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Kommunalwahlrecht


Metadaten

Gericht VG Cottbus 1. Kammer Entscheidungsdatum 30.03.2017
Aktenzeichen 1 K 563/16 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der Gültigkeit seiner Abwahl als hauptamtlicher Bürgermeister der Stadt M. (Landkreis D.-S.).

Der Kläger, der seit 1990 Bürgermeister von M. war, wurde zuletzt 2011 wiedergewählt; er war bis Juni 2013 Mitglied der CDU, anschließend parteilos. Im Jahr 2013 wurden gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen. Am 04. Mai 2015 verhängte das Amtsgericht K. W. gegen den Kläger im Strafbefehlsverfahren wegen Vorteilsannahme und Untreue eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde; der Strafbefehl wurde nach Ablauf der Einspruchsfrist am 23. Juni 2015 rechtskräftig. Ausweislich der darin getroffenen Feststellungen hat der Kläger von einem Bauunternehmen Spenden für seinen Wahlkampf angenommen und im Gegenzug das Unternehmen begünstigt, wodurch der Stadt M. ein Schaden von etwa 35.000,00 € entstanden ist. Die Disziplinarbehörde enthob den Kläger nach § 39 Abs. 1 des Landesdisziplinargesetzes (LDG) vorläufig des Dienstes.

Die Presse berichtete seit August 2013 über die strafrechtlichen Ermittlungen und deren Abschluss, so etwa die Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ) in einem am 30. August 2013 und „Der Tagesspiegel“ in einem am 07. Oktober 2015 im Internet veröffentlichten Artikel („.. Vorteilsnahme im Amt vorgeworfen“, zit. nach: http://www.maz-online.de/Lokales/ D.-S./...-Vorteilsannahme-im-Amt-vorgeworfen und „Bürgermeister begünstigte eine Baufirma“, zit. nach: http://www.tagesspiegel.de/berlin/korruptionsfall-in-M.-buergermeister-beguenstigte-eine-baufirma/12415832.html).

In ihrer Sitzung vom 07. Dezember 2015 beschloss die Beklagte, die Bürger am 07. Februar 2016 über die Abwahl des Klägers als hauptamtlicher Bürgermeister entscheiden zu lassen.

Im Amtsblatt für die Stadt M. – „Zeitung für M.“ Nr. 1/2016 vom 20. Januar 2016 wurden nach dem mit „Ende des amtlichen Teils“ bezeichneten Inhalt, Seite 4, auf den Seiten 5 und 6 unter der Rubrik „Aus der Stadtverordnetenversammlung“ und im Anschluss an den jeweiligen Hinweis, dass „für den Inhalt der Beiträge … die Unterzeichner verantwortlich (sind)“ zwei Stellungnahmen von namentlich bezeichneten Mitgliedern der Stadtverordnetenversammlung der Stadt M. („Erklärung der unterzeichnenden Stadtverordneten von M. an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt“ und „Stellungnahme zum Abwahlverfahren gegen den M.r Bürgermeister U. P.“) veröffentlicht, die sich für die Abwahl des Klägers aussprachen.

Die erstgenannte Stellungnahme, die dem ihr vorangestellten Hinweis und dem Text nach in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 07. Dezember 2015 abgegeben worden war und die „gemäß Protokoll veröffentlicht werden sollte“, ist von sämtlichen Mitgliedern der Fraktionen der SPD, der Partei „Die Linke“ und der Vereinigung „Pro Bürger“ in der Stadtverordnetenversammlung von M. unterzeichnet, die letztgenannte Erklärung von drei Mitgliedern der Fraktion der CDU, einem weiteren Mitglied des Vorstandes des CDU-Stadtverbandes und einem Mitglied der CDU-Fraktion des Landtages des Landes Brandenburg sowie Vorsitzenden des Kreisverbandes D.-S. der CDU .

Ab dem 03. Februar 2016 berichtete die Presse über weitere Vorwürfe des Amtsmissbrauchs gegen den Kläger, dem zu Last gelegt wurde, in mehr als einhundert Fällen Halterabfragen von Führerinnen eines Kraftfahrzeugs über das Kraftfahrtbundesamt veranlasst zu haben, ohne hierzu berechtigt gewesen zu sein (vgl. MAZ vom 03. Februar 2016: „Skandal-Bürgermeister spioniert Frauen aus“, zit. nach: http://www.maz-online.de/Lokales/D.-S./Skandal-Buergermeister-spioniert-Frauen-aus und vom 04. Februar 2016: „Skandal-Schnüffelei beschäftigt Landkreis“ zit. nach: http://www.maz-online.de/Lokales/D.-S./Skandal-Schnueffelei-beschaeftigt-Landkreis; Potsdamer Neueste Nachrichten [PNN] vom 04. Februar 2016: „Vorwürfe gegen M.r Rathauschef – Bürgermeister sammelte Anschriften von Frauen“ zit. nach: http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/1046655/; Berliner Kurier vom 05. Februar 2016: „Skandal-Bürgermeister: U. P. ließ 182 Frauen ausspähen“, zit. nach: http://www.berliner-kurier.de/berlin/brandenburg/skandal-buergermeister-uwe-P.-liess-182-frauen-ausspaehen-23492452 und Bild vom 05. Februar 2016: „Was hatte der Politiker mit ihren Adressen vor ? - Skandal-Bürgermeister spionierte 182 Frauen aus“, zit. nach: http://www.bild.de/regional/berlin/buergermeister/spionierte-frauen-aus-44438796. bild.html).

In dem vorzitierten Artikel in der MAZ vom 03. Februar 2016 heißt es unter anderem:

„… Stadtverordnete votierten für P.s Abwahl

Am 26. Oktober des vergangenen Jahres stellten die M.r Stadtverordneten einen Abwahlantrag, der von elf der insgesamt 19 Abgeordneten unterschrieben worden war. Knapp zwei Monate später, am 7. Dezember, votierten die Stadtverordneten für ein Abwahlverfahren. Dem Beschluss hatten alle anwesenden Abgeordneten mit Ausnahme von D. K., D. N., A. L. und L. P. (alle CDU) zugestimmt, so dass der Weg frei wurde für das nun am Sonntag stattfindende Abwahlverfahren. In jener Sitzung kündigte L. K. an, es würden alle Tatsachen auf den Tisch kommen. Denn im Zuge der Korruptionsvorwürfe waren bei P. weitere belastende Unterlagen sichergestellt worden. Dabei, so hatte D. G. von der Kommunalaufsicht des Landkreises D.-S. gesagt, gehe es um die Verletzung des Datenschutzes.

Abgeordnete: „Es ist viel schlimmer als erwartet.“
Die beim Landkreis vorliegende Akte „P.“ ist in den vergangenen Tagen von vielen Stadtverordneten komplett eingesehen worden. M. B. (CDU) erklärte, dass die darin enthaltenen Vorwürfe ihre Vorstellungskraft überschritten hätten. „Es ist viel schlimmer als erwartet. Ich bin schockiert nach Hause gefahren“, sagte sie. Worum es genau ging, wollte sie nicht sagen. Auch die anderen Stadtverordneten halten sich bedeckt. „Nach Konsultation mit unserem Rechtsanwalt sind wir angehalten, die Persönlichkeitsrechte von U. P. zu wahren“, so L. K..
Über Autokennzeichen an die Adressen von Frauen
In der vergangenen Woche sind der MAZ jedoch Auszüge aus der Ermittlungsakte anonym zugegangen. Daraus wird ersichtlich, dass der Bürgermeister 182 Halterabfragen veranlasst und zwei Anschreiben an das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat schreiben lassen, um über Auto-Kennzeichen an Adressen von Frauen zu gelangen. Die Unterlagen dazu waren bei der Durchsuchung von P.s Büro am 6. August 2013 aufgefunden worden. Zusätzlich waren einige Kfz-Kennzeichen auf Notizzetteln vermerkt. Die bekannt gewordenen Kennzeichen wurden in Excel-Tabellen erfasst, an das KBA gesendet und weitere Informationen dazu angefragt.
Bürgermeister hat fiktive Akten anlegen lassen
Das Landeskriminalamt konnte bei den Untersuchungen feststellen, dass von den 182 Halteranfragen nur bei vieren Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet und abgeschlossen worden waren. Bei den anderen Fällen hat P. laut den der MAZ vorliegenden Unterlagen Mitarbeiter seines Hauses mündlich angewiesen, die Kennzeichen „auszuermitteln“ und dafür fiktive Aktenzeichen anzugeben. Mit Hinweis auf das laufende Verfahren nimmt der Bürgermeister dazu derzeit nicht Stellung (siehe Interview).
In zwei Stellungnahmen im jüngsten Amtsblatt M.s fordern einerseits SPD, Pro Bürger und Linke, andererseits Mitglieder der CDU die Bürger auf, am Sonntag von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Eine gute Arbeit sei nur möglich, so die CDU, wenn ein vertrauensvolles Verhältnis mit dem Bürgermeister besteht, der Bürgermeister die Verwaltung professionell leitet und so eine effiziente Verwaltungsarbeit erfolgen kann. „Dies ist seit einigen Monaten nicht mehr möglich und die Stadt M. ist nur eingeschränkt handlungsfähig“, heißt es in der Stellungnahme.
P. ruft M.r auf, ihn nicht abzuwählen
„Bürgermeister U. P., der die Stadt 25 Jahre mitgeprägt hat, hatte ausreichend Zeit, eine Entscheidung im Interesse der Stadt selber zu treffen, die er nicht genutzt hat. Nun ist es an Ihnen, ihm diese Entscheidung abzunehmen und den Bürgerentscheid zum Erfolg zu führen“, appelliert L. K. an die M.r Bürger. P. bittet die M.r indes auf einem Handzettel um ihr Vertrauen und darum, gegen die Abwahl zu stimmen.

