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Entscheidung 9 WF 172/09


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 20.07.2012
Aktenzeichen 9 WF 172/09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Landeskasse wird der Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 6. Mai 2009 – Az. 20 F 169/06 – teilweise dahin abgeändert, dass die der Verfahrenspflegerin aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung nebst Aufwendungsersatz für die Zeit vom 20. Juni 2006 bis zum 14. Juni 2007 auf insgesamt 1.190,09 EUR festgesetzt wird.

Der weitergehende Festsetzungsantrag vom 20. Juni 2007 und die weitergehende Beschwerde vom 13. Mai 2009 werden zurückgewiesen.

Gründe

1.

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Vergütungsanspruchs der vom Amtsgericht in einem Sorgerechtsverfahren bestellten Verfahrenspflegerin.

Für ihre Tätigkeit vom 20. Juni 2006 bis einschließlich 14. Juni 2007 stellte die Verfahrenspflegerin unter dem 20. Juni 2007 Aufwand und Kosten mit insgesamt 1.385,58 EUR in Rechnung (Bl. 1127 GA). Gegen einzelne der Abrechnungspositionen, insbesondere den Zeit- und Kostenaufwand für die – jeweils im väterlichen Haushalt und zudem teilweise in sehr kurzem Abstand zueinander vorgenommenen – Anhörungen der betroffenen Kinder hat der Bezirksrevisor unter dem 4. August 2008 (Bl. 1135 GA) Einwendungen vorgebracht. Nachdem die Verfahrenspflegerin sich mit Schreiben vom 3. Oktober 2008 hierzu ergänzend erklärt hat (Bl. 1138 GA), hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 6. Mai 2009 (Bl. 1171 GA) die Vergütung antragsgemäß auf 1.385,58 EUR festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die am 14. Mai 2009 (Bl. 1176 GA) eingegangene Beschwerde des Bezirksrevisors, mit der er – mit näherer Darlegung unter dem 20. Mai 2009 (Bl. 1177 GA) und 7. März 2011 (Bl. 1196 GA) – allein die Festsetzung von insgesamt 756,76 EUR für sachlich und rechnerisch zutreffend erachtet.

2.

Die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 6. Mai 2009 ist gemäß §§ 50 Abs. 5, 67a Abs. 5 FGG statthaft und in zulässiger Weise eingelegt worden. Insbesondere übersteigt der hier 628,82 EUR betragende Beschwerdewert die nach § 56g Abs. 5 Satz 1 FGG erforderliche Beschwer von mehr als 150,00 EUR deutlich. Die Beschwerdebefugnis der Landeskasse ergibt sich aus § 20 Abs. 1 FGG. Da das (Hauptsache-, das Vergütungsfestsetzungs- und insbesondere auch das in Rede stehende Beschwerde-)Verfahren vor dem Inkrafttreten des FamFG zum 1. September 2009 und damit auf der Grundlage des vor diesem Zeitpunkt geltenden Rechts eingeleitet worden ist, gilt das bis zum 31. August 2009 geltende Recht fort (Art. 111 Abs. 1 FGG-RG).

Das Rechtsmittel hat in der Sache selbst nur teilweise Erfolg.

