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Eilverfahren; Beschwerde; Betriebsprämie; Kürzung um 100 %; Antrag auf vorläufige Bewilligung von 80 % (abgelehnt); Grundanforderungen an die Betriebsführung; Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht von Rindern; Vor-Ort-Kontrolle; Vermischung mit tierseuchenrechtlich gesperrtem Bestand


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 27.12.2012
Aktenzeichen OVG 3 S 99.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 4 Abs 1 EGV 73/2009, Art 5 EGV 73/2009, Art 24 Abs 3 EGV 73/2009, Art 72 Abs 1 EGV 1122/2009

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 27. August 2012 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 94.886,68 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das allein Gegenstand der Prüfung des Oberverwaltungsgerichts ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern.

Das Verwaltungsgericht hat den auf Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Bewilligung einer Betriebsprämie für das Jahr 2011 in Höhe von 94.886,68 EUR (= 80 % des von der Antragstellerin im zugehörigen Klageverfahren VG 3 K 295/12 gelten gemachten Betrages) gerichteten Antrag abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es fehle an der - wegen der mit der erstrebten (vorläufigen) Bewilligung landwirtschaftlicher Fördermittel verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache - erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs in der Hauptsache. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch auf Bewilligung der von ihr beantragten Betriebsprämie unter Berücksichtigung (lediglich) einer Regelkürzung von 20 % nicht glaubhaft machen können, der die beantragte Betriebsprämie versagende Bescheid des Antragsgegners vom 8. Dezember 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2012 sei aller Voraussicht nach rechtmäßig. Der Antragsgegner habe aufgrund vorsätzlicher Verstöße in der Betriebsführung der Antragstellerin von der Bewilligung der Betriebsprämie gänzlich absehen dürfen. Nach summarischer Prüfung sei davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für eine Erhöhung der in Art. 24 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 73/2009 (vom 19. Januar 2009, ABl. L 30 S. 16) bei vorsätzlichen Verstößen regelmäßig vorgesehenen Kürzung von 20 % auf 100 % gegeben seien, denn nach den bei den durchgeführten Vor-Ort-Kontrollen im Betrieb der Antragstellerin festgestellten erheblichen Verletzungen der in Art. 5 der VO (EG) Nr. 73/2009 in Verbindung mit deren Anhang II gestellten Grundanforderungen an eine gute landwirtschaftliche Betriebsführung sei eine Abweichung von der Regelkürzung indiziert gewesen. Der Antragsgegner habe über die von ihm mit lediglich 20 % gewerteten Verletzungen der Grundwasserrichtlinie und der Nitratrichtlinie durch nicht sachgerechte Behandlung von Mineralölprodukten und Pflanzenschutzmitteln sowie nicht ordnungsgemäße Sammlung und Lagerung von Jauche und Gülle hinaus den Verstoß im Bereich der Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht als besonders gravierend eingeschätzt; im bewertenden Teil des Kontrollberichts vom 2. Mai 2011 habe sich der amtliche Tierarzt Dr. A... wegen einer konkret anzunehmenden tierseuchenrechtlichen Gefahrenlage für eine Kürzung um 100 % ausgesprochen. Nach seinen Feststellungen sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin 75 Rinder eines anderen Betriebs trotz einer für diesen verfügten tierseuchenrechtlichen Bestandssperre in den eigenen Betrieb umgesetzt und mit gesunden Rindern des eigenen Bestandes vermischt habe. Der Einwand der Antragstellerin, die tierseuchenrechtliche Verfügung habe sich an einen anderen Betrieb gerichtet, sei nicht erheblich, denn der Ehemann der Geschäftsführerin der Antragstellerin, dessen Kenntnis ihr zuzurechnen sei, habe dem amtlichen Tierarzt auf dessen entsprechenden ausdrücklichen Hinweis auf die Gefahrensituation zugesichert, die umgesetzten Tiere nur an einer bestimmten Außenseite des Stalles zu halten. Hieran habe die Antragstellerin sich indessen nicht gehalten, denn am Folgetag (14. April 2011) habe der amtliche Tierarzt festgestellt, dass es zu einer Vermischung der Rinder des tierseuchenrechtlich gesperrten Betriebes und des Betriebes der Antragstellerin gekommen sei. Damit sei in gravierender Weise die mit der Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht von Rindern bezweckte Abwehr tierseuchenrechtlicher Gefahren durch Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit von Rindern unterlaufen und mit der nicht autorisierten Umsetzung und anschließenden Vermischung von 75 Rindern aus den gesperrten Betrieb mit gesunden Rindern im Betrieb der Antragstellerin eine tierseuchenrechtliche Gefahr bewusst in Kauf genommen worden. Es sei daher nachvollziehbar, dass der Antragsgegner das ihm nach Art. 72 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1122/2009 (vom 30. November 2009, ABl. L 316 S. 65) zustehende Ermessen dahingehend ausgeübt habe, von einer Regelkürzung um 20 % abzuweichen und die Kürzung auf 100 % zu erhöhen. Wegen des danach fehlenden Anordnungsanspruchs könne offen bleiben, ob der Antragstellerin aufgrund der von ihr geltend gemachten wirtschaftlichen Schwierigkeiten (notleidende und gekündigte Kredite, Forderungen auf Herausgabe landwirtschaftlicher Geräte) ein Anordnungsgrund zur Seite stehe.

