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Entscheidung VG 1 K 720/13


Metadaten

Gericht VG Cottbus 1. Kammer Entscheidungsdatum 26.11.2020
Aktenzeichen VG 1 K 720/13 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2020:1126.VG1K720.13.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 43 VwGO, § 119 AO 1977, § 122 AO 1977, § 124 AO 1977, § 125 AO 1977

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat. Es wird festgestellt, dass die Grundsteuerbescheide des Beklagten vom 28. März 1995 für die Jahre 1991 bis 1995 und vom 16. August 2002, soweit die Festsetzung der Grundsteuer für die Jahre 1998 und 1999 betroffen ist, nichtig sind. Weiterhin wird festgestellt, dass die Grundsteuerbescheide des Beklagten vom 05. Januar 1996 für das Jahr 1996 und vom 10. Februar 1997 für das Jahr 1997 unwirksam sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu drei Fünftel und der Beklagte zu zwei Fünftel.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit von Grundsteuerbescheiden (Grundsteuer B) für die Jahre 1991 bis 2009 und Folgejahre.

Sie war Eigentümerin des im Grundbuch von S..., B..., verzeichneten Grundstücks der G... und 2...(postalisch: S...).

Das damalige Finanzamt H...teilte dem beklagten Amt mit Schreiben vom 22. November 1994 mit, gegenüber der „H...“ für das Grundstück „S... den Einheitswertbescheid und Grundsteuermessbescheid auf den 01. Januar 1991 berichtigt zu haben.

Mit Bescheid vom 01. Januar 1995 setzte das beklagte Amt die Grundsteuer B für das Grundstück der Klägerin für das Jahr 1995 auf DM 9.364,80 fest. Mit weiterem Bescheid vom 28. März 1995 setzte das beklagte Amt auf Grundlage der Mitteilung des Finanzamts H...vom 22. November 1994 die Grundsteuer B für die Jahre 1991 bis 1995 neu auf insgesamt DM 105.168,00 (Jahresbetrag: DM 21.033,60) fest. Beide Bescheide waren an die „H...“ gerichtet. Gegen den Bescheid vom 28. März 1995 erhob die Klägerin mit Schreiben vom 24. April 1995 Widerspruch. Daraufhin teilte das beklagte Amt mit Schreiben vom 22. Mai 1995 mit, dem Widerspruch nicht stattgeben zu können. Die Stadt S...sei laut Haushaltssatzung verpflichtet, die Grundsteuer auf Grundlage der Mitteilung des Finanzamts über den Einheitswert- und Grundsteuermessbescheid neu festzusetzen. Das Schreiben vom 22. Mai 1995 war an die „B...“ gerichtet und wies keine Rechtsbehelfsbelehrung auf.

Bereits wenige Tage zuvor, mit Beschluss vom 10. Mai 1995 (G...), hatte das seinerzeitige Kreisgericht Cottbus in dem Verfahren über die Prüfung der Eröffnung der Gesamtvollstreckung über das Vermögen der Klägerin gemäß § 2 Abs. 3 der Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) zur Sicherung der Masse und zum Schutze der Gläubiger Folgendes angeordnet:

„Gegen die Schuldnerin wird ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen. Ihr wird insbesondere untersagt, Gegenstände ihres Vermögens zu veräußern, zu belasten und Forderungen einzuziehen. Es wird Sequestration angeordnet.
Zum Sequester wird der B...
bestellt.
Er soll das vollstreckungsbefangene Vermögen der Schuldnerin in Verwahrung und Verwaltung nehmen sowie die Außenstände einziehen und auf ein von ihm einzurichtendes Anderkonto nehmen.
Verfügungen im Zusammenhang mit der Sicherung und Verwaltung des Vermögens stehen nur dem Sequester zu. Die Schuldnerin hat sich insoweit jeglicher Verfügungen zu enthalten. (…)“

Der Beschluss des Kreisgerichts Cottbus vom 10. Mai 1995 wurde dem Sequester am 15. Mai 1995 und der Klägerin am 16. Mai 1995 zugestellt. Die Anordnung der Sequestration wurde am 17. Mai 1995 im Grundbuch von S..., B..., eingetragen.

Mit Beschluss vom 26. Juli 1995 (G...) eröffnete das Amtsgericht Cottbus über das Vermögen der Klägerin die Gesamtvollstreckung wegen Zahlungsunfähigkeit. Zum Verwalter gemäß § 5 Nr. 2 GesO (nachfolgend: Gesamtvollstreckungsverwalter) wurde der bisherige Sequester bestellt. Die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens wurde am 28. August 1995 im Grundbuch von S..., eingetragen.

Mit Beschluss vom 15. August 1995 berief eine außerordentliche Gesellschafterversammlung Herrn B... als Geschäftsführer (nachfolgend nur: der Geschäftsführer) der Klägerin ab. Eine Eintragung der Abberufung in das Handelsregister (HRB 445 CB) erfolgte nicht.

Nachdem der Gesamtvollstreckungsverwalter in seinem ersten Bericht vom 25. August 1995 an das Amtsgericht Cottbus in besagtem Gesamtvollstreckungsverfahren bereits ausgeführt hatte, dass die Masse aller Voraussicht nach nicht an einer Verwertung des Grundbesitzes partizipieren dürfte, erklärte er mit Schreiben vom 14. November 1995 gegenüber der grundbuchlich besicherten Pfandgläubigerin, der damaligen V... und nach seinen eigenen Angaben mit selber Post auch gegenüber der Klägerin, dass er den Grundbesitz aus der Vollstreckungsmasse freigegeben habe. In seinem Sachstandsbericht an das Amtsgericht Cottbus vom 19. Dezember 1995 teilte der Gesamtvollstreckungsverwalter mit, er habe gegenüber den dinglich gesicherten Gläubigern die Freigabe der Immobilie erklärt, da die Masse aus einer Veräußerung keine liquiden Mittel zu erwarten gehabt habe.

Mit Bescheid vom 05. Januar 1996 setzte das beklagte Amt gegenüber der „H...“ die Grundsteuer B für das Jahr 1996 auf DM 21.033,60 fest.

Das Amtsgericht Bad Liebenwerda ordnete mit Beschluss vom 08. Januar 1997 (A...) auf Antrag der V... die Zwangsverwaltung der im Grundbuch von S..., auf den Namen der Klägerin eingetragenen Flurstücke an. Als Verwalter wurde H...bestellt. Mit Beschluss vom 09. April 1997 hob das Amtsgericht Bad Liebenwerda die Zwangsverwaltung wieder auf, nachdem die V... ihren Zwangsverwaltungsantrag zurückgenommen hatte.

Im Sachstandsbericht an das Amtsgericht Cottbus vom 19. April 1997 verwies der Gesamtvollstreckungsverwalter erneut darauf, die Immobilie zugunsten der Grundpfandgläubigerin freigegeben zu haben, da aus der Verwertung heraus ein Erlös für die Masse nicht absehbar gewesen sei. Nach Freigabe der Immobilie sei der Gesamtvollstreckungsverwalter nur noch sporadisch im Objekt gewesen, wobei er wiederholt Verwüstungen und Unzulänglichkeiten habe feststellen können, die im Februar 1997 offenbar ihren Höhepunkt erreicht hätten. Zudem sei zwischenzeitlich die Zwangsversteigerung der Immobilie eingeleitet worden. In seinem weiteren Sachstandsbericht vom 12. Februar 1998 an das Amtsgericht Cottbus wies der Gesamtvollstreckungsverwalter noch einmal darauf hin, die Immobilie aus der Masse freigegeben zu haben, damit die grundbuchrechtlich gesicherten Grundpfandgläubiger möglichst eine Befriedigung ihrer Ansprüche erhalten könnten, um angemeldete Ansprüche dieser Gläubiger im Gesamtvollstreckungsverfahren entsprechend berichtigen zu können. Im Sachstandsbericht vom 04. September 1998 teilte der Gesamtvollstreckungsverwalter dem Amtsgericht Cottbus bezüglich der Verwertung der aus der Masse freigegebenen Immobilie mit, der Zwangsversteigerungstermin habe stattgefunden, ohne dass ein Zuschlag erteilt worden sei. Mit Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 04. Juni 1999 (A...) wurde das F...im Wege der Zwangsversteigerung veräußert. Bei der Erlösverteilung wurde der Beklagte mit einem Betrag in Höhe von DM 39.093,27 berücksichtigt.

In der Zwischenzeit hatte das beklagte Amt mit Bescheid vom 10. Februar 1997 gegenüber der „H...“ die Grundsteuer B für das Jahr 1997 erneut auf DM 21.033,60 festgesetzt. Entsprechende Festsetzungen für die Jahre 1998, 1999 und 2000 erfolgten mit Bescheiden vom 15. Januar 1998, 28. Januar 1999 und 09. Februar 2000.

Mit Schreiben vom 11. Januar 2001 bat der Gesamtvollstreckungsverwalter das Amtsgericht Cottbus unter Hinweis auf die bereits „in 1999“ erfolgte Freigabe sämtlicher Grundstücke aus der Gesamtvollstreckungsmasse, die Löschung der im Grundbuch eingetragenen Gesamtvollstreckungsvermerke zu veranlassen. Der Bitte kam das Amtsgericht Cottbus mit Ersuchen an das Amtsgericht Bad Liebenwerda – Grundbuchamt – vom 15. Januar 2001 nach. Die Löschung der Vermerke betreffend die Anordnung der Sequestration und die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens erfolgte am 16. Februar 2001.

Mit Bescheid vom 16. August 2002, gerichtet an die „H...“, setzte das beklagte Amt die Grundsteuer für die Jahre 1998, 1999, 2000, 2001 und 2002 auf insgesamt EUR 53.771,55 (Jahresbetrag: EUR 10.754,31) fest. Der Geschäftsführer der Klägerin wendete sich mit Schreiben vom 12. November 2002 an den Beklagten und erhob unter ausdrücklicher Bezugnahme auf einen „Bescheid über die Erhebung einer Gebühr zur Deckung der Beiträge und Umlagen vom 23.10.2002“ Widerspruch. Im Rahmen der Begründung führte der Geschäftsführer unter anderem aus, auch der „Veranlagungsbescheid 2002“ sei dem Grunde und der Höhe nach unrichtig. Bescheide seien seit Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Klägerin an den Gesamtvollstreckungsverwalter bekannt zu geben. Sämtliche Bescheide sowohl der Vergangenheit als auch in der Zukunft gingen daher ins Leere. Die betreffenden Bescheide könnten deshalb auch nicht bestandskräftig werden. Darüber hinaus sei der durch das Finanzamt H...ermittelte und der Veranlagung zugrunde gelegte Einheitswert nicht zutreffend. Auch der Hebesatz sei nicht zutreffend ermittelt. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2003 wies das beklagte Amt den ihrer Auffassung nach als Widerspruch (auch) gegen den Bescheid vom 16. August 2002 zu wertenden Einwendungen im Schreiben vom 12. November 2002 als unzulässig, da verfristet, zurück.