Der Verfahrenspflegerin steht für ihre Tätigkeit in dem Zeitraum vom 20. Juni 2006 bis einschließlich 14. Juni 2007 in dem hiesigen Sorgerechtsverfahren ein Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen sowie auf Vergütung aus der Staatskasse entsprechend §§ 1835 Abs. 1, 1836 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 67a Abs. 1 und 2 FGG und §§ 1 und 4 VBVG zu. Dieser Ersatzanspruch bezieht sich auf diejenigen Zeiten und Aufwendungen, die Tätigkeiten betreffen, die der Erfüllung der vom Gesetz dem Verfahrenspfleger zugewiesenen Aufgaben dienen (BVerfG FuR 2004, 622/624; OLG Oldenburg FamRZ 2005, 391). Jeder Arbeitsaufwand, den der Verfahrenspfleger außerhalb des ihm übertragenen Aufgabenbereiches entfaltet, hat bei der Festsetzung der Vergütung außer Ansatz zu bleiben, mag dieser Aufwand auch objektiv nützlich gewesen sein oder zu einer Konfliktlösung beigetragen haben (OLG Schleswig, OLGR 2000,177; Kammergericht, KGR 2000, 277; Brandenburgisches Oberlandesgericht, 2. Familiensenat, Beschluss vom 16. Januar 2007, Az. 10 WF 1/07). Vergütet werden nicht diejenigen Maßnahmen, die der Verfahrenspfleger aus seiner subjektiven Sicht für geboten hält, sondern nur der für die Erfüllung der Aufgaben notwendige Zeitaufwand, gemessen daran, was ein sorgfältig arbeitender, gewissenhafter Verfahrenspfleger zur Wahrnehmung seiner Aufgaben als erforderlich ansehen würde. Nach diesen Maßstäben ist der geltend gemachte Aufwand einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senates, vgl. nur FamRZ 2006, 1777; FG Prax 2004, 73/74; ZfJ 2002, 233; FamRZ 2001, 692; Beschlüsse vom 6. März 2008, Az. 9 WF 57/08, und vom 9. Juni 2008, Az. 9 WF 81/08; OLG Oldenburg a.a.O.; OLG Köln Beschluss vom 20. August 2008, Az. 4 WF 39/08 – zitiert nach juris). Diese darf allerdings nicht zu kleinlich erfolgen, denn der Verfahrenspfleger hat seine Aufgabe selbständig und in erster Linie im Interesse des Kindes gemäß seiner beruflichen Qualifikation wahrzunehmen; fiskalische Gründe können nur nachrangige Bedeutung erlangen (erkennender Senat, Beschluss vom 9. Juni 2008, Az. 9 WF 81/08; Brandenburgisches Oberlandesgericht – 2. Familiensenat FamRZ 2007, 1576).

Gemessen an diesen Grundsätzen hält der abgerechnete Aufwand einer Plausibilitätsprüfung nicht in vollem Umfange stand. Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, dass der Zeit- und Kostenaufwand für den Hausbesuch zum Zwecke der Kindesanhörung am 4. September 2006 und auch der Aufwand für das Lesen des in einem vorangegangenen Verfahren betreffend die beiden Kinder eingeholten Sachverständigengutachtens nicht zu vergüten bzw. zu erstatten sind. Im Übrigen allerdings dringt die Beschwerde mit ihren Einwendungen nicht durch. Im Einzelnen:

a.

Die Aufgabe des Verfahrenspflegers besteht darin, die subjektiven Interessen des Kindes im Verfahren zu vertreten und damit der Wahrung und Verwirklichung seines Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. GG zu dienen. Gegenstand seiner Tätigkeit ist damit die Erkundung der kindlichen Interessen; es ist also zu ermitteln, welche Wünsche und Interessen das Kind bei dem jeweiligen Verfahrensgegenstand leiten (vgl. BVerfG FamRZ 2004, 1267/1269). Zur Beurteilung der Frage, wie der Kindeswille im konkreten Fall zu ermitteln ist, steht dem Verfahrenspfleger im Rahmen der Aufgabenstellung ein Ermessensspielraum zu. Von mehreren gleichwertigen Alternativen hat er allerdings diejenige zu wählen, die die Beteiligten bzw. die Allgemeinheit in finanzieller Hinsicht am wenigsten belastet. So ist es regelmäßig kostengünstiger, eine Anhörung in den eigenen Büroräumen durchzuführen als im Wohnumfeld des Kindes. Die Anhörung des betroffenen Kindes im elterlichen Haushalt oder an einem sonstigen „gewohnten“ Ort kommt deshalb nur in besonders gelagerten Fällen in Betracht, etwa wenn eine vertraute Umgebung für das Kind von besonderer Bedeutung ist, was der Verfahrenspfleger substantiiert darzutun hat (erkennender Senat FamRZ 2006, 1777; 2009, 1007).