Mit der Beschwerde macht die Antragstellerin zunächst geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die beantragte, auf die vorläufige Auszahlung von Geldern gerichtete einstweilige Anordnung die Hauptsache vorwegnehme. Es sei zu berücksichtigen, dass bei Erlass der einstweiligen Anordnung die Zahlung nur vorübergehend erbracht würde und bei Unterliegen der Antragstellerin in der Hauptsache ein entsprechender Rückzahlungsanspruch des Antragsgegners bestünde. Zudem hätte das Verwaltungsgericht berücksichtigen müssen, dass die Folgen des Nichterlasses der einstweiligen Anordnung für sie (die Antragstellerin) existenziell seien, da sie mit einiger Wahrscheinlichkeit einen Insolvenzantrag werde stellen müssen, während die Folgen einer (fehlerhaften) vorläufigen Gewährung der Betriebsprämie wegen des Bestehens eines Rückzahlungsanspruchs „für den Staat und die EU nahezu neutral“ seien. Diese Argumentation der Antragstellerin vermag bereits deshalb nicht zu überzeugen, weil angesichts der von ihr geschilderten angespannten Situation, in der sie ohne Bewilligung und Auszahlung der von ihr beantragten Betriebsprämie fällige Zahlungsverpflichtungen gegenüber finanzierenden Banken und Futtermittellieferanten nicht einhalten könne, nicht ersichtlich ist, dass sie im Falle ihres Unterliegens in der Hauptsache zu einer Rückzahlung der „vorläufig“ begehrten Beihilfe in der Lage wäre. Danach spricht entgegen der Ansicht der Antragstellerin alles dafür, dass ein Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache endgültig vorwegnähme. Auch die von der Beschwerde für erforderlich gehaltene Folgenabwägung weist nicht auf einen Anordnungsanspruch. Der Vergleich mit einer nicht vorliegenden Situation ist unergiebig. Die Ausführungen zu der Insolvenzgefahr betreffen den Anordnungsgrund und werden von der Beschwerde nicht glaubhaft gemacht.