Bereits mit Schreiben vom 14. November 2002 hatte der Geschäftsführer der Klägerin dem Amtsgericht Cottbus in dem Gesamtvollstreckungsverfahren 6... mitgeteilt, es ergebe sich für ihn folgender Sachverhalt:

„Herr W... (…) hat damals die Tätigkeit als Insolvenzverwalter aufgenommen. Durch ein formloses Schreiben hat er später angezeigt, dass er die Immobilien „freigebe“. (…)

Und weiter führt der Geschäftsführer der Klägerin in demselben Schreiben unter Verweis auf einen möglicherweise bestehenden Handlungsbedarf für die Sicherheit und Ordnung der Immobilie aus:

„Ich rege daher an, dass Sie entweder Herrn C...oder aber Herrn H...darum bitten, die Insolvenz- bzw. Zwangsverwaltung fortzuführen. (…)“

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2002 antwortete das Amtsgericht Cottbus dem Geschäftsführer der Klägerin, der Gesamtvollstreckungsverwalter sei berechtigt, Gegenstände aus dem insolvenzbefangenen Vermögen freizugeben. Dies sei hier erfolgt, da der Gesamtvollstreckungsverwalter aus der Verwertung des Grundstücks keinen Erlös für die Masse erwartet habe. Da das Grundstück nicht mehr Bestandteil der Gesamtvollstreckungsmasse sei, sei für die Einhaltung von Verkehrssicherungspflichten die Schuldnerin zuständig. Der Anregung auf die Neubestellung eines Verwalters für die Immobilie könne mangels gesetzlicher Grundlage nicht entsprochen werden. Hierauf antwortete der frühere Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin im Namen des „R... einem gemeinnützigen Verein zur Unterstützung von Wirtschaftsopfern und zur Verhütung von Wirtschaftskriminalität. Mit – nicht unterzeichnetem – Schreiben vom 06. Januar 2003 forderte er erneut die Neubestellung eines Verwalters für die Immobilie. Mit Schreiben vom selben Tage teilte das Amtsgericht Cottbus mit, das Grundstück sei „bereits 1997“ freigegeben worden und somit nicht mehr Massebestandteil. Im Übrigen werde auf das Schreiben vom 30. Dezember 2002 verwiesen.

Mit Bescheid vom 27. März 2003 setzte das beklagte Amt die Grundsteuer für besagtes Grundstück für das Jahr 2003 auf EUR 10.754,31 fest. Eine entsprechende Festsetzung für das Jahr 2004 erfolgte mit Bescheid vom 13. Februar 2004. Beide Bescheide waren an die „H...“ gerichtet.

Mit Bescheid vom 30. März 2004 setzte das damalige Finanzamt F...den Grundsteuermessbetrag zum 01. Januar 2000 auf EUR 684,31 fest. Der Grundsteuermessbescheid erging für die „B...“ und war an „H...“ adressiert. Mit Änderungsbescheid vom 26. November 2004 veranlagte das beklagte Amt die „H...“ daraufhin neu zur Grundsteuer B und setzte für die Jahre 2000, 2001, 2002, 2003 und 2004 jeweils einen Betrag in Höhe von EUR 2.052,93 fest. Entsprechende Festsetzungen erfolgten für die Jahre 2005 und 2006 mit Bescheiden vom 28. Februar 2005 und 27. März 2006.

Mit an die „B...“ gerichteten Bescheid vom 12. Februar 2007 setzte das beklagte Amt die Grundsteuer B für das Jahr 2007 erneut auf EUR 2.052,93 fest. Mit Bescheid vom 03. April 2008 wurde die Grundsteuer B für das Jahr 2008 nach einer Hebesatzänderung auf EUR 2.189,79 festgesetzt.

Das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Klägerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 10. Juni 2008 mangels weiterer die Kosten des Verfahrens deckender Masse gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 3 GesO eingestellt. Am 12. November 2008 wurde die Klägerin aus dem Handelsregister gelöscht.

Mit an „B...“ gerichteten Bescheid vom 17. März 2009 setzte das beklagte Amt die Grundsteuer B für das Jahr 2009 und Folgejahre auf jeweils EUR 2.189,79 fest.

Zum 26. April 2009 meldete der Geschäftsführer der Klägerin seine private Hauptwohnung S...– Meldebehörde – ab. Als neue Hauptwohnung wurde eine Adresse in Brasilien angegeben.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 05. September 2011 (G...) wurde der Geschäftsführer der Klägerin als Liquidator gemäß § 66 Abs. 5 GmbHG zur Vollbeendigung der Gesellschaft bestellt. Nach Löschung der Klägerin im Handelsregister habe sich herausgestellt, dass die Klägerin noch als Eigentümerin im Grundbuch (S...) eingetragen sei. Die Klägerin veräußerte mit notariellem Kaufvertrag vom 12. November 2012 (U...) das in ihrem Eigentum verbliebene Grundstück, bestehend aus den Flurstücken 2..., zu einem Kaufpreis von EUR 15.000,00. Mit an die V.... gerichteter Pfändungsverfügung mit Einziehungs- und Überweisungsverfügung vom 15. November 2012 über einen Betrag in Höhe von EUR 25.980,43 pfändete das beklagte Amt den Kaufpreiszahlungsanspruch aus vorgenanntem Grundstückskaufvertrag.

Der Grundbesitz wurde am 22. November 2013 von Blatt 8... des Grundbuchs von S...übertragen und die V... als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Bereits am 07. August 2013 hatte die Klägerin Klage erhoben, die sie wie folgt begründet:

Es erschließe sich nicht, weshalb der Beklagte die beiden Bescheide aus der Zeit vor der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens aus dem Jahre 1995 vorlege. Diese Bescheide dürften den Insolvenzforderungen zuzurechnen sein und sich spätestens mit Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens erledigt haben.

Die sieben Grundsteuerbescheide mit Daten vom 01. Januar 1995 bis 09. Februar 2000 seien nicht wirksam bekannt gegeben worden. Es fehle an einer wirksamen Erklärung der Freigabe des Grundstücks S.... Ein Schreiben vom 14. November 1995, mit dem der Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren die Freigabe des in Rede stehenden Grundstücks erklärt haben will, habe der Geschäftsführer der Klägerin niemals erhalten. Von der vermeintlichen Freigabe des Grundstücks habe der heutige Liquidator der Klägerin erst im Jahre 2002 im Zuge des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Cottbus (A...) erfahren. Ungeachtet dessen sei Herr G...auch nicht richtiger Empfänger einer Freigabeerklärung gewesen, da er mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 15. August 1995 von der Geschäftsführung abberufen worden sei. Selbst wenn aber die Freigabe des Grundstücks wirksam erklärt worden wäre, führe die Ausgestaltung der „Beitragsschuld als persönliche Schuld“ gleichwohl dazu, dass richtiger Adressat der Grundsteuerbescheide weiterhin der Gesamtvollstreckungsverwalter sei. Die Grundsteuerbescheide seien nach alledem in jedem Fall an den Gesamtvollstreckungsverwalter zu richten gewesen.

Ferner sei nicht berücksichtigt worden, dass hinsichtlich des Grundstücks im Jahre 1996 ein Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet worden sei, das erst mit dem das Flurstück 2... betreffenden Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 04. Juni 1999 (A...) beendet und im Jahre 1997 kurzzeitig außerdem die Zwangsverwaltung des Grundstücks durch das Amtsgericht Bad Liebenwerda (A...) angeordnet worden sei. Nachdem die Gesellschaft am 12. November 2008 aus dem Handelsregister gelöscht worden sei, sei der Geschäftsführer der Klägerin erst mit Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 05. September 2011 (G...) als Nachtragsliquidator bestellt worden.

Selbst wenn die zahlungsunfähige Gesellschaft seinerzeit Adressat der in Rede stehenden Grundsteuerbescheide hätte sein können, fehle es gleichwohl an einer wirksamen Bekanntgabe. Die Grundsteuerbescheide vom 01. Januar 1995, 28. März 1995, 05. Januar 1996, 10. Februar 1997, 15. Januar 1998, 28. Januar 1999 und 09. Februar 2000 seien unzutreffend an eine „H...“ gerichtet und die Geschäftsräume in der S... hätten leer gestanden, sodass dort niemand habe erreicht werden können.

Auch die Grundsteuerbescheide vom 16. August 2002, 27. März 2003, 13. Februar 2004, 26. November 2004, 28. Februar 2005, 27. März 2006 und 12. Februar 2007 seien – ebenfalls unzutreffend – an eine H... gerichtet. Zudem seien sie fehlerhaft „...“ gerichtet, der seit August 1995 nicht mehr Geschäftsführer der Klägerin gewesen sei. Zudem sei H...im fraglichen Zeitraum für mehrere Jahre in Brasilien und nicht unter seiner privaten Adresse in F...gemeldet gewesen.

Der Grundsteuerbescheid vom 03. April 2008 bezeichne – insoweit korrekt – die „B...“, sei jedoch ebenfalls unzutreffend an die Adresse in F...gerichtet. Ein Bekanntgabeadressat sei dem Bescheid nicht zu entnehmen.

Der Grundsteuerbescheid vom 17. März 2009 sei ausschließlich an Herrn G...unter einer weiteren privaten Adresse in F...gerichtet. Von der Klägerin als Inhaltsadressatin sei keine Rede mehr.