Gemessen an diesen Grundsätzen hält der hier abgerechnete Zeit- und Kostenaufwand einer Plausibilitätsprüfung nur teilweise stand.

Auch und gerade unter Berücksichtigung der ergänzenden Ausführungen der Verfahrenspflegerin in ihrem Schreiben vom 3. Oktober 2008 (Bl. 1141 GA) vermag der Senat die Notwendigkeit des Hausbesuchs bei der ersten Anhörung am 4. September 2006 nicht zu erkennen. Keineswegs bedarf es grundsätzlich erst eines Besuchs/Gesprächs mit dem Kind in der ihm vertrauten Umgebung des häuslichen Umfeldes, um zuverlässig beurteilen zu können, ob ein oder mehrere weitere Gespräche im Büro der Verfahrenspflegerin geführt werden können. Mit dieser Verfahrensweise würde der Grundsatz, dass eine Gesprächsführung nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Gründe in vertrauter Umgebung des Kindes notwendig erscheint, ausgehebelt, ohne dass dafür tragfähige Gründe vorlägen. Dies gilt umso mehr, als der Verfahrenspflegerin diese Grundsätze vor der Wahrnehmung dieses Hausbesuchs bekannt waren und sie sich deshalb im Vorfeld der Kindesanhörung bei Gericht mehrfach – allerdings vergeblich – um die Zusage der Vergütungsfähigkeit einer Kindesanhörung im gewohnten Umfeld bemüht hat (vgl. Bl. 206 und 210 GA).

Es gibt auch keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Kinder bis zu einem bestimmten Alter – die hier betroffenen Kinder waren bei der Erstanhörung knapp 5 und 8 Jahre alt – in einer fremden Umgebung einem kindgerecht geführten Gespräch über seine Wünsche in dem anhängigen Kindschaftsverfahren grundsätzlich nicht zugänglich sind und deshalb eine verantwortungsbewusste Ermittlung der Vorstellungen und Interessen der Kinder notwendig im Wohnumfeld durchzuführen ist. Jedenfalls bei Kindern, die dem Klein(st)kindalter entwachsen sind und sich ohne Weiteres artikulieren können, ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Anhörung an einem neutralen Ort im Büro der Verfahrenspflegerin durchgeführt werden kann. Immerhin gehen Gesetzgeber und die (Verfassungs-)Rechtsprechung auch davon aus, dass Kinder ab Vollendung des 3. Lebensjahres grundsätzlich auch richterlich (im zweiten Rechtszug sogar durch drei Richter) und in einem für sie noch viel weniger angenehmen Umfeld über ihre Interessen zu befragen sind und hierbei erhebliche Erkenntnisse gewonnen werden können. Die Praxis zeigt auch, dass es weniger eine Frage des Alters als vielmehr der individuellen Befindlichkeiten und Entwicklung des jeweiligen Kindes ist, inwieweit dieses sich auf ein inhaltlich aussagekräftiges Gespräch einlassen kann. Deshalb geht der Senat davon aus, dass nur dann im Einzelfall ein Hausbesuch gerechtfertigt sein kann, wenn sich aus der Akte greifbare Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ansonsten auch bei entsprechend einfühlsamer Gesprächsführung hinreichend authentische Erkenntnisse über die Wünsche und Vorstellungen des betroffenen Kindes nicht gewonnen werden können.

Im Streitfall bestand weder nach dem Vorbringen der Verfahrenspflegerin noch sonst nach Aktenlage greifbarer Anlass zu der Vermutung, dass eine gelöste und unbefangene Gesprächssituation mit C… und Ch… in der für sie fremden Umgebung (im Büro des Verfahrenspflegerin) mit einem ihr bislang unbekannten Erwachsenen nicht würde geschaffen werden können.

Bei dieser Sachlage war ein Hausbesuch zum Zwecke der Anhörung der beiden Mädchen nicht notwendig. Deshalb kann – wie die Beschwerde zu Recht ausführt – allein der reine Zeitaufwand für die Anhörung der Kinder am 4. September 2006 (mit 105 Minuten) vergütet werden.