Die Beschwerde vermag auch die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, es bestehe kein Anordnungsanspruch auf Bewilligung von 80 % der errechneten Betriebsprämie, da der Antragsgegner diese zu Recht wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen Grundanforderungen an die Betriebsführung nach Art. 4 Abs. 1, Art. 5 i.V.m. Anhang II der VO (EG) Nr. 73/2009 um 100 % (des Gesamtbetrages gemäß Art. 70 Abs. 8 der VO (EG) Nr. 1122/2009) gekürzt habe, nicht entscheidungserheblich zu erschüttern. Der Antragsgegner hat diese Kürzung in seinem Bescheid vom 8. Dezember 2011 wie auch im Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2012 auf den bei der Vor-Ort-Kontrolle am 14. April 2011 ausweislich des Kontrollberichts festgestellten Verstoß gegen die Pflichten zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern gestützt, während er für die außerdem festgestellten vorsätzlichen Verstöße gegen Anforderungen an den Grundwasserschutz und den Gewässerschutz vor Verunreinigung durch Nitrat (Rechtsakte 2 und 4 des Anhangs II der VO (EG) Nr. 73/3009) lediglich die Regelkürzung um 20 % gemäß Art. 24 Abs. 3 VO (EG) Nr. 73/2009, Art. 72 Abs. 1, Unterabsatz 1 der VO (EG) Nr. 1122/2009 angesetzt hat. Gegen die Kürzung um 100 % wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen Grundanforderungen an die Kennzeichnung und Registrierung von Rindern wendet sich die Beschwerde zunächst mit dem Hinweis darauf, dass auf Grund der vom Veterinär in dem Kontrollbericht vorgenommenen Bewertungen der drei Untergebiete „Kennzeichnung“, „Bestandsregister“ und „Datenbank“ mit den Einstufungen „mittel“, „schwer“ und „leicht“ eine Gesamtbewertung als „leicht“ automatisch errechnet worden sei, die bei Vorsatz eine Kürzung um 20 % zur Folge habe. Hierzu trägt die Antragstellerin zunächst vor, die automatisierten Einstufungen seien verbindlich, ohne diese Behauptung zu substantiieren. Überdies sehen die einschlägigen Bestimmungen des Art. 24 Abs. 3 VO (EG) Nr. 73/2009 bzw. Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1122/2009 eine Bindung an eine automatisch errechnete Gesamtbewertung nicht vor; Art. 72 Abs. 1, Unterabsatz 1 der VO (EG) Nr. 1122/2009 überantwortet der Zahlstelle die auf der Grundlage der Bewertung durch die zuständige Kontrollbehörde zu treffende Entscheidung über eine Verminderung oder Erhöhung des regelmäßigen Kürzungssatzes von 20 % auf nicht weniger als 15 % oder bis zu 100 %. Das Formular des Kontrollberichts sieht sowohl in Teil „F. Bewertung“ als auch unter „G. Ergebnis - Bewertungsvorschlag der geprüften Rechtsakte“ jeweils die anzukreuzende Möglichkeit vor, den automatisiert ermittelten Vorschlag zu übernehmen oder nicht zu übernehmen und stattdessen eine - zu begründende - anderweitige fachliche Bewertung vorzunehmen. Ist danach gerade nicht von einer Verbindlichkeit der automatisch errechneten Gesamtbewertung auszugehen, entfällt zugleich die Grundlage für die Argumentation der Antragstellerin, es widerspreche „sämtlichen Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten“, einen insgesamt als „leicht“ bewerteten Verstoß mit der härtest denkbaren Sanktion zu ahnden. Vielmehr kommt es für die Rechtmäßigkeit der Kürzung um 100 % auf die - am 19. Dezember 2011 getroffene - Entscheidung der Zahlstelle auf der Grundlage der Bewertung durch die Kontrollbehörde im bewertenden Teil des Kontrollberichts gemäß Art. 54 Abs. 1 Buchstabe c der VO (EG) Nr. 1122/2009 an.