Nachdem sich die Klägerin mit ihrer Klage zunächst (1) gegen die Pfändungsverfügung der Beklagten mit Einziehungs-/Überweisungsverfügung vom 15. November 2012 gewendet hat, (2) die Feststellung begehrt hat, dass der Gesamtvollstreckungsverwalter seit dem Jahr 1995 keine das hier in Rede stehende Grundstück betreffende Abgabenbescheide erhalten habe, außerdem (3) die Löschung sämtlicher im Grundbuch von S..., B..., eingetragenen Sicherungs- und Zwangshypotheken, (4) die Freistellung des Grundstücks von sämtlichen Abgabenlasten sowie (5) die Rückzahlung des aus dem Zwangsversteigerungsverfahren (AG Bad Liebenwerda, A...) erlösten Betrages in Höhe von DM 39.093,27 (entspricht EUR 19.988,07) begehrt hat,

beantragt die Klägerin nunmehr unter Rücknahme der Klage im Übrigen,

festzustellen, dass die seitens des Beklagten erlassenen Bescheide über die Grundsteuer vom 01. Januar 1995, 28. März 1995, 05. Januar 1996, 10. Februar 1997, 15. Januar 1998, 28. Januar 1999, 09. Februar 2000, 16. August 2002, 27. März 2003, 13. Februar 2004, 26. November 2004, 28. Februar 2005, 27. März 2006, 12. Februar 2007, 03. April 2008 und 17. März 2009 nichtig sind.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält die geänderte Klage für unzulässig, da richtige Beklagte nunmehr die Stadt S..., vertreten durch das Amt S..., und nicht mehr der Amtsdirektor sei. Die in Rede stehenden Grundsteuerbescheide seien im Übrigen allesamt rechtmäßig.

Mit Beschluss vom 25. Februar 2014 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Mit Schriftsätzen vom 29. Mai 2020 und 26. Juni 2020 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung erklärt. Mit Schriftsätzen vom 10. November 2020 und 11. November 2020 erklärten die Beteiligten, weiterhin auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verzichten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die beigezogenen Gerichtsakten (Amtsgericht Cottbus – 6...–; Verwaltungsgericht Cottbus – V... –) Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I. Trotz der mit Beschluss vom 25. Februar 2014 erfolgten Übertragung des Rechtsstreits zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter war die Kammer zur Entscheidung berufen. Denn das Verfahren ist nach Übergang auf die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Cottbus durch Beschluss des Präsidiums mit Wirkung zum 01. Juli 2020 infolge der kammerinternen Geschäftsverteilung nach § 21g Abs. 2, 2. Halbsatz des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) dem an diesem Tage zum Richter auf Probe ernannten und der 1. Kammer zugeteilten neuen Mitglied als Berichterstatter zugewiesen worden. Dieser war im Entscheidungszeitpunkt an einer Entscheidung als Einzelrichter aber von Gesetzes wegen gehindert.

§ 6 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bestimmt, dass ein Richter auf Probe im ersten Jahr nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein darf. Die Einzelrichterübertragung geht daher für diesen Zeitraum ins Leere und ist schwebend unwirksam, wenn der kammerinterne Geschäftsverteilungsplan hierzu eine Übergangsregelung im Sinne des § 21g Abs. 3 GVG nicht enthält. Für diesen Zeitraum fällt die Entscheidungskompetenz an den Spruchkörper zurück (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. Januar 2011 – A 9 S 2774/10 –, juris Rn. 6).

Anders als im Falle der Einzelrichterübertragung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO, steht es im Ermessen des Berichterstatters, ob er von der Möglichkeit nach § 87a Abs. 2, 3 VwGO Gebrauch macht (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 87a Rn. 8). Das nach § 87a Abs. 2, 3 VwGO erklärte Einverständnis der Beteiligten mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter steht daher der Entscheidung durch die Kammer nicht entgegen.

Die Kammer konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

II. Soweit die Klägerin die Klage nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vom 06. Juni 2014 zurückgenommen hat (§ 92 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

III. Im Übrigen hat die Klage nur teilweise Erfolg.

1. Die Klageänderung ist zulässig, da sie die Kammer für sachdienlich hält, § 91 Abs. 1, 2. Alt. VwGO. Sachdienlichkeit ist hier anzunehmen, da auch für die geänderte Klage der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt und die Klageänderung die endgültige Beilegung des Streites fördert (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 91 Rn. 19 m.w.N.).

Infolge der Klageänderung war das Rubrum von Amts wegen dahingehend zu berichtigen, dass Beklagter das Amt S..., vertreten durch den Amtsdirektor, ist. Nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist die Klage gegen die Körperschaft zu richten, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Die Klage ist nicht – wie in der Klageschrift angegeben – gegen die Behörde nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zu richten, da kein Fall der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage vorliegt (vgl. 8 Abs. 2 des Brandenburgischen Verwaltungsgerichtsgesetzes [BbgVwGG]). Dies kann jedoch im Wege der – vorrangig in Erwägung zu ziehenden – Rubrumsberichtigung geschehen, da ein und derselbe Rechtsträger betroffen ist.

Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ist dagegen nicht die Stadt S...– und damit ein anderer Rechtsträger – richtige Beklagte. Der Amtsdirektor ist nach der einschlägigen Zuständigkeitsregelung dazu berufen, die hier in Rede stehenden Grundsteuerbescheide unter eigenem Namen zu erlassen. Zwar sind materiell die Gemeinden berechtigt, Grundsteuern zu erheben (§ 1 Abs. 1 des Grundsteuergesetzes [GrStG]). Der Erlass von Abgabenbescheiden ist indes ein Geschäft der laufenden Verwaltung, für das der hauptamtliche Bürgermeister bzw. Hauptverwaltungsbeamte zuständig ist (vgl. § 63 Abs. 1 e. der Gemeindeordnung für das Land Brandenburg [GO] bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 5 der Kommunalverfassung für das Land Brandenburg [BbgKVerf]), der auch Außenvertretungsbefugnis besitzt (§ 67 Abs. 1 GO bzw. § 57 Abs. 1 BbgKVerf). In amtsangehörigen Gemeinden nimmt die Aufgabe des hauptamtlichen Bürgermeisters bzw. Hauptverwaltungsbeamten gerade das Amt durch den Amtsdirektor wahr (§ 63 GO bzw. §§ 135 Abs. 4 Satz 1, 138 Abs. 1 Satz 2 BbgKVerf), der insoweit auch rechtlicher Vertreter des Amtes ist (§ 9 Abs. 4 Satz 1 der Amtsordnung für das Land Brandenburg alte Fassung [AmtsO] bzw. § 140 Abs. 1 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 BbgKVerf). Diese Vertretung ist keine gesetzliche Stellvertretung, bei der der Vertreter im fremden Namen handelt. Vielmehr handelt es sich um eine organschaftliche Vertretung, bei der das vom jeweiligen Amtsinhaber zu unterscheidende und selbst nicht rechtsfähige Organ „Amtsdirektor“ schon deshalb im eigenen Namen handeln darf, weil seine nach außen gerichteten Handlungen kraft Organstellung ohnehin allein der Körperschaft „Amt“ zugerechnet werden können (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. September 2015 – OVG 9 B 13.13 –, juris Rn. 20 [zur Rechtslage gemäß BbgKVerf]).

2. Die Klage ist nur teilweise zulässig.

a) Die Klage ist mangels Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO unzulässig, soweit sich die Klägerin gegen den an H...“ gerichteten Grundsteuerbescheid vom 17. März 2009 (Festsetzung für das Jahr 2009 und Folgejahre) wendet. Sie kann nicht geltend machen, durch den Bescheid in eigenen Rechten verletzt zu sein.

Der Bescheid kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Klägerin Inhaltsadressatin des Bescheides ist. Grundsätzlich genügt für eine wirksame Bekanntgabe an eine GmbH die Adressierung allein an den Geschäftsführer ohne Nennung des Inhaltsadressaten nicht (Fritsch/Koenig, Abgabenordnung, 3. Auflage 2014, § 122 Rn. 49 [„Juristische Personen“]). Dies ist allerdings dann ohne Einfluss auf die Wirksamkeit der Bekanntgabe des Bescheides, wenn der Adressat (hier: die GmbH) aus dem sonstigen Inhalt des Bescheides mit einer jeden Zweifel ausschließenden Sicherheit entnommen werden kann (BFH, Urteil vom 30. Mai 1990 – I R 115/86 –, juris Rn. 34; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 09. Dezember 2008 – 4 K 1237/07
–, juris Rn. 43). Letzteres ist vorliegend allerdings nicht der Fall.

Der Bescheid ist – anders als die Bescheide der Vorjahre – ausschließlich an „B...“ und nicht an die Gesellschaft adressiert. An einer Bezeichnung des Herrn G...als Vertreter der Klägerin fehlt es in dem Bescheid ebenfalls. Zudem ist der Bescheid an die private Adresse des Geschäftsführers der Klägerin adressiert. In dem Bescheid selbst ist lediglich der Steuergegenstand, d.h. die Lage des Grundstücks (S...), genauer bezeichnet. Daraus geht aber nicht hervor, wer Steuerschuldner im Sinne des § 10 GrStG ist. Allein die Gleichartigkeit von „Beleg-Nummer“ und „Debitor-Konto“ gegenüber den Grundsteuerbescheiden der Vorjahre lassen nach Auffassung der Kammer nicht mit einer jeden Zweifel ausschließenden Sicherheit darauf schließen, die Klägerin sei anstelle des Herrn G...Steuerschuldnerin und damit Inhaltsadressatin des Bescheides vom 17. März 2009. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der „Kontoauszug“ auf dem Bescheid vom 17. März 2009 Forderungen früher Bescheide als „noch offen“ ausweist. Zwar waren die früheren Bescheide, auf die der Kontoauszug offenbar Bezug nimmt, nicht an den Geschäftsführer der Klägerin persönlich, sondern an die „B...“ gerichtet. Gleichwohl ist auch aus diesem Umstand nicht mit einer jeden Zweifel ausschließenden Sicherheit zu erkennen, dass die Gesellschaft anstelle ihres Geschäftsführers Inhaltsadressatin des Bescheides vom 17. März 2009 sein soll. Zum einen existiert kein dort aufgeführter Bescheid für das Jahr 2006 vom 15. März 2006. Vielmehr datiert der von dem Beklagten für das Jahr 2006 vorgelegte Bescheid vom 27. März 2006. Darüber hinaus kommt dem Kontoauszug rein informatorische Wirkung zu. Er ist nicht Bestandteil der Festsetzung, worauf der Beklagte in seinem Bescheid auch ausdrücklich hinweist. Auch der Kontoauszug lässt danach nicht mit einer jeden Zweifel ausschließenden Sicherheit erkennen, dass Inhaltsadressatin – entgegen der ausdrücklichen Adressierung des Bescheides vom 17. März 2009 – die Gesellschaft hinsichtlich der Festsetzung für das Jahr 2009 und Folgejahre sein sollte. Erschwerend kommt schließlich noch hinzu, dass die Gesellschaft im Laufe des Jahres 2008 aus dem Handelsregister gelöscht worden ist. Dieser Umstand legt den Schluss nahe, das beklagte Amt habe für das Jahr 2009 und Folgejahre gerade nicht die Klägerin in Anspruch nehmen wollen, sondern vielmehr den Geschäftsführer der Klägerin persönlich.

