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Entscheidung 412 Ds 136/17


Metadaten

Gericht AG Frankfurt (Oder) Entscheidungsdatum 29.10.2019
Aktenzeichen 412 Ds 136/17 ECLI ECLI:DE:AGFF:2019:1020.412DS136.17.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Angeklagte wird wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung zu einer

Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 EUR

verurteilt.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Angewandte Vorschriften: § 15a Abs. 5 in Verbindung mit § 15 a Abs. 4 InsO

Gründe

Der … geborene, nach der eingeholten Auskunft aus dem Bundeszentralregister nicht vorbestrafte Angeklagte, von der Ausbildung her Bankkaufmann, hat ein Nettoeinkommen von monatlich ca. 2.000 €, wovon er insbesondere monatlichen Unterhalt in Höhe von 246 € für ein Kind, monatliche Stromabschläge von 150 €, Gasabschläge von 63 € und ferner Krankenversicherungsbeiträge von 236,66 € zahlt. Der Angeklagte ist als … berufstätig.

Die im Jahr 2009 gegründete M. UG haftungsbeschränkt), im Folgenden als „Gesellschaft“ bezeichnet, mit eingetragenem Sitz in … war in der Zeit vom 05.01.2010 bis zu ihrer Löschung wegen Vermögenslosigkeit am 22.10.2018 unter Nummer …. im Handelsregister beim Amtsgericht … mit einem Stammkapital von 500 € eingetragen, Alleiniger Geschäftsführer war ab Eintragung zunächst L. Alleingesellschafterin der Gesellschaft war seit 2010 die S. UG (haftungsbeschränkt), im Folgenden als „Gesellschafterin“ bezeichnet, mit Sitz in …, deren Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Angeklagte ist. Mit Beschluss vom 31.10.2014 berief die Gesellschafterversammlung der Gesellschaft den L. als Geschäftsführer ab und bestellte den Angeklagten zum neuen Geschäftsführer. Am 22.12.2014 wurde der Angeklagte als neuer Geschäftsführer der Gesellschaft im Handelsregister eingetragen.

Gläubiger vollstreckten Geldforderungen gegen die Gesellschaft insbesondere wie folgt:

- Das Bundesamt … am 18.09.2013 mit einer Kontenpfändung in das Geschäftskonto der Gesellschaft bei der … Bank, für das eine Kreditlinie nicht bestand, wegen einer Forderung von über 2.607,50 €; die Pfändung blieb mangels Guthaben auf dem Konto der Sache nach erfolglos.

- Das Finanzamt … am 21.07.2014 und am 23.10.2014 mit Kontopfändungen in das genannte Konto wegen Forderungen über 660,20 € und 314,67 €; die Pfändungen blieben mangels Guthaben erfolglos.

- Die von der AOK … wegen einer Forderung von 3.113,64 € auf der Grundlage eines Prüfbescheids vom 16.06.2014 am 26.11.2014 in den Geschäftsräumen der Gesellschaft erfolgte Vollstreckung verlief fruchtlos; der Vollstreckungsbeamte konnte keine zur Vollstreckung geeigneten Gegenstände auffinden und der noch als Geschäftsführer auftretende L. gab an, dass der Gesellschaft gehörende pfändbare Werte nicht vorhanden seien.

- Weitere Kontopfändungen in das genannte Konto am 08.12.2015, am 11.02.2014, am 27.02.2015 und am 03.03.2015 blieben ebenfalls erfolglos.

Auf einen Insolvenzantrag der AOK … vom 24.02.2015, gestützt auf eine Gesamtforderung von 3.197,09 € auf der Grundlage des bereits genannten Bescheides vom 16.06.2014, und den Eigenantrag des Angeklagten vom 06.04.2015 wurden die eingeleiteten Verfahren vom Insolvenzgericht beim Amtsgericht … zum Aktenzeichen … verbunden und die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft wurden mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 19.08.2015 mangels Masse abgewiesen; das Insolvenzgericht ging für diesen Zeitpunkt von Vermögen der Gesellschaft im Wert von 463,07 € aus.