Anders allerdings stellt sich die Situation für die beiden weiteren Anhörungen am 17. September 2006 und am 16. Dezember 2006 dar. Hier hat die Verfahrenspflegerin plausible Gründe sowohl für die neuerliche Anhörung der Kinder kurze Zeit nach dem ersten Versuch als auch solche für die Notwendigkeit einer Gesprächsführung in vertrauter Umgebung angeführt. In dem Schreiben vom 3. Oktober 2008 ist ausgeführt, dass insbesondere die zurückhaltende C… bei der Erstanhörung „psychisch sehr belastet“ war und es „ihr aufgrund eines erheblichen Loyalitätskonfliktes nicht (gelang), ihren Willen ausreichend zu artikulieren“. An dem Wahrheitsgehalt dieser Beschreibung zu zweifeln, sieht der Senat keinen Anlass. Wenn es aber einer entsprechend geschulten und berufserfahrenen Verfahrenspflegerin aufgrund der besonderen psychischen Konstitution eines betroffenen Kindes nicht gelingen kann, eine „Blockadehaltung“ aufzulösen im Zuge einer einfühlsam gestalteten Gesprächsführung selbst in der vertrauten Umgebung des väterlichen Haushalts nicht gelingen kann, dann müssen andere Maßnahmen in Betracht gezogen werden, um ein authentisches Bild von den Vorstellung und Wünschen des Kindes zu gewinnen. Wenn die Verfahrenspflegerin in einer solchen Situation einen zeitnahen zweiten Termin in einer gewohnten und angenehmen Atmosphäre – hier in der Interaktion mit der Mutter – wählt, um möglichst gleichermaßen unbefangene wie konkrete Äußerungen des Kindes „herauszulocken“, dann erscheint das probat und jedenfalls nicht unverhältnismäßig.

Schließlich war nach den Erfahrungen der Vergangenheit die Annahme gerechtfertigt, dass authentische Erkenntnisse über die Wünsche beider Kinder in einer nicht vertrauten Umgebung nach einer aufwändigen Anreise nicht gewonnen werden können. Danach ist es aus Sicht des Senates nicht zu beanstanden, dass auch die Anhörung am 16. Dezember 2006, mit der für den bevorstehenden gerichtlichen Anhörungstermin ein möglichst aktuelles Bild gezeichnet werden sollte, im häuslichen Umfeld der Kinder stattgefunden hat.

Neben dem hierfür erforderlichen Aufwand waren auch die am 17. September und 16. Dezember 2006 entstandenen und in der geltend gemachten Höhe vollständig belegten Fahrtkosten (vgl. Bl. 1130 GA) zu erstatten.

b.

Soweit die Beschwerde meint, die – mit einem Zeitaufwand von 15 Minuten in Rechnung gestellte – Abfassung/Versendung der Sachstandsmitteilung vom 19. September 2006 (vgl. Bl. 231 GA) sei nicht erstattungsfähig, weil es sich hierbei um eine allgemeine Geschäftstätigkeit handele, die pauschal mit dem Stundensatz abgegolten sei (vgl. Bl. 1135 GA), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Bei Zwischenmitteilungen über den erreichten Sachstand in einem ganz konkreten Verfahren handelt es sich nach diesseitiger Auffassung schon nicht um eine allgemeine Geschäftstätigkeit, sondern um eine konkret auf das in Rede stehende Verfahren bezogene Aufgabenwahrnehmung. Darüber hinaus findet sich im Gesetz tatsächlich keine Stütze dafür, dass bestimmte Verrichtungen im Zuge der Wahrnehmung der Aufgaben eines Verfahrenspflegers von vornherein nicht vergütungspflichtig, weil anderweitig abgegolten sind. Die Beschwerde mag sich insoweit – ausdrücklich vorgetragen wird das nicht - von der in der Vergangenheit auch vom erkennenden Senat vertretenen Ansicht dahin leiten lassen haben, dass etwa der für das Anlegen der Handakte notwendige/abgerechnete Zeitaufwand als „allgemeiner Bürodienst“ nicht vergütungsfähig ist (vgl. Beschluss vom 11. August 2010, Az. 9 WF 184/09 mit weiteren Nachweisen). Auch daran allerdings wird inzwischen nicht mehr festgehalten; dies kann nur für allgemeine (sächliche und ggf. auch personelle) Bürokosten gelten, die ohne Rücksicht auf die Amtsführung im konkreten Einzelfall anfallen (Büromaterial; Kosten für die Bereitstellung von Telefon- und Faxanschluss u.ä.). Der für die Zwischenmitteilung vom 19. September 2006 in Rechnung gestellte Zeitaufwand von 15 Minuten hält einer Plausibilitätsprüfung stand.