Lediglich informatorisch macht das Gericht darauf aufmerksam, dass nach Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister am 12. November 2008 für das beklagte Amt kein Anlass bestand, den Bescheid an Herrn G...persönlich zu richten. Denn die bereits im Handelsregister gelöschte juristische Person gilt trotz Vollbeendigung steuerrechtlich so lange als fortbestehend, als noch steuerrechtliche Pflichten (steuerrechtliche Abwicklungsmaßnahmen) zu erfüllen sind (Fritsch/Koenig, Abgabenordnung, 3. Auflage 2014, § 122 Rn. 49 [„Juristische Personen“]). Dem Bescheid ist jedoch – wie bereits ausgeführt – an keiner Stelle zu entnehmen, dass die Gesellschaft selbst Verpflichtete und damit Inhaltsadressatin des Bescheides sein soll.

Inhaltsadressat des Bescheides vom 17. März 2009 ist nach alledem – materiell-rechtlich unrichtig – Herr G...persönlich. Die vorliegende Klage ist jedoch nicht durch ihn persönlich, sondern vielmehr durch die „B...vertreten durch ihren Nachtragsliquidator, Herrn B..., erhoben worden. Da die Klägerin nicht Inhaltsadressatin des angegriffenen Bescheides ist und insoweit nach den vorstehenden Ausführungen auch keine durchgreifenden Zweifel bestehen, ist eine mögliche Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten durch den Bescheid vom 17. März 2009 von vornherein ausgeschlossen.

b) Hinsichtlich der übrigen Bescheide ist die Klage dagegen zulässig.

aa) Entsprechend dem Begehren der Klägerin (vgl. §§ 88, 86 Abs. 3 VwGO) ist die Klage als Nichtigkeitsfeststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1, 2. Alt. VwGO statthaft, soweit sie geltend macht, dass die Bescheide nichtig seien. Der Grundsatz der Subsidiarität (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) steht der Zulässigkeit der Nichtigkeitsfeststellungsklage nicht entgegen, § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGO.

Soweit die Klägerin einwendet, die Bescheide seien mangels Bekanntgabe ihr gegenüber unwirksam, ist dagegen die allgemeine Feststellungklage (§ 43 Abs. 1, 1. Alt. VwGO) statthafte Klageart. Denn bei einer Klage, die die Feststellung der fehlenden Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes aufgrund fehlerhafter Bekanntgabe zum Gegenstand hat, handelt es sich nicht um eine Nichtigkeitsfeststellungsklage, sondern um eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (BVerwG, Urteil vom 21. November 1986 – 8 C 127/84 –, juris Rn. 16). Insoweit ist der wörtlich gestellte Antrag dahingehend auszulegen, dass die Feststellung begehrt ist, der Verwaltungsakt sei nicht wirksam (geworden) und habe deshalb die mit ihm beabsichtigte Regelung nicht erreicht. Unter Rechtsschutzgesichtspunkten unterscheidet sich der Fall fehlerhafter Bekanntgabe allerdings nicht wesentlich vom Fall der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes. Die Gleichartigkeit beider Fallgestaltungen führt dazu, dass die Feststellungsklage insoweit wahlweise neben der Anfechtungsklage statthaft ist und § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGO insoweit entsprechende Anwendung findet (vgl. BFH, Beschluss vom 16. September 2004 – VII B 20/04 –, juris Rn. 7 m.w.N. [zur gegenüber § 43 VwGO wörtlich identischen Bestimmung des § 41 der Finanzgerichtsordnung – FGO]; im Ergebnis ebenso: BVerwG, a.a.O.).

bb) Der Klägerin mangelt es auch nicht insoweit an der erforderlichen Klagebefugnis, als die Bescheide des beklagten Amtes zur Festsetzung der Grundsteuer B vom 01. Januar 1995 für das Jahr 1995, vom 09. Februar 2000 für das Jahr 2000, vom 16. August 2002, soweit die Festsetzung für die Jahre 2000, 2001 und 2002 betroffen ist, vom 27. März 2003 für das Jahr 2003 und vom 13. Februar 2004 für das Jahr 2004 aufgrund neuer Steuermessbescheide des Finanzamts durch spätere Bescheide ersetzt worden sind. Denn es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass von den „ersetzten“ Bescheiden aufgrund möglicher Nichtigkeit oder Unwirksamkeit der „ersetzenden“ Bescheide ein Rechtsschein ausgeht. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist aber keine Frage der Zulässigkeit der Klage, sondern vielmehr eine Frage der Begründetheit.

Hinsichtlich der Bescheide vom 15. Januar 1998 und vom 28. Januar 1999, die Festsetzungen für das Jahr 1998 bzw. 1999 enthalten, stellt sich die soeben aufgeworfene Frage dagegen nicht. Denn soweit das beklagte Amt in dem Bescheid vom 16. August 2002 ebenfalls Festsetzungen für die Jahre 1998 und 1999 vorgenommen hat, war damit keine Aufhebung bzw. Ersetzung der zuvor ergangenen Bescheide vom 15. Januar 1998 und vom 28. Januar 1999 verbunden. Die Festsetzung mit Bescheid vom 16. August 2002 erging nicht auf Grundlage eines geänderten Steuermessbescheids des Finanzamts. Vielmehr ist in dem Bescheid vom 16. August 2002 für die hier maßgeblichen Jahre 1998 und 1999 ausdrücklich ein „Zugang“ in Höhe von jeweils EUR 10.754,31 ausgewiesen. Dieser Betrag entspricht dem Jahresbetrag, den das beklagte Amt bereits mit Bescheiden vom 15. Januar 1998 und vom 28. Januar 1999 festgesetzt hatte (DM 21.033,60 = EUR 10.754,31). Ein „Abgang“ und damit eine Aufhebung bzw. Ersetzung der Bescheide vom 15. Januar 1998 und vom 28. Januar 1999 lässt sich dem Bescheid vom 16. August 2002 nicht entnehmen, obwohl der Betrag jeweils in der Spalte „Zu-/Abgang“ aufgeführt ist. Eine Aufhebung wäre aber mit einen negativen Vorzeichen zu kennzeichnen gewesen. So erweckt der Bescheid vom 16. August 2002 den Anschein, als sei die Festsetzung für die Jahre 1998 und 1999 erstmalig vorgenommen worden, wofür auch spricht, dass die Beträge in der Summe der Festsetzung („heutige Anforderung“) enthalten sind.

cc) Der Klägerin steht auch ein berechtigtes Feststellunginteresse zur Seite. Als berechtigtes Feststellungsinteresse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO ist jedes anzuerkennende schutzwürdige Interesse, rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art anzusehen (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2017 – 6 B 14/17 –, juris Rn. 13). Da sich der Beklagte gegenüber der Klägerin Forderungen berühmt, denen die angegriffenen Grundsteuerbescheide zugrunde liegen, besteht ein wirtschaftliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Nichtigkeit der angegriffenen Bescheide. Das gilt auch, soweit es der Klägerin um die Feststellung der Unwirksamkeit wegen fehlender Bekanntgabe geht. Denn das beklagte Amt hält, wie es mit Schriftsatz vom 10. November 2020 auch noch einmal ausdrücklich erklärt hat, an den Bescheiden fest. Es behauptet damit unverändert die Wirksamkeit der Bescheide, sodass von diesen Bescheiden zumindest insoweit ein entsprechender Rechtsschein ausgeht, dass ein schutzwürdiges Feststellunginteresse der Klägerin anzunehmen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 1986 – 8 C 127/84 –, juris Rn. 16).

3. Die Klage ist hinsichtlich der Grundsteuerbescheide des beklagten Amtes vom 28. März 1995 für die Jahre 1991 bis 1995, vom 05. Januar 1996 für das Jahr 1996, vom 10. Februar 1997 für das Jahr 1997 und vom 16. August 2002, soweit die Festsetzung für die Jahre 1998 und 1999 betroffen ist, begründet. Im Übrigen ist die Klage, soweit sie nicht bereits unzulässig ist, unbegründet.

Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide ist das Grundsteuergesetz. Gemäß § 1 Abs. 3 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG) gelten die Bestimmungen der §§ 12 bis 16, 19 und 20 KAG auch für Steuern, Gebühren, Beiträge und sonstige Umlagen, die von den Gemeinden und Gemeindeverbänden aufgrund anderer Gesetze erhoben werden, soweit diese keine Bestimmung treffen. Das Grundsteuergesetz trifft hinsichtlich der hier interessierenden Fragen der Wirksamkeit von Grundsteuerbescheiden keine besondere Bestimmung. Die Wirksamkeit von Grundsteuerbescheiden beurteilt sich daher aufgrund der Verweisung in § 12 Abs. 1 Nr. 3 b. KAG nach den §§ 118 bis 126 Abs. 2 und §§ 127 bis 133 AO.

Gemäß § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist. Besonders schwerwiegend sind formelle und materielle Fehler, die unter keinen Umständen mit der Rechtsordnung vereinbar sind. Ein Verwaltungsakt ist nichtig, wenn er die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so einem hohen Maße verletzt, dass von Niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzusehen. Der Fehler muss nach seinem Ausmaß und seiner Schwere den Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich erscheinen lassen, d.h. der Bescheid muss mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar sein (vgl. Fritsch/Koenig, Abgabenordnung, 3. Auflage 2014, § 125 Rn. 10 m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung des BVerwG und des BFH).