Die gegen die Bewertung durch den Veterinär der Kontrollbehörde erhobenen Einwände der Antragstellerin greifen nicht durch. Zutreffend weist die Antragstellerin zwar darauf hin, dass die in der Begründung des Bewertungsvorschlags (Seite 31 des Kontrollberichts) angeführte Vorschrift des Art. 26 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1122/2009 die Ablehnung des Beihilfeantrags für den Fall vorsieht, dass der Betriebsinhaber oder sein Vertreter die Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle unmöglich macht. Eine solche Verhinderung der Vor-Ort-Kontrolle hat der Tierarzt jedenfalls nicht ausdrücklich festgestellt; ob die Ausführungen im Situationsbericht vom 14. April 2011 (Befahren des Stalles mit dem Futtermischwagen durch den Ehemann der Geschäftsführerin der Antragstellerin, dessen Lärm eine ordnungsgemäße Kontrolle unmöglich gemacht habe, bzw. das Verhalten des bei der Vor-Ort-Kontrolle am 14. April 2011 anwesenden Herrn M..., Sohn der Geschäftsführerin der Antragstellerin und Inhaber des zu diesem Zeitpunkt wegen Salmonelloseverdachts tierseuchenrechtlich gesperrten Landwirtschaftsbetriebes M... aus D..., der trotz Aufforderung am Tag der Kontrolle in P... keine Aufstellung der bisher von D... in den Betrieb der Antragstellerin verbrachten Rinder übergeben habe, sondern erst einige Tage später bei der Kontrolle in seinem eigenen Betrieb) die Voraussetzungen des Art. 26 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1122/2009 erfüllt, kann dahinstehen, da sich weder Versagungs- noch Widerspruchsbescheid auf diese Vorschrift stützen. Zutreffend ist auch der Hinweis der Antragstellerin, dass die weitere Angabe des kontrollierenden Veterinärs im bewertenden Teil des Kontrollberichts, er gehe von einem vorsätzlichen Handeln aus, die Kürzung um mehr als 20 % für sich genommen nicht zu rechtfertigen vermag, weil Vorsatz die Voraussetzung schon der Regelkürzung um 20 % nach Art. 72 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1122/2009 ist. In diesem Rahmen hat die Feststellung vorsätzlichen Handelns allerdings ihre Berechtigung, da sie den Anwendungsbereich des Art. 72 VO (EG) Nr. 1122/2009 - an Stelle des für Fahrlässigkeit geltenden Art. 71 - erst eröffnet.

Das Verwaltungsgericht ist jedenfalls zu Recht davon ausgegangen, dass der weitere im bewertenden Teil des Kontrollberichts angeführte Gesichtspunkt, trotz einer Bestandssperre für den Landwirtschaftsbetrieb Fam. G..., D... in W... seien ca. 78 Rinder ohne Wissen des Amts für Verbraucherschutz und Landwirtschaft von diesem Betrieb in den der Antragstellerin umgesetzt worden, in Verbindung mit dem in Bezug genommenen Situationsbericht vom 14. April 2011 und der weiteren, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens abgegebenen Stellungnahme des amtlichen Tierarztes vom 10. Januar 2012 die vom Antragsgegner mit (nach Erlass des Ausgangs-, aber noch vor dem des Widerspruchbescheides nachgeholter) Zustimmung der Zahlstelle ausgesprochene Kürzung um 100 % rechtfertigt. Anders als die Antragstellerin meint, hat das Verwaltungsgericht nicht etwa der Begründung des Veterinärs im bewertenden Teil des Kontrollberichts eine weitere Begründung hinzugefügt, sondern hat sich in Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Antragstellerin, sie habe nichts von der an den Landwirtschaftsbetrieb M. G... in D... gerichteten tierseuchenrechtlichen Verfügung gewusst (bzw., wie im Widerspruch geltend gemacht, erst am 13. April 2011 bei der Vor-Ort-Kontrolle von den Amtstierärzten erfahren, dass der Betrieb D... wegen Salmonellen gesperrt sei, und danach sofort die zuvor wegen untragbarer Verhältnisse dort nach P... geholten Tiere in einem separaten Stall untergebracht), auf die Feststellungen des amtlichen Tierarztes zur Vor-Ort-Kontrolle in P... gestützt, nach denen der Ehemann der Geschäftsführerin der Antragstellerin am 13. April 2011 auf dringende Mahnung des Tierarztes, dass es zu keiner Vermischung der aus D... umgesetzten, zu diesem Zeitpunkt an der linken Außenseite des Stalls