Gericht | OLG Brandenburg 5. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 27.08.2012 | |
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Aktenzeichen | 3 UF 41/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Antrag des Vaters auf Feststellung, dass ihn der angefochtene Beschluss in seinen Rechten verletzt hat, wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden für das Verfahren erster und zweiter Instanz nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Durch Beschluss vom 29.3.2012 (7 F 151/12) hat das Amtsgericht den Eltern die Personensorge für das Kind im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig entzogen und das Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt. Durch Beschluss vom 12.4.2012 hat das Amtsgericht wiederum im Wege der einstweiligen Anordnung dem Vater aufgegeben, das Kind an das Jugendamt herauszugeben. Durch den angefochtenen Beschluss vom 20.4.2012 hat das Amtsgericht im Hinblick auf die Herausgabepflicht die Anwendung unmittelbaren Zwangs angeordnet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tenor im angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Der Vater hat gegen die drei genannten Entscheidungen des Amtsgerichts jeweils Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde hinsichtlich des vorläufigen Entzugs der Personensorge hat der Vater, nachdem im Senatstermin vom 14.5.2012 (3 UF 33/12) eine Vereinbarung über den Umgang mit dem Kind geschlossen worden war, zurückgenommen. Die Rücknahme hinsichtlich der Beschwerde gegen die Anordnung der Herausgabe ist durch Schriftsatz vom 16.5.2012 erfolgt. Allein aufrecht erhalten hat der Vater die Beschwerde hinsichtlich der Anordnung unmittelbaren Zwangs.
Letztlich hat der Vater das Kind an das Jugendamt herausgegeben. Unter dem 20.4.2012 hat das Jugendamt mitgeteilt, das Kind sei am 19.4.2012 um 18:00 Uhr in P… eingetroffen und sicher untergebracht.
Durch Verfügung vom 22.5.2012 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass sich das Verfahren in der Hauptsache erledigt habe und nur noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden sei. Sofern der Beschwerdeführer noch eine Entscheidung in der Sache wünsche, dürfte dies mangels Rechtsschutzbedürfnis zur Verwerfung der Beschwerde führen.
Hierauf hat der Vater in der Sache weiter vorgetragen und insbesondere geltend gemacht, der angefochtene Beschluss stelle einen Eingriff in seine Grundrechte dar, weshalb die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehrt werde.
II.
Die gemäß §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde über die der Senat nach Übertragung durch den Einzelrichter in der nach dem GVG vorgesehenen Besetzung entscheidet, führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Dem nach Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache gestellten Antrag des Vaters festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung ihn in seinen Rechten verletzt habe, kann nicht entsprochen werden.
1.
Das Verfahren in der Hauptsache hat sich erledigt.
Eine Hauptsache ist erledigt, wenn nach Einleitung des Verfahrens der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, das eine Änderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, weggefallen ist. sodass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, weil eine Entscheidung nicht mehr ergehen kann (BGH, FGPrax 2011, 39 Tz. 11; NJW 1982, 2505, 2506; Keidel/Sternal, FamFG, 17. Auflage, § 22 Rn. 24). Das ist insbesondere der Fall, wenn die gerichtliche Entscheidung aufgrund veränderter Umstände keine Wirkung mehr entfalten könnte (OLG München, FGPrax 2006, 228; Hahne/Munzig/Gutjahr, BeckOK FamFG, 5. Edition, § 62 Rn. 1). So liegt es hier. Denn nachdem das Kind am 19.4.2012 nach P… zurückgekehrt war, konnte der am 20.4.2012 erlassene Beschluss, durch den der unmittelbare Zwang angeordnet worden ist, keine Wirkung mehr entfalten.
2.
Mit Rücksicht auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 6.6.2012, auf den der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 16.8.2012 nochmals Bezug genommen hat, ist davon auszugehen, dass er an dem Begehren, eine Sachentscheidung zu erhalten, nicht mehr festhält. Er hat hier zwar ausgeführt, seinem Rechtsmittel fehle es nicht an einem Rechtschutzbedürfnis. Dies bezieht sich aber offensichtlich nicht auf das Sachbegehren. Denn er hat nach Erteilung des Hinweises des Senats vom 22.5.2012 nicht etwa die Abänderung des angefochtenen Beschlusses aus Sachgründen begehrt, sondern deutlich gemacht, dass er die Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses wünscht.
