Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat | Entscheidungsdatum | 29.08.2012 | |
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Aktenzeichen | L 18 AL 6/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 143a SGB 3 |
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über das Ruhen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis 27. Oktober 2008 wegen Erhalts einer Entlassungsentschädigung.
Die 1959 geborene Klägerin stand zuletzt vom 1. Juni 1995 bis 30. September 2008 in einem Beschäftigungsverhältnis bei dem Klinikum A als Wäschereiarbeiterin. In diesem Beschäftigungsverhältnis betrug die ordentliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers sechs Monate zum Ende des Vierteljahres; nach dem Inhalt der Arbeitsbescheinigung war die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber nicht ausgeschlossen. Zuletzt war die Klägerin von der Arbeitsleistung vom 21. Mai 2008 bis 30. September 2008 freigestellt, da die Klägerin krankheitsbedingt ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen konnte. Durch Auflösungsvertrag vom 22. April 2008 wurde das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2008 beendet. Für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlte der Arbeitgeber der Klägerin eine Abfindung in Höhe von 5.500, - €. Am 30. September 2008 meldete sich die Klägerin mWv 1. Oktober 2008 arbeitslos und beantragte Alg.
Mit Bescheid vom 20. November 2008 stellte die Beklagte das Ruhen des Leistungsanspruchs wegen Erhalts einer Entlassungsentschädigung nach § 143a Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis 27. Oktober 2008 fest. Ab dem 28. Oktober 2008 bewilligte sie der Klägerin Alg bis 26. Oktober 2009 (Bescheid vom 20. November 2008). Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 2008).
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Gewährung von Alg für die Zeit vom 1. Oktober bis 27. Oktober 2008 gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. Dezember 2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Gemäß § 143a SGB III sei entscheidend, ob das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden sei. Das sei vorliegend der Fall. Für den Arbeitgeber habe nach dem für ihn maßgeblichen Tarifvertrag eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres gegolten. Danach wäre das Arbeitsverhältnis erst zum 31. Dezember 2008 kündbar gewesen. Diese Frist sei nicht eingehalten worden. Die Berechnung des Ruhenszeitraums im Einzelnen sei ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Der Klägerin habe ein Anspruch auf Alg erst ab dem 28. Oktober 2008 zugestanden.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor: Das Arbeitsverhältnis sei aus wichtigem Grund zum 30. September 2008 beendet worden, da sie krankheitsbedingt ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr habe nachkommen können. Ein alternativer Arbeitsplatz sei innerhalb des Klinikums Augsburg nicht verfügbar gewesen. Der zuständige Sachbearbeiter bei der Beklagten habe ihr die Auskunft gegeben, dass der Anspruch auf Alg nicht ruhen würde, sofern das Arbeitsverhältnis auf der Grundlage der Bescheinigung, dass ein anderer Arbeitsplatz nicht vorhanden sei, auch gelöst werden würde. Eine fristlose Kündigung sei auf Grund von Abmahnungen vom 2. August 2005 und einer Anhörung zur beabsichtigten zweiten Abmahnung vom 15. Januar 2008 nicht ausgeschlossen gewesen. Ein erster Entwurf des damaligen Arbeitgebers für einen Auflösungsvertrag habe eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2008 vorgesehen. In Anbetracht der Tatsache, dass auch eine fristlose Kündigung im Raum gestanden habe, die durch den Aufhebungsvertrag verhindert worden sei, habe das Arbeitsverhältnis noch bis Ende September 2008 hinaus gezogen werden können. Darüber hinaus habe die Beklagte kein Ermessen ausgeübt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Dezember 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis 27. Oktober 2008 Arbeitslosengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Die Berufung ist zulässig. Ein Fall der gesetzlichen Berufungsbeschränkung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes mehr als 750, - € beträgt. Die Beteiligten streiten über einen Ruhenszeitraum von 27 Tagen, so dass sich bei einem täglichen Alg-Leistungsbetrag von 30,47 € ein Beschwerdewert iHv 822,69 € errechnet.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Die Klage ist zwar zulässig. Der Alg-Bewilligungsbescheid vom 20. November 2008, mit dem die Beklagte Alg (nur) für die Zeit ab 28. Oktober 2008 zuerkannt und den die Klägerin nicht gesondert angefochten hatte, steht der Zulässigkeit der Leistungsklage nicht entgegen. Denn Ruhensbescheid und Bewilligungsbescheid vom 20. November 2008 bilden eine „Bescheideinheit“ und sind demzufolge auch beide mit Widerspruch und Klage angefochten (vgl zum Verhältnis eines Minderungsbescheids nach § 37b SGB III zum Bewilligungsbescheid BSG, Urteil vom 28. August 2007 – B 7/7a AL 56/06 R = SozR 4-4300 § 73b Nr 5 mwN)
Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist indes unbegründet. Der Alg-Anspruch der Klägerin im streitigen Zeitraum ruht, so dass Alg insoweit nicht zu gewähren ist.
Nach § 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III ruht der Alg-Anspruch, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist, von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Die nähere Bestimmung des Ruhenszeitraums richtet sich nach den Regelungen des § 143a Abs. 2 SGB III.