stehenden Rinder mit den Rindern aus P... kommen dürfe, dieses zugesichert habe. Unerheblich ist, dass diese Ausführungen sich nicht in der im Kontrollbericht in Bezug genommenen Aktennotiz vom 19. April 2011 über die „Darstellung der Situation am 14.04.2011“, sondern in der Aktennotiz vom 13. April 2011 und erneut in der Stellungnahme vom 10. Januar 2012 findet; in letzterer führt der Tierarzt zudem aus, dass bei der Kontrolle am 14. April 2011 sich - entgegen der Zusicherung vom Vortag - Rinder aus dem Betrieb D... nicht nur auf der linken, sondern auch auf der rechten Außenseite des Milchviehstalles und am 15. April 2011 Rinder aus dem Betrieb D... und dem der Antragstellerin sich im Trockensteherstall und auf der Weide in P... befunden hätten, es also zu einer Vermischung der Bestände gekommen sei. Im Kern geht es hierbei übereinstimmend um den nach den angeführten Feststellungen der Vor-Ort-Kontrolle begründeten Vorwurf, der Verstoß gegen die Kennzeichnungspflichten sei im konkreten Fall besonders schwerwiegend, weil die wegen fehlender Ohrmarken mangelnde Identifizierbarkeit von etwa 12 Rindern im Hinblick auf die Vermischung des Viehbestandes der Antragstellerin mit dem des tierseuchenrechtlich gesperrten Betriebs D... eine erhebliche Verbreitungsgefahr geschaffen habe. Die Auffassung der Antragstellerin, eine Verletzung von Kennzeichnungsvorschriften habe mit etwaigen Tierseuchengefahren nichts zu tun, überzeugt nicht. Mit ihrem Hinweis auf Art. 4 Abs. 2 Unterabsatz 3 der VO (EG) Nr. 1760/2000 (vom 17. Juli 2000, ABl. L 204 S. 1), wonach Tiere einen Betrieb nur verlassen dürfen, wenn sie nach den Vorschriften dieses Artikels gekennzeichnet sind, zeigt die Antragstellerin im Gegenteil auf, dass die Verordnung - wie auch deren Begründungserwägungen 4 ff. zu entnehmen - der Einhaltung der Kennzeichnungspflichten Bedeutung gerade auch zur Vermeidung der Verbreitung von Krankheiten beimisst. Unzutreffend ist auch ihr Vorbringen, unter Buchstabe A des Anhangs II zur VO (EG) Nr. 73/2009, in dem die Rechtsvorschriften aufgeführt sind, die die Grundanforderungen an die Betriebsführung gemäß Art. 5 VO (EG) Nr. 73/2009 regeln, gehe es ausschließlich um „Umwelt und Kennzeichnung und Registrierung von Tieren“, die unter B aufgeführten Bereiche „Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze“ und „Meldung von Krankheiten“ hätten nichts mit den unter Buchstabe A aufgeführten Rechtsakten (und damit auch der unter Ziffer 7 aufgeführten VO (EG) Nr. 1760/2000) zu tun. Der unter Buchstabe A des Anhangs II der VO (EG) Nr. 73/2009 neben dem Bereich „Umwelt“ (Ziffer 1 bis 5) aufgeführte weitere Bereich mit den Ziffern 6 bis 8 trägt die Überschrift „Gesundheit von Mensch und Tier, Kennzeichnung und Registrierung von Tieren“. Diese Überschrift und die Nennung der hier fraglichen VO (EG) Nr.1760/2000 in diesem Bereich unter Ziffer 7 belegen im Gegenteil, dass der Verordnungsgeber der Einhaltung der Kennzeichnungs- und Registrierungspflichten Bedeutung gerade auch zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier beimisst. Dabei dürfte es - in Abgrenzung zu den unter Buchstabe B, Bereich „Meldung von Krankheiten“ aufgeführten Krankheiten - insbesondere auch um den Schutz vor der Verbreitung von Krankheiten gehen, die - wie die hier in Rede stehende Salmonellose - in nennenswertem Umfang für Menschen gefährlich werden können.

Unergiebig ist schließlich der Hinweis der Antragstellerin auf Art. 70 Abs. 6 VO (EG) Nr. 1122/2009, wonach Verstöße, die in Bezug auf verschiedene Rechtsakte oder Normen desselben Bereichs der anderweitigen Verpflichtungen festgestellt wurden, für die Festsetzung der Kürzung gemäß Art. 72 Abs. 1 als einziger Verstoß anzusehen sind. Hieraus kann jedenfalls nicht folgen, dass ein Verstoß, der eine Kürzung um 100 % begründet, nur deshalb zu einer Sanktion von 20 % führt, weil der Betriebsinhaber weitere Verstöße begangen hat, die - für sich genommen - nur mit der Regelsanktion der Kürzung um 20 % geahndet würden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).