c.

Zu Recht allerdings beanstandet die Beschwerde die Vergütung des mit 60 Minuten abgerechneten Aufwandes für das Studium des im vorangegangenen Sorgerechtsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens. Auch in Ansehung der ergänzenden Ausführungen der Verfahrenspflegerin im Schreiben vom 3. Oktober 2008 erschließt sich die Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht. Diese Ausführungen deuten eher darauf hin, dass die Funktion des Verfahrenspflegers teilweise fehlinterpretiert wird.

Zwar tritt der Verfahrenspfleger für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens an die Stelle des gesetzlichen Vertreters des Kindes und hat an dessen Stelle die Kindesinteressen in das Verfahren einzubeziehen. Der Verfahrenspfleger hat dabei nur das eigene Interesse des Kindes zu erkennen und zu formulieren (so ausdrücklich: BVerfG FamRZ 1999, 85/87); er hat darauf hinzuwirken, dass das Verfahren – soweit dies möglich ist – kindgerecht gestaltet wird und dem Kind in dem Verfahren bei Bedarf zur Seite zu stehen. All dies charakterisiert den Verfahrenspfleger als subjektiven Interessenvertreter des Kindes. Seine Aufgabenstellung im Verfahren ähnelt insoweit zwar derjenigen eines Rechtsanwaltes als Verfahrensbevollmächtigtem; gleichwohl obliegt dem Verfahrenspfleger entgegen der hier offenkundig vertretenen Auffassung nicht die „rechtliche Vertretung des Kindes“. Es ist nämlich nicht seine Aufgabe, sich an der Erforschung der dem objektiven Kindeswohl am besten dienenden Entscheidung zu beteiligen; er hat deshalb auch keine über die bloße Ermittlung des Kindeswillens hinausgehenden Ermittlungen anzustellen (vgl. dazu insgesamt: erkennender Senat in FamRZ 2001, 692).

Ausgehend von dem so einzugrenzenden spezifischen Aufgabenbereich des Verfahrenspflegers ist nicht plausibel, weshalb es zur Erforschung und Einbringung des Kindeswillens der hier betroffenen beiden Mädchen in das zugrunde liegende Sorgerechtsverfahren in den Jahren 2006 und 2007 irgendwelcher (vertiefter oder überhaupt originärer) Kenntnisse über den Inhalt des Sachverständigengutachtens Dr. W… aus dem Jahre 2003 in einem vorangegangenen Sorgerechtsverfahren der Familie L… bedurft hätte. Dass die übrigen Beteiligten sich – wie in Abänderungsverfahren üblich - teilweise auf die seinerzeitigen Ausführungen beziehen, begründet für sich betrachtet nicht die Notwendigkeit des Studiums des Gutachtens durch den Verfahrenspfleger; dies gilt umso mehr, als im hiesigen Verfahren ein neues Sachverständigengutachten beauftragt war, das die maßgeblichen aktuellen Verhältnisse widerzuspiegeln deutlich besser geeignet und – neben den eigenen Wahrnehmungen aus der persönlichen Anhörung der Kinder - als weitere Grundlage für die Einschätzung des Kindeswillens durch den Verfahrenspfleger jedenfalls ausreichend war.

d.