Ist die Bekanntgabe (vgl. § 122 AO) unwirksam, kann auch die Wirksamkeit des Verwaltungsakts nicht eintreten (vgl. § 124 Abs. 1 AO). In diesem Fall liegt ein sog. „Nichtverwaltungsakt“ vor, auf den § 125 AO entsprechend anzuwenden ist, da auch beim Nichtakt ein praktisches Bedürfnis dafür besteht, den durch ihn gesetzten Rechtsschein ausdrücklich zu beseitigen (Fritsch/Koenig, Abgabenordnung, 3. Auflage 2014, § 124 Rn. 5 und § 125 Rn. 46; jeweils m.w.N.). Dem entspricht es, die vorliegende Feststellungsklage auch im Hinblick auf eine möglicherweise fehlerhafte Bekanntgabe als zulässig zu erachten (s.o. unter Ziff. I. 2. lit. b) aa)).

a) Der Grundsteuerbescheid vom 28. März 1995 für die Jahre 1991 bis 1995 ist nichtig.

aa) Die Nichtigkeit folgt jedoch nicht schon aus einem Adressierungsmangel. Der Bescheid leidet nicht an einem solchen Mangel. Der bei einem Adressierungsmangel gegebene Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot (§ 119 Abs. 1 AO) führt gemäß § 125 Abs. 1 AO – ggf. auch gemäß § 125 Abs. 2 Nr. 2 AO – zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts. Der Verwaltungsakt ist unbestimmt und deshalb nichtig, wenn der Inhaltsadressat auch durch Auslegung nicht hinreichend sicher bestimmbar ist und daher zum Beispiel Verwechslungen in der Person des Inhaltsadressaten nicht ausgeschlossen werden können (Fritsch/Koenig, Abgabenordnung, 3. Auflage 2014, § 119 Rn. 16). Inhaltsadressat des Verwaltungsakts ist hier unzweifelhaft die juristische Person, der der Verwaltungsakt bekannt gegeben wurde. Adressierung und Bekanntgabe können unter dem Namen und in der Form erfolgen, wie die juristische Person selbst im Geschäftsverkehr auftritt. Das Vertretungsorgan (hier: GmbH-Geschäftsführer) als Bekanntgabeadressat muss dagegen im Verwaltungsakt nicht angegeben werden (Fritsch/Koenig, Abgabenordnung, 3. Auflage 2014, § 122 Rn. 49 [„Juristische Personen“] m.w.N.).

Zwar ist der Bescheid an die „H...“ adressiert und damit die Firma „B...“ nicht (ganz) korrekt wiedergegeben. Allerdings lässt sich anhand einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgerichteten Auslegung aus Sicht der Klägerin als Empfängerin des Bescheides unzweifelhaft erkennen, dass sie Adressatin des Bescheides und damit Steuerschuldnerin war (vgl. VGH Hessen, Urteil vom 13. Januar 2010 – 5 A 2342/09 –, juris Rn. 37). Das ergibt sich schon aus der ansonsten zutreffenden Adressierung, die eine Verwechslung in der Person des Inhaltsadressaten ausgeschlossen erscheinen lässt. Es ist darüber hinaus auch nicht zweifelhaft, dass die Klägerin genau dieses Verständnis zugrunde legte. Denn der seinerzeitige Geschäftsführer hat für die Klägerin mit Schreiben vom 24. April 1995 Widerspruch erhoben und damit zu erkennen gegeben, dass auch seiner Auffassung nach die Klägerin inhaltlicher Adressat des betreffenden Bescheides sein soll.

bb) Der Bescheid ist jedoch nichtig, da die Festsetzung der Grundsteuer für die Jahre 1991 bis 1995 nach Erlass des Beschlusses des Kreisgerichts Cottbus vom 10. Mai 1995 im Verfahren über die Prüfung der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Klägerin gemäß § 2 Abs. 3 GesO nicht mehr erfolgen durfte.

Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Wirksamkeit ist vorliegend nicht der Erlass des (Ausgangs-)Bescheides vom 28. März 1995, sondern der Erlass des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 1995. Denn das Ausgangsverfahren bildet mit dem Widerspruchsverfahren eine Einheit und wird erst mit einem etwaigen Widerspruchsbescheid abgeschlossen (BVerwG, Urteil vom 23. August 2011 – 9 C 2/11 –, juris Rn. 20; BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2017 – 2 B 44/16 –, juris Rn. 7 [ständige Rechtsprechung]). Das hier maßgebliche Verwaltungsverfahrensrecht steht auch einer Berücksichtigung der Änderung des materiellen Rechts im engeren Sinne nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 1982 – 8 C 138/81 –, juris Rn. 14 ff.). Sinn und Zweck des Widerspruchsverfahrens ist ja gerade, der Behörde die Möglichkeit zu eröffnen, zu überprüfen, ob die im Ausgangsbescheid getroffene Entscheidung mit der materiellen Rechtslage weiterhin übereinstimmt. Eine solche inhaltliche Überprüfung hat das beklagte Amt hier – wenn auch im Ergebnis unzutreffend – vorgenommen.

Bei dem Schreiben des beklagten Amtes an die Klägerin vom 22. Mai 1995 handelt es sich um einen Widerspruchsbescheid im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Zwar fehlt dem Schreiben sowohl eine ausdrückliche Bezeichnung als „Widerspruchsbescheid“ als auch eine Rechtsbehelfsbelehrung. Das Schreiben setzt sich jedoch inhaltlich mit den Einwendungen aus dem Widerspruchschreiben der Klägerin vom 24. April 1994 auseinander und gelangt zu dem Ergebnis, dass dem Widerspruch der Klägerin nicht stattgegeben werden könne, der Widerspruch mithin unbegründet sei. Damit wird eine das Festsetzungsverfahren abschließende Entscheidung getroffen. Dass dem Schreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlt, berührt die Gültigkeit, Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit des Widerspruchsbescheides nicht, sondern hat nur zur Folge, dass nach § 58 Abs. 1 VwGO die Klagefrist nicht in Lauf gesetzt wird und es zur Anwendung der – von der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO abweichenden – Jahresfrist nach §§ 70 Abs. 2, 58 Abs. 2 VwGO kommt (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 73 Rn. 21).

Wird ein Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen eines Schuldners gestellt, ordnet das Gesamtvollstreckungsgericht durch Beschluss regelmäßig einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Gesamtvollstreckungsmasse für die Zeit zwischen Antragstellung und Entscheidung über die Verfahrenseröffnung an, § 2 Abs. 3 GesO. Die weitestgehende einstweilige Anordnung ist – wie hier mit Beschluss des Kreisgerichts Cottbus vom 10. Mai 1995 geschehen – die Sequestration, verbunden mit einem allgemeinen Veräußerungsverbot an den Schuldner. Damit verliert der Schuldner das Recht, sein Vermögen zu verwalten und, auf Grund des allgemeinen Veräußerungsverbots, auch das Recht, darüber zu verfügen; die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht auf den vom Gericht bestellten Sequester über.

Die hier erfolgte Bestellung des Sequesters ist damit mit der Bestellung eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters gemäß der heute geltenden Insolvenzordnung (InsO) vergleichbar. Wird die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 22 der InsO mit dem Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO verbunden, geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögen auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. Aufgrund seiner umfassenden Befugnisse wird dieser als “starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter bezeichnet. Im Besteuerungsverfahren hat der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter die gleiche Stellung (§ 34 Abs. 3 AO) wie der Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren. Mit Bestellung eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters tritt bereits die Unterbrechungswirkung analog zu § 240 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) ein, weshalb ab diesem Zeitpunkt insbesondere keine Steuerbescheide mehr für solche Steuern erlassen werden dürfen, die vor Bestellung des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind (vgl. Anwendungserlass zur AO [AEAO] zu § 251, Nr. 3.1). Von der Unterbrechungswirkung analog zu § 240 Satz 2 ZPO sind das Steuerfestsetzungsverfahren, das Rechtsbehelfsverfahren und der Lauf der Rechtsbehelfsfristen betroffen (AEAO zu § 251, Nr. 4.1.2). Damit kam dem Sequester vorliegend die gleiche Stellung wie einem Gesamtvollstreckungsverwalter im eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren zu.

Da die Grundsteuerforderungen für die Jahre 1991 bis 1995 vor Bestellung des Sequesters mit Beschluss des Kreisgerichts Cottbus vom 10. Mai 1995 begründet worden sind, hätte der das Festsetzungsverfahren abschließende Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 1995 nicht mehr erlassen werden dürfen. Das beklagte Amt hätte vielmehr ab diesem Zeitpunkt nach dem Grundsatz „Gesamtvollstreckungs- (bzw. Konkurs- oder Insolvenz-)recht geht vor Steuerrecht“ verfahren und seine Abgabenforderungen wegen des Vorrangs des Gesamtvollstreckungsrechts anmelden müssen. Dieser Grundsatz besagt, dass sich nach der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens (und hier bereits mit Bestellung des Sequesters, s.o.) die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Abgabenschuldverhältnis gegen den Gemeinschuldner nach den Regeln ausschließlich des Gesamtvollstreckungsverfahrens vollzieht (vgl. grundlegend BFH, Urteil vom 10. Dezember 1975 – II R 150/67 –, juris Rn. 9 und 10 [zur vergleichbaren Rechtslage gemäß Konkursordnung]). Erfolgt gleichwohl eine Festsetzung durch Verwaltungsakt, ist dieser nichtig (Roth in: Haase/Jachmann, Beck’sches Handbuch Immobiliensteuerrecht, 2. Auflage 2020, § 15 Rn. 4). Erst wenn auf die Anmeldung zur Tabelle die Forderung im Prüfungstermin bestritten wird, ist die Behörde nach § 12 Abs. 1 Nr. 6 a. KAG in Verbindung mit § 251 Abs. 3 AO berechtigt, die Forderung durch Verwaltungsakt festzustellen, ohne jedoch ein Leistungsgebot zu erlassen (vgl. zum Ganzen auch: VG Schwerin, Urteil vom 05. Januar 2006 – 4 A 2466/00 –, juris Rn. 30).