Da es dem Beschwerdeführer somit nicht allein um die Verfahrenskosten geht, kommt es auf die Frage ob ein erst nach Erledigung der Hauptsache im Kosteninteresse eingelegtes Rechtsmittel stets unzulässig ist, wenn die angefochtene Entscheidung keine isoliert anfechtbare Kostenentscheidung enthält (vgl. BGH, Beschluss vom 8.12.2011 - V ZB 170/11, BeckRS 2012, 02334 Tz 5 ff) und ob vorliegend die Kostenentscheidung gesondert anfechtbar wäre, nicht an.
3.
Dem Antrag festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, kann nicht entsprochen werden.
a)
Allerdings findet die Vorschrift des § 62 FamFG im vorliegenden Verfahren grundsätzlich (entsprechende) Anwendung.
Gemäß § 62 Abs, 1 FamFG spricht das Beschwerdegericht, wenn sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt hat, auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder eine Wiederholung konkret zu erwarten ist, § 62 Abs. 2 FamFG. Diese Vorschrift findet nach ihrer systematischen Stellung Anwendung in dem Verfahren über die Beschwerde gegen die Endentscheidung im Sinne der §§ 58 ff. FamFG.
Vorliegend handelt es sich wegen der Verweisung in § 87 Abs. 4 FamFG auf §§ 567 ff. ZPO nicht um die Beschwerde gegen eine Endentscheidung im Sinne der §§ 58 ff. FamFG, sondern um eine sofortige Beschwerde entsprechend §§ 567 bis 572 ZPO. Das hat zur Folge, dass grundsätzlich die §§ 567 ff. ZPO im Beschwerdeverfahren an die Stelle der 58 ff. FamFG treten. Die Beschwerdevorschriften des FamFG werden aber dann nicht verdrängt, wenn sie den sachlichen Unterschieden zwischen ZPO- und FamFG-Verfahren Rechnung tragen (Keidel/Meyer-Holz, a.a.O., § 58 Rn. 89 unter Bezugnahme auf BGH, NJW 2006, 2122 Tz. 8). Das trifft insbesondere auf §§ 60, 62 FamFG zu (Keidel/Meyer-Holz, a.a.O.). Wenn § 62 FamFG dem Beschwerdeführer nach Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache die Möglichkeit eröffnet, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gerichtlichen Entscheidung zu begehren, darf sich dies nicht auf das Erkenntnisverfahren beschränken, sondern muss in gleicher Weise auch für das mit diesem in engem Zusammenhang stehende Vollstreckungsverfahren gelten.
b)
Ob einem Antrag nach § 62 FamFG vorliegend entgegensteht, dass das Kind schon vor Erlass der angefochtenen Entscheidung herausgegeben worden ist (vgl zum Zeitpunkt der Erledigung auch Hahne/Munzig/Gutjahr, a.a.O., § 62 Rn 4 ff.), kann offen bleiben.
c)
Denn die weiteren Voraussetzungen für die Feststellung der Rechtsverletzung nach § 62 Abs. 1 FamFG liegen hier nicht vor.
aa)
Es kann dahinstehen, ob durch die angefochtene Entscheidung schwerwiegend in Grundrechte des Beschwerdeführers eingegriffen worden ist, so dass ein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer etwaigen Rechtswidrigkeit gegeben ist.
Das Feststellungsinteresse ist insbesondere in Fällen gegeben, in denen sich die direkte Belastung durch den Hoheitsakt regelmäßig auf eine relative kurze Zeitspanne beschränkt, so dass der Beschwerdeführer eine Entscheidung des für die Überprüfung der Entscheidung zuständigen Gerichts vor Erledigung der Hauptsache regelmäßig kaum erlangen kann, was auf richterlich angeordnete Wohnungsdurchsuchungen, polizeirechtlichen Unterbindungsgewahrsam, vorläufige Unterbringungen und Freiheitsentziehungsmaßnahmen zutrifft (vgl. Hahne/ Munzig/Gutjahr, a.a.O., § 62 Rn. 21). Doch auch Eingriffe in die elterliche Sorge, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. Keidel/Buddel, a.a.O., § 62 Rn. 14), und das grundgesetzlich geschützte Umgangsrecht können grundsätzlich Anlass für einen Antrag nach § 62 FamFG sein (Maurer, FamRZ 2009, 465, 474; Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, FamFG, 3. Auflage, § 62 Rn. 13; Hahne/Munzig/Gutjahr, a.a.O., § 62 Rn. 21). Entsprechendes muss für das Verfahren auf Kindesherausgabe gelten. Ob ein Beschluss, durch den – wie vorliegend – nach vorangegangener Herausgabeentscheidung unmittelbarer Zwang angeordnet worden ist, mit einem weitergehenden Grundrechtseingriff verbunden ist, der eine Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses im Vollstreckungsverfahren rechtfertigt, bedarf hier keiner Entscheidung.
bb)
Denn jedenfalls ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Beschluss nicht im Sinne von § 62 Abs. 1 FamFG in seinen Rechten verletzt worden.