Keine Bedenken allerdings hat der Senat für den Ansatz von 90 Minuten für das Studium des im zugrunde liegenden Sorgerechtsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens.

Der Senat hat zwischenzeitlich mehrfach entschieden, dass es keine allgemein verbindlichen Erfahrungswerte gibt, in welcher Zeit ein bestimmter Lesestoff bewältigt werden kann. Die Lesegeschwindigkeit und die Aufnahmefähigkeit sind individuell verschieden und können nicht verallgemeinert werden. Soweit zur Entschädigung von Sachverständigen in der Literatur nach in der Sozialgerichtsbarkeit aufgestellten Grundsätzen ein Zeitaufwand von einer Stunde für 60 Seiten Akteninhalt für angemessen erachtet wird (Meyer, Höver, Bach, ZSEG, 20. Aufl., § 3 Rdnr. 43.3 m.w.N.), mag dies als eine gewisse Richtschnur gelten, jedoch nicht als absolute Grenze (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 4. Mai 2001, Az. 2 WF 60/01; erkennender Senat, Beschlüsse vom 4. Dezember 2008, Az. 9 WF 80/08, vom 11. August 2010, Az. 9 WF 232/09, und vom 13. April 2011, Az. 9 WF 282/09). Da dem Verfahrenspfleger eine angemessene Zeit für eine intensive und verantwortungsbewusste Lektüre zuzubilligen ist, erscheint dem Senat schon für die bloße Kenntnisnahme des immerhin 100 Seiten umfassenden Gutachtens der hier von der Beschwerde mit 30 Minuten für ausreichend und angemessen erachtete Zeitaufwand als abwegig niedrig. Vielmehr bewegt sich der von der Verfahrenspflegerin in Rechnung gestellte Aufwand von 90 Minuten eher noch an der unteren Grenze dessen, was für eine professionelle Lektüre ein derart umfangreiches Sachverständigengutachtens regelmäßig zu erwarten wäre. Dieser Aufwand ist daher in voller Höhe vergütungsfähig.

e)

Schließlich waren die geltend gemachten Fahrtkosten für den gerichtlichen Anhörungstermin am 14. Juni 2007 in voller Höhe – also inklusive der Kosten von 3,70 EUR für die Busfahrt – zu erstatten. Auch insoweit liegt nämlich ein Beleg vor (vgl. Bl. 1130 GA – Beleg 5, unglücklich geheftet).

Insgesamt ergibt sich danach folgende Neuberechnung der Verfahrenspflegervergütung:

Aktenstudium am 20. Juni 2006

 30     

Elternanschreiben am 11. Juli 2006

 20     

Kindesanhörung am 4. September 2006

105     

Vor-Ort-Anhörung am 17. September 2006 (inkl. Fahrzeit)

390     

Zwischennachricht vom 19. September 2006

 15     

Vor-Ort-Anhörung am 16. Dezember 2006

325     

Lesen SV-Gutachten am 16. Dezember 2006

 90     

Stellungnahme vom 3. Januar 2007

 30     

gerichtlicher Anhörungstermin am 4. Januar 2007 (inkl. Fahrzeit)

445     

Lesen Gegengutachten am 4. Januar 2007

 20     

gerichtlicher Anhörungstermin am 14. Juni 2007 (inkl. Fahrzeit)

500     

Telefonate zur Terminsvereinbarung

 12     

        

 ---------

Zeitaufwand insgesamt:

 1.982

33 Std. und 2 Min. bei 33,50 EUR/Std. =

1.106,62 EUR

Übertrag:

1.106,62 EUR

                 

zzgl. Kostenaufwand:

        

Fahrtkosten am 19. September 2006

 18,00 EUR

Fahrtkosten am 16. Dezember 2006

 18,00 EUR

Fahrtkosten am 4. Januar 2007

 19,80 EUR

Fahrtkosten am 14. Juni 2007

 24,70 EUR

Telefonkosten

 1,32 EUR

Portokosten

 1,65 EUR

        

-----------------

        

1.190,09 EUR