Das gilt auch, soweit eine Steuerforderung für das Jahr 1995, in dessen Laufe das vorläufige Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden ist, begründet wird. Denn die Grundsteuer ist bei Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens mit dem gesamten Jahresbetrag Gesamtvollstreckungsforderung (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. Dezember 2005 – OVG 9 B 23.05 –, juris Rn. 22 ff.). Die Beurteilung der Begründetheit einer Steuerforderung im Sinne des § 38 InsO richtet sich nach den für die Zuordnung des Schuldnervermögens zur Insolvenzmasse maßgebenden – insolvenzrechtlichen – Grundsätzen und nicht nach den für die Entstehung von Ansprüchen aus den Steuerschuldverhältnis (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 b. KAG in Verbindung mit § 38 AO) zu beachtenden Maßgaben (OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., juris Rn. 23 [unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH]). Da die Grundsteuer nach § 9 Abs. 2 GrStG bereits mit Beginn des Kalenderjahres, für das sie festzusetzen ist, entsteht, gilt erst die Grundsteuer ab Beginn des Folgejahres der Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeit (Roth in: Haase/Jachmann, Beck’sches Handbuch Immobiliensteuerrecht, 2. Auflage 2020, § 15 Rn. 6).

Der Ausgangsbescheid vom 28. März 1995 hätte danach im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch der Klägerin mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 1995 aufgehoben werden müssen, da zwischenzeitlich die Unterbrechungswirkung analog § 240 Satz 2 ZPO durch die Bestellung des Sequesters mit Beschluss des Kreisgerichts Cottbus vom 10. Mai 1995 eingetreten war. Stattdessen hat das beklagte Amt mit Erlass des Widerspruchsbescheides am 22. Mai 1995 zu erkennen gegeben, an der Festsetzung vom 28. März 1995 auch nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage – trotz der zwischenzeitlich erfolgten Bestellung eines Sequesters – unverändert festhalten zu wollen.

b) Hinsichtlich des Grundsteuerbescheides vom 01. Januar 1995, der die Grundsteuer ebenfalls für das Jahr 1995 festsetzt, ist die Klage gleichwohl unbegründet. Dem Bescheid kommt bei näherer Betrachtung kein Rechtsschein der Wirksamkeit zu.

Die Nichtigkeit des „ersetzenden“ Bescheides vom 28. März 1995 hat nicht zur Folge, dass der Bescheid vom 01. Januar 1995 „wiederauflebt“, da es insoweit an einem entsprechenden Steuermessbescheid fehlt. Für das Jahr 1995 hat das beklagte Amt die Festsetzung mit Bescheid vom 28. März 1995 aufgrund der Mitteilung des Finanzamts H...über den berichtigten Einheitswertbescheid und Grundsteuermessbescheid auf den 01. Januar 1991 vom 22. November 1994 neu – unter Ersetzung der bisherigen Festsetzung (vgl. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO) für das Jahr 1995 – vorgenommen.

Dabei bleibt es auch, soweit sich die auf Grundlage des geänderten Grundsteuermessbescheides neu vorgenommene Festsetzung als nichtig erwiesen hat. Gemäß § 13 Abs. 1 GrStG ist der Grundsteuermessbetrag, der gemäß § 184 Abs. 1 AO durch das Finanzamt im Grundsteuermessbescheid festgesetzt wird, die Grundlage für die Erhebung der Steuer. Nach § 182 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 184 Abs. 3 AO ist der Grundsteuermessbescheid für das beklagte Amt verbindlich, sobald er ihm vom Finanzamt mitgeteilt wird. Dabei bedeutet die Bindungswirkung eines Grundsteuermessbescheides, dass die für den Erlass des Folgebescheides zuständige Steuerbehörde verpflichtet ist, die Folgerungen aus dem Grundlagenbescheid zu ziehen (BFH, Urteil vom 04. November 1992 – XR 13/91 –, juris Rn. 18; VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 22. September 2005 – 4 L 179/05 –, juris Rn. 5). Dieser Verpflichtung ist das beklagte Amt mit Erlass des Grundsteuerbescheides vom 28. März 1995 nachgekommen. Es hat damit unmissverständlich zu erkennen gegeben, aufgrund des geänderten Steuermessbescheides des Finanzamts an dem ursprünglichen Bescheid nicht mehr festhalten zu wollen und die Festsetzung von Grund auf neu vorgenommen. Mit Bekanntgabe des Ausgangsbescheides vom 28. März 1995 konnten keine begründeten Zweifel mehr bestehen, dass das beklagte Amt dem Bescheid vom 01. Januar 1995 inhaltlich keine Wirksamkeit mehr beimaß. Die später eingetretene Nichtigkeit des Bescheides vom 28. März 1995 ändert daran nichts, sodass dem Bescheid auch kein entsprechender Anschein rechtlicher Wirksamkeit durch ein etwaiges „Wiederaufleben“ zukommt. Das folgt bereits daraus, dass das beklagte Amt den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 28. März 1995 mit Verweis auf den der Festsetzung vom 28. März 1995 zugrundeliegenden – berichtigten – Grundsteuermessbescheid des Finanzamts als unbegründet zurückgewiesen hat. Das beklagte Amt hat damit eindeutig zu erkennen geben, aus dem der Berichtigung vorhergehenden Grundsteuermessbescheid des Finanzamts keine Verpflichtungen mehr herleiten zu können und zu wollen. Vielmehr hat es die rechtlichen und tatsächlichen Folgerungen aus der geänderten Mitteilung des Finanzamts gezogen. An der mit Bescheid vom 28. März 1995 verbundenen Ersetzung vorhergehender Festsetzungen – auch wenn sich die spätere Festsetzung als nichtig erwiesen hat – hat sich das beklagte Amt daher festhalten zu lassen.

c) Die Grundsteuerbescheide für das Jahr 1996 vom 05. Januar 1996 und für das Jahr 1997 vom 10. Februar 1997 erweisen sich zwar nicht als nichtig, dafür jedoch als unwirksam.

aa) Die vorliegenden Bescheide sind hinsichtlich des Bekanntgabe- und Inhaltsadressaten hinreichend bestimmt. Was die Adressierung der Grundsteuerbescheide vom 05. Januar 1996 und 10. Februar 1997 angeht, gilt bezüglich der Firma der Klägerin das unter lit. a) aa) Ausgeführte entsprechend. Der Inhalts- und Bekanntgabeadressat, die juristische Person, ist durch Auslegung hinreichend sicher bestimmbar.

bb) Die Bescheide sind jedoch aufgrund fehlerhafter Bekanntgabe unwirksam. Ansprüche, die gemäß § 9 Abs. 2 GrStG nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens entstanden sind, sind durch Bescheid gegen den Gesamtvollstreckungsverwalter geltend zu machen und können durch Vollstreckung in die Masse realisiert werden (VG Schwerin, Urteil vom 05. Januar 2006 – 4 A 2466/00 –, juris Rn. 31). Ob der Bescheid dabei richtigerweise an den Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren oder den seinerzeitigen Geschäftsführer der Klägerin bekanntzugeben war, hängt davon ab, ob das Grundstück Ende 1995 wirksam aus dem Gesamtvollstreckungsbeschlag durch den Verwalter freigegeben worden ist.

(1) Eine solche Freigabe einzelner Gegenstände aus der Insolvenzmasse war auch bereits nach altem Recht anerkannt, auch wenn die Freigabe auch in der heutigen Insolvenzordnung nur vorausgesetzt, aber nirgends tatsächlich festgeschrieben ist. Die Notwendigkeit der Möglichkeit der Freigabe von Insolvenzgegenständen ergab und ergibt sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Insolvenzmasse nicht unnötig mit überschuldeten Grundstücken, die tatsächlich keinen Wert haben und nicht verwertbar sind, aber als Vermögensmasse in die Berechnung bei der Insolvenz einfließen, belastet werden soll. Die Freigabe des Grundstücks wirkt konstitutiv. Eine in Gestalt des Insolvenzvermerks eingetragene Verfügungsbeschränkung des Grundstückseigentümers gerät nach materiellem Recht in Wegfall, wenn der Insolvenzverwalter das Grundstück aus der Insolvenzmasse frei gibt. Die Löschung des noch eingetragenen, materiell unrichtigen Insolvenzvermerks im Grundbuch stellt sich danach lediglich als deklaratorische Berichtigung des Grundbuchs dar. Die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters – und damit auch die Stellung als Bekanntgabeadressat für einen etwaigen Bescheid – fällt bereits im Moment der Freigabe weg. Eine solche Freigabe bedarf keiner besonderen Form, sie muss dem Insolvenzschuldner lediglich zugehen (Vuia in: MüKo-InsO, Band 2, 4. Auflage 2019, § 80 Rn. 67; vgl. zum Ganzen auch: VG Cottbus, Urteil vom 27. Oktober 2016 – 6 K 667/12 –, juris Rn. 44 m.w.N.).

Insofern kann sich die Fehlerhaftigkeit der betreffenden Bescheide nur darin erschöpfen, dass unzutreffenderweise Grundsteuerforderungen, die – solange keine Freigabe des betreffenden Grundstücks erfolgt ist – an sich der Gesamtvollstreckungsmasse zuzurechnen sind und mithin als Masseforderungen gegenüber dem Verwalter festzusetzen wären, gegen die Schuldnerin festgesetzt wurden. Dennoch handelt es sich um Steuerforderungen, die mittels Bescheid und damit mittels eines Verwaltungsakts festgesetzt werden können. Sie werden lediglich einem falschen Steuersubjekt zugerechnet. Insofern vergleichbar ist die auch außerhalb des Insolvenzsteuerrechts bekannte Fallgestaltung, dass in einem Steuerbescheid Umsätze und/oder Gewinne irrtümlicherweise einem Steuerpflichtigen zugerechnet werden, der diese überhaupt nicht erzielt hat. Damit sind diese Bescheide zwar materiell-rechtlich unrichtig, rechtswidrig und anfechtbar, aber eindeutig nicht nichtig (FG Köln, Urteil vom 24 Oktober 2012 – 9 K 2093/10 – Rn. 74). Der – ohnehin nur in einem obiter dictum geäußerten – abweichenden Rechtsauffassung der 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Cottbus (Beschluss vom 27. November 2002 – 4... –, Seite 3 f. B.A.) folgt die Kammer nicht. Die in dem Beschluss zur Begründung der abweichenden Rechtsauffassung herangezogene Entscheidung (BFH, Urteil vom 15. März 1994 – XI R 45/93 –, juris) beschäftigt sich im Übrigen auch nur mit der Frage, ob der betreffende Bescheid dem Konkursverwalter gegenüber wirksam bekannt gegeben wurde, wenn er nur an den Gemeinschuldner gerichtet war. Diese Frage stellt sich so vorliegend aber nicht. Dem entspricht auch der Vortrag der Klägerin in der Klageschrift vom 02. August 2013, der Verwalter habe zu keiner Zeit Grundsteuerbescheide für die insolvente Gesellschaft erhalten.

