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Grundsätzliche Bedeutung; höchstrichterliche Klärung im Laufe des Zulassungsverfahrens; nachträglich geltend gemachte Divergenz; unzureichende Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Grundsatzfrage sowie der Divergenz


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 22.01.2010
Aktenzeichen OVG 3 N 110.08 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 78 Abs 3 Nr 1 AsylVfG, § 78 Abs 3 Nr 2 AsylVfG, § 78 Abs 4 S 4 AsylVfG

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Juni 2008 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens tragen die Kläger.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) zuzulassen. Die von den Klägern sinngemäß als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, ob eine im Zeitpunkt der Ausreise bestehende innerstaatliche Fluchtalternative der Annahme einer Vorverfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG entgegensteht, bedarf nicht mehr der Klärung in einem Berufungsverfahren, denn sie ist nach dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2009 - 10 C 52/07 - zu verneinen.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen Divergenz zuzulassen. Ein Antrag auf Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) ist, wie von den Klägern geltend gemacht, in einen Antrag auf Berufungszulassung wegen Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) umzudeuten, wenn die zunächst aufgeworfene grundsätzliche Frage nachträglich durch eine divergierende höchstrichterliche Entscheidung beantwortet worden ist (BVerfG, Beschluss vom 21. Januar 2000 - 2 BvR 2125/97 -, NVwZ 2000, Beilage I, 33, 34; BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 2000 - 9 B 57/00 -, juris). Die Zulassung der Berufung wegen nachträglicher Divergenz setzt jedoch eine ordnungsgemäß erhobene inhaltsgleiche Grundsatzrüge voraus. Hieran fehlt es, weil die Kläger die sowohl für den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache als auch für den Zulassungsgrund der Divergenz erforderliche Entscheidungserheblichkeit nicht hinreichend dargelegt haben. Sie machen dazu geltend, das Verwaltungsgericht habe nicht die Frage offen lassen dürfen, ob sie in Tschetschenien einer Gruppenverfolgung ausgesetzt gewesen seien. Falls das Gericht dies bejaht und damit eine Vorverfolgung der Kläger angenommen hätte, hätte es bei der Prüfung der Rückkehrgefahr der Kläger aufgrund ihrer exilpolitischen Aktivitäten statt des in dem Urteil angelegten Maßstabes der beachtlichen Wahrscheinlichkeit den Maßstab des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG anlegen müssen, wonach es darauf ankomme, "ob stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass die Kläger nicht wieder verfolgt werden." Es sei also möglich, dass das Gericht bei Anlegung des Maßstabes nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG zu dem Schluss gekommen wäre, dass die Kläger aufgrund ihrer exilpolitischen Tätigkeiten bei einer Rückkehr nicht vor Verfolgung sicher seien.

Hiermit ist nicht dargetan, dass das angefochtene Urteil auf der geltend gemachten Abweichung beruht. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, es sei schon unwahrscheinlich, dass die exilpolitischen Tätigkeiten der Kläger den russischen Sicherheitskräften überhaupt bekannt geworden seien. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, wäre nicht erkennbar, dass russische Stellen ein besonderes Augenmerk auf die Kläger haben sollten. Das Auswärtige Amt habe in der Auskunft an das Verwaltungsgericht Berlin vom 24. Mai 2002 angegeben, nach seinen Erkenntnissen sei wegen einer (für den Kläger zu 1. geltend gemachten) Mitgliedschaft in der Deutsch-Kaukasischen Gesellschaft nicht mit Maßnahmen seitens russischer staatlicher Stellen zu rechnen. Die Kläger hätten auch nicht davon berichtet, in der Gesellschaft oder sonst eine besondere oder gar herausgehobene Funktion innerhalb einer exilpolitischen Gruppe in Deutschland gehabt zu haben. Sie hätten sich auch nicht etwa in Deutschland für eine tschetschenische Unabhängigkeit und damit für „separatistische“ Bestrebungen eingesetzt. Wenn jedoch das Verwaltungsgericht selbst für den bereits für „unwahrscheinlich“ gehaltenen Fall der Kenntniserlangung der in Rede stehenden exilpolitischen Aktivitäten durch die russischen Sicherheitskräfte davon ausgeht, dass auf deren Seiten ein Verfolgungsinteresse „nicht erkennbar“ sei, hätte es näherer Darlegungen bedurft, warum die Kläger auf der Grundlage des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs, dessen Vereinbarkeit mit Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG vom Verwaltungsgericht angenommen und vom Zulassungsvorbringen nicht angegriffen wird, dennoch vor erneuter Verfolgung nicht "hinreichend sicher" seien. Solche Darlegungen sind der Begründung des Zulassungsantrags vom 13. August 2007 wie im Übrigen auch dem nachgereichten Schriftsatz vom 2. August 2009 nicht zu entnehmen. Die vage und nicht näher erläuterte Annahme der Kläger am Ende ihres Zulassungsantrags, bei Anlegung des von ihnen für richtig gehaltenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs sei ein anderer erstinstanzlicher Verfahrensausgang "also möglich" gewesen, zeigt nicht auf, dass die Feststellungen des Verwaltungsgerichts bei Anlegung des von den Klägern für richtig gehaltenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs zu einem anderen Subsumtionsergebnis hätten führen müssen. Sie genügt deshalb nicht, um die Entscheidungserheblichkeit der zunächst aufgeworfenen Grundsatzfrage sowie der sodann geltend gemachten Divergenz darzutun.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).