Nach dem Wortlaut des § 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III kommt es für das Ruhen des Anspruchs auf Alg nur darauf an, dass zwei tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich die Zahlung einer Entlassungsentschädigung "wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses" und die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist des Arbeitgebers. „Wegen der Beendigung“ wird eine Abfindung gewährt, wenn der Arbeitslose die Abfindung ohne die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erhalten hätte. Damit sind lediglich Zahlungen des Arbeitgebers, die nicht wegen, sondern nur anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu leisten sind, ausgeschlossen. Es wird also gerade kein Kausalzusammenhang zwischen der Abfindung und der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt (vgl BSG, Urteil vom 21. September 2005 - 11 RAr 41/95 = SozR 3-4100 § 117 Nr. 12 zu der in § 117 Abs. 2 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz [AFG] enthaltenen Vorläuferregelung). "Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses" wird eine Abfindung gewährt, wenn zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Abfindung ein ursächlicher Zusammenhang besteht (vgl BSG aaO). Das Klinikum A hat in der Arbeitsbescheinigung vom 4. September 2008 bescheinigt, dass der Klägerin eine Abfindung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses iHv 5500,- € gezahlt wurde. Damit ist die tatbestandliche Voraussetzung einer Entlassungsentschädigung – was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist - erfüllt. Darüber hinaus ist das Arbeitsverhältnis auch unter Nichteinhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers vorzeitig beendet worden. Nach § 34 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – Besonderer Teil Krankenhäuser – (TVöD-K), der für das Arbeitsverhältnis der Klägerin galt (vgl Auskunft des Arbeitgebers vom 18. Dezember 2009), beträgt die Kündigungsfrist bei einer Beschäftigungszeit von mindestens zwölf Jahren sechs Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres. Die Klägerin war dreizehn Jahre und vier Monate bei dem Klinikum A beschäftigt. Für sie galt daher die sechsmonatige Kündigungsfrist zum Schluss des Kalendervierteljahres. Die Klägerin hätte somit – abgestellt auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags am 22. April 2008 - fristgemäß frühestens zum 31. Dezember 2008 gekündigt werden können.
Der Ruhenszeitraum folgt aus § 143a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 SGB III. Hiernach vermindert sich der Betrag von 60 vH der Entlassungsentschädigung um 10 vH wegen der Dauer des Arbeitsverhältnisses (mehr als 10, weniger als 15 Jahre) und um weitere 10 vH wegen des Lebensalters der Klägerin (mehr als 10, aber weniger als 15 Jahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres), mithin um 20 vH. Aus dem verbleibenden Betrag der Entlassungsentschädigung iHv 2.200,- € errechnet sich bei Zugrundelegung eines kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts während der letzten Beschäftigungszeit (vgl § 143a Abs. 2 Satz 4 SGB III) vom 1. Oktober 2007 bis 30. September 2008 iHv 80,97 € eine Dauer von 27 Tagen.
Der Ruhenszeitraum verkürzt sich bzw entfällt auch nicht deshalb, weil vor dem 28. Oktober 2008 der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können. Die Begrenzung der Ruhensdauer bis zu dem Tag, an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können, beruht auf dem Gedanken, unter solchen Umständen könne in einer Abfindung Arbeitsentgelt nicht enthalten sein (dazu und den sich daraus ergebenden Folgen: BSG SozR 4100 § 117 Nr 5; BSG, Urteil vom 24. Juni 1999 – B 11 AL 7/99 R = SozR 3-4100 § 117 Nr 18). Grund des Ruhens nach § 143a SGB III ist aber der Ausschluss gleichzeitigen Bezugs von Arbeitsentgelt und Alg. Das Bundessozialgericht (BSG), dessen Rechtsprechung der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, hält deshalb eine Klärung für erforderlich, ob der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte beenden können (vgl BSG 4100 § 117 Nr 5). Allein aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber der Klägerin eine Abfindung zugestanden hat, lässt sich nicht zwingend auf das Fehlen eines wichtigen Grundes für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist schließen. Diese tatsächliche Frage ist im Rahmen des § 103 SGG von Amts wegen zu klären (vgl BSG aaO). Erst wenn sich herausstellen sollte, dass der Sachverhalt sich insofern mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr aufklären ließe, käme eine Entscheidung nach den Grundsätzen über die objektive Beweislast (vgl BSGE 6, 70, 73) in Betracht. Danach geht die Unaufklärbarkeit des Sachverhalts zu Lasten desjenigen Verfahrensbeteiligten, der aus nicht klärbaren Tatsachen rechtliche Vorteile herleitet. Hinsichtlich der Voraussetzungen des § 143a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III ist das die Klägerin.
Nach den Feststellungen des Senats war der Arbeitgeber nicht zur Kündigung aus wichtigem Grund vor dem 28. Oktober 2008 bzw 1. Oktober 2008 berechtigt. Allein dafür in Betracht kommendes Ereignis war der der Klägerin vorgeworfene Pflichtverstoß vom 8. Januar 2008.