(1)
Allein die Anordnung einer rechtswidrigen Maßnahme reicht für den Feststellungsantrag nach § 62 Abs. 1 FamFG nicht aus. Hinzukommen muss, dass die Maßnahme durch einen Eingriff in die Rechte des Beteiligten tatsächlich vollzogen worden ist. Andernfalls reicht die gewöhnliche Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung aus. Ein berechtigtes Interesse an einer zusätzlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit ist dann nicht gegeben (BayObLG, FGPrax 2004, 307, 308; OLG Frankfurt, FGPrax 2005, 88, 89; Jennissen, FGPrax 2009, 93, 98; Keidel/Budde, a.a.O., § 62 Rn. 12; Hahne/Munzig/Gutjahr, a.a.O., § 62 Rn. 16; vgl. auch BGH, NJOZ 2008, 1890, 1897 Tz. 28; a.A. OLG Köln, FGPrax 2006, 232). Insbesondere dann, wenn sich die Hauptsache schon vor dem angedrohten Eingriff in Grundrechte erledigt hat, ist für den Feststellungsantrag kein Raum mehr (OLG Hamm, FGPrax 2004, 231, 232; Hahne/ Munzig/Gutjahr, a.a.O., § 62 Rn. 23). In einem solchen Fall kann sich der Beschwerdeführer nur darauf beschränken, nach Erledigung des Rechtsmittels eine für ihn günstige Kostenentscheidung zu verlangen.
Hier fehlt es am Vollzug der angefochtenen Entscheidung. Zur Ausübung unmittelbaren Zwanges ist es nicht mehr gekommen, da das Kind schon zuvor an das Jugendamt herausgegeben worden ist.
(2)
Soweit der Beschwerdeführer auch die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse des Amtsgerichts vom 29.3. und 12.4.2012 in Zweifel zieht, kann er damit im vorliegenden Vollstreckungsverfahren nicht durchdringen. Denn die Vollstreckung baut auf der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen im Erkenntnisverfahren auf. Eine erneute Prüfung der Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung findet grundsätzlich nicht statt (BGH, NJW-RR 2012, 324 Tz. 22).
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 87 Abs. 5, 84 FamFG.
Gemäß § 87 Abs. 5 FamFG gelten für die Kostenentscheidung im Vollstreckungsverfahren die §§ 80 bis 82 und 84 FamFG entsprechend. Dies hat zur Folge, dass hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens § 84 FamFG heranzuziehen ist (vgl. Keidel/Giers, a.a.O., § 88 Rn. 17).
Nach § 84 FamFG soll das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Daraus folgt, dass im Rahmen der gebotenen Ermessensentscheidung eine abweichende Kostenverteilung möglich ist (vgl. Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 84 Rn. 13). Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nicht mit seinem ursprünglichen Beschwerdebegehren, sondern mit dem Feststellungsantrag nach § 62 Abs. 1 FamFG keinen Erfolg hatte. Hinzu kommt, dass es nicht der Billigkeit entspricht, die Kosten des vorliegenden Vollstreckungsverfahrens insgesamt dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Kind schon am 19.4.2012 nach P… zurückgekehrt ist, so dass es des angefochtenen Beschlusses nicht mehr bedurft hätte. Insoweit ist offenbar die gebotene Kommunikation zwischen dem Jugendamt und dem Amtsgericht vor Erlass der angefochtenen Entscheidung unterblieben.
Dies rechtfertigt es, in entsprechender Anwendung von § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG anzuordnen, dass von der Erhebung der Gerichtskosten erster und zweiter Instanz abzusehen ist. Im Übrigen ist entsprechend dem Grundsatz der Zurückhaltung in Familiensachen eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht anzuordnen (vgl. BayObLG, FamRZ 1989, 886, 887; OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, FamRZ 2009, 998; OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, FamRZ 2007, 57; Verfahrenshandbuch Familiensachen – FamVerf-/Gutjahr, 2. Auflage, § 2 Rn. 204).
5.
Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 70 FamFG zugelassen. Denn die Frage, ob ein Antrag nach § 62 FamFG nur erfolgreich sein kann, wenn die gerichtliche Maßnahme durch einen Eingriff in die Rechte des Beteiligten tatsächlich vollzogen worden ist, hat grundsätzliche Bedeutung.