Das Gesamtvollstreckungsverfahren bewirkt eine Beschränkung der Verwaltungs- und Verfügungsrechte des Grundstückseigentümers dergestalt, dass die Bekanntgabe des Bescheides gegenüber dem Gesamtvollstreckungsverwalter zu erfolgen hat und dass das Gesamtvollstreckungsverhältnis unter Bestimmtheitsgesichtspunkten im Bescheid zum Ausdruck gebracht wird. Mit der Bekanntgabe des Abgabenbescheides bleibt der Schuldner im Gesamtvollstreckungsverfahren zwar weiterhin Steuerpflichtiger gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 a. KAG in Verbindung mit § 33 Abs. 1 AO. Die Eigentumsverhältnisse bleiben unberührt (VG Cottbus, Urteil vom 27. Oktober 2016 – 6 K 667/12 –, juris Rn. 42; VG Dresden, Urteil vom 29. August 2008 – 2 K 2574/06 –, juris Rn. 21). Neben den Schuldner im Gesamtvollstreckungsverfahren tritt gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 a. KAG in Verbindung mit § 34 Abs. 3, Abs. 1 AO jedoch der Gesamtvollstreckungsverwalter als Abgabenschuldner, soweit seine Verwaltung reicht (vgl. zur insoweit identischen Rechtslage bei Anordnung der Zwangsverwaltung: BFH, Urteil vom 18. Oktober 2001 – V R 44/00 –, juris Rn. 16; VG Meinigen, Beschluss vom 12. Februar 2004 – 1 E 289/02.Me –, juris Rn. 16; VG Schwerin, Beschluss vom 09. Mai 2006 – 4 B 30/06 –, juris Rn. 38).

Damit können die Gesamtvollstreckungsmasse betreffende Verwaltungsakte nicht durch Bekanntgabe an den Schuldner wirksam werden, da richtiger Inhalts- und Bekanntgabeadressat insoweit der Gesamtvollstreckungsverwalter ist (vgl. BFH, Urteil vom 11. April 2018 – X R 39/16 –, juris Rn. 23 [m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung des BFH]; Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, 3. Auflage 2017, § 35 Rn. 25; Schmidt, InsO, 19. Auflage 2016, Anhang Steuerrecht Rn. 46). Würde man dagegen eine Wirksamkeit solcher Bescheide aufgrund ihrer Bekanntgabe allein gegenüber dem Insolvenzschuldner annehmen, könnten die insolvenzrechtlichen Vorschriften durch die den Verwaltungsakt erlassende Behörde ohne Weiteres unterlaufen werden. Dass dieses Ergebnis nicht überzeugen könnte, liegt auf der Hand.

(2) Aus Sicht der Kammer steht fest, dass die Freigabe des Grundstücks spätestens im Laufe des Jahres 1997 erfolgte. Dass die Freigabe bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt wäre, kann dagegen nicht zweifelsfrei festgestellt werden.

Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass der Gesamtvollstreckungsverwalter die Freigabe des in Rede stehenden Grundstücks gegenüber dem Geschäftsführer als Vertreter der Schuldnerin überhaupt erklärt hat. Das ergibt sich schon daraus, dass der Geschäftsführer der Klägerin persönlich mit Schreiben vom 14. November 2002 gegenüber dem Amtsgericht Cottbus mitteilte, der Gesamtvollstreckungsverwalter habe durch ein formloses Schreiben „später“ (d.h. nach Aufnahme seiner Tätigkeit als Verwalter im Juli 1995) angezeigt, dass er die Immobilie „freigebe“. Damit erweist sich die in der ergänzenden Klagebegründung vom 15. Juni 2016 aufgestellte Behauptung der Klägerin, der Geschäftsführer der Klägerin habe kein entsprechendes Schreiben von dem Gesamtvollstreckungsverwalter erhalten, als bloße Schutzbehauptung. Zweifel äußerte der Geschäftsführer der Klägerin im Schreiben vom 14. November 2002 nur insoweit, als er die Berechtigung des Gesamtvollstreckungsverwalters zur erklärten Freigabe in Frage stellte. Auch der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin ging in seinem Schreiben an das Amtsgericht Cottbus vom 06. Januar 2003 offenkundig davon aus, dass die Freigabe des Grundstücks zu diesem Zeitpunkt bereits längst erfolgt war.

Der Vortrag der Klägerin im Klageverfahren ist durchaus nicht frei von Widersprüchen. So hat sie in der Klageschrift vom 02. August 2013 vorgetragen, der Gesamtvollstreckungsverwalter habe mit Schreiben vom 14. November 1995 an das Amtsgericht Cottbus die Freigabe der Immobilie erklärt. Noch mit Schriftsatz vom 03. Juni 2014 hat die Klägerin nicht in Abrede gestellt, dass der Verwalter die Freigabe erklärt hat. Soweit die Klägerin vorträgt, die Erklärung sei „gegenüber dem Amtsgericht Cottbus“ erfolgt, ist dies nicht nachvollziehbar. Eine entsprechende Erklärung findet sich in der Gesamtvollstreckungsakte nicht. Des Weiteren spricht das von dem beklagten Amt vorgelegte Schreiben des Herrn G...vom 04. Mai 2001 dafür, dass die Klägerin selbst von einer wirksamen erfolgten Freigabe des Grundstücks ausging. Dort heißt es:

„(…) Dieser Bescheid (Anm.: gemeint ist ein Straßenbaubeitragsbescheid des beklagten Amtes für das in Rede stehende Grundstück) richtet sich gegen mich persönlich. Eigentümer des obigen Grundstücks ist jedoch die Firma
G...Ich bitte Sie, mir einen neuen Bescheid lautend auf die Firma zukommen zu lassen. (…)“

Weiter teilt der Geschäftsführer der Klägerin im Schreiben vom 18. Juni 2001 dem beklagten Amt mit:

„(…) Die Firma H... hat keine Einnahmen. Deren einzige Funktion besteht derzeit darin, einen geeigneten Käufer für das Gewerbegrundstück zu finden. (…)“

Wäre das Grundstück nach Auffassung der Klägerin seinerzeit noch Bestandteil der Gesamtvollstreckungsmasse gewesen, hätte für die Klägerin nicht nur kein Anlass bestanden, sich um einen Verkauf des Grundstücks zu bemühen, es wäre ihr auch gar nicht gestattet gewesen.

Wenn auch den am 16. Februar 2001 im Grundbuch von S..., gelöschten Vermerken über die Anordnung der Sequestration und die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens keine konstitutive Wirkung zukommt, spricht doch das seinerzeitige Verhalten der Klägerin dafür, dass sie selbst von einer wirksamen Freigabe des Grundstücks durch den Gesamtvollstreckungsverwalter ausging.

In der mündlichen Verhandlung vom 06. Juni 2014 hat das Gericht die Klägerin um Vorlage des Schreibens des Gesamtvollstreckungsverwalters vom 14. November 1995 gebeten. Mit Schreiben vom 12. Juli 2014 hat der Nachtragsliquidator der Klägerin daraufhin mitgeteilt, das Schreiben liege der Klägerin in ihren eigenen Akten nicht vor. Auch dieser Vortrag ließ weiterhin nicht darauf schließen, die Klägerin bestreite die Wirksamkeit der Freigabe des Grundbesitzes. Der frühere Gesamtvollstreckungsverwalter kann das in Rede stehende Schreiben vom 14. November 1995 nicht mehr vorlegen, da laut seiner Mitteilung mit E-Mail vom 09. Juli 2014 die Gesamtvollstreckungsakte bereits vernichtet sei. Erst mit Schriftsatz vom 15. Juni 2016 hat die Klägerin sodann erstmals ausdrücklich bestritten, dass der seinerzeitige Geschäftsführer das in Rede stehende Schreiben vom 14. November 1995 erhalten habe, sodass es an einer wirksamen Freigabe fehle. Ihren dazu im Widerspruch stehenden Vortrag hat die Klägerin indes weder klargestellt, noch sonst erläutert.

Allein die Frage, wann genau das Grundstück wirksam aus dem Gesamtvollstreckungsbeschlag freigegeben worden ist, lässt sich also heute nicht mehr verlässlich aufklären. Nach Angaben des Verwalters in seinem Schreiben vom 23. Februar 2002 an das Verwaltungsgericht Cottbus im Verfahren 4... hat er die Freigabe sowohl gegenüber der grundbuchrechtlich besicherten Pfandrechtsgläubigerin, der früheren V... als auch gegenüber dem seinerzeitigen Geschäftsführer der Klägerin mit Schreiben vom 14. November 1995 erklärt. Außerdem habe er eine Löschung des Sperrvermerks im Grundbuch seinerzeitig aus verfahrensökonomischen Gründen nicht veranlasst, was erst im Zusammenhang mit der Verwertung oder auf ausdrücklichen Wunsch des früheren Geschäftsführers erfolgen sollte.

