Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Honorargruppe M3 - Zustandsgutachten - Verfahren nach dem SchwbG - Umsatzsteuerpflicht...

Honorargruppe M3 - Zustandsgutachten - Verfahren nach dem SchwbG - Umsatzsteuerpflicht - Krankenhausträger


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 06.02.2012
Aktenzeichen L 2 SF 503/11 E ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 9 JVEG

Tenor

Die Entschädigung des Antragstellers wird auf 1.035,44 € festgesetzt. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

Der Antragsteller begehrt die Festsetzung der Honorargruppe M 3 für ein zur Feststellung des GdB nach dem SGB IX erstattetes Gutachten vom 20. Mai 2011 und wendet sich gegen die Nichterstattung der Umsatzsteuer.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist das erstattete Gutachten nicht lediglich nach Honorargruppe M 2 der Anlage 1 zu § 9 JVEG zu vergüten, auch wenn der Gesetzgeber Zustandsgutachten in „Verfahren nach dem SchwbG“ regelmäßig dieser Vergütungsgruppe zugeordnet hat.

Die Vergütungsgruppe M 3 ist „in Verfahren nach dem SchwbG“ nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil diese Verfahren nur in der erläuternden und nicht abschließenden Aufzählung der Fallgruppen zu Honorargruppe M 2 in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG genannt sind. Dies ergibt sich daraus, dass die Nennung bestimmter Fallgruppen zu Honorargruppe M 2 und M 3 jeweils mit dem Wort „insbesondere“ beginnt und damit beispielhaft ist. Für die Vergütungsgruppe M 3 ist deshalb zu prüfen, ob das Gutachten von hohem Schwierigkeitsgrad war. Erläuternd für den unbestimmten Rechtsbegriff „hoher Schwierigkeitsgrad“ nennt der Gesetzgeber, soweit hier von Interesse „spezielle Kausalzusammenhänge“ bzw. „strittige Kausalitätsfragen“– welche hier nicht vorliegen, weil damit nicht medizinische Zusammenhänge zwischen einer Erkrankung und den auf ihr beruhenden Funktionseinschränkungen, sondern die rechtlichen Kausalzusammenhänge i. S. der im Sozialrecht herrschenden Theorie von der wesentlichen Bedingung gemeint sind – und/oder „differenzialdiagnostische Probleme“. Dieser letztgenannte, ebenfalls vom Gesetzgeber nur beispielhaft und erläuternd gemeinte Terminus ist nicht eng zu verstehen und beschreibt letztlich anspruchsvolle medizinische Probleme des Einzelfalls. Solche sind hier gegeben.

Der Kläger leidet an einem extrem seltenen komplexen Herzfehler, bei dem die Hauptschlagadern vertauscht aus dem Herzen entspringen, was unbehandelt bei Neugeborenen zum Versterben in den ersten Lebenswochen führt. Der Kläger gehört im Hinblick auf die bei ihm durchgeführten Operationen zu den letzten Patienten, die nach einer veralteten Methode behandelt wurden, so dass er unter Spätfolgen zu leiden hat, die in den wenn auch seltenen Parallelfällen nicht mehr beobachtet werden. Vor diesem schwierigen Hintergrund hatte der Gutachter die Frage zu diskutieren, welcher GdB angemessen ist und dabei zu berücksichtigen, dass die GdB-Beurteilung zwar Funktionseinschränkungen zu bewerten hat, im Einzelfall wegen der Besonderheit des vorliegenden Falls aber nicht feststand, ob die in der Versorgungsmedizinverordnung zum Ausdruck kommenden Erfahrungen zu Herzleistungseinschränkungen auch dann – medizinisch – Gültigkeit haben, wenn ein abweichend aufgebautes Herz vorliegt. Dies rechtfertigt den Ansatz der Honorargruppe M 3.

Das Gutachten war danach wie folgt zu vergüten:

9 Stunden je 85,00 €

 =    

765,00 €

        

GOÄ-Leistungen

 =    

255,69 €

(wie beantragt)

Schreibauslagen

 =    

 10,50 €

(wie beantragt)

Porto 

 =    

       4,25 €

(wie beantragt)

                

 1.035,44 €

        

Die Umsatzsteuer konnte dagegen nicht festgestellt werden, da der Sachverständige persönlich nicht umsatzsteuerpflichtig ist (§ 19 Umsatzsteuergesetz - UStG) und entgegen seiner Auffassung nicht auf den umsatzsteuerpflichtigen Krankenhausträger abzustellen ist. Durch die gerichtliche Beweisanordnung ist Dr. D zum Sachverständigen ernannt worden. Wäre nicht Dr. D persönlich, sondern die Herzzentrum L GmbH beauftragt worden, die den Auftrag dann an Dr. D delegiert hätte, wäre kein Vergütungsanspruch entstanden, da es an der Heranziehung des Sachverständigen durch das Gericht gefehlt hätte (vgl. Bundessozialgericht – BSG – vom 18. September 2003, Az. B 9 VU 2/03 B und Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 2. Februar 2006, Az. L 6 SF 895/05 beide zitiert nach juris). Im Hinblick auf die Tätigkeit für das Gericht i. S. des JVEG, die in keinem Zusammenhang rechtlicher Art mit seinem Anstellungsverhältnis steht, ist der Arzt als Gerichtssachverständiger selbstständig und hat seine Einkünfte entsprechend zu versteuern, so dass auch die Steuerbefreiungen für diesen Personenkreis zu beachten sind. Unabhängig davon ist die Frage zu beurteilen, ob der Arbeitgeber eines Arztes diesem aus dem Anstellungsvertrag heraus untersagen könnte, als Gerichtssachverständiger tätig zu werden, oder ob der Sachverständige die aus Nebenbeschäftigungen erzielte Vergütung entsprechend einer arbeitsvertraglichen Regelung abzuführen hat. Ohne Bedeutung bleibt auch, ob der Arzt für die Inanspruchnahme der Klinikeinrichtungen bei der Gutachtenerstattung ein Entgelt an den Arbeitgeber abzuführen hat.

Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4, 8 JVEG).