Nach § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Das bedeutet, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist mit dem Arbeitgeber unzumutbar belastet ist. Die fristlose Kündigung ist nur zulässig, wenn sie die letzte Maßnahme (ultima ratio) für den Kündigungsberechtigten ist. Hingegen ist die fristlose Kündigung unzulässig, wenn durch weniger eingreifende Maßnahmen für den Arbeitnehmer den Interessen des Arbeitgebers ausreichend Rechnung getragen werden kann. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung liegt ferner nur dann vor, wenn durch das Verhalten des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird. Diese nachteiligen Auswirkungen können sich auf den Leistungsbereich, den Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter (Betriebsordnung, Betriebsfrieden), den personalen Vertrauensbereich der Vertragspartner oder auf den Unternehmensbereich (Betriebsgefährdung) beziehen. Fehlt es an einer derartigen konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses, dann kann ein bestimmtes beanstandetes Verhalten des Arbeitnehmers keinen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bilden (vgl BAG, Urteil vom 17. März 1988 - 2 AZR 576/87 – juris - mwN.
Letzteres ist hier der Fall. Die Klägerin hatte zwar ein zu beanstandendes Verhalten durch die Weigerung, die Wäschewägen voll zu befüllen, an den Tag gelegt, allerdings ist hierdurch weder die Betriebsordnung, noch der Betriebsfrieden, noch der Unternehmensbereich gefährdet worden. Allenfalls der Leistungsbereich ist gefährdet worden, zumal die Klägerin gesundheitliche Gründe für ihr Verhalten angeführt hatte.
Auch im Rahmen der Interessenabwägung auf der Grundlage des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (ultima-ratio-Prinzip) kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass im Falle der Klägerin allenfalls eine zweite Abmahnung gerechtfertigt gewesen wäre, jedoch keine außerordentliche Kündigung. Es ist anerkannt, dass eine tatsächlich erfolgte Verletzung der Arbeitspflicht als an sich zur außerordentlichen Kündigung berichtigender Grund in Betracht kommt, wenn die Arbeitspflicht bewusst und gewollt verletzt wird. Voraussetzung ist allerdings ein Fall der sogenannten beharrlichen Arbeitsverweigerung. Diese setzt eine Nachhaltigkeit im Willen voraus. Der Arbeitnehmer muss die von ihm geschuldete Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass er eine Weisung des Arbeitgebers schlicht nicht befolgt. Eine derart geforderte intensive bzw nachhaltige Arbeitsverweigerung liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer sich bewusst und willentlich der für ihn erkennbaren und eindeutigen Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers widersetzt. In Fällen, in denen die intensive Weigerung nicht festgestellt werden kann, muss eine erfolglose Abmahnung vorangegangen sein. Nur dann kann die Prognose gestellt werden, der Arbeitnehmer werde die Arbeit auch künftig weiter verweigern (vgl BAG, Urteil vom 05. April 2001 - 2 AZR 580/99 = NZA 2001, 893 ff). Vorliegend hätte demzufolge nach dem Vorfall vom 8. Januar 2008 eine (weitere) Abmahnung erfolgen können, aber nicht eine fristlose Kündigung, zumal die Klägerin sich für ihr Verhalten auf gesundheitliche Gründe berufen hatte und die Art des Pflichtenverstoßes nicht ohne Weiteres mit dem in der ersten Abmahnung aus dem Jahr 2005 gerügten Verhalten vergleichbar war. Die Klägerin kam auch zwischenzeitlich ihren Arbeitspflichten unbeanstandet nach.
Selbst wenn eine beharrliche Arbeitsverweigerung als an sich zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigender Grund vorliegen sollte, ergibt sich im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung im Einzelfall, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist nicht unzumutbar im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB war. Zugunsten der Klägerin sind deren Betriebszugehörigkeit seit 1. Juni 1995 sowie deren Erkrankung zu berücksichtigen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis bislang erst durch ein Fehlverhalten der Klägerin im Januar 2005 belastet war. Das weitere Fehlverhalten hätte somit im Ergebnis allenfalls eine zweite Abmahnung nach sich ziehen können.
Auch die Erkrankung der Klägerin hätte keine fristlose Kündigung gerechtfertigt. Soweit die Krankheit eines Arbeitnehmers - etwa bei einem Ausschluss der ordentlichen Kündigung - als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommt, ist auch dabei grundsätzlich eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten (vgl BAG, Urteil vom 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 – juris). In jedem Fall wird die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung in drei Stufen geprüft, wobei zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich ist. Auf Grund der negativen Gesundheitsprognose muss die Besorgnis bestehen, es werde zukünftig zu erheblichen betrieblichen und/oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen des Arbeitgebers kommen. Schließlich ist dann eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Ob zusätzlich die Vorgaben des § 81 Abs. 4 und und § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - zu beachten sind (vgl dazu BAG, Urteil vom 12. Juli 2007 - 2 AZR 1012/06 – juris), bedarf hier keiner Erörterung. Denn jedenfalls ist offensichtlich, dass bei der gebotenen Interessenabwägung keine Gesichtspunkte in Betracht kommen, die vorliegend eine außerordentliche fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.