Der Angeklagte hat sich insbesondere wie folgt eingelassen: Er habe den Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt, so dass er sich bereits deshalb nicht strafbar gemacht habe. Um finanzielle Schwierigkeiten der Gesellschaft habe er gewusst, insbesondere um den Beitragsbescheid der AOK und von Forderungen des Finanzamtes. Die Gesellschafterversammlung der Gesellschafterin habe am 31.10.2014 unter anderem beschlossen, dass er die finanziellen Angelegenheiten der Gesellschaft klären und eine Fortführungsprognose erstellen solle, ferner sei beschlossen worden: „Für die Vermeidung einer Insolvenz ist die Gesellschaft bereit weitere 5.000,00 EUR als Gesellschafterdarlehen bereit zu stellen.“. Aus dem Vermögen der Gesellschafterin hätten die Verbindlichkeiten der Gesellschaft beglichen werden können, in der einschlägigen Bilanz für die Gesellschafterin sei ein Kassenbestand von über 24.000 € ausgewiesen. Mit dem zitierten Beschluss sei beabsichtigt gewesen, die Gesellschaft entweder schuldenfrei zustellen oder ggf. Insolvenzantrag zu stellen. Ein Aufwand für eine Sanierung von bis zu 3.000 € sei von der Gesellschafterin für vertretbar angesehen worden, um die Gesellschaft als „Mantelgesellschaft“ in ihrer rechtlichen Existenz zu erhalten und ggf. später für andere Zwecke zu nutzen, Neue Geschäftsvorfälle der Gesellschaft habe es nicht mehr gegeben. Gespräche mit Gläubigern, etwa dem Bundesamt, seien erfolglos geblieben. Erst Ende 2014 habe er die Geschäftsunterlagen vom bisherigen Geschäftsführer Löbel erhalten und erst Mitte bis Ende Januar 2015 einen Überblick über die Forderungen gehabt. Vom 24.01.2015 bis 14.02.2015 sei er in Jahresurlaub gewesen, Ende Februar 2015 habe der vom Insolvenzantrag der AOK … erfahren, am 03.03.2015 die Kontoauszüge bei der Bank angefordert und am 15.03.2015 die Buchhaltung erstellt. Die Gesellschafterversammlung der Gesellschafterin habe dann am 20.03.2015 beschlossen, dass der Gesellschaft kein weiteres Darlehen bereitgestellt und das für die Gesellschaft bereits laufende Insolvenzverfahren durchgeführt werde. Erst mit dieser Entscheidung der Gesellschafterin sei die Gesellschaft zahlungsunfähig geworden und der Insolvenzantrag sei daher rechtzeitig gestellt worden.

Der erläuterte Sachverhalt steht fest nach der hinsichtlich der mitgeteilten Tatsachen glaubhaften Einlassung des Angeklagten und nach den Ausführungen der zum Insolvenzgrund gehörten Sachverständigen …; der festgestellte Sachverhalt entspricht auch der Aktenlage.

Der Angeklagte war nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung als Geschäftsführer des Unternehmens zu bestrafen nach § 15a Abs. 5 in Verbindung mit § 15a Abs. 4 der Insolvenzordnung (InsO), weil er es aus Fahrlässigkeit als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung entgegen § 15a Abs. 1 InsO unterließ, bei Zahlungsunfähigkeit rechtzeitig, das heißt hier nicht erst mit Schreiben vom 06.04.2015, welches am 09.04.2015 beim Insolvenzgericht eingegangen ist, sondern spätestens Anfang Februar 2015, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen.

In rechtlicher Hinsicht geht das Gericht bei der Prüfung des Straftatbestandes der Insolvenzverschleppung von folgenden Vorschriften und Rechtsgrundsätzen aus: Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Eröffnungsantrag zu stellen. Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird nach § 15a Abs. 5 in Verbindung mit § 15a Abs. 4 InsO unter anderem bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 einen Eröffnungsantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig stellt. Eine juristische Person ist nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO zahlungsunfähig, wenn sie nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Im Übrigen gilt: Nicht Zahlungsunfähigkeit, sondern eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend. Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 Prozent seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 Prozent erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 Prozent oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist (vergleiche dazu BGH, Urteil vom 24.05.2005, IX ZR 123/04, juris). Die Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel durch eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder herbeizuschaffenden Mittel festzustellen. Neben dieser betriebswirtschaftlichen Methode zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit können indes auch wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen wie Häufigkeit der Wechsel- und Scheckproteste, fruchtlose Pfändungen, Ableistung der eidesstattlichen Versicherung einen sicheren Schluss auf den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erlauben (vergleiche dazu BGH, Urteil vom 26.02.1987, 1 StR 5/87, juris Rdn. 12, 13).

Die Gesellschaft war spätestens seit dem 26.11 2014 im erläuterten Sinne zahlungsunfähig. Das wird in erster Linie durch die dargestellten Vollstreckungsverfahren belegt; hiernach sind bereits bis Ende Oktober 2014 Kontenpfändungen in Höhe eines Gesamtbetrages von über 3.000 € mangels Guthaben ohne Erfolg geblieben. Eine Vollstreckung unter der Geschäftsanschrift betreffend eine weitere Forderung von über 3.000 € ist am 26.11.2014 erfolglos geblieben, der über die finanziellen Verhältnisse orientierte L. gab an, dass die Gesellschaft keine ihr gehörenden pfändbaren Werte besitze. Bereite Mittel im erläuterten Sinne standen für die Deckung dieser Verbindlichkeit nicht zur Verfügung. Bei der Bank der Gesellschaft bestand keine Kreditlinie, das operative Geschäft der Gesellschaft war eingestellt, durchsetzbare offene Forderungen gegen Dritte können nicht festgestellt werden.

