne, wenn der Gläubiger dem Schuldner eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt habe, und folglich der Primärrechtschutz Vorrang habe. Die auf die Grundsätze von Treu und Glauben gestützten Überlegungen in der Begründung des Zulassungsantrags führen insoweit nicht weiter. Wenn die Kläger meinen, es sei ihnen schon nicht zumutbar gewesen, unmittelbar nach der Aufnahme ihres Kindes einen Rechtsstreit mit der Eliteschule des Sports zu führen und damit die Beziehung zwischen Schüler und Schule nachhaltig zu belasten, können sie damit die Überlegung des Verwaltungsgerichts nicht entkräften, sie hätten ein eigenes Interesse daran gehabt, den Unterrichtsvertrag abzuschließen, weil dies wegen des fehlenden eigenen Lehrpersonals notwendige Voraussetzung für die Aufnahme eines Leistungssportlers in der Sportart Tennis an der gewesen sei. Die Überlegungen des Zulassungsantrags, Rechtschutzmöglichkeiten hätten tatsächlich nicht bestanden, weil ein Eilantrag wegen des Verbotes der Vorwegnahme der Hauptsache erfolglos gewesen wäre und in einem Hauptsacheverfahren wäre der Rechtsschutz zu spät gekommen, berücksichtigen nicht hinreichend, dass vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes zunächst der Anspruch unmittelbar gegenüber dem Beklagten hätte geltend gemacht werden müssen, was die Kläger jedoch nicht getan haben. Sie haben sich vielmehr widerspruchslos auf die Praxis der Schule eingelassen und Ansprüche erst geltend gemacht, nachdem die Aufwendungen wegen des schulischen Misserfolgs ihres Sohnes nutzlos geworden waren. Insoweit führt auch der Hinweis auf den zunächst geführten Zivilprozess nicht weiter, denn diese Klage wurde erst im Mai 2015 erhoben, als der Sohn der Kläger die Schule mit dem Ende des Schuljahres 2012/2013 schon längst verlassen hatte. Es ist auch unergiebig, wenn in der Begründung des Zulassungsantrags angeführt wird, die Kläger hätten das Risiko einer Ausschulung vermeiden wollen, denn damit beschreiben sie jedenfalls für ein laufendes Schuljahr keine adäquate Reaktion auf die Geltendmachung eines Anspruchs auf unentgeltlichen Unterricht gegenüber der Schulleitung und der Schulaufsicht.

Mit dem Argument, das Verwaltungsgericht habe den Rechtsgedanken, dass Schadensersatz statt der Leistung nur verlangt werden könne, wenn der Gläubiger eine Frist gesetzt habe, dem Zivilrecht ohne Prüfung einer analogen Geltung im öffentlichen Recht entnommen, kann die Begründung des Zulassungsantrags den rechtlichen Ausgangspunkt des erstinstanzlichen Urteils nicht ernstlich in Frage stellen. Insbesondere ist unergiebig, dass es nicht um Vertragsrecht oder Leistungsstörung geht und zwischen den Parteien kein Vertrag bestand, sondern gegenständlich das rechtsfehlerhafte und schadenverursachende Verhalten der Amtsträger des beklagten Landes sei. Damit werfen die Kläger die vom Verwaltungsgericht offengelassene grundsätzliche Frage auf, ob § 280 Abs. 1 BGB in dem hier relevanten Rechtsverhältnis analog Anwendung finden kann. Wenn jedoch die analoge Anwendbarkeit dieser Regelung zu Gunsten der Kläger unterstellt wird, ist es nur konsequent, auch die weiteren zivilrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen zu übertragen. Der Hinweis der Kläger, dass bei der Amtshaftung nach § 839 Abs. 3 BGB der Rechtsgedanke der Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz nur modifiziert gelte, ist unergiebig, da es sich dabei um eine eigenständige Rechtsgrundlage handelt, die das Verwaltungsgericht ausdrücklich nicht erwogen hat, wogegen sich die Begründung des Zulassungsantrags nicht wendet.

2. Die Kläger zeigen nicht auf, dass die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Hierzu bedarf es der Formulierung entscheidungserheblicher rechtlicher Fragen, die sich im Rahmen des Zulassungsverfahrens nicht verlässlich beantworten lassen und die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern.

Die Kläger machen geltend, es handele sich um den seltenen Fall der Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches im Bereich der Lernmittelfreiheit, bei dem kaum anderweitige Rechtsprechung gefunden werden könne, auf die zurückgegriffen werden könnte und der auf der Grundlage einer rechtlich nicht geregelten Rechtsgrundlage geltend gemacht werde, was die Anwendung von Rechtsanalogien bei entsprechender Betrachtung zivilrechtlicher Rechtsgrundlagen erfordere. Insoweit weiche die Rechtsmaterie erheblich von anderen verwaltungsgerichtlichen Verfahren ab und verursache auch rechtliche Schwierigkeiten, welche das normale Maß erheblich überschritten. Damit legen sie die rechtliche Schwierigkeit der Rechtssache nicht hinreichend dar. Allein der Umstand, dass in einem besonders gelagerten Einzelfall selten zur Anwendung kommende Anspruchsgrundlagen geltend gemacht werden, begründet noch keine überdurchschnittliche Schwierigkeit der Rechtssache, die die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich machen würde. Mit den von den Klägern angeführten Anspruchsgrundlagen hat sich das Verwaltungsgericht hingegen in einer Weise umfassend auseinandergesetzt, bei der in der Begründung des Zulassungsantrags nicht hinreichend aufgezeigt wird, dass es weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht die erwogenen Anspruchsgrundlagen jeweils aus mehreren selbständig tragenden Gründen verneint. Wie bereits oben unter 1. ausgeführt, hat es dabei insbesondere auf die fehlende Aktivlegitimation bzw. das Unterlassen von Primärrechtschutz abgestellt, bei denen ein Klärungsbedarf nicht hinreichend dargelegt wird. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt, dass das vertragliche Schuldrecht als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken auch auf öffentlich-rechtliche Verhältnisse sinngemäße Anwendung findet, wenn ein besonders enges Verhältnis des Einzelnen zum Staat oder zur Verwaltung begründet worden ist und mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ein Bedürfnis für eine angemessene Verteilung der Verantwortung innerhalb des öffentlichen Rechts vorliegt (Urteil vom 23. Februar 2006 – III ZR 164/05 – juris Rn. 17 m.w.N.), was jedoch im Verhältnis zwischen Schüler und Schulträger nicht der Fall sein soll (Urteil vom 27. Juni 1963 – III ZR 5/62 – juris Rn. 6 ff).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).