 Ebenfalls auf einem Handzettel hat das Stadtparlament noch einmal klar gemacht, dass P. selbst dann nicht wieder auf seinen Bürgermeisterstuhl im Rathaus zurückkehrt, wenn die Abwahl scheitern sollte. Das bestätigt Landrat L.. In diesem Fall wird das Disziplinarverfahren demnach an die Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichtes Cottbus gehen. „Das Verfahren kann bis zu vier Jahren dauern“, so L.. Wenn die Abwahl scheitert, kann bis zum Ende von P.s Wahlperiode im November 2019 kein neuer Bürgermeister gewählt werden…“

Der Kläger äußerte sich unter anderem in einem Interview zu den „Fehlern der Vergangenheit“, seinen „Bemühungen um Wiedergutmachung“ und zu dem Vorwurf, er habe „Adressen von Frauen ausspioniert“ („M.r Bürgermeister im Interview – Ich habe auch Fehler gemacht“, zit. nach: http://www.maz-online.de/Lokales/D.-S./Ich-habe-auch-Fehler-gemacht, veröffentlicht am 04. Februar 2016).

Am 08. Februar 2016 stellte der Wahlausschuss der Stadt M. in öffentlicher Sitzung fest, dass die notwendige Mehrheit für die Abwahl des Klägers als Bürgermeister zustande gekommen sei; von den 7.613 zur Abstimmung berechtigten Personen hätten 3.949 Personen an der Wahl teilgenommen, und von den 3.927 gültigen Stimmen hätten 2.683 mit „ja“ und 1.244 mit „nein“ gestimmt. Das Ergebnis wurde dem Kläger mit Schreiben vom 09. Februar 2016 mitgeteilt und im Amtsblatt für die Stadt M. Nr. 2/2016 vom 17. Februar 2016 öffentlich bekannt gemacht.

Mit zwei Schreiben vom 19. und vom 20. Februar 2016 erhob der Kläger am 22. Februar 2016 gegenüber dem Wahlleiter der Stadt M. Wahleinspruch, den er im Wesentlichen wie folgt begründete:

Die Stadtverordnetenversammlung habe am 18. Januar 2016 in nicht-öffentlicher Sitzung beschlossen, Einsicht in die Akten des gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens zu beantragen. Diese Akteneinsicht sei ausweislich eines Berichtes in der MAZ vom 23. Januar 2016 drei Abgeordneten gewährt worden. Sie sei jedoch unzulässig und nicht erforderlich gewesen. Am 29. Januar 2016 sei er von einer Reporterin dieser Zeitung hierauf angesprochen worden; sie sei im Besitz von Unterlagen aus dem Disziplinarverfahren gewesen und habe gedroht, diese zu veröffentlichen. Am 04. Februar 2016 habe die MAZ in dem Artikel „M.r fällen Urteil“ darüber berichtet, dass die Akte von vielen Stadtverordneten eingesehen worden sei. Die dortigen Äußerungen der Abgeordneten M. B. hätten die Wahl erheblich und unzulässig beeinflusst. Die MAZ habe auch davon berichtet, dass ihr anonym Auszüge aus der Akte zugegangen seien. Entsprechendes habe die MAZ am „15.02.2016“ – gemeint ist der 05. Februar 2016 –, unter anderem auch über die Äußerung des Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung berichtet, der „schockiert reagiert“ und angemerkt habe, dass man „ihm [dem Kläger] ja vieles zutrauen könne, aber dass das … dem Fass den Boden (ausschlage)“. Der Vorsitzende sei zur Neutralität verpflichtet gewesen. Auch die Berichte des RBB in der Sendung „RBB-Aktuell“ am Freitag und Samstag vor der Wahl jeweils um 19:30 Uhr hätten erheblichen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt. Die Abwahl sei durch die „gezielten Indiskretionen“ unzulässig beeinflusst worden.

Darüber hinaus sei das Wahlergebnis erheblich und unzulässig durch Veröffentlichungen im Amtsblatt beeinflusst worden. Mit dem in der Ausgabe vom 20. Januar 2016 auf Seite 5 veröffentlichten Beitrag werde eine amtliche Information suggeriert. Im vierten Absatz seien Falschaussagen formuliert und im letzten Absatz werde er persönlich angegriffen. Bei dem auf Seite 6 veröffentlichten Artikel sei nicht ersichtlich, wer die Unterzeichner sein könnten; diese „seien nur namentlich bezeichnet, drei seien Stadtverordnete, die anderen verträten eine Partei“. Es würden einfach „Meinungen produziert, um die Arbeit des Bürgermeisters zu diffamieren“. Es könne und dürfe nicht sein, dass derlei Erklärungen und Stellungnahmen in einem Amtsblatt erscheinen, noch dazu von „Parteien und Einzelpersonen“. Die Artikel verstießen gegen § 3 Abs. 3 Satz 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf).

Der Wahlleiter der Stadt M. beurteilte die Einwendungen in seinem Schreiben an den Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung vom 09. März 2016 als unbegründet. Der Wahleinspruch sei zulässig, insbesondere überwiegend hinreichend substantiiert, jedoch in der Sache erfolglos. Die Abwahl des Klägers sei nicht nach § 55 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes (BbgKWahlG) in anderer unzulässiger Weise beeinflusst worden.

Die Veröffentlichungen im Amtsblatt seien keine amtliche Wahlbeeinflussung. Dem Neutralitätsgebot sei genügt, weil sie hinreichend erkennen ließen, dass nicht die Gemeindeverwaltung als Herausgeber hierfür verantwortlich sei, und für einen Verstoß gegen § 4 Abs. 5 der Bekanntmachungverordnung i. V. m. den Bestimmungen des Brandenburgischen Pressegesetzes (BbgPG) und des Wettbewerbsrechts sei nichts ersichtlich. Die beanstandeten Seiten seien graphisch von den amtlichen Bekanntmachungen getrennt und es sei darauf hingewiesen worden, dass die Verfasser als Privatpersonen für den Inhalt verantwortlich seien.

Im Übrigen könnten sich auch Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung als Privatpersonen parteinehmend an einem „Wahlkampf“ beteiligen; die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen werde erst dann überschritten, wenn eine Person das ihr aufgrund der amtlichen Tätigkeit zufallende Gewicht unzulässig nutzte. Der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung habe sich in der MAZ vom 05. Februar 2016 nicht in amtlicher Eigenschaft und unter Verstoß gegen seine Neutralitätspflicht geäußert. Entsprechendes gelte für die Äußerungen der stellvertretenden Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung („Sie erklärte, dass die darin enthaltenen Vorwürfe ihre Vorstellungskraft überschritten hätten. Es ist viel schlimmer als erwartet. Ich bin schockiert nach Hause gefahren.“) in dieser Zeitung vom Vortag.