Das vom Angeklagten bei der Prüfung auf eine etwaige Zahlungsunfähigkeit in seine Bewertung der finanziellen Situation der Gesellschaft eingestellte Darlehen der Gesellschafterin ist kein bereites Mittel, denn es stand der Gesellschaft nicht, wie hierfür erforderlich, uneingeschränkt zur Begleichung der genannten Verbindlichkeiten zur Verfügung, sondern die tatsächliche Gewährung des Darlehens stand nach den Vorgaben der Gesellschafterin unter dem Vorbehalt, dass die im Dezember 2014 vom Angeklagten begonnene Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass die Gesellschaft mit einem gewissen Aufwand zu entschulden ist, was aber im Ergebnis der Prüfung nicht erfolgen konnte, weshalb dann auch nicht etwa eine Auszahlung erfolgte, sondern dies unterblieb und Gesellschaft aus der Sicht der Gesellschafterin in die Insolvenz gehen sollte.

Sonstige Einnahmen zum Ausgleich der dargestellten Verbindlichkeiten der Gesellschaft waren nach Einstellung des Geschäftsbetriebes nicht mehr zu erwarten und konnten auch nicht erlangt werden; der Insolvenzantrag wurde von daher später mangels Masse abgewiesen. Nach alldem führt der festgestellte Sachverhalt zu dem sicheren Schluss, dass die Gesellschaft spätestens seit dem 26.11.2014 zahlungsunfähig war.

Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung ist dem Angeklagten indessen in subjektiver Hinsicht nicht, wie in der Anklage angenommen, der Vorwurf der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung zu machen, sondern es ist lediglich fahrlässiges Verhalten gegeben.

Im Rahmen von der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 InsO muss der Täter es zumindest für möglich halten und in Kauf nehmen, dass die wirtschaftliche Situation des betroffenen Unternehmens durch den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zur Stellung eines Eröffnungsantrags verpflichtet (BGH, Beschluss vom 04.12.2018, 4 StR 319/18, Randnummer 19, juris). Nimmt der Täter irrtümlich an, eine Antragspflicht sei wegen Nichtvorliegen eines Insolvenzgrundes nicht entstanden, liegt in Fällen der vorliegenden Art betreffend das normative Tatbestandsmerkmal der Zahlungsunfähigkeit ein Tatbestandsirrtum vor, der gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 des Strafgesetzbuches (StGB) den Vorsatz ausschließt (vergleiche dazu BGH, Urteil vom 24.01.2018, 1 StR 331/17, Rn. 14, juris, zur vergleichbaren Problematik bei der Beitragsvorenthaltung bei einem Irrtum über die Arbeitgebereigenschaft).

Hiervon ausgehend war der Angeklagte im Irrtum über das Bestehen einer Antragspflicht, was nach Lage der Dinge einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum nach sich zieht. Er ging, wie von ihm glaubhaft in der Hauptverhandlung vorgetragen und im vorliegenden Urteil bereits erläutert, davon aus, dass die gegebenen Möglichkeit der Gesellschafterin, die Schulden der Gesellschaft auszugleichen, die Zahlungsunfähigkeit ausschließt, was aus seiner Sicht die Antragspflicht bis Ende März 2015 ausschloss.

Der Angeklagte handelte indessen fahrlässig im in Rede stehenden Zeitraum. Er hätte, da ihm die Krise der Gesellschaft, wie insbesondere aus dem zitierten Beschluss der Gesellschafterin vom 31.10.2014 erkennbar, bei Aufnahme der Tätigkeit als Geschäftsführer der Gesellschaft jedenfalls in den Grundzügen bekannt war, nach Erhalt der Geschäftsunterlagen im Dezember 2014 diese zügig durcharbeiten und im Interesse einer Beschleunigung ggf. Beratung in Anspruch nehmen müssen; keinesfalls durfte er die Angelegenheit drei Wochen liegen lassen und in Urlaub gehen. Hätte er fachkundige Beratung in Anspruch genommen, so hätte sich ganze Ausmaß der Krise, wie vom Angeklagten dann erst im März 2015 erkannt, schnell erschlossen und die Insolvenzantragstellung auch aus seiner Sicht spätestens Anfang Februar 2015 erfolgen müssen.

Die allein in Betracht zu ziehende und zu verhängende Geldstrafe war ausgehend von dem oben dargestellten Strafrahmen, unter Heranziehung der Grundsätze der Strafzumessung nach § 46 Abs. 1 und 2 StGB nach Abwägung der Umstände, die für und gegen den Angeklagten sprechen, gegeneinander, mit 30 Tagessätzen zu bemessen. Gegen den Angeklagten spricht der Umstand, dass er die ihm durch den vormaligen Geschäftsführer L. übergebenen Unterlagen hätte zügiger bearbeiten müssen. Für den Angeklagten sprechen insbesondere die der Sache nach geständige Einlassung, der lange zeitliche Abstand zur Tat und der Umstand, dass er sich bis zuletzt aktiv um die Belange der Gesellschaft gekümmert und den vom Gericht im Insolvenzeröffnungsverfahren bestellten Sachverständigen vorbehaltlos unterstützt hat. Die Höhe des Tagessatzes ergibt sich nach § 40 Abs. 1 Satz 2 StGB unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten, wie sie oben festgestellt worden sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 der Strafprozessordnung.