Die Aktenlage im Gesamtvollstreckungsverfahren – Geschäftsnummer: 6... – bestätigt diesen Zeitpunkt der Freigabeerklärung indes nicht. Eine Kopie des besagten Schreibens findet sich dort nicht. Jedoch ist in dem Schreiben des Amtsgerichts Cottbus vom 06. Januar 2003 an den früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Rede davon, dass die Freigabe im Jahr 1997 (und nicht etwa bereits Ende 1995) erfolgt sei. Der Verwalter selbst teilte dem Amtsgericht Cottbus hingegen in dem Gesamtvollstreckungsverfahren erstmals in seinem Bericht vom 19. Dezember 1995 mit, dass er den Grundbesitz gegenüber den dinglich gesicherten Gläubigern der Immobilie freigegeben habe. In seinen Sachstandsberichten an das Amtsgericht Cottbus vom 19. April 1997 und 12. Februar 1998 verwies der Gesamtvollstreckungsverwalter dann erneut darauf, das Grundstück aus der Masse freigegeben zu haben. Soweit der Gesamtvollstreckungsverwalter in seinem Schreiben an das Amtsgericht Cottbus vom 11. Januar 2001 mitteilt, er habe „in 1999“ die Freigabe erklärt, geht die Kammer von einem Schreibversehen aus. Für die Angabe des Jahres 1999 finden sich in der Akte zu dem Gesamtvollstreckungsverfahren keinerlei Hinweise, sodass der Verwalter entweder das Jahr 1995 oder jedenfalls das Jahr 1997 gemeint haben dürfte. Für die Annahme, dass die Freigabe jedenfalls im Jahr 1997 erfolgte, streitet auch das von dem beklagten Amt in Kopie vorgelegte Schreiben des Gesamtvollstreckungsverwalters vom 06. November 2011. Dort ist ebenfalls von einer Freigabe im Jahre 1997 die Rede.

(3) Daraus folgt, dass die Grundsteuerbescheide vom 05. Januar 1996 und 10. Februar 1997 – mangels Freigabe des Grundstücks – richtigerweise an den Gesamtvollstreckungsverwalter bekannt zu gegeben waren. Die Bekanntgabe der Bescheide an die Klägerin war dagegen fehlerhaft. Die fehlerhafte Bekanntgabe führt zur Unwirksamkeit der betreffenden Bescheide.

cc) Hinsichtlich des Bescheides für das Jahr 1997 vom 10. Februar 1997 wendet die Klägerin zwar zu Recht ein, dass der Bescheid während der vom Amtsgericht Bad Liebenwerda mit Beschluss vom 08. Januar 1997 bis zur Aufhebung am 09. April 1997 kurzzeitig angeordneten Zwangsverwaltung über das Grundstück (zumindest auch) an den Zwangsverwalter habe zugestellt werden müssen (zur Bekanntgabe bei Zwangsverwaltung: Fritsch/Koenig, Abgabenordnung, 3. Auflage 2014, § 122 Rn. 49 [„Zwangsverwaltung“]). Ob dieser Mangel jedoch ebenfalls zur Unwirksamkeit des Grundsteuerbescheides führt, kann nach dem vorgenannten Ergebnis dahinstehen.

d) Die Grundsteuerbescheide für das Jahr 1998 vom 15. Januar 1998 und für das Jahr 1999 vom 28. Januar 1999 erweisen sich dagegen als wirksam.

Da die Freigabe im Laufe des Jahres 1997 erfolgte, war die Klägerin für Grundsteuerbescheide ab dem Jahr 1998 (wieder) richtige Inhalts- und Bekanntgabeadressatin.

Soweit die Klägerin einwendet, ihr seien die Bescheide nicht wirksam bekannt gegeben worden (§ 122 Abs. 1 AO) und deshalb unwirksam (§ 124 Abs. 1 AO), weil die Geschäftsräume in der S... nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens leer gestanden hätten, sodass dort niemand habe erreicht werden können, wird sie mit diesem Einwand jedoch nicht gehört. Zum einen wurde dieser Einwand erst lange nach der ursprünglichen Klagebegründung vom 02. August 2013 und der mündlichen Verhandlung vom 14 Juni 2014 erhoben, nämlich erst im Schriftsatz der Klägerin vom 24. Februar 2016. Das legt den Schluss nahe, dass es sich auch insoweit um eine bloße Schutzbehauptung handelt. Bis dahin war lediglich vorgetragen, der Verwalter habe keine Bescheide erhalten. An dem betreffenden Grundstück wurde indes offenbar auch nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens eine Empfangsvorrichtung für an die Klägerin gerichtete Post vorgehalten. Die Klägerin hätte im Übrigen dafür sorgen können und müssen, dass sie – jedenfalls das insolvenzfreie Vermögen der Schuldnerin betreffende – Post erreicht, was – sollte dies unterblieben sein – zu ihren Lasten ginge. Daran hat sich die Klägerin festhalten zu lassen. Dass die Bescheide an dem Betriebsgrundstück in S...zugegangen sind, hat die Klägerin auch ausdrücklich nicht in Zweifel gezogen, sodass es auf die Frage der Anwendbarkeit der Bekanntgabefiktion nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht ankommt.

Der Wirksamkeit der Bekanntgabe kann schließlich auch nicht entgegengehalten werden, dass der Geschäftsführer der Klägerin mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 15. August 1995 abberufen worden ist. Denn diese eintragungspflichtige Tatsache wurde nicht in das Handelsregister eingetragen. Wird ein im Handelsregister eingetragener Geschäftsführer abberufen, so muss die Gesellschaft die Abberufung zur Anmeldung eintragen, § 39 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). Hieran hat insbesondere die Gesellschaft ein Interesse, denn der Geschäftsführer kann die Gesellschaft bis zur Eintragung seiner Abberufung nach außen hin weiter rechtsgeschäftlich vertreten, da gutgläubige Dritte auf den Inhalt des Handelsregisters vertrauen dürfen (Stephan/Tieves in: MüKo-GmbHG, Band 2, 3. Auflage 2019, § 38 Rn. 49). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das beklagte Amt positive Kenntnis von der Abberufung gehabt hätte und dass es nicht auf den Inhalt des Handelsregisters hätte vertrauen dürfen. Das Handelsregister benennt als alleinigen Geschäftsführer bzw. Liquidator Herrn B.... Eine Abberufung ist dort nicht eingetragen.

e) Der an die „H...“ gerichtete Bescheid vom 16. August 2002, ist indes nichtig, soweit die Festsetzung für die Jahre 1998 und 1999 betroffen ist.

Der Inhaltsadressat, die B..., ist zwar auch in diesem Fall mittels Auslegung bestimmbar. Durchgreifende Zweifel bestehen insoweit nicht. Allerdings wurde die Grundsteuer für die Jahre 1998 und 1999 bereits mit Bescheiden vom 15. Januar 1998 und 28. Januar 1999 festgesetzt, die durch den späteren Bescheid vom 16. August 2002 auch nicht aufgehoben wurden. Die Festsetzung stellt sich insoweit als unzulässige „Doppelfestsetzung“ für die Jahre 1998 und 1999 dar. Die mehrfache Festsetzung einer Abgabeschuld führt indes zur Nichtigkeit der der Erstfestsetzung nachfolgenden Bescheide, da es den Folgebescheiden an der hinreichenden Bestimmtheit fehlt (BFH, Urteil vom 23. August 2000 – X R 27/98 –, juris Rn. 26; vgl. zur doppelten Festsetzung eines Fremdenverkehrsbeitrags: VG München, Urteil vom 20. Oktober 2016 – M 10 K 14.5560 –, juris Rn. 28). Denn nur einer von mehreren Grundsteuerbescheiden für einen Veranlagungszeitraum kann Rechtsgrundlage für die Zahlungspflicht des Steuerschuldners sowie Titel für die Vollstreckung des Steueranspruchs sein; die Behörde darf sich deshalb nicht erneut einen Titel verschaffen, soweit sie bereits über einen solchen – wie hier – verfügt.

f) Die Bescheide vom 26. November 2004 (Festsetzung für die Jahre 2000, 2001, 2002, 2003 und 2004), vom 28. Februar 2005 (Festsetzung für das Jahr 2005) und vom 27. März 2006 (Festsetzung für das Jahr 2006), die an die H...“ gerichtet sind, sind dagegen wirksam. Auch hier ist der Inhaltsadressat nicht zweifelhaft. Dass die Bescheide an die Privatadresse des Herrn B... gerichtet sind, schadet indes nicht.

Die Bescheide vom 12. Februar 2007 (Festsetzung für das Jahr 2007) und vom 03. April 2008 (Festsetzung für das Jahr 2008) sind an die „B...“ unter der vorgenannten Privatadresse des Geschäftsführers der Klägerin in F...gerichtet. Da die Firma insoweit zutreffend bezeichnet ist, bestehen ebenfalls keine Zweifel daran, dass Inhalts- und Bekanntgabeadressatin der Bescheide die Klägerin ist.

Soweit die Klägerin vorträgt, Herr Geschäftsführer der Klägerin sei „im fraglichen Zeitraum für mehrere Jahre in Brasilien gemeldet“ gewesen, ist festzustellen, dass dieser pauschale Vortrag zu unkonkret ist, die Annahme einer fehlenden Bekanntgabe der betreffenden Bescheide im Einzelnen zu stützen. Zudem erfolgte die Abmeldung der Hauptwohnung in F...und die Angabe einer neuen Adresse in Brasilien erst zum 26. April 2009 – und damit nach Bekanntgabe des letzten verfahrensgegenständlichen Grundsteuerbescheides vom 17. März 2009. Jedenfalls bis dahin sind die an den privaten Wohnsitz des Herrn B... erfolgten Bekanntgaben ersichtlich nicht fehlgeschlagen.

g) Schließlich ist die Klage auch unbegründet, soweit sie sich gegen die Bescheide vom 09. Februar 2000 (Festsetzung für das Jahr 2000), vom 16. August 2002 (soweit die Festsetzung für die Jahre 2000, 2001 und 2002 betroffen ist), vom 27. März 2003 (Festsetzung für das Jahr 2003) und vom 13. Februar 2004 (Festsetzung für das Jahr 2004) richtet. Dabei kann dahinstehen, ob mit Bescheid vom 16. August 2002 für das Jahr 2000 eine unzulässige – mit der Folge der Nichtigkeit einhergehende – mehrfache Festsetzung vorliegt. Denn jedenfalls hat das beklagte Amt mit Grundsteuerbescheid vom 26. November 2004 alle vorgenannten Festsetzungen für die Jahre 2000 bis 2004 ersetzt und die Grundsteuer für die Jahre 2000 bis 2004 auf Grundlage des Grundsteuermessbescheides des Finanzamts F...vom 30. März 2004 neu festgesetzt. Von den ersetzten Bescheiden geht folglich seitdem kein Rechtsschein mehr aus. Da der Bescheid vom 26. November 2004 – wie oben ausgeführt – wirksam ist, stellt sich die Frage eines „Wiederauflebens“ vorhergehender Festsetzungen nicht.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VwGO und § 155 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 1 und 2 ZPO.