Die Erlangung und Veröffentlichung der den Medienberichten im RBB vom 05. und 06. Februar 2016 zugrunde liegenden Inhalte sei ebenfalls unbedenklich. Die Folgerung des Klägers sei unzulässig, die drei Personen, die Akteneinsicht genommen hätten, seien für die Weitergabe der Informationen verantwortlich. Diese Schlussfolgerung setzte eine Klärung voraus, wie viele Personen Zugang zu den Informationen gehabt hätten; das jedoch sei nicht Gegenstand der Wahlprüfung. Die veröffentlichten Informationen hätten die Wahl jedenfalls nicht unzulässig beeinflusst. Im Gegenteil sei der Wahlkampf immanenter Bestandteil von Wahlen in einer Demokratie. Zudem habe der Kläger die Möglichkeit einer Gegendarstellung nicht genutzt.

Die Beklagte beschloss am 14. März 2016: „Die Einwendungen gegen die Abwahl sind nicht begründet und werden zurückgewiesen. Die Abwahl ist gültig.“ Das Ergebnis wurde dem Kläger mit Bescheid vom 22. März 2016 mit einer im Wesentlichen der Begründung des Wahlleiters entsprechenden Begründung mitgeteilt.

Der Kläger hat am 21. April 2016 Klage erhoben, die er im Wesentlichen wie folgt begründet:

Einigen Stadtverordneten seien Einzelheiten aus dem gegen ihn geführten Disziplinarverfahren bekannt gewesen. Den Stadtverordneten als Außenstehenden habe die Akteneinsicht nach § 30 LDG nicht gestattet werden dürfen; damit habe der Landkreis als Disziplinarbehörde auf den Abwahlvorgang mittelbar Einfluss genommen.

Im Amtsblatt „Zeitung für M.“ habe keinesfalls eine Stellungnahme veröffentlicht werden dürfen. Dieses sei nach § 4 Abs. 4 der Verordnung über die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen und sonstigen ortsrechtlichen Vorschriften (Bekanntmachungsverordnung – BekanntmV) an die Grundsätze der Neutralität und der Gleichbehandlung gebunden. Ihm selbst sei keine Gelegenheit gegeben worden, sich dort zu äußern, und ihm sei auch nicht bekannt gewesen, dass in dieser Weise auf den Abwahlvorgang Einfluss genommen werden würde. Die Abwahl verletze den verfassungsrechtlichen Wahlrechtsgrundsatz der freien Wahl. Der Erheblichkeit der unzulässigen Stellungnahmen im Amtsblatt auf das Wahlverhalten stehe eine Berichterstattung in der Presse nicht entgegen, die teilweise mehr als drei Monate vor dem Wahltag publiziert worden sei und der – was die Berichterstattung in den Potsdamer Neuesten Nachrichten und der Märkischen Allgemeinen Zeitung angehe – im Gegensatz zu dem Amtsblatt ohnehin eine nur geringe Breitenwirkung zukomme. In dem Stadtteil T. in M. – dem einzigen Stadtteil, in dem das Amtsblatt aus organisatorischen Gründen nicht verteilt worden sei – sei der Abwahlantrag mehrheitlich abgelehnt worden. Der Umstand, dass die streitgegenständlichen Äußerungen in unmittelbarem Anschluss an die amtlichen Mitteilungen und unter der Überschrift „Aus der Stadtverordnetenversammlung“ publiziert worden seien, habe ihren amtlichen Charakter noch verstärkt. Der Sachverhalt sei der Entscheidung des VG Gera (Urt. v. 20. Februar 2002 – 2 K 1155/00.Ge –, juris) vergleichbar, wonach es gegen den Grundsatz der freien Wahl verstoße, wenn der Bürgermeister einer Partnergemeinde im Vorfeld einer Bürgermeisterwahl im redaktionellen Teil des Amtsblattes einer Gemeinde für einen Bürgermeisterkandidaten werbe und wenn die Anzeige nicht hinreichend deutlich als Anzeige gekennzeichnet sei. Der unbefangene Betrachter habe hier von einer amtlichen Äußerung ausgehen müssen. Die Stadtverordnetenversammlung gelte kommunalverfassungsrechtlich als Teil der Exekutive.

Der Kläger beantragt,

die Wahlprüfungsentscheidung der Beklagten vom 22. März 2016 aufzuheben und seine Abwahl als Bürgermeister der Stadt M. vom 07. Februar 2016 für ungültig zu erklären.

Die Beklagte beantragt

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wiederholt und bekräftigt ihre Auffassung und führt ergänzend im Wesentlichen aus: Der Grundsatz der Freiheit der Wahlen stehe mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung in Beziehung. In der Rechtsprechung sei eine im Amtsblatt von dem bisherigen Amtsinhaber und späteren erneuten Wahlgewinner veröffentlichte persönliche Erklärung nicht als unzulässige Wahlbeeinflussung gewertet worden. Einer Veröffentlichung im Amtsblatt stehe dieser Grundsatz im Übrigen nicht entgegen, wenn, wie vorliegend, aus der Aufmachung des Textwerkes eine klare Trennung zwischen öffentlichem und nicht-öffentlichem Teil hervorgehe. Zudem sei ein Wahlfehler dem Grundsatz der Wahlerheblichkeit nach nur dann beachtlich, wenn er Auswirkungen auf das Wahlergebnis gehabt habe. Ein anderer Ausgang des Bürgerentscheids sei hier jedoch unwahrscheinlich, weil von den abgegebenen gültigen Stimmen 68,3 % für die Abwahl und nur 31,7 % dagegen gestimmt hätten. Die Größe der Gruppe der Nichtwähler stelle kein die Erheblichkeit beeinflussendes Kriterium dar.

Angesichts der umfangreichen Presseberichterstattung sei es zudem unwahrscheinlich, dass die Stellungnahmen im Amtsblatt einen erheblichen und konkreten Einfluss gehabt hätten. Bereits am 30. August 2013 habe die MAZ von dem Vorwurf der Vorteilsnahme im Amt gegen den Kläger berichtet und es hätten sich auch in regionalen Tageszeitungen veröffentlichte Presseberichte dem angeschlossen, wie etwa am 14. Oktober 2013 in den PNN. Ebenfalls in der lokalen wie überregionalen Presse sei über den Abschluss des Strafverfahrens durch einen Strafbefehl sowie die Eröffnung des Disziplinarverfahrens berichtet worden, am 01. Dezember 2015 sei in der MAZ von einer Umfrage unter der Bürgerschaft die Rede gewesen. Zudem seien am 03., 04. und 05. Februar 2016 auch Artikel im Internet zu dem Abwahlverfahren veröffentlicht worden, die ebenfalls Einfluss auf das Abwahlverfahren gehabt haben könnten. Die Behauptung des Klägers werde bestritten, den PNN und der MAZ käme eine nur geringe Breitenwirkung zu. Das Amtsblatt sei in den M.r Ortsteilen T. und G. auch am 02. Februar 2016 verteilt worden. Die entgegengesetzte Auffassung des Klägers, die in Rede stehenden Stellungnahmen hätten einen erheblichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben können, sei lebensfremd.

Die Beigeladene hat sich im Verfahren nicht geäußert und sie hat von einer Antragstellung abgesehen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Klageverfahrens und des beendeten Eilverfahrens des Klägers VG 4 L 248/16 einschließlich der Beiakten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung der Kammer.

Entscheidungsgründe

I.

Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist und auch nicht vertreten war, denn sie ist in der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Rechtsfolgen hingewiesen worden, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

II.

Die nach § 58 Abs. 2 S. 1 und 2 BbgKWahlG zulässige (Wahlprüfungs-)Klage ist unbegründet.

Die Beklagte hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Abwahl des Klägers als hauptamtlicher Bürgermeister der Stadt M. am 07. Februar 2016 nicht aus den von ihm dargelegten Gründen ungültig war. Der Wahleinspruch des Klägers ist nach § 55 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 81 Abs. 10 und § 80 Abs. 1 BbgKWahlG zwar zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

Nach § 80 Abs. 1 (i. V. m. § 81 Abs. 10) BbgKWahlG hat die Vertretung über die Gültigkeit der Abwahl und über Einsprüche nach § 55 BbgKWahlG in der in § 80 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BbgKWahlG bestimmten Weise zu entscheiden. Nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 2. Alt BbgKWahlG – der den für die Wahl der Kommunalvertretung geltenden Maßstab aus § 57 Abs. 1 Nr. 4 BbgKWahlG wortgleich übernimmt – ist die (Ab-)Wahl (nur dann) ungültig, wenn die den begründeten Einwendungen zugrundeliegenden Tatbestände so schwerwiegend sind, dass bei einer einwandfreien Durchführung der Wahl ein wesentlich anderes Wahlergebnis zustande gekommen oder festgestellt worden wäre; welche Einwendungen in diesem Zusammenhang maßgeblich sein könnten, ergibt sich – über die Verweisungen in § 81 Abs. 10 und § 63 BbgKWahlG auf die allgemeinen Vorschriften über die Wahlprüfung nach den §§ 55 bis 58 BbgKWahlG – hier aus § 55 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BbgKWahlG, wonach der Wahleinspruch auch darauf gestützt werden kann, dass die Wahl in anderer unzulässiger Weise in ihrem Ergebnis beeinflusst worden ist und womit klarstellt wird, dass grundsätzlich auch Verstöße außerhalb des eigentlichen Wahlverfahrensrechts als Anfechtungsgründe in Betracht kommen (vgl. Schumacher/Augustesen/Benedens etc. in: Praxis der Kommunalverwaltung, Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Bd. I., Juni 2008, § 55 BbgKWahlG unter Nr. 6.2).

Die Feststellung einer Ungültigkeit der (Ab-)Wahl kommt damit nur bei einem erheblichen (Wahl-)Verstoß in Betracht – dessen Bedeutung gegenüber dem im Demokratiegebot verankerten Bestandsschutz der Wahl überwiegt –, sofern ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis möglich ist (vgl. Schumacher/Augustesen/Benedens etc. in: Praxis der Kommunalverwaltung, Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Bd. I., Juni 2008, § 80 BbgKWahlG unter Nr. 3.1 ff.).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Die Abwahl des Klägers als hauptamtlicher Bürgermeister der Stadt M. ist nicht aus den von ihm innerhalb der (Ausschluss-)Frist des § 55 Abs. 2 S. 1 BbgKWahlG dargelegten Gründen – welche die Grenzen der Wahlprüfung auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestimmen (zum Brandenburgischen Landesrecht: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20. Juli 2015 – OVG 12 N 18.14 –, juris Rn. 3 und Rn. 9/10 unter Verweis auf die Rechtsprechung des früheren OVG f. d. Ld. Brandenburg, Urt. v. 20. September 2001 – 1 A 15/00 –, juris Rn. 42 ff. und Urt. v. 18. Oktober 2001 – 1 A 200/00 –, juris Rn. 45; VG Frankfurt (Oder), Urt. v. 16. Januar 2014 – VG 4 K 1202/11 –, UA S. 14; im Übrigen: Bayerischer VGH, Beschl. v. 14. September 2015 – 4 ZB 15.639 –, juris Rn. 5; Hessischer VGH, Urt. v. 08. Mai 2008 – 8 UE 1851/07 –, juris Rn. 39) – in unzulässiger Weise beeinflusst worden.

Die Bekanntmachung von Stellungnahmen im Wesentlichen von Stadtverordneten auf den Seiten 5 und 6 des Amtsblatts für die Stadt M. – „Zeitung für M.“ vom 20. Januar 2016 (dazu unter 1.) und die Meinungsäußerungen von Stadtverordneten in der Tagespresse im Anschluss an eine Akteneinsicht in die Disziplinarakten des Klägers (unter 2.) stellen keine Wahlfehler dar.

1. Die Abwahl des Klägers ist durch die von ihm bezeichneten Bekanntmachungen im Amtsblatt für die Stadt M. – „Zeitung für M.“ nicht in anderer unzulässiger Weise in ihrem Ergebnis beeinflusst worden.

1.1 Von dem Umstand abgesehen, dass ein Rechtsverstoß als solcher weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung einer in unzulässiger Weise beeinflussten Wahl ist (BVerfG, Beschl. v. 03. Juni 1975 – 2 BvC 1/74 –, juris Rn. 83), trägt die Auffassung des Klägers auch nicht, die bezeichneten Stellungnahmen seien mit § 3 Abs. 3 S. 2 BbgKVerf und den Vorschriften der Bekanntmachungsverordnung unvereinbar gewesen.

Nach dieser mit § 5 Abs. 3 S. 3 der früheren Gemeindeordnung für das Land Brandenburg (GO) übereinstimmenden Vorschrift der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg kann das für Inneres zuständige Mitglied der Landesregierung, soweit nicht andere Gesetze besondere Regelungen enthalten, durch Rechtsverordnung bestimmen, „welche Verfahrens- und Formvorschriften bei der öffentlichen Bekanntmachung von Satzungen und sonstigen ortsrechtlichen Bestimmungen einzuhalten sind“. Auf dieser Rechtsgrundlage hat der Minister des Innern für die Fälle der Bekanntmachung von Satzungen und sonstigen ortsrechtlichen Vorschriften in einem Amtlichen Bekanntmachungsblatt bestimmt, dass für den Teil dieses Bekanntmachungsblattes, der ortsspezifische Nachrichten und Hinweise auf Veranstaltungen enthält (nichtamtlicher Teil), ein anderer Herausgeber als der hauptamtliche Bürgermeister, der Amtsdirektor oder der Landrat nach § 1 Abs. 1 BekanntmV verantwortlich sein kann, § 4 Abs. 3 S. 1 BekanntmV, dass bei „Nachrichten“ die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Neutralität zu beachten sind, § 4 Abs. 3 S. 2 BekanntmV, und dass hinsichtlich eines eventuellen nichtamtlichen Teils und hinsichtlich eventueller Anzeigen, § 4 Abs. 3 und 4 BekanntmV, die Bestimmungen des Landespressegesetzes und des Wettbewerbsrechts Anwendung finden, § 4 Abs. 5 BekanntmV.

Gegen diese Bestimmungen wurde nicht verstoßen.

Die unter der Rubrik „Aus der Stadtverordnetenversammlung“ auf Seite 5 bekannt gemachte „Erklärung“ betrifft ebenso wie die nachfolgende „Stellungnahme“ von Parteimitgliedern der CDU nicht die Bekanntmachung von Satzungen oder anderen ortsrechtlichen Vorschriften, so dass bereits der Anwendungsbereich der Bekanntmachungsverordnung nicht eröffnet ist.

Hiervon abgesehen entspräche das Veröffentlichungsorgan der Stadt M. den Anforderungen des § 4 Abs. 3 S. 1 BekanntmV, denn das „Amtsblatt für die Stadt M.“ wird von dem Bürgermeister der Stadt M. herausgegeben und der nichtamtliche Teil, klarstellend und abweichend bezeichnet mit “Zeitung für M.“, ausweislich des auf Seite 10 abgedruckten Impressums von der „Heimatblatt Brandenburg Verlag GmbH“.

Auch ein Verstoß gegen § 4 Abs. 3 S. 2 BekanntmV – die Anwendbarkeit dieser Rechtsverordnung unterstellt – liegt nicht vor. Selbst wenn diese Bestimmung mit dem Kläger dahingehend verstanden würde, dass sie mit dem Verweis auf die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Neutralität bestimmte Anforderungen an das „Ob“ (und nicht nur das „Wie“) einer Bekanntmachung beinhaltet, läge ein Rechtsfehler schon deshalb nicht vor, weil es sich bei den bekannt gemachten Erklärungen in Zusammenhang mit dem bevorstehenden Bürgerentscheid über die Abwahl des Klägers nicht um eine „Nachricht“ handelt. Die Bekanntmachungsverordnung normiert die Anforderungen an ein amtliches Bekanntmachungsblatt auch im Rahmen der Bekanntmachung von Satzungen und anderen ortsrechtlichen Vorschriften nicht abschließend (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 03. April 2007 – OVG 9 N 199.05 – BA S. 2 zum „Grußwort“ eines Bürgermeisters), und unter einer „Nachricht“ wird dem klaren Wortsinn nach die Mitteilung einer Neuigkeit und/oder die Übermittlung einer aktuellen Begebenheit bzw. einer Tatsache verstanden (vgl. Wahrig: Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2008 unter „Nachricht“); von diesem Synonym für bestimmte, der Feststellung ihrer Wahrheit stets zugängliche Ereignisse ist eine Meinungsäußerung zu trennen, die durch die subjektiven Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt ist. So liegt es auch hier. Die auf den Seiten 5 und 6 der „Zeitung für M.“ abgedruckten Stellungnahmen hauptsächlich von Stadtverordneten beinhalten zwar auch – in der Presse zuvor wiederholt publizierte und damit allgemein bekannte – Tatsachenbehauptungen über die strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers, zeichnen sich jedoch im Wesentlichen dadurch aus, dass eine Meinung über die Abwahl des Klägers als hauptamtlicher Bürgermeister von M. kundgetan wird.

Es ist auch weder ersichtlich noch dargelegt, dass die Veröffentlichung der Stellungnahmen gegen die Vorschriften des Brandenburgischen Pressegesetzes oder des Wettbewerbsrecht verstoßen würde, § 4 Abs. 5 BekanntmV.

1.2 Die Erklärungen im Amtsblatt verstoßen auch nicht gegen das Neutralitätsgebot für Amtsträger im Vorfeld von Wahlen.

1.2.1 Dieses Gebot findet im Fall der Abwahl eines Bürgermeisters durch Bürgerentscheid nach brandenburgischer Rechtslage bereits keine Anwendung.

Die Rechtsprechung entnimmt dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes (GG), dem verfassungsmäßigen Recht von Wahlbewerbern und Parteien auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb, Art. 3 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 und (für Wahlen auf Bundesebene) Art. 38 Abs. 1 GG, und dem bundes- und landesverfassungsrechtlichen Gebot der freien Wahl ein Neutralitätsgebot von Amtsträgern im Vorfeld von Wahlen, wobei nicht nur der eigentliche Akt der Stimmabgabe frei von Zwang und unzulässigem Druck bleiben, sondern der Wähler vielmehr auch die Möglichkeit haben muss, sein Urteil im Rahmen der Wahlvorbereitung in einem freien und offenen Prozess der Meinungsbildung zu gewinnen und zu fällen (vgl. ausf. bereits Beschl. d. Kammer v. 31. Mai 2016 – VG 1 L 215/16 –, juris [zur Unzulässigkeit der Äußerungen eines Landrates in der „heißen Wahlkampfphase“ vor einer Bürgermeisterwahl]; BVerfG, Urt. v. 16. Dezember 2014 – 2 BvE 2/14 –, juris Rn. 26 ff. u. Rn. 40 ff. [zur Äußerungsbefugnis eines Mitglieds der Bundesregierung zur NPD in Thüringer Wahlkampf]; BVerfG, Urt. v. 2. März 1977 – 2 BvE 1/76 –, juris Rn. 45 ff., 68 ff. [Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit der BReg. im Bundeswahlkampf 1976]; BVerfG, Urt. v. 10. April 1984 – 2 BvC 2/83 –, juris Rn. 32 [Äußerungen von Unternehmern zu Lasten der SPD im Bundeswahlkampf 1983]); BVerwG, Urt. v. 18. April 1997 – BVerwG 8 C 5/96 –, juris Rn. 16 ff.; Beschl. v. 30. März 1993 – 7 B 29/92 –, juris Rn. 3 und Beschl. v. 29. Mai 1973 – VII B 27.73 –, juris [jeweils zu Wahlempfehlungen von Bürgermeistern]).

Um die Wahrung der Neutralität eines Amtsträgers im Vorfeld einer Wahl geht es im Fall der Abwahl eines Bürgermeisters jedoch nicht.

Zwar erklärt Art. 22 Abs. 3 S. 1 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV), der den bundesverfassungsrechtlichen Auftrag in Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG für die Wahlen auf Landesebene umsetzt, Wahlen und Volksabstimmungen – gemeint sind hiermit Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide sowie Bürgerbegehren und Bürgerentscheide im Sinne von Art. 22 Abs. 2 S. 1 LV – auf Landes- und kommunaler Ebene für allgemein, unmittelbar, gleich, frei und geheim. Aus dem Umstand, dass diese Verfassungsbestimmung die Geltung des Wahlrechtsgrundsatzes der Gleichheit der Wahl auch für Volksabstimmungen vorsieht, folgt für sich genommen jedoch nicht, dass das Neutralitätsgebot unmittelbar und umfassend bei einem Volks- oder Bürgerentscheid Anwendung fände.

Vielmehr lassen sich die für Wahlkämpfe entwickelten Beschränkungen der Öffentlichkeitsarbeit staatlicher Organe schon deshalb nicht ohne Weiteres auf Volksabstimmungen übertragen, weil sich die Beschränkungen nicht allein auf die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 22 Abs. 3 S. 1 LV stützen, sondern ebenso auf das Demokratieprinzip und das verfassungsmäßige Recht der Parteien auf Chancengleichheit (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27. Januar 2017 – OVG 12 S 5/17 –, BA S. 4 im Anschluss an den Beschl. d. 4. Kammer v. 20. Dezember 2016 – VG 4 L 643/16 –, BA S. 5 [Auslegung von Unterschriftslisten einer Volksinitiative im Rathaus] und unter Verweis auf BVerfG, Beschl v. 02. März 1977 – 2 BvE 1/76 –, juris Rn. 43 ff.).

Hiervon abgesehen unterscheidet sich eine Abstimmung im Rahmen eines Bürgerentscheids als Plebiszit von einer kommunalen Wahl – sei es die eines Bürgermeisters, sei es die der Gemeindevertretung – maßgeblich:

In einem demokratisch verfassten Staat haben Wahlen die für die Ausübung der Staatsgewalt erforderliche demokratische Legitimation zu vermitteln, was voraussetzt, dass die Wähler ihr Urteil in einem freien und offenen Prozess der Meinungs- und Willensbildung gewinnen und fällen können; Wahlen zeichnen sich zudem idealerweise dadurch aus, dass den Wählerinnen und Wählern die Möglichkeit einer Auswahl zwischen mehreren Kandidatinnen und Kandidaten oder Wahllisten eröffnet ist.

Hiervon ist die Abwahl eines Hauptverwaltungsbeamten oder einer Hauptverwaltungsbeamtin im Wege eines Bürgerentscheids grundlegend zu trennen. Die Abwahl ist nicht eine lediglich gegenteilige Rechtshandlung zu dessen oder zu deren Wahl, sondern das Verfahren nach § 81 BbgKWahlG zeichnet sich zum einen gerade dadurch aus, dass es eine Konkurrenz zwischen mehreren Personen um ein Amt hier nicht gibt, zum anderen geht es darum, dass der/die Hauptverwaltungsbeamte/-beamtin – aus welchen Gründen auch immer – das Vertrauen der Stadtverordneten oder eines großen Teils der Bürger nicht mehr besitzt. Das Abwahlverfahren beruht mithin auf einem durch bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützten personen- und/oder sachbezogenen Zweifel an der (weiteren) persönlichen Integrität und/oder persönlichen bzw. fachlichen Kompetenz des Amtsinhabers/der Amtsinhaberin, so auch vorliegend auf dem – durch rechtskräftigen Strafbefehl festgestellten – Umstand, dass der Kläger in mehreren Fällen aus eigennützigen Motiven heraus der Stadt M. Schaden zugefügt und in erheblichem Umfang gegen seine Amtspflichten verstoßen hat.

Die fehlende Konkurrenzsituation und der bezeichnete Hintergrund eines Abwahlverfahrens rechtfertigen es, im Zuge der Prüfung der Rechtmäßigkeit der erfolgten Abwahl nicht die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Beachtung des Gebots der Chancengleichheit und des Neutralitätsgebots bei Wahlen heranzuziehen, sondern – sofern, wie vorliegend, eine behauptete „Einflussnahme“ auf die Abstimmungsberechtigten im Raume steht – bei der Frage der Zulässigkeit von Äußerungen von Amtsträgern zu prüfen, ob diese das – für öffentliche Äußerungen von Hoheitsträgern stets, d. h. auch außerhalb von Wahlen und Abstimmungen geltende – Gebot der Sachlichkeit verletzt haben, das (lediglich) dazu verpflichtet, mitgeteilte Tatsachen zutreffend wiederzugegeben, Werturteile nicht auf sachfremde Erwägungen zu stützen und allgemein den sachlich gebotenen Rahmen nicht zu überschreiten (so auch Iwers in: Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Komm., 2012, Art. 22 Seite 201 [allgemein zur Volksgesetzgebung bei Sachfragen]; VerfGH Berlin, Beschl. v. 27. Oktober 2008 – 86/08 –, juris Rn. 62 m.w.N.; Sächsisches OVG, Urt. v. 08. März 2011 – 4 A 918/10 –, juris Rn. 3 und Rn. 45 ff. [Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot durch Gemeinde, die in einer Anzeige zur Abwahl der Bürgermeisterin aufforderte]; VG Frankfurt/Main, Urt. v. 03. August 2005 – 7 E 2234/04 (V) –, juris Rn. 135; vgl. auch Hess. VGH, Beschl. v. 25. Juni 2004 – 8 TG 1169/04 –, juris Rn. 7; OVG f. d. Ld. Nordrhein-Westfalen [OVG NRW], Beschl. v. 07. Oktober 2016 – 15 B 948/16 –, juris Rn. 28, Beschl. v. 09. April 2013 – 15 B 304/13 –, juris Rn. 11 und Beschl. v. 16. Dezember 2003 – 15 B 2455/03 –, juris Rn. 20; Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung v. 19. Januar 1994 – Vf. 89-III-92 –, juris [für ein Volksgesetzgebungsverfahren]; zur [verneinten] Anwendbarkeit des Neutralitätsgebot im Fall des Aufrufs der Landeshauptstadt Potsdam, gegen einen geplanten Aufmarsch der NPD zu protestieren vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14. September 2012 – OVG 1 S 127.12 –, juris Rn. 8 und zur Zulässigkeit der Abberufung kommunaler Wahlbeamter unmittelbar durch die kommunale Vertretung und zur Vereinbarkeit dieses Verfahrens mit Art. 33 Abs. 5 GG: BVerfG, Beschl. v. 17. Oktober 1957 – 1 BvL 1/57 –, juris und BVerwG, Urt. v. 15. März 1989 – 7 C 7/88 –, juris).

Ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot ist hier weder dargelegt noch ersichtlich.

Die Meinungsäußerungen der bezeichneten Fraktionen und von Parteimitgliedern der CDU im Amtsblatt für die Stadt M. vom 20. Januar 2017 sind nicht beleidigenden Inhalts und wahren auch ansonsten das Gebot der Sachlichkeit. Die Auffassung des Klägers, im vierten Absatz des auf Seite 5 bekannt gemachten Beitrags seien „Falschaussagen“ formuliert und im letzten Absatz werde der Bürgermeister „persönlich angegriffen“, ist nicht nachvollziehbar. Der Kläger konkretisiert bezeichnender Weise weder in seinem Wahleinspruch noch im gerichtlichen Verfahren, welche der über das Strafverfahren mitgeteilten Umstände falsch sein sollten, und dass der Hauptverwaltungsbeamte einer Gemeinde im Rahmen eines gegen ihn gerichteten Abwahlverfahrens – wie vorliegend in sachlicher Weise – „angegriffen“ wird, ist schon aufgrund der Zielrichtung dieses Verfahrens und auch ansonsten legitim.

1.2.2 Von einer unzulässigen Beeinflussung der Abwahl des Klägers durch die Erklärungen im nicht-amtlichen Teil des Amtsblatts für die Stadt M. vom 20. Januar 2016 wäre aber auch dann nicht auszugehen, wenn das Neutralitätsgebot Anwendung fände.

Eine zur Wahlanfechtung berechtigende Unregelmäßigkeit kann auch in einer unzulässigen Wahlbeeinflussung liegen, wofür jedoch nicht jede von Wahlbewerbern oder Wählern missbilligte und möglicherweise auch rechtswidrige Wahlkampfpropaganda ausreicht; vielmehr muss es sich um eine qualifizierte Wahlbeeinflussung handeln, die ihrer Natur nach geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Wählers ernstlich zu beeinträchtigen. Hierzu sind in der Rechtsprechung die Fallgruppen (1.) der strafbaren, (2.) der amtlichen, (3.) der geistlichen und (4.) der unter besonderem Druck vorgenommenen privaten Wahlbeeinflussung gezählt worden (OVG NRW, Urt. v. 18. März 1997 – 15 A 6240/96 –, juris Rn. 6 m. w. N.; VG Lüneburg, Urt. v. 17. April 2002 – 5 A 181/01 –, juris Rn. 29).

Zu unterscheiden ist in wahlprüfungsrechtlicher Hinsicht stets, ob die Beeinflussung von amtlicher oder von nicht-amtlicher Seite ausgeht:

Die amtliche Wahlbeeinflussung ist deshalb grundsätzlich unzulässig, weil in ihrem Rahmen hoheitliche Autorität, die selbst demokratischer Legitimation bedarf, zur Beeinflussung der Wahl eingesetzt wird: Staatliche oder kommunale Organe unterliegen in der Wahlzeit einer besonderen Pflicht zur Neutralität, die es ihnen insbesondere verbietet, offen oder verdeckt Einfluss zu nehmen und sich in amtlicher Funktion vor Wahlen mit einzelnen Bewerbern zu identifizieren oder aber sie zu bekämpfen (BVerfG, Urt. v. 16. Dezember 2014 – 2 BvE 2/14 –, juris Rn. 31 u. v. 02. März 1977 – 2 BvE 1/76 –, juris Rn. 49/61 [Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung im Vorgriff auf den Bundeswahlkampf 1976]; BVerwG, Urt. v. 18. April 1997 – BVerwG 8 C 5/96 –, juris Rn. 16; OVG NRW, Urt. v. 19. August 1988 –15 A 924/86 –, juris Rn. 62). Zwar bleibt die Befugnis dieser Organe zur Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben auch in Wahlzeiten ungeschmälert erhalten – zu denen auch die Information der Öffentlichkeit gehört –; handelt es sich aber um wahlrechtsrelevante Stellungnahmen, die geeignet sind, auf den Meinungs- und Willensbildungsprozess der Wähler einzuwirken, ist wegen der mit einer amtlichen Verlautbarung allgemein verbundenen Autorität eine besondere Zurückhaltung geboten. Danach sind Amtsträger in der Vorwahlzeit gehalten, amtliche Stellungnahmen, die objektiv geeignet sind – auf die ohnehin schwer nachweisbare Intention des sich Äußernden kommt es nicht an – den Meinungs- und Willensbildungsprozess der Wähler zu beeinflussen, in Form und Inhalt auf das für ihre Aufgabenerfüllung unerlässliche Maß zu beschränken.

Hervorzuheben ist allerdings auch in diesem Zusammenhang, dass der Wähler nur vor solchen Beeinflussungen bewahrt werden soll, die seine Entscheidungsfreiheit (manipulativ) beeinträchtigen könnten und dass das Recht, die Wahrheit zu erfahren, eine solche Beeinträchtigung nicht ergeben kann. Das (kommunale) Wahlrecht stellt eines der wichtigsten Mitgestaltungsrechte des Bürgers an den Aufgaben und Zielen der örtlichen Gemeinschaft dar; es ist ein entscheidendes Element der demokratischen Willensäußerung und wird verletzt, wenn dem Wähler die Wahrheit – sei es durch aktives Tun, sei es durch Unterlassen – in irgend einer Weise vorenthalten wird, so etwa, wenn (kommunal-) politische Themenstellungen von erheblichem Gewicht der Abstimmung vorenthalten werden oder wenn der Wähler auf andere Weise fehlinformiert wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 08. April 2003 – BVerwG 8 C 14/02 –, juris Rn. 26; OVG NRW, Urt. v. 21. Juni 2016 – 15 A 816/15 –, juris Rn. 42 [Wahlbeeinflussung durch Unterlassen]).

Wann die Grenze zwischen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit und unzulässiger Werbung bei Wahlen überschritten ist, lässt sich nicht allgemeingültig festlegen, sondern hängt vor allem von Zahl und Umfang solcher Maßnahmen, der Nähe des Wahlzeitpunktes und der Intensität des Wahlkampfes ab; je näher die Veröffentlichungen an den Beginn der "heißen Phase" des Wahlkampfes heranrücken, desto weniger können ihre Auswirkungen auf das Wahlergebnis ausgeschlossen werden (vgl. auch Dr. Janbernd Oebbeke: „Amtliche Äußerungen im Bürgermeisterwahlkampf“ in NVwZ 2007, 30, 31).

In Abgrenzung zu der amtlichen Wahlbeeinflussung liegt ein beachtlicher Wahlfehler bei Einwirkungen nicht-amtlicher („privater“) Dritter auf die Willensbildung des Wählers erst dann vor, wenn sie die Wahlentscheidung mit den Mitteln des Zwangs oder Drucks beeinflusst oder in ähnlich schwerwiegender Art und Weise auf die Wählerwillensbildung eingewirkt haben, ohne dass eine hinreichende Möglichkeit der Abwehr, zum Beispiel mit Hilfe der Gerichte oder der Polizei, oder des Ausgleichs, etwa mit Mitteln des Wahlwettbewerbs, bestanden hätte. Außerhalb dieses Bereichs erheblicher Verletzungen der Freiheit oder der Gleichheit der Wahl stellt ein Einwirken von Parteien, einzelnen Wahlbewerbern, gesellschaftlichen Gruppen oder sonstigen Dritten auf die Bildung des Wählerwillens kein Verhalten dar, das den zur Prüfung gestellten Wahlfehlertatbestand erfüllte, selbst wenn es als unlauter zu werten sein und gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen haben sollte (BVerfG, Urt. v. 08. Februar 2001 – 2 BvF 1/00 –, juris, Rn. 83;). Das Wahlprüfungsrecht dient insbesondere nicht dazu, einen "sauberen" Wahlkampf zu erzwingen: Einflussnahmen durch Parteien und ihnen nahestehende Gruppierungen auf den Bürger bei der Bildung seiner Wahlentscheidung sind typischer Bestandteil der Demokratie, in der Parteien im Wege des öffentlichen Meinungsstreits um die Zustimmung der Bürger kämpfen. Einwirkungen auf den Wähler wie Entlassungs- oder Ausschlussdrohungen privater Arbeitgeber oder von Vereinen sowie "Wahlmanöver" der im Wahlkampf stehenden Parteien oder einzelner Wahlbewerber einschließlich der Verbreitung von Täuschungen und Lügen sind daher grundsätzlich auch dann nicht zu beanstanden, wenn sie sittlich zu missbilligen sein sollten (BVerwG, Urt. v. 08. April 2003 – BVerwG 8 C 14.02 –, juris Rn. 25; VG Köln, Beschl. v. 06. Februar 2012 – 4 K 241/10 –, juris Rn. 40; VG Aachen, Urt. v. 16. Juni 2005 – 4 K 106/05 –, juris Rn. 49).

Nach dem zuletzt genannten Maßstab beurteilt sich auch eine Wahlbeeinflussung durch Parteien, durch Fraktionen oder durch einzelne Kandidaten. Zwar sind Fraktionen und einzelne Gemeindevertreter oder Stadtverordnete Teil der Gemeindevertretung oder Stadtverordnetenversammlung und damit Teil der Körperschaft selbst; anders als Hauptverwaltungsbeamte – so der Bürgermeister oder der Gemeinderat (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 30. Januar 1997 – 1 S 1748/96 –, juris Rn. 10; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. vom 17. Februar 1992 – 1 S 2266/91 –, juris [Vorsitzende des Wahlausschusses]) – können jedoch weder einzelne Vertreter noch Fraktionen als Bündelung der Meinungen dieser Vertreter hoheitliche Autorität für sich in Anspruch nehmen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20. Oktober 1993 – 2 BvC 2/91 –, juris Rn. 42; BVerwG, Urt. v. 08. April 2003 – 8 C 14/02 –, juris Rn. 25; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 24. November 2009 – 1 S 1149/09 –, juris Rn. 11; OVG NRW, Beschl. v. 30. September 2005 –15 A 2983/05 –, juris Rn. 4; VG Frankfurt/Main, Urt. v. 03. August 2005 – 7 E 2234/04 (V) –, juris Rn. 183; VG Aachen, Urt. v. 16. Juni 2005 – 4 K 106/05 –, juris Rn. 36; VG Köln, Beschl. v. 06. Februar 2012 – 4 K 241/10 –, juris Rn. 35; Dr. Janbernd Oebbeke:„Amtliche Äußerungen im Bürgermeisterwahlkampf“ in NVwZ 2007, 30, 31); Entsprechendes gilt in diesem Zusammenhang – anderes mag im Rahmen des Sachlichkeitsprinzips gelten – für den oder die Vorsitzende(n) der Gemeindevertretung.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze für eine Wahlprüfung – insbesondere auch unter Berücksichtigung des Neutralitätsgebotes – bleiben die Rügen des Klägers ebenfalls ohne Erfolg.

Eine unzulässige Beeinflussung der Wahl durch die Stellungnahmen auf Seite 5 und 6 des Amtsblatts vom 20. Januar 2016 kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil es sich um die Meinungsäußerung von Fraktionsmitgliedern der Stadtverordnetenversammlung der Stadt M. bzw. Parteimitgliedern und damit nicht um Stellungnahmen von Amtsträgern handelt.

Dem kann der Kläger auch nicht entgegenhalten, mit den Beiträgen werde jeweils eine „amtliche Information‘“ suggeriert. Diese Auffassung trifft nicht zu.

Zwar kann für eine „amtliche“ Äußerung generell der äußere, organisatorische Rahmen und insbesondere sprechen, dass sie in einer amtlichen Publikationen erfolgt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29. Mai 1973 – VII B 27.73 –, juris [Wahlempfehlung eines Bürgermeisters in den „Amtlichen Mitteilungen“]; VerfGH RP, Beschl. v. 21. Mai 2014 – VGH A 39/14 –, juris Rn. 25), und eine – von den Organen der Gemeinde und im Wahlkampf ausgehende – unzulässige Äußerung eines Amtsträgers unter Inanspruchnahme der Autorität des Amtes läge etwa vor, wenn sich dieser durch amtliche Verlautbarungen, etwa in Form offizieller Publikationen, Pressemitteilungen, auf offiziellen Internetseiten seines Geschäftsbereichs (vgl. BVerfG, Urt. v. 16. Dezember 2014 – 2 BvE 2/14 –, juris Rn. 57) oder unter Inanspruchnahme des Amtsblattes äußern würde, das als amtliches Verkündungsorgan der Gemeinde dem Gebot parteipolitischer Neutralität in besonderem Maße Rechnung tragen muss (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 30. Januar 1997 – 1 S 1748/96 –, juris Rn. 5; Urt. v. 17. Februar 1992 – 1 S 2266/91 –, juris Rn. 16 [Wahlaufruf des Vorsitzenden des Wahlausschusses zu Gunsten des Bürgermeisters auf dem Titelblatt des Amtsblatts). Nichts anderes ergibt sich aus dem von Seiten des Klägers in Bezug genommenen Urteil des Verwaltungsgerichts Gera (vom 20. Februar 2002 – 2 K 1155/00.Ge –, juris [nur LS] und LKV 2004, 46), das – anders als der bei juris lediglich abgedruckte Leitsatz der Entscheidung suggeriert – die nicht als solche gekennzeichnete Werbeanzeige von Amtsträgern – eines Bürgermeisters und des 1. Beigeordneten der Gemeinde – beanstandet hat, die im amtlichen Teil des Mitteilungs- und Amtsblatts unmittelbar nach der Seite mit den Wahlbekanntmachungen abgedruckt war und in der in amtlicher Funktion und jeweils mit einem Lichtbild versehen „wegen der partnerschaftlichen und kollegialen Zusammenarbeit“ zur Wahl des Bürgermeisters einer Partnergemeinde aufgerufen wurde.

Dem ist der vorliegende Sachverhalt ersichtlich nicht vergleichbar.

Der unbefangene Betrachter kann hier, anders als vom Kläger vertreten, gerade nicht von einer „amtlichen Äußerung“ ausgehen. Zwar gilt die Stadtverordnetenversammlung kommunalverfassungsrechtlich als Teil der Exekutive – es hat sich aber gerade nicht „die Stadtverordnetenversammlung“ geäußert. Vielmehr haben sich auf Seite 5 der Druckschrift die Stadtverordneten von drei Fraktionen – wobei schon dieser Umstand mit Blick darauf, dass die Unterzeichner des Aufrufs nur mit dem 1. Buchstaben ihres Vornamens und mit ihrem Zunamen bezeichnet wurden, nur politisch Interessierten ersichtlich war – und auf Seite 6 Stadtverordnete und Parteimitgliedern der CDU für eine Abwahl des Klägers ausgesprochen. Dass es sich um nicht-amtliche Stellungahmen handelt, ergibt sich zudem nicht nur zweifelsfrei aus der deutlich herausgehobenen Trennung des amtlichen vom nichtamtlichen Teil des Druckwerks und den Umständen, dass die Seiten 5 ff. nicht mit „Amtsblatt für die Stadt M.“, sondern mit „Zeitung für M.“ überschrieben sind und dass dem hervorgehobenen Hinweis nach „für den Inhalt der Beiträge … die Unterzeichner verantwortlich (sind)“, sondern auch daraus, dass eine „Erklärung“ von „unterzeichnenden Stadtverordneten“ ersichtlich auch für Laien nichtamtlich ist; Entsprechendes gilt für den nachfolgenden Beitrag, der seinem Text nach von „Unterzeichnern aus der CDU M.“ verfasst wurde.

2. Die Behauptung des Klägers, der Landrat des Landkreises D.-S. habe einzelnen Vertretern der Stadtverordnetenversammlung der Stadt M. rechtswidrig Akteneinsicht in seine Disziplinarakten gewährt, begründet ebenfalls keinen Wahlfehler.

2.1 Es spricht allerdings nach derzeitigem Sachstand – vorbehaltlich und losgelöst von Erkenntnissen, die sich aus den Disziplinarakten und dem Verwaltungsverfahren über die Gewährung der Einsicht ergeben mögen – vieles für die Rechtsauffassung des Klägers:

Nach § 30 Abs. 1 des Landesdisziplinargesetzes (LDG) sind unter anderem die Vorlage von Personalakten sowie die Erteilung von Auskünften aus diesen Akten an die mit Disziplinarvorgängen befassten Stellen, soweit nicht andere Rechtsvorschriften dem entgegenstehen, auch gegen den Willen des Beamten zulässig, wenn und soweit die Durchführung des Disziplinarverfahrens dies erfordert und überwiegende Belange des Beamten, anderer Betroffener oder der ersuchten Stellen nicht entgegenstehen. Diese Voraussetzungen dürften schon deshalb nicht vorgelegen haben, weil es einer der Gestattung der Akteneinsicht vorausgehenden Anhörung des Beamten bedurfte hätte (vgl. VG Wiesbaden, Beschl. v. 12. Juli 2013 – 28 L 844/12.WI.D –, juris Rn. 33 – zu dem inhaltgleichen § 33 Abs. 1 des Hessischen Disziplinargesetzes und Urban/Wittkowski, BDG, Komm., 2011, § 29 Rn. 9 zu dem inhaltsgleichen § 29 Abs. 1 BDG Rn. 9; Hummel/Köhler/Mayer: BDG – Bundesdisziplinargesetz und materielles Disziplinarrecht, 4. Aufl. 2009, § 29 BDG Rn. 3), die hier nicht durchgeführt worden zu sein scheint.

Auch ist derzeit nicht ersichtlich, dass die Akteneinsicht nach § 30 Abs. 2 LDG gerechtfertigt war, wonach unter anderem die Vorlage der Akten in Disziplinarsachen zwischen den Dienststellen eines oder verschiedener Dienstherrn sowie zwischen den Teilen einer Dienststelle zulässig ist, wenn und soweit dies zur Durchführung des Disziplinarverfahrens, im Hinblick auf die künftige Übertragung von Aufgaben oder Ämtern an den Beamten oder im Einzelfall aus besonderen dienstlichen Gründen unter Berücksichtigung der Belange des Beamten oder anderer Betroffener erforderlich ist. Ungeachtet der zweifelhaften Frage, ob die Stadtverordnetenversammlung als eine „Dienststelle“ – nämlich als eine organisatorisch verselbständigte Verwaltungseinheit, die, mit persönlichen und sächlichen Mitteln ausgestattet, einen örtlich und gegenständlich abgrenzbaren Aufgabenbereich versieht (Urban/Wittkowski, BDG, § 29 Rn. 11) – oder als „Teil einer Dienststelle“ angesehen werden könnte, sind nach derzeitigem Sachstand jedenfalls die oben bezeichneten Tatbestandsvoraussetzungen der „Erforderlichkeit“ einer Aktenvorlage nicht ersichtlich.

Auch die Auffassung der Prozessvertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensweise der Rechtsaufsichtsbehörde sei von § 89 Abs. 2 S. 2 LDG gedeckt gewesen, dürfte schon deshalb nicht tragen, weil danach (lediglich) der Vertretungskörperschaft unter der in der Norm bezeichneten Voraussetzung eine „Auskunft über den Stand des Verfahrens“ zu erteilen ist. Eine Überlassung der vollständigen Disziplinarakten zur Einsicht an einzelne Stadtverordnete ist bereits ihrem klaren Wortlaut nach nicht zulässig.

2.2 Das Gericht kann die Frage einer Rechtswidrigkeit der Akteneinsicht im Ergebnis unentschieden lassen und daher auch von einer weiteren Klärung des Sachverhalts absehen, weil ein Rechtsverstoß als solcher zum einen nicht auf einen Wahlfehler führt und weil die Abwahl des Klägers zum anderen nicht durch die (unterstellt: rechtswidrige) Akteneinsicht als solche – sondern nur durch Äußerungen gegenüber der Öffentlichkeit über Erkenntnisse aus den Disziplinarakten – unzulässig beeinflusst worden sein kann.

Sowohl die von Seiten des Klägers in seinem Wahleinspruch vom 19. Februar 2016 bezeichneten Äußerungen des Vorsitzenden als auch die der seinerzeitigen stellvertretenden Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung der Stadt M. in der Tagespresse im Anschluss an die Akteneinsicht (Er habe „schockiert reagiert“ und angemerkt, dass man „ihm [dem Kläger] ja vieles zutrauen könne, aber dass das … dem Fass den Boden (ausschlage)“ sowie „sie erklärte, dass die darin enthaltenen Vorwürfe ihre Vorstellungskraft überschritten hätten.“ und „Es ist viel schlimmer als erwartet. Ich bin schockiert nach Hause gefahren“) wahren das Sachlichkeitsgebot und sie sind auch unter Berücksichtigung des Neutralitätsgebots von Amtsträgern bereits deshalb nicht zu beanstanden, weil es sich bei den bezeichneten Personen nicht um Amtsträger handelt.

Eine amtliche Wahlbeeinflussung erschiene in diesem Zusammenhang allenfalls dann möglich, wenn der Landrat des Landkreises D.-S. als Disziplinarbehörde selbst der Öffentlichkeit Informationen aus den Disziplinarakten zugänglich gemacht hätte, die geeignet gewesen wären, die Abwahlentscheidung in unzulässiger Weise zu beeinflussen. Hierfür liegen jedoch keinerlei Anhaltspunkte vor.

Die in der MAZ vom 03. Februar 2016 wiedergegebene, allgemein gehaltene und sachliche Auskunft der Kommunalaufsicht des Landkreises D.-S. auf eine Presseanfrage, es gehe es um eine „Verletzung des Datenschutzes“, gehört für sich genommen jedenfalls nicht dazu, insbesondere hat die Behörde damit dem Informationsanspruch der Presse nach § 5 BbgPG genügt und ihre Stellungnahme inhaltlich auf das für ihre Aufgabenerfüllung unerlässliche Maß zu beschränkt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, wobei es der Billigkeit entspricht, dass die Beigeladene ihre Kosten selbst trägt, da sie sich mangels eines eigenen Antrags keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 1. Hs